Protokoll der Sitzung vom 25.10.2017

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der Grünen und der AfD)

Meine Damen und Herren, „Chancen neuer Technologien in der Landwirtschaft“, das heißt, Ökonomie und Ökologie, na turverbundene und nachhaltige Landwirtschaft zu optimieren, damit zukünftig über acht Milliarden Menschen auf der Welt ernährt werden können. Hier ist Technik wirklich ein Segen.

Wenn man sich heute einen Traktor anschaut, sieht man: Das ist ein fahrender Computer. Ich habe über Jahre die Meister prüfungen in Bayern abgenommen. Wenn man den Traktor von damals mit dem von heute vergleicht, dann ist es so, wie Sie es gesagt haben, Herr Gall: Kaum eine Branche ist so weit in der Anwendung von IT, von Computern, wie die Landwirt schaft. Du musst dich nur noch auf den Traktor setzen; bei ihm ist alles programmiert: Er fährt selbst, er erinnert dich, er minimiert den Einsatz von Dünger. Den Traktor könnten Sie sogar darauf programmieren, die Pflanzenschutzdüse auszu schalten, wenn gerade ein Käfer seine Bahn kreuzt – und das bei 100 km/h über den Acker. Solche Technik haben wir heu te, meine Damen und Herren.

Landwirtschaft 4.0, Smart Farming – meine Damen und Her ren, das heißt optimale Feldbearbeitung, Kraftstoffoptimie rung und -minimierung; das heißt Präzisionsausbringung von Dünger, Pflanzenschutzmitteln, aber auch, im alternativen Landbau, Optimierbarkeit der mechanischen Technik. Das be deutet, man kann mit dem Striegel um jede einzelne Pflanze herumstriegeln. So könnte man sich das heute vorstellen. Das heißt aber auch Einsparen von Arbeitskräften, heißt Präzisi on. Der Kollege hat ja darauf auch schon hingewiesen, was Randstreifen und Ähnliches angeht.

Meine Damen und Herren, Martin Haller, SPD, Marco We ber, FDP, und Pia Schellhammer, Grüne, haben in RheinlandPfalz vor einem Jahr zum Thema „Digitalisierung in der Land wirtschaft“ eine hervorragende Anfrage erarbeitet. Es lohnt sich, dort nachzuschauen.

Ich möchte auch all diejenigen, die sich informieren wollen, auffordern: Schauen Sie sich die Wirklichkeit an. Gehen Sie in der zweiten Novemberwoche auf die Agritechnica in Han nover. Dort gibt es am Dienstagvormittag einen zweistündi gen Rundgang für MdBs und MdLs – nicht für die aufgeklär ten, sondern vor allem für die Romantiker und die, die glau ben, dass Technikfeindlichkeit die landwirtschaftliche Zukunft sei. Meine Damen und Herren, bei diesem Rundgang können Sie sich informieren. Dann sind Sie wirklich auf der Höhe der Zeit.

Es geht darum, die Möglichkeiten dieser Technik zu nutzen und die Realität anzuerkennen. Mit Romantik werden wir die Zukunft der Landwirtschaft, die Ernährung und die Biodiver sität nicht halten können. Das heißt, wir müssen diese Tech nik entsprechend nutzen. Das tun wir. Das müssen wir bei der Meisterausbildung, bei der Fortbildung machen. Das müssen wir aber auch dort machen, wo Pflanzenschutzmittel oder Technik eingesetzt werden. Das muss man unterstützen.

Das heißt, wir brauchen Rahmenbedingungen hierfür. Eine der Rahmenbedingungen – das wurde schon gesagt – ist der Breitbandausbau. Ohne Breitbandversorgung funktioniert nicht einmal die Onlineantragstellung über FIONA. Auch die Kanzlerin hat es ja erkannt: Leider sind wir bei Weitem noch nicht bei den 50 MBit/s angelangt. Viel weiter sind Südkorea, Rumänien, Estland und Schweden.

In Baden-Württemberg ist ein Landwirt, der auf das Feld geht, oft wirklich noch ein Held. Denn wenn er einen 500 m langen Acker hat, besteht für ihn die Gefahr, dass er drei Mal in ein Funkloch fährt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das heißt, hier gilt es, wesentlich mehr zu machen.

Auch die Geodaten sind ein Punkt. Ich habe die Bereitstellung von Geobasis- und Geofachdaten für Landwirte bereits im Ja nuar 2016 in der Kleinen Anfrage Drucksache 15/7954 the matisiert.

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Rheinland-Pfalz hat hier unter Minister Wissing von der FDP eine Vorreiterrolle eingenommen und frühzeitig eine Ressort vereinbarung zur gebührenfreien Weitergabe von Geobasis daten an landwirtschaftliche Betriebe und Erzeugergruppen getroffen. Hier hat Baden-Württemberg, meine Herren Minis ter, meines Erachtens noch Nachholbedarf.

Weiter möchte ich zu den Herausforderungen noch sagen: Die Datensicherheit wurde angesprochen. Eine volle Digitalisie rung der Landwirtschaft ist natürlich auch mit einer Verwund barkeit der Betriebe verbunden, wenn sie mit zentralen Da tenclouds arbeiten. Das heißt, in Zeiten der Cyberkriegsfüh rung, in denen vermutlich sogar Wahlen manipuliert werden, gilt es hier besonders wachsam zu sein.

Dass dies keine Science-Fiction ist, meine Damen und Her ren, ist auch klar. Schauen Sie sich den Bericht des FBI aus dem Jahr 2016 an. Hier gibt es auch noch Dinge nachzuord nen.

Datenschutz: Angesichts der gesammelten Präzisionsdaten ist gerade dies ein ganz wichtiges Thema. Wichtig ist, dass die Landesregierung sieht, dass kleinere Betriebe hier auch Hilfe brauchen. Es gilt also, Lösungen im Bereich Smart Farming in der Agrarinvestitionsförderung stärker zu berücksichtigen.

Bei den Maschinenringen ist Bayern ein Stück weiter. Der Freistaat Bayern gibt für die projektbezogene Förderung der Maschinenringe weitaus mehr aus und unterstützt wesentlich mehr, beispielsweise die Entwicklung von Apps für überbe triebliche Präzisionslandwirtschaft.

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.

Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.

Ja, ich überziehe nur etwa halb so viel wie der Kollege.

Nutzen wir die Chancen. Vertrauen wir der Toleranz, vertrau en wir vor allem den top ausgebildeten Landwirten in unse rem Land. Nutzen wir dies, sorgen wir dafür, dass nicht noch mehr Bevormundung, nicht noch mehr Vorschriften, nicht noch mehr Enteignung kommen, sondern nutzen wir die Chancen dieser Technik im Sinne von Ökonomie und Ökolo gie für uns Menschen, für die Ernährung und für die Natur.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Hauk das Wort.

Hochgeschätzte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns über Landwirt schaft 4.0, Smart Farming und dergleichen mehr unterhalten, dann werden viele sich darunter wenig vorstellen können. Die meisten verbinden mit Landwirtschaft eigentlich noch ein ro mantisierendes Bild – ein Traktor im Morgennebel, im Zwei felsfall der Bauer, der einem Lied entsprechend im März noch die Rösser einspannt, um sie dem Pflug vorzuspannen – und meinen, dies sei die Landwirtschaft und so könne man noch heute effizient und nachhaltig Lebensmittel erzeugen.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das sind unsere Kindheitserinnerungen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einfach ein mal die Schritte der letzten 150 Jahre darstellen und aufzei gen, mit welcher Rasanz sich die Entwicklung vollzogen hat.

Mit der Einführung des Traktors war der erste Schritt gerade getan, nämlich die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Ablösung der Pferde durch mechanische Zugpferde mit Verbrennungsmotor. 1950 kamen die Zapfwellen und damit Hydraulik und Dreipunkt-Kraftheber dazu. Damit wurde der Traktor zur Universalmaschine und war nicht mehr allein nur Zugpferd. Dann kam die dritte Revolution in der Landwirt schaft. Das war die Einführung der Elektronik, z. B. des Melk roboters, eindimensional und noch nicht vernetzt.

Das Entscheidende ist – das ist der vierte Punkt –, dass jetzt die Vernetzung verschiedenster Datenquellen stattfindet und im Prinzip zur Hilfestellung und auch zur Umsetzung land wirtschaftlicher Tätigkeit verwandt wird und dass die Steue rung elektronisch erfolgt. Dazu brauchen wir Rahmenbedin gungen, die schon erwähnt worden sind.

Die erste Rahmenbedingung ist: Wir brauchen ordentliche Funkverbindungen bzw. ordentliche Bandbreiten. Die werden durch die Grundtechnik – Glasfaser – hergestellt. Ich muss einfach einmal sagen, dass wir da in Baden-Württemberg in dieser Legislaturperiode einen gewaltigen Schritt nach vorn kommen. Der Betrag von 1 Milliarde € – das ist ein Wort – ist nicht nur geplant, sondern konkret eingesetzt – vom Haus haltsgesetzgeber noch nicht beschlossen. Aber er wird jetzt im Doppelhaushalt beschlossen werden; die Weichen hierfür sind gestellt. Damit haben wir bei einer guten Ausgangsvor aussetzung – im Unterschied zum Freistaat Bayern, der bei der Frage der Digitalisierung weit, weit hinten liegt – die Chance, bei der Entwicklung der Breitbandabdeckung ganz nach vorn zu kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt, weil er nicht nur, aber auch der Landwirtschaft dienlich ist. Wenn Thomas Strobl im mer wieder sagt: „Wir wollen den letzten Hof erschließen“,

(Zuruf von der CDU)

dann ist das nicht nur symbolisch gemeint. Vielmehr ist da mit auch klar verbunden, dass wir die Technik überall im Land

verfügbar machen müssen. Denn „der letzte Hof“ betrifft nicht nur den Eigentümer und den Nutzer des Hofs, sondern glei chermaßen den Besucher. Es ist völlig klar, dass wir damit auch volle Abdeckungen brauchen und dass ein Traktor eben nicht, wie Kollege Bullinger meint, auf einer Schlaglänge von 500 m drei Mal im Funkloch steckt. Dann nützten die besten Applikationen nichts mehr. Das ist der erste Punkt: die Daten bereitstellung, die Datenvoraussetzungen.

Ich glaube, wenn wir auf diesem Weg voranschreiten, haben wir die Chance – das ist die zweite Herausforderung –, die Technik, die zur Verfügung steht, auch für eine relativ klein räumige und kleinteilige Landwirtschaft verfügbar zu machen.

Es trifft eben nicht zu, wie Sie von der AfD meinen, dass es die Förderpolitik war, sondern es trifft zu, dass die Eigentums strukturen maßgeblich sind für große Schläge und große Hö fe sowie für kleine Betriebe und relativ kleine Schläge.

Unterschiedliche Eigentumsstrukturen sind doch der ganz ent scheidende Punkt. In Norddeutschland gibt es Ein-Erben-Ge biete. Nach der Wende wurden große ehemalige LPGs, also landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, in Genos senschaften überführt. Damit haben wir äußerst unterschied liche Betriebsstrukturen in Deutschland. Und natürlich sind für größere Betriebe die technischen Möglichkeiten eher ver fügbar. Da tritt in der Tat, wie bei allem, ein gewisser Größen degressionseffekt ein; das ist so. Das ist keine wirkliche Neu igkeit.

Aber der entscheidende Punkt ist – das sage ich der AfD, die immer eurokritisch ist –, dass wir mit dem Gemeinschaftspro jekt Galileo die Voraussetzungen in Europa schaffen.

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist ja kein Problem! Das ist etwas Vernünftiges!)

Sie differenzieren bei dem, was sinnvoll ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Was hat das mit dem Euro zu tun?)

So einfach kann man es sich nicht machen. Man sucht sich die Rosinen heraus, was für Europa gerade passt. Dort sind wir dafür, und dort, wo es uns stinkt, sind wir dagegen.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie haben es nicht verstan den!)

Also: Europa ist ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem man sich nicht nur die Rosinen herauspicken kann. Vielmehr muss man Gemeinschaftsleistungen erbringen.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Da werden Sie noch etwas lernen müssen. Zum menschlichen Zusammenleben gehören eben nicht nur die angenehmen Sei ten, die Rechte, sondern auch die Pflichten.

(Abg. Anton Baron AfD: Wahlprogramm lesen!)

Aber der ganz entscheidende Punkt ist, dass wir mit Galileo natürlich eine Satellitendichte erreichen, die in der Tat eine zentimetergenaue oder sogar millimetergenaue Navigation zu

lässt. Sie haben es ja selbst beschrieben: Durch den Striegel bei der Sojaernte – die ich vor wenigen Wochen besucht ha be – ist es in der Tat möglich, zentimetergenau mechanisch und damit auch biologisch Soja anzubauen, weil die Unkraut entfernung maschinell passiert und der Striegel zentimeterge nau die Reihen findet und dann selbststeuernd durch die Rei hen fährt.