(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Da bin ich ja mal gespannt, wie er begründet, dass ihr früher dafür wart und jetzt nicht!)
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Kern, der Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion erstaunt uns sehr. Vier Tage vor dem Fachtag des Kultusministeriums zum Thema Ganztag bringt Ihre Fraktion einen Gesetzentwurf ins Plenum ein und präsentiert in Anlehnung an den Gesetz entwurf aus dem Jahr 2013 einen – man kann es nicht anders sagen – alten Wein in neuen Schläuchen,
ohne qualitativen Mehrwert und vor allem ohne Finanzie rungsvorschlag – ich habe diesen noch nicht gehört; aber Sie haben ja noch Zeit und können uns dies nachher noch erläu tern.
Bei der Weiterentwicklung der Ganztagsschule gilt es natür lich, einige Balanceakte zu vollziehen. Es gilt hier, die Balan ce zu halten zwischen dem Ziel der maximalen Flexibilität für die Schulen auf der einen Seite und der maximalen Organi sierbarkeit auf der anderen Seite. Gleiches gilt für eine Balan ce zwischen den mannigfaltigen Wünschen in Bezug auf die Ausstattung und der Berücksichtigung, Herr Dr. Kern, der be grenzten Haushaltsmittel.
Dabei dürfen wir das unseres Erachtens Allerwichtigste nicht aus den Augen verlieren: Die Ganztagsschule soll Lebens- und Lernraum für die Schüler sein. Unserer Fraktion ist es ein be sonderes Anliegen, dass der Lebensalltag der Familien und der der Schulen zueinanderpassen. Schüler, Eltern und Schu len brauchen Verlässlichkeit, aber auch Flexibilität.
Neben den Ganztagsschulen bedarf es weiterhin flexibler und modularer Betreuungsangebote. Diese wollen wir ausbauen. Ich danke in diesem Zusammenhang vor allem der Kultusmi
nisterin dafür, dass sie einen sehr breiten Anhörungs- und Di alogprozess initiiert hat. In dessen Fokus standen und stehen noch immer die genannten Fragestellungen.
Am kommenden Montag findet das Ganze seinen Fortgang mit dem Fachtag. Kollege Dr. Kern, ich gehe davon aus, dass Sie sich gerade diesen Termin notieren, damit Sie nicht ver gessen, dabei zu sein.
Weil wir all denjenigen, die wir angehört haben, auch Gehör schenken wollen, kommt es für uns heute nicht infrage, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen – wofür Sie sicher Verständnis haben.
Ein zentrales Ergebnis der Ganztagsgipfel ist die Forderung nach flexiblen, bedarfsgerechten und familienfreundlichen An geboten. Dies unterstützen wir ganz ausdrücklich. Sie haben richtig dargestellt, welche Leitlinien für uns gelten: erstens die rhythmisierte Ganztagsschule mit einem ganztägig ver bindlichen schulischen Angebot, zweitens die Schule mit fle xiblen Betreuungsangeboten – wobei sich das Land natürlich über die Weitergabe von Finanzmitteln am kommunalen Be treuungsangebot beteiligt – und drittens die Schule mit einem unterrichtlichen Kernangebot, die Unterricht ausschließlich gemäß der Kontingentstundentafel anbietet und zugunsten fa milienspezifischer Aktivitäten den Nachmittagsunterricht auf ein Minimum reduziert.
Mit flexiblen nachmittäglichen Betreuungsangeboten in kom munaler Hand – das ist vielleicht wichtig, Kollege Dr. Kern – meint die CDU auch qualitätsvolle Betreuungsangebote.
Die Förderung der Ganztagsschule nach § 4 a des Schulgeset zes soll durch eine auskömmliche Bezuschussung für kom munale Betreuungsgruppen erweitert werden.
Im Sinne der Wahlfreiheit sollen an einem Schulstandort un terschiedliche Angebotsformen parallel bestehen können. Gleich wohl sehen auch wir es so, dass Mischklassen nach Möglich keit zu vermeiden sind.
Die Einbeziehung außerschulischer Partner – Frau Boser hat es angesprochen – und eine damit einhergehende Verzahnung unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Aktivitäten sind aus unserer Sicht eine pädagogisch wertvolle Ergänzung und Unter stützung im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung der Schü lerinnen und Schüler.
Nun genießen Sie, Herr Dr. Kern, in vielerlei Hinsicht auch meine Wertschätzung, aber der Gesetzentwurf offenbart doch einige Schwächen. Wenn Sie die JAKO-O Bildungsstudie an führen, möchte ich darauf hinweisen, dass eine verlässliche diesbezügliche Planung dem Schüler- und Elternwillen in Ba den-Württemberg entsprechen sollte und nicht dem, was auf Bundesebene festgestellt worden ist.
Fazit: Woher kommt das Geld? Sollen wir das als oppositio nelles Tischleindeckdich betrachten? Wir sehen Handlungs
bedarf und befinden uns mit unserem Koalitionspartner in Ab stimmungsgesprächen. Hiermit können wir versichern, dass wir ein vernünftiges Konzept weiterentwickeln und eine Lö sung finden werden, die allen am Schulleben Beteiligten ge recht wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen Abgeordne te! Freiheit ist immer schön und gut. Aber bei der Wahlfrei heit zur Ganztagsschule muss man natürlich auch die Frage betrachten, wer letztendlich die Kosten trägt. Ich möchte das gern auf die grundsätzliche Frage zurückführen: Wer kommt für die Kosten einer nachmittäglichen Kinderbetreuung auf? Die Allgemeinheit, das Land, die Kommune oder die Eltern?
Die SPD macht das mit einem Kunstgriff, indem sie alles als „Schule“ deklariert, als rhythmisiertes Ganztagskonzept; so drückt sie es aus. Damit sind die Kosten von der Allgemein heit, nämlich vom Steuerzahler zu tragen, denn der Staat steht schließlich in der Pflicht, kostenlose Schulbildung für alle be reitstellen zu müssen. Das ist sehr clever, so, wie die Genos sen häufig sehr clever sind,
Kosten der Allgemeinheit aufzudrücken, die eigentlich allge mein sind, aber nicht allgemein entstehen. Das Ganze nennt sich dann soziale Gerechtigkeit.
denn sie muss es den Grünen recht machen. Sie belässt die Ganz tagsbetreuung in der Obhut der kommunalen Horte. Gleich zeitig betreibt sie den Ausbau der Ganztagsschulen weiter. Dummerweise ist der Wähler von dem grünen Konzept der Ganztagsschulen aber nicht ganz so begeistert wie diese selbst.
Nun sollen nach dem Willen der FDP/DVP auch die Schüler aller anderen Schularten – Realschüler, Gymnasiasten – in die Ganztagsschule eingesperrt werden dürfen. Das nennt die FDP/DVP dann Wahlfreiheit.
Ganz bestimmt. – Wahlfreiheit, aber für wen denn? Letzt endlich für die Verantwortlichen vor Ort. Nicht für die Eltern, nicht für die Familien – nein, darum geht es der liberalen FDP/
DVP anscheinend nicht. Es geht ihr um die Verantwortlichen vor Ort. Die sollen – Sie stimmen zu; das ist schön – die Mög lichkeit haben, zu wählen, den Ganztag auszubauen oder eben nicht.
Aber Lehrer und Schulleiter vertreten nun möglicherweise ganz andere Interessen als die Schüler oder die Familien. Wir hatten schon gestern Bemerkungen zu diesem Thema. Der ei ne oder andere ist selbst froh, dass er vom Ganztagsunterricht verschont geblieben ist.
Der Schulleiter will vielleicht seine Schule ausbauen. Ein paar zusätzliche Lehrerstellen tun ihm auch gut, und es geht dann eben leichter mit der Ganztagsbetreuung.
Was sagt ein Bürgermeister dazu? Nun, er will zeigen, was er Tolles auf die Beine stellen kann, und ein schöner Ganztags schulbau ziert die Gemeinde ungemein – überhaupt dann, wenn er den kommunalen Hort selbst bezahlen müsste, und den Ganztag zahlt bekanntlich das Land.
Aber ehrlichkeitshalber wollen wir zuerst klären, ob es Auf gabe des Staates ist, hier für die Kosten aufzukommen oder nicht. Dass wir nicht allzu viel vom Zwang zur Ganztagsschu le halten, dürfte sich herumgesprochen haben. Wir wissen aber auch – da brauchen Sie, Frau Boser, keine Sorge zu haben –, dass es Standorte, Gelegenheiten, Konstellationen gibt, bei denen die Eltern auf die Nachmittagsbetreuung angewiesen sind. Es gibt natürlich gute Gründe, die Kosten für die Betreu ung der Kinder nicht allein den Eltern aufzubürden.
Aus diesem Grund sollte das Land alles tun, die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Aber nur aus diesem Grund die Ganztagsschule auszubauen halten wir für den falschen Weg.