Das ist das Schwerste: sich verschenken und wissen, dass man überflüssig ist, sich ganz zu geben und zu denken, dass man wie Rauch ins Nichts zerfließt.
Dir, liebe Selma, rufen wir von hier zu: Für deine Botschaft, für deine Sehnsucht, die du nicht leben konntest, weil dich ein barbarisches Regime ermordet hat, dafür streiten wir. Wir ste hen dafür, dass das keinem anderen Menschen mehr geschieht. Dazu haben wir Buchstaben in die Thorarolle geschrieben. Das ist unser Auftrag. Diesen verfolgen wir mit ganzer Kör perkraft, politischer Leidenschaft und moralischer Intention.
Für die Fraktion GRÜNE erteile ich in der zweiten Runde Herrn Fraktionsvorsitzendem Schwarz das Wort.
Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ich bin den demokratischen Fraktio nen hier im Landtag und auch dem Minister dankbar, dass hier klare Worte gesprochen worden sind. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass vom Landtag von Baden-Württemberg das kla re Signal ausgeht: Rassismus und Diskriminierung werden wir nicht dulden.
Der Kollege Meuthen hat in der gestrigen Debatte für sich in Anspruch genommen, er wolle Oppositionsführer werden.
Versteht sich der Oppositionsführer so, dass er auf seinem Sitzplatz verweilt, während hier eine Aktuelle Debatte läuft, oder warum nehmen Sie hier nicht Stellung? Warum beziehen Sie nicht Position? Das wäre Ihre Aufgabe in der ersten Run de gewesen, Herr Meuthen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD)
Ihre Methode – ich glaube, Herr Professor Reinhart hat das hier klar dargestellt – lautet ja immer: Sie provozieren, Sie re lativieren, und am Ende übernehmen Sie keine Verantwor tung. Heute haben Sie aber nicht einmal relativiert. Herr Ge deon hat hier klar seine rassistische Haltung mit der Hetze ge gen muslimische Zuwanderung vor dem Plenum verkündet. Was ist denn das für eine schäbige Position, die von Ihrer Fraktion hier vorgetragen wird?
Die Scheinheiligkeit des Fraktionsvorsitzenden wird noch deutlicher, wenn man sich anschaut, was Sie in den letzten Ta gen gemacht haben. Sie haben am Treffen des patriotischen Flügels teilgenommen. Sie haben sich mit den Herren Höcke, Poggenburg und Gauland am Kyffhäuser-Denkmal zusam mengesetzt. Wenn das kein Indiz für Ihr wahres Gesicht ist, Herr Professor Meuthen,
(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der AfD: Er ist Bundesvorstand, falls Sie das nicht wis sen!)
Ich fordere Sie auch auf – dazu haben Sie jetzt die Möglich keit –: Distanzieren Sie sich von Herrn Gedeon und Herrn Stein! Diese Handlungen, diese Aussagen, die hier vorgetra gen werden, sind unseres Parlaments nicht würdig, liebe Kol leginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)
Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rülke hat hier in einer Debatte gesprochen, an der mehrere Parteien im politi schen Wettbewerb teilnehmen. Er hat u. a. gesagt, dass es un vertretbar sei, wenn Leute wie Irving und Mahler in dem Buch des Herrn Gedeon den Status eines Dissidenten erlangen. Da raufhin kam während seiner Rede der Einwurf des Kollegen Stein: „Hier ist das Urteil schon gesprochen! Das ist schlim mer als in der Nazizeit!“ Herr Kollege Stein, das ist unsäg lich. Das geht nicht in diesem Parlament!
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU, den Grü nen, der SPD und der FDP/DVP – Glocke des Präsi denten)
Wissen Sie überhaupt, was Sie da sagen? Wissen Sie überhaupt, wenn über den Ho locaust gesprochen wird, dass Abgeordnete im Dritten Reich ins Gefängnis gekommen sind? Und Sie bringen hier einen solchen Vergleich. Distanzieren Sie sich, entschuldigen Sie sich! So etwas kann in diesem Parlament nicht stattfinden. Das ist ja unglaublich.
Natürlich. Ich finde, auch Zwischenfragen der Kollegen von der AfD – das will ich hier auch deutlich sagen – müssen in Debatten zugelassen werden. Auch das gehört zum Parlamentarismus.
Danke schön. – Ich möchte mich für diesen Vergleich entschuldigen, ich möchte aber auch Kritik über Menschen, die hier ohne Prozess verurteilt werden und deshalb – –
(Zuruf: Das ist kein Kollege! Das ist ein Abgeordne ter! – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Einfach ent schuldigen!)
Wissen Sie, Herr Kolle ge Stein, allein der Satz, hier sei es schlimmer als in der Na zizeit, geht nicht. Das ist eines Parlamentariers unwürdig. Das ist Geschichtsvergessenheit. Das kann nicht sein.
(Lebhafte Zurufe von der SPD, u. a.: Diese Masche kennen wir! – Solche Methoden kennen wir! – Und dann relativieren! – Zurufe von den Grünen, u. a. Abg. Hans-Ulrich Sckerl: Eure Methoden kennen wir! – Abg. Sascha Binder SPD: Und dann relativiert! – Zuruf des Abg. Thomas Blenke CDU)
Aber das muss man auch deutlich betonen. Wissen Sie, Herr Kollege Stein, deshalb habe ich vorhin unsere Verfassung zi tiert. Gerade diese freie Verfassung ist ihrer Idee und ihrem Inhalt nach antitotalitär und pluralistisch. Das ist gerade die Konsequenz aus den Erfahrungen mit dem Nationalsozialis mus. Aus diesem Verständnis heraus darf es 70 Jahre nach Kriegsende daran niemals auch nur den kleinsten Abstrich ge ben. Deshalb geht so ein Satz nicht in diesem Parlament.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der AfD: Er hat sich entschuldigt! – Glo cke des Präsidenten)
Wir haben die Pflicht, der historischen Wahrheit ins Auge zu sehen. Ich zitiere hier den verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Er sagte: