Sehr geehrte Frau Präsiden tin, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Zum Start der Sojabohnenernte besuchte Herr Minis ter Hauk am 22. September die Dachswanger Mühle, einen großen Biolandhof in Umkirch bei Freiburg. Die Familie hat te ihren Hof ursprünglich in Obrigheim und musste – oder konnte – ihren Hof dort verkaufen, weil das AKW zunächst – weiter oben, als es heute steht – direkt auf deren Hof geplant war. Heute wird auf diesem Hof in Umkirch – der Ort Dachs wangen wurde als Wasserburg im Jahr 1320 erstmals erwähnt – mit modernster Technik gearbeitet.
Um die Sojabohnen – ohne Gentechnik und Glyphosat, ganz ohne Chemie zur Düngung oder Unkrautbekämpfung – zu ha cken, fährt der Traktor einmal um das Feld, um es einzumes sen, und fährt dann GPS-gesteuert zentimetergenau durch die Reihen, um rein mechanisch die Sojabohnen vor der Unkraut konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe zu schützen.
Bio ist also nicht von gestern, bio ist in vielerlei Hinsicht die moderne Landwirtschaft. Bei der Anlieferung beim Tofuher steller wird der Siloanhänger per Stecker mit dem System ver bunden, und die Firma Taifun weist selbst die Kammer aus, die entladen werden soll.
„Der Wandel, den die digitale Transformation in der Land wirtschaft letztlich herbeiführen wird, ist noch nicht abseh bar“, schreibt die Regierung in ihrer Stellungnahme zu Zif fer 1 des Antrags. Was jedoch absehbar ist: Auch die zuneh
mende Digitalisierung wird den Strukturwandel eher befeu ern als ihn zu bremsen, weil die Technik Geld kostet, weil durch die Aussicht auf einen – vermeintlichen oder wirklichen – Fortschritt Bauern wieder zum Investieren und Schulden machen gezwungen werden, weil durch die Digitalisierung „Degressionsvorteile größerer Betriebe stärker zum Tragen“ kommen, wie die Regierung in ihrer Stellungnahme zu Zif fer 2 des Antrags schreibt.
So hängt alles zusammen. Der drastische Rückgang der In sekten- und Vogelpopulationen hängt direkt mit der Größe der Felder zusammen – siehe das Interview in der FAZ vom ver gangenen Samstag mit einem auf diesem Gebiet führenden Professor.
Die Größe der Felder hängt direkt mit der Größe der Betrie be zusammen, und die Größe der Betriebe wird ganz stark von der Art, wie die CDU-Landwirtschaftsminister und -ministe rinnen in Bund und Land vor und nach 1992 die Subventio nen verteilt haben, beeinflusst.
Die Grünen im Bundestag haben dazu im Juni eine ganz her vorragende Anfrage gestellt, die von der Regierung sehr de tailliert und aufschlussreich beantwortet wurde. Wer will sich noch wundern, dass die Großen immer größer werden, wenn bundesweit die größten Betriebe – 1 % aller Betriebe – 22 % der gesamten flächenabhängigen Zahlungen bekommen und die oberen 10 % 55 % der 3 Milliarden € an flächenabhängi gen Zahlungen. Wenn die unteren 90 % der Betriebe nur 45 % des Geldes bekommen, ist klar, dass die Großen immer grö ßer werden und die Kleinen durch den Strukturwandel einge hen.
Was uns an der in weiteren Teilen nur beschreibenden Stel lungnahme der Regierung fehlt, ist das eindeutige Bekennt nis, verbunden mit klaren Maßnahmen und Zielen, dass auch kleinere Betriebe am digitalen Wandel teilhaben sollen. Dazu gehört eine klare Aussage zur Breitbandversorgung im länd lichen Raum. Ob Cloudlösung, internetbasierte Expertensys teme oder die Feinsteuerung der GPS-Systeme durch Rech neranbindung – alle sind auf leistungsfähige Datenverbindun gen angewiesen.
Weit konkreter als diese Stellungnahme wird hierzu die Lan desregierung in Rheinland-Pfalz, wenn sie von kostenfreien Bereitstellungen der SAPOS-Daten redet statt lediglich von günstigen Konditionen. Bezüglich einheitlicher Schnittstellen und offener Standards wird die Landesregierung in RheinlandPfalz aufgefordert, für eine zügige datenschutzkonforme Stan dardisierung im Bereich der Datenschnittstellen zu sorgen, während hier nur von „Unterstützung der Wirtschaft“ die Re de ist. Einheitliche Schnittstellen, die für alle Anbieter und Anwender im Sinne von Open Source zugänglich sind, wären die beste Garantie für Innovation bei gleichzeitigem hohen Wettbewerbsgrad und günstigen Preisen.
Es wäre geboten, dass Wirtschafts- und Landwirtschaftsmi nisterium hier zusammenarbeiten, gibt es doch ein Cluster für Schnittstellenstandardisierung in der Agrartechnik.
Das Ministerium darf dem Wandel nicht nur zusehen, sondern sollte den Landwirten in unserem Land, vor allem dem Nach wuchs, hier den Weg freiräumen von zu viel Bürokratie.
Werte Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Wir alle wissen – vielfach haben wir es selbst gespürt; es gibt ja auch Landwirte in diesen Reihen –, dass die Landwirtschaft insgesamt in den zurückliegenden Jahrzehnten einem enormen Strukturwandel unterworfen war, dass aber natürlich auch der technologische Fortschritt in der Landwirtschaft angekommen ist und Nutzen gebracht hat.
Ich finde es eigentlich schön, dass wie in kaum einem ande ren Bereich dieser technologische Wandel auch in Versform oder in Sprüche gefasst worden ist. Es gibt beispielsweise den schönen Spruch:
oder die, die für Traktoren nichts übrig haben, will ich einmal kurz erklären: Schlüter war der Traktor in den Sechziger-, Siebzigerjahren, der einen enormen Fortschritt in der Land wirtschaft gebracht hat – von Maschinen mit nur wenigen PS hin zu 300, 400, 500 PS starken Maschinen auf den Ackerflä chen.
Aber während – das wissen wir auch – beispielsweise Ballen pressen, Dreschmaschinen, Heuwender, Erntemaschinen bis hin zu Vollerntern einen jahrzehntelangen Prozess der Tech nologisierung durchlaufen haben, wird die Arbeit jetzt durch die Digitalisierung zum Teil in einem wesentlich schnelleren Tempo Erleichterung erfahren, und natürlich werden auch in vielen anderen Bereichen Vorteile erzielt.
Ich will ausdrücklich sagen: Im Zuge der Digitalisierung und der weiter fortschreitenden Technologisierung der Wirtschaft, der Verwaltung, der Arbeitswelt müssen natürlich Chancen und Risiken abgewogen werden. Wir wissen ja aus der Dis kussion in der Öffentlichkeit, dass gerade die Risiken immer zu Ängsten führen. Deshalb ist es wichtig, dass wir dies ge rade im Bereich der Landwirtschaft sehr sorgfältig und sach lich miteinander erörtern und abwägen.
Wir sind jedenfalls der Auffassung, dass Effizienzgewinne – auf die kommt es auch in der Landwirtschaft entscheidend an – erzielt werden können, dass die Entwicklung Vorteile mit sich bringt, nicht nur für die Produzenten, für die Landwirte, sondern auch für unsere Umwelt, für den Energieverbrauch.
Die Arbeit kann erleichtert werden. Es ist so wie bei jedem technologischen Sprung, wie bei der Erfindung der Dampf maschine und der Eisenbahn sowie der Nutzung der Elektri zität. Im Bereich der Landwirtschaft, des Forstes, des Garten baus, des Weinbaus überwiegen aus unserer Sicht – das will ich in aller Klarheit sagen – eindeutig die Vorteile und die Chancen, die in der Digitalisierung liegen.
Ich finde, es ist – Kollegen haben ja Beispiele genannt – in der Tat schon faszinierend – manchmal hat es sogar schon den Charakter einer Vorreiterrolle –, wenn ein Traktor quasi auto nom über das Feld fährt. Im Bereich des Automobilbaus, al so für unsere Straßen, wird ja davon geträumt; auf den Acker flächen ist dies tatsächlich Realität – allerdings nicht, wie manche meinen, GPS-gesteuert; denn GPS wäre viel zu un genau und läge nur im Meterbereich, sondern dort ist die Tech nologie schon viel, viel weiter. Es werden alle international zugänglichen Datennavigationssysteme genutzt bis hin zu Re ferenzstationen, die es im Ausland gibt. Also: Die Technik in der Landwirtschaft ist in diesem Segment viel, viel weiter als beispielsweise im Bereich der Automobilanwendung.
Diese Maschinen, diese Traktoren fahren in der Tat zentime tergenau auf dem Acker, auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen und setzen die Pflanzen. Die Technologie, die dann neben der Steuerung noch verbaut ist – das ist besonders be merkenswert –, lässt es heutzutage zu, dass beispielsweise Pflanzenschutz- und Düngemittel nun wirklich quadratmeter genau ausgebracht werden können. Die Technologie, die es heute in diesem Bereich schon gibt, sagt der Maschine bei spielsweise, wie der Ertrag im zurückliegenden Jahr genau auf diesem Quadratmeter aussah, ob der Boden in diesem Jahr entsprechend Unterstützung und Hilfe benötigt und ob die Ar beit optimiert werden kann. Optimierung heißt in diesem Be reich Minimierung von Pflanzenschutzmitteln und genauer Einsatz derjenigen Maßnahmen, die zur Produktion gesunder Lebensmittel notwendig sind.
Es gibt bereits einige Beispiele, meine Damen und Herren – vielleicht haben Sie sie schon gesehen –: Drohnen überflie gen heute schon mit Kamera und entsprechender Sensorik die Weinberge der Winzer, senden Infrarotbilder, machen den Winzer darauf aufmerksam, wo Reben beispielsweise durch Nässe oder durch Trockenheit Stress haben, wo Nährstoffman gel vorhanden ist, wo sich entsprechende Krankheiten schon ausbreiten. All dies könnte der Mensch in der Gesamtheit erst viel später wahrnehmen.
Solche Dinge gibt es bereits – nicht im Alltag, aber in Pilot phasen auf jeden Fall. Besonders beeindruckend finde ich, dass diese größeren Drohnen dann beispielsweise auch in der Lage sind, Weinberge zu spritzen, mit dem Vorteil, dass zu künftig vielleicht auch Steillagen bewirtschaftet werden kön nen, die ansonsten aufgegeben würden.
Also, auch hier, finde ich, gibt es genügend Vorteile, um mit Offenheit, mit Optimismus diese neuen Herausforderungen und das, was Digitalisierung ermöglicht, anzugehen.
Es kommt darauf an, meine Damen und Herren, liebe Kolle ginnen und Kollegen, dass Deutschland hierbei nicht den An schluss verliert. Ich sage dies deshalb, weil Kollegen aus die
ser Runde bereits vor zehn Jahren in Südafrika besichtigen konnten – manche staunend, muss man sagen –, wie es da mals schon möglich war, Kühe, mit entsprechender Sensorik ausgestattet, in die Melkstellen, in die Melkkarussells zu lei ten – richtig stressfrei. Es war wirklich schön, anzuschauen, wie entspannt dort die Kühe den Melkprozess absolvierten. Da war man hier noch längst nicht so weit.
Ja. – In Deutschland und auch in Baden-Württemberg gibt es heute sogar schon die Möglich keit, dass Kühe bestimmen können, wann sie denn gemolken werden. All diese Techniken gibt es.
... dass die Chancen, die ich ge nannt habe, auch im gesellschaftlichen Diskurs begleitet wer den, um Transparenz zu schaffen, um den Verbrauchern die entsprechenden Informationen zu geben. Denn das könnte da zu beitragen, dass Vorurteile, die zum Teil vorhanden sind, Sorgen, Ängste zum Vorteil der Landwirte und der Landwirt schaft insgesamt minimiert werden.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem Landtechnik experten Gall zu sprechen fällt selbst agrarwissenschaftlich orientierten IT-Experten und Ingenieuren schwer. Aber viel leicht sollten Sie den Navigator einmal einigen Frauen im Landesvorstand Ihrer Partei übergeben, damit sie sich orien tieren können und die Linke nicht noch links überholen wol len. Dann werden die Zeiten für die SPD in Baden-Württem berg vielleicht wieder besser.
Meine Damen und Herren, jeder Depp braucht eine App, je der Rollator einen Navigator: Ob wir wollen oder nicht, mei ne Damen und Herren, die Landwirtschaft 4.0 ist die Zukunft, ist die Zukunft in Europa, ist weltweit die Zukunft. Ich finde, es war wirklich gut, dass man dieses Thema hier einmal nicht am Abend, sondern am Morgen anspricht, wenn viele anwe send sind. Die Abgeordneten haben die Bedeutung dieses The mas für die Ernährung, für die Natur, für die Versorgung und die landwirtschaftliche Zukunft mitbekommen. Bei der Re gierungsbank sieht es ein bisschen dünner aus.