Protokoll der Sitzung vom 12.04.2018

Eines dürfen wir nicht vergessen: Wir haben im Land bereits enorme Erfolge bei der Luftreinhaltung zu verzeichnen. Die Feinstaubbelastungen sind deutlich gesunken; manche Städ te haben gar kein Problem mehr.

(Abg. Anton Baron AfD: Weshalb?)

Dort sind die Feinstaubbelastungen dank der Umweltzonen,

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Quatsch!)

die nichts anderes als Fahrbeschränkungen für bestimmte, be sonders dreckige Fahrzeuge sind, deutlich gesunken.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Natürlich! Na klar!)

Auch die Stickoxidbelastungen sind gesunken, aber noch nicht genug. Sie sind vielerorts immer noch zu hoch. Deswegen brauchen wir dringend und schnell wirksame Maßnahmen, die wir bei der Fortschreibung der Luftreinhaltepläne im Land beraten und beschließen werden.

(Beifall bei den Grünen)

Und wir brauchen dringend die blaue Plakette als geeignetes Instrument, um relativ saubere Fahrzeuge von solchen zu un terscheiden, die inakzeptabel viele Schadstoffe ausstoßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schadstoffgrenzwerte sind nicht neu, und sie sind auch keine grüne Erfindung zur Gängelung der Autofahrerinnen und Autofahrer.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident?

Sie dürfen weiterreden. Ich wollte für Ruhe sorgen.

Vielen Dank. – Sie dienen dem Gesundheitsschutz der Menschen, und so sehen es auch die Gerichte. Leider ist es uns noch nicht gelungen, an allen Stellen im Land alle Schadstoffgrenzwerte einzuhal ten. Jetzt aber, da tatsächlich und bald ernsthafte und spürba re Maßnahmen drohen, einfach mal an den Grenzwerten oder den Messpunkten drehen zu wollen, das ist Pippi-Lang strumpf-Politik. Das ist „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt“-Politik.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Baron AfD: Sieben Jahre sind Sie in der Regierung und haben nichts gemacht!)

Ich würde mich ja freuen, wenn Sie konstruktive Beiträge für einen wirksamen – –

(Unruhe)

Sie können sich gern melden und brauchen nicht hier rein zublöken. – Ich würde mich ja freuen, wenn Sie konstruktive Beiträge für einen wirksamen Gesundheitsschutz und eine er folgreiche Luftreinhaltung leisten würden.

(Glocke des Präsidenten)

Denn Polemik und Halbwahrheiten – –

Herr Kollege, lassen Sie die Zwischenfrage des Kollegen Dr. Fiechtner jetzt zu?

Bitte, Herr Fiechtner.

(Abg. Anton Baron AfD: Vorhin haben Sie es nicht zugelassen, und jetzt lassen Sie es zu!)

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage jetzt doch zulassen. – Unser Mi nisterpräsident, Ihr Ministerpräsident Kretschmann hat ein mal sehr eindrucksvoll klargemacht, dass für eine schädliche Wirksamkeit die Dosis relevant ist. Er sagte, man könne sich auch durch einen Sack roher Kartoffeln zu Tode bringen.

Glauben Sie nicht auch, dass dieser weise Spruch des Minis terpräsidenten auch auf Grenzwerte für andere Stoffe anzu wenden ist, sodass diese auf ihre tatsächliche Schädlichkeit zu überprüfen sind und gegebenenfalls auch anzupassen sind, und zwar nicht nur in eine Richtung – nach unten –, sondern gegebenenfalls, wenn man feststellen sollte, dass die jetzige Grenzwertsetzung unsinnig ist und mit reellen Gefahren überhaupt nicht übereinstimmt, auch nach oben – getreu dem Paracelsus-Prinzip:...

(Glocke des Präsidenten – Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Frage!)

Frage!

... „Die Dosis macht das Gift“?

Ist es also nicht sinnvoll, auch hier, z. B. beim Feinstaub, wo es keine Belege für die Schädlichkeit gibt, die Grenzwerte nach oben zu setzen und im Nebenschluss sozusagen eine we sentliche Entlastung in Kauf zu nehmen?

Das kommt darauf an. Bei ionisierender Strahlung haben wir keinen Schwellenwert, ab dem definitiv eine schädliche Wirkung vorhanden ist, son dern man weiß nicht genau, ob nicht schon eine extrem gerin ge, eine einmalige Bestrahlung Krebs auslösen kann. Das heißt, so pauschal und allgemein kann man das nicht sagen. Beim Feinstaub ist die schädliche Wirkung auch bei geringen Dosen, vor allem in der Langzeit und in der Kurzzeit, defini tiv nachgewiesen.

Beim Stickstoffdioxid ist sie bei Kurzzeitbelastung insbeson dere bei an Asthma erkrankten Personen nachgewiesen – ich habe in meinen Unterlagen die entsprechende Expertise. Langfristige epidemiologische Studien sind noch nicht beson ders aussagekräftig. Da brauchen wir einfach mehr Zeit.

Jetzt möchte ich gern zum Ende kommen. Meine Redezeit läuft ab.

Ich würde mich freuen, wenn Sie konstruktive Beiträge für ei nen wirksamen Gesundheitsschutz und eine erfolgreiche Luft reinhaltung leisten würden. Denn Polemik und Halbwahrhei ten sind nicht hilfreich und zeigen nur Ihre Verantwortungs losigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU)

Für die CDU-Fraktion er teile ich dem Kollegen Dr. Schütte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsi dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einmal mehr beschert uns die AfD heute eine Debatte, in der mit reißerischem Na men eigentlich nur eines gesagt wird: Am besten wäre die Welt heute noch genau so, wie sie 1980 war.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Rüdiger Klos AfD: Wo war die CDU damals? – Weitere Zu rufe)

Dass früher allerdings zumindest nicht alles besser war, sieht man an der Reduktion der Schadstoffe in der Luft über die letzten Jahre und Jahrzehnte. Allein seit 2005 ist die Fein staubbelastung am Neckartor um über 35 % reduziert worden.

(Zuruf von der AfD: Also!)

Dank der Politik, des Ausbaus des ÖPNV und der technischen Entwicklung in der Autoindustrie ist es gelungen, den Fein staubgrenzwert klar einzuhalten. Selbst am Neckartor wird die maximal erlaubte Zahl von Überschreitungstagen dieses Jahr vielleicht nicht mehr gerissen.

Die Schlagzeile „Luft in Stuttgart und im Land so sauber wie seit Jahrzehnten nicht mehr“ ist vielleicht nicht reißerisch, sie

macht keine Angst, aber dafür ist sie etwas anderes: faktisch, sachlich und wissenschaftlich richtig.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der AfD)

Was die Gesundheitsgefährdung durch Schadstoffe betrifft, so ist diese für Feinstaub – zumindest halbwegs – nachgewiesen. Für Stickoxide ist der Nachweis, freundlich formuliert, un klar. Es wird nämlich schlicht die Lebenserwartung von Men schen an Stellen mit hoher Stickoxidkonzentration, wie am Neckartor, mit der von Menschen an anderen Orten vergli chen.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Inzwischen rechnet man wenigstens die Raucherquote ein und berücksichtigt die Ernährungs- und Bewegungsgewohnhei ten. Der gleichzeitig vorhandene Feinstaub ist aber viel gra vierender als der Effekt der Stickoxide. Wenn also jemand sagt: „Es gibt Tausende von Toten durch Stickoxide“, dann zeigt er damit nicht, dass es eine Gesundheitsgefährdung gibt, sondern dass er von Statistik keine Ahnung hat.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der AfD – Zuruf: Genau! – Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Das ist aber schwierig!)

Natürlich gehen wir aber auch hier mit den Werten so weit he runter, dass wir die EU-Normen erfüllen: knapp 60 % Reduk tion des Ausstoßes gegenüber 1990 und nur noch wenige Messstellen, an denen der EU-Jahresmittelwert überschritten wird. Allein mit der fortlaufenden Erneuerung der Fahrzeug flotte und den versprochenen Softwareupdates würden 2019 nur noch wenige Messstellen in wenigen Städten in unserem Land die Grenzwerte reißen.

An dieser Stelle ganz kurz etwas zur Dieselnorm: Es mag gu te Gründe geben, ein Elektromobil zu kaufen. Seit Einführung der Euronorm 6d zählt das Argument Stickoxid sicherlich nicht mehr dazu. Denn der Diesel ist jetzt so sauber, dass man damit alle diese Grenzwerte einhalten kann.

Leider hat aber der Staat lange Zeit den Stickoxidausstoß nicht tatsächlich im Verkehr reglementiert, sondern auf einem ganz klar definierten Prüfstand, wo der Ausstoß im Normalfall nied riger ist. Daher gibt es heute selbst Euronorm-6-Diesel – nicht 6d, aber andere –, die tatsächlich mehr ausstoßen als solche der Euronorm 4.