Der Vergleich zwischen der offenen Ganztagsschule und ei nem gebundenen Ganztag ist schön und gut, aber er greift deutlich zu kurz. Man muss zwischen der offenen Ganztags schule und kommunalen Betreuungsangeboten vergleichen. Da möchte ich wieder auf die Sprache hinweisen. Was heißt Horte, was heißt kommunale Betreuung? Das klingt schon nach gehortet, nach Aufbewahrung. Das will niemand. „Of fenes Ganztagsangebot“ klingt ja viel besser.
Schule ist heutzutage ein offenes Angebot, das die Schüler freiwillig annehmen, und wenn es nur offen genug ist, dann ist es richtig hübsch.
Meine Damen und Herren, wir wollen zum Kern der Dinge vordringen und ganz konkret vergleichen, was besser ist. Wir wissen: Nicht schulische Betreuungsangebote sind zeitlich fle xibler als eine Schule, die einfach mittags zwei, drei Stunden zusätzlich Unterricht anbietet. Da sehen wir den Gesetzent wurf der FDP/DVP sehr kritisch.
Der Vergleich zwischen Hort und Ganztagsschule bezüglich Kosten und Nutzen, bezüglich der Qualität der Betreuung und der Frage, ob diese den Notwendigkeiten des modernen Le bens entgegenkommt, ist schwer zu führen. Deswegen wol len wir genau beobachten, wie die Eltern abstimmen. Es wird eine Abstimmung mit den Füßen bleiben.
Jawohl, ich komme zum Schluss. – Und dann sollten wir diese so bevorzugten Betreuungsan gebote entsprechend fördern und bevorzugen.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Lieber Timm Kern, danke für die Ehrlichkeit. Ich hatte vorhin schon gedacht, ich sei irgend wie im falschen Jahr gelandet: „Und täglich grüßt das Mur meltier“. Die Rede haben wir ja schon öfter gehört. Wir war ten heute auch noch, bis – –
(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Wiederholung ist ein wichtiges pädagogisches Prinzip! – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist durchaus richtig!)
Ja, genau. Deswegen antworte ich auch ähnlich, wie wir an dieser Stelle auch schon öfter debattiert haben.
Vorab: Wir warten natürlich mit Interesse auf das neue Kon zept der Landesregierung – auch mit einem gewissen Bauch weh. Ich glaube in der Tat, dass da sicherlich auch manches an Diskurs ansteht.
Heute geht es um den Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion. So leid es mir tut, aber dieser Entwurf ist unseres Erachtens nichts anderes als ein Etikettenschwindel.
Denn dort, wo Ganztag, Wahlfreiheit und Gerechtigkeit drauf steht, ist bei Ihnen alles Mögliche drin, nur eben kein echter Ganztag, keine größere Wahlfreiheit und schon gar keine Ge rechtigkeit.
Erstens: Was ist eigentlich ganztags? Sie wollen ein Angebot „offenen Ganztag“ nennen, das nach den von Ihnen beschrie benen Rahmenbedingungen nur Betreuung sein kann.
Ihr Bestreben als Marketingmensch vielleicht ist an dieser Stelle durchaus verständlich, denn „Ganztag“ klingt nach Qualität. Der Begriff „Ganztag“ verspricht Leistungssteige rung und Chancengerechtigkeit. Mein Kollege Daniel Born hat gestern überzeugend ausgeführt, unter welchen Vorausset zungen diese positiven Effekte laut wissenschaftlichen Studi en zum Tragen kommen: rhythmisierter Tagesablauf und re gelmäßige Teilnahme.
Ihre sogenannte offene Ganztagsschule kann diese Qualitäts standards aber nicht erfüllen, denn sie sieht Unterricht am Vor mittag für alle und freiwillige Angebote für manche am Nach mittag vor.
Die Landesregierung geht da übrigens in eine ähnliche Rich tung, aber sie nennt dieses Format bislang wenigstens „Be treuung“. Bei Ihnen dagegen: Etikettenschwindel pur.
Was ist eigentlich Wahlfreiheit? Es ist schlichtweg falsch, wenn Sie behaupten, Ihr Gesetzentwurf bedeute mehr Wahl freiheit. Bereits jetzt kann sich eine Schule dafür entscheiden, Ganztagsschule zu sein oder Halbtagsschule mit Betreuung. Entsprechend können auch die Eltern einen Schulstandort mit dem für sie passenden Angebot wählen.
Einen Zugewinn an Wahlfreiheit bietet Ihr Vorschlag also nicht – es sei denn, es geht allein um die Frage, ob die Finan zierung von Land oder Kommune getragen wird. Die Betreu ung nach der Halbtagsschule bezahlt nämlich bislang die Kommune, nicht das Land.
Darüber kann man diskutieren, aber nicht unter der Über schrift „Wahlfreiheit“. Denn das ist fadenscheinig.
Sie wollen Millionen Euro in ein Modell investieren, das kei nen Qualitätszuwachs bewirkt. Die heutige Ganztagsschule nach Schulgesetz kostet, aber sie liefert eben auch einen ent sprechenden Qualitätszuwachs. Sie dagegen geben unseres Erachtens Qualität schlichtweg auf.
Letzter Punkt: Was ist eigentlich Gerechtigkeit? Auch die SPD möchte, dass die weiterführenden Schulen ins Schulgesetz aufgenommen werden und einen Ganztagsbetrieb einrichten können. Der Gemeinschaftsschule nun aber das Element Ganz tag zu nehmen hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
Gerechtigkeit bedeutet nicht, alle Schularten gleich zu behan deln, sondern, sie so auszustatten, dass sie ihrem jeweiligen Bildungsauftrag auch gerecht werden können.
Das Konzept der Gemeinschaftsschule basiert auf dem rhyth misierten Tagesablauf, es gründet sich schlichtweg auf der Ganztagsschule.
Viele Eltern haben übrigens genau deswegen diese Schule für ihre Kinder ausgesucht und sie dort angemeldet. Würden Sie
wirklich Wert auf Wahlfreiheit legen, lieber Kollege Kern, würden Sie diese Elternentscheidung respektieren und würde ihre Fraktion die immer wieder auftauchenden trotzigen At tacken gegen die Gemeinschaftsschule endlich einstellen.
Statt Wahlfreiheit produzieren Sie Planungsunsicherheit. Die Entscheidung über die Teilnahme der Kinder am offenen Ganztagsangebot soll jedes Schulhalbjahr neu getroffen wer den, die Schulleitungen und die Schulverwaltungen müssen also jedes Schulhalbjahr umplanen. Wie soll das denn funkti onieren?
Überlegen Sie einmal, was passiert, wenn sich viele Schulen in einem ganzen Bundesland jedes Halbjahr umentscheiden. Sollen Lehrkräfte dann halbjährlich zwischen Schulstandor ten hin und her geschoben werden?
Die Implikationen für außerschulische Partner sind ebenso dramatisch. Der bereits vom Schulgesetz derzeit vorgesehe ne Planungshorizont von einem Jahr ist vielen Vereinen und Verbänden viel zu knapp. Ihr Vorschlag könnte schlichtweg das Aus für Kooperationen zwischen Schule und Verein be deuten.
Nein, wir müssen uns alle entscheiden, wo wir in dem Spek trum zwischen maximaler Flexibilität und Qualität beim The ma Ganztagsschule stehen wollen. Es gibt nicht die Ganztags schule, die beiden Ansprüchen gleichermaßen gerecht wird. Unsere Priorität, die Priorität der SPD, liegt klar aufseiten der Qualität. Sie dagegen setzen auf ein Sammelsurium aus Zu ständigkeiten, Rechenmodellen, Abwägen mit der Haushalts lage – irgendwie so ein Bällebad für alle.
Für die SPD dagegen erkläre ich klar: Chancengerechtigkeit ist das klare Ziel unserer Bildungspolitik. Wer das genauso sieht, kann den Gesetzentwurf der FDP/DVP wirklich nur ab lehnen.
Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja gestern schon festgestellt, dass sich im Vorfeld des Fachtags Ganztagsschu le am kommenden Montag, zu dem das Kultusministerium eingeladen hat – in Nachfolge der zwei Ganztagsgipfel –, die Debatten hier im Landtag zum Thema Ganztagsschule häu fen, weil die Oppositionsfraktionen im Vorfeld des Fachtags entsprechend wahrgenommen werden wollen.