Mit der aktuellen Agrarpolitik – das wissen wir – ist eigent lich niemand so richtig zufrieden – die Landwirte nicht, weil die Fördermaßnahmen im Augenblick in der ersten und in der zweiten Säule sehr unterschiedlich sind, die Naturschützer nicht, weil bei Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt in den agrarischen Intensivregionen bisher nicht der Erfolg erzielt worden ist, den man sich wünscht, und auch die Wissenschaft ler nicht. Dabei muss ich sagen: Wenn ich mir bei den Wis senschaftlern die Szene anschaue, sehe ich da die extremsten Unterschiede. Ich glaube, da wäre mancher Wissenschaftler gut beraten, auch einmal wieder auf einen Bauernhof zu ge hen, um zu sehen, was die Familien dort vor Ort tatsächlich leisten und mit welchen Problemen sie kämpfen. Dazu braucht man nicht irgendwelche theorisierende Seminare an Univer sitäten.
Jetzt geht mein Blick aber vor allem noch zur Verwaltung. Herr Minister, da muss ich sagen, auch die Verwaltung braucht dringend Regeln, damit man das alles umsetzen kann. Dieser Bürokratismus! Der Ansatz ist zwar schon ganz gut, aber ich sehe noch nicht, dass man wirklich weniger Bürokratie hat. Es wäre wirklich ein großartiger Erfolg, wenn man hier bei einer Reform oder auch bei einer Fortschreibung weniger Bü rokratie hinbekäme.
Man spricht auch von einem Deckel im Gesamtbereich der Finanzierung – jawohl. Aber man muss auch die Ausgestal tung in der zweiten Säule sehen. Ich bin mit allen Rednern hier einig, dass es darum geht, die Leistungen besser zu ho norieren, aber die Grundsicherung des Einkommens insbeson dere auch von kleinen und mittleren Betrieben – kleine und mittlere Betriebe muss nicht 20, 50 oder 100 ha heißen, son dern das geht nach der Leistungsfähigkeit des Betriebs – auf grund der Wettbewerbssituation im Blick zu behalten. Die dür fen am Anfang auch durchaus Geld für die Grundsicherung und die Leistungen bekommen. Bloß müssen wir die Degres sion so gestalten, dass es unten für diejenigen, die überleben wollen und überleben können, auch wirklich spürbar mehr gibt.
Zur Wiesbadener Erklärung des Bauernverbands könnte ich noch einiges sagen. Entscheidend ist für mich aber, was im Europaparlament kommt. Kommt die Deckelung? Bekommt die Kommission das Geld, um auch uns die Möglichkeit zu geben, mehr für die zweite Säule auszugeben? Bekommen wir den Freiraum – darum geht es –, auch regional etwas dazuge ben zu dürfen, den Spielraum, den wir für die Regionalisie rung, für die Vor-Ort-Finanzierung haben und auch brauchen? Da ist das Geld ja auch da. Das müssen wir, glaube ich, mit verhandeln. Sonst ist die gesamte Ausrichtung der Gemeinsa men Agrarpolitik, glaube ich, fehl am Platz.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wir begleiten also den Fin dungsprozess für die zukünftige Gemeinsame Agrarpolitik, und zwar zum Wohl der Landwirtschaft hier vor Ort, aber auch für die gesamte Branche in Deutschland. Da müssen wir, die süddeutschen Länder, uns aber auch hüten, zu glauben, dass wir das, was wir bei uns machen, auch in Nordrhein-Westfa len oder Schleswig-Holstein machen können. Da sind andere Bedingungen. Da braucht es diesen Freiraum, diese Subsidi arität – wir sprechen in Europa immer von Subsidiarität; das gilt auch in der Regionalpolitik und in der Auskleidung von europäischen Maßnahmen.
Wie gesagt, wir, die Freien Demokraten, sehen hier eine Rie senchance. Wir sollten es nicht überstürzen. Mir ist es lieber, die warten bis nach der Europawahl und geben dann ein ver nünftiges Bild ab, sodass man dann nicht nur sieben Jahre, sondern die nächsten zehn Jahre weiß, wo es langgeht. Das wäre viel besser.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Geschichte der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union reicht bis 1957 zurück, weil die Ag rarpolitik als einziger Bereich, der heute noch von nennens werter Bedeutung ist, dem Gemeinschaftsrecht vollkommen unterworfen wurde. Das hat man damals, und zwar unter ganz anderen Voraussetzungen, als Klammer genommen. Denn da mals gab es in Europa noch Hungersnot; zumindest war die Ernährung nicht ausreichend abgesichert. Man wollte die Ag rarpolitik und damit die Sicherstellung der Ernährung als vor dringliches Thema Europas vorantreiben.
Das hat dann Blüten getrieben. Die Blüten sind vor allem in der Subventionierung zu finden. Es wurden nämlich Produkt subventionen vorgenommen, und diese Produktsubventionen haben – die Älteren von Ihnen wissen das alle noch – dazu ge führt, dass Kühlhäuser voll mit Rindfleisch und Speicher voll mit Getreide waren – das Getreide wurde auf Halde produ ziert – und dergleichen mehr.
Daraufhin hat die Europäische Union – wie ich meine, zu Recht – die Förderung letztlich auf eine Flächenförderung um gestellt. Denn das Entscheidende ist nicht das Produkt, das am Ende herauskommt – das Produkt ist heute kein Problem mehr; die Ernährung ist sichergestellt –, sondern der Beitrag der Landwirtschaft für den Raum, in dem wir leben, der dar in besteht, dass sie die Fläche bewirtschaftet, und zwar land wirtschaftlich bewirtschaftet.
Das war ein richtiger Ansatz. Dort stehen wir noch immer. Ei ner der Vorredner hat vorhin zu Recht angesprochen, dass die landwirtschaftlichen Preise, die derzeit am Markt erzielt wer den, für die Produktion nicht auskömmlich sind. Da man ei ne Fläche nicht einfach wegdiskutieren kann und da man auch nicht sagen kann, die Fläche soll einfach brachfallen, weil sie dann bewalden würde – das kann man als Förster zwar wol len, aber das kann nicht die Zielsetzung sein –, brauchen wir eine Bewirtschaftung der Fläche. Deshalb sagt auch die Eu ropäische Union nach wie vor: Überall in Europa wird es auch weiterhin Unterstützungsmaßnahmen geben, damit die Flä chenbewirtschaftung flächendeckend erhalten bleibt. Das ist der Ansatz dafür. Dieser Ansatz ist zweifelsohne immer noch richtig. Es unterscheidet sich bei manchem fast nur noch in Nuancen. Da geht es darum, ob man bestimmte Leistungen, die on top gemacht werden sollen, an bestimmte Formen der Flächenbewirtschaftung koppelt oder ob man die Flächenbe wirtschaftung als solche akzeptiert.
Herr Kollege Stein, zur AfD muss ich sagen: Die Frage der Verteilung der Mittel ist kein europäisches Problem. Sie wa ren mit dem Ausschuss in Irland. In Irland ist es ganz klar; da gibt es eine Kappung. Bei 200 000 € pro Betrieb ist Schluss. Damit ist das Thema erledigt. Das hätte man in Deutschland auch schon einführen können, wenn es dafür eine Mehrheit im Deutschen Bundestag gegeben hätte.
Diese hat es aber weder zu schwarz-gelben noch zu schwarzroten Zeiten gegeben; und es hat sie auch nicht zu schwarzgrünen Zeiten gegeben.
Sie hat es auch nicht zu rot-grünen Zeiten gegeben, obwohl es damals eine grüne Bundeslandwirtschaftsministerin gab, die doch einige fortschrittliche Dinge wie das Thema Ent kopplung eingeführt hat. Aber an diesen Bereich hat sie sich auch nicht getraut, weil sie wusste – Kollege Burger hat schon darauf hingewiesen –, dass daran Betriebe im Osten hängen, bei denen man nicht einfach morgen den Geldhahn zudrehen kann.
(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Am Prenz lauer Berg! – Abg. Dr. Rainer Balzer AfD begibt sich zu einem Saalmikrofon.)
Vielen Dank für die Unterstüt zung, Herr Minister. Ich nehme an, Sie lassen die Zwischen frage des Abg. Dr. Balzer zu.
Das nehme ich auch an und be danke mich dafür. – Herr Minister, wenn ich mich richtig er innere, ist die CDU schon sehr, sehr lange im Bund an der Re gierung. Soweit ich weiß, ist das ungefähr seit dem Zweiten Weltkrieg der Fall.
Meine Frage lautet jetzt: Wenn diese Obergrenze nun als rich tig erkannt wurde, wann wird sie eingeführt? In dieser Legis laturperiode? Oder gar nie?
Um es klar zu sagen: Wir aus unserer Struktur heraus erkennen das als richtig an. Deshalb stehe ich zu dem Thema „Kappung und Degression“. Ich habe damit überhaupt kein Problem.
Ich verfolge das auch. Aber ich sage Ihnen ganz klar: Ihre Kol legen von der AfD in Thüringen und von der AfD in Sachsen bekämpfen das Thema, weil sie wissen – –
Ja, natürlich! Sie haben mit Kappung und Degression über haupt nichts am Hut, weil sie wissen, dass die ehemaligen LPGs, die heute große Genossenschaften etc. sind, damit er hebliche Probleme haben werden. Das ist das eigentliche Pro
blem. Das ist keine Frage von Parteien; es ist eine Frage der Regionen, eine Frage, die davon abhängt, woher man kommt.
Ich sage ganz offen: Bei uns betrifft das auch nicht viele Be triebe. Das ist letztlich ein überschaubarer Rahmen. Aber das hat mit Europa zunächst mal gar nichts zu tun. Die Frage, die sich jetzt stellt, lautet – und das ist eine europäische Frage –: Wie wird denn die Agrarpolitik überhaupt ausgestattet, und welche Ziele hat sie?
Kollege Hahn hat vorhin darauf hingewiesen: Die Ziele der Europäischen Union in der Agrarpolitik haben sich deutlich erweitert. Darüber bin ich froh, weil erstmals auch die Teile Erwähnung finden, die wir bisher halt so mitgemacht haben. Das gilt für das Thema Klimaschutz, das Thema Biodiversi tät; aber das Thema „Einkommenssicherung und Einkom mensstabilität im ländlichen Raum“ ist für die Bauern, die die Bewirtschaftung betreiben, mindestens genauso wichtig.
Eine weitere Zielsetzung ist die Frage neuer Techniken wie die Digitalisierung. Kollege Hahn und Kollege Dr. Rapp ha ben es angesprochen: Das Thema Digitalisierung, das vor al lem für eine umweltfreundliche Landbewirtschaftung und ei ne umweltschonende Landbewirtschaftung – übrigens auch für das Tierwohl – eine ganz zentrale Bedeutung hat, ist eben so Teil der Zielsetzung. Jetzt kann man sich von einer Zielset zung nicht ernähren, sondern es ist die Frage: Wie wird das am Ende operationalisiert? Da wird es jetzt spannend.
Darüber, wie die Zielsetzung operationalisiert wird, streiten sich jetzt die Geister. Der Agrarkommissar der Europäischen Union sagt jetzt auch nicht klar: „So oder so könnten wir es machen.“ Er lässt Spielräume übrig.
Spielräume bestehen z. B. insoweit, als die erste Säule im Zweisäulensystem fortbesteht. Das kann man auch anders se hen, aber ich begrüße es ausdrücklich. Dann sagen viele: Dann muss auch die erste Säule, die im Wesentlichen zur Einkom mensstabilisierung dient, mit Auflagen versehen werden. Ich sage Ihnen ganz offen: Dieser Meinung bin ich nicht.
Wenn wir das nämlich machen, wird die Bürokratie für die Landwirte und für die Verwaltung immens hoch.
Deshalb bin ich für eine klare Entflechtung von erster Säule und zweiter Säule. Alles, was an Auflagen kommt, muss im Prinzip über die zweite Säule kommen, und die erste Säule sollte möglichst entfrachtet werden. Ich würde dafür auch ei nen geringeren Sockelbetrag in der ersten Säule in Kauf neh men; das sage ich ganz offen.
Da bin ich sofort dabei, zu sagen: Wir machen nur noch 150 € Sockelbetrag und bieten dafür eine riesenstarke zweite Säule an. Das wäre mit mir gut zu machen.