Protokoll der Sitzung vom 11.10.2018

Die Vollerhebungen sollten Sie nicht so lächerlich machen wollen; die daraus gewonnenen Daten sind für uns wichtig. Es werden weitere folgen, und dann kann man auch ein ent sprechendes Maßnahmenpaket treffen. Das haben wir ge macht. Wir haben Teilzeiterhöhung ermöglicht, wir haben Ver setzungen in Mangelregionen vorgenommen, wir haben pen sionierte Lehrkräfte reaktiviert, und wir haben Gymnasialleh rer dazu animiert, zeitlich befristet in den Grundschulen zu arbeiten.

Wir, die CDU-Fraktion, werden vor allem auch einen Punkt in die Diskussion einbringen und leidenschaftlich mit allen Beteiligten diskutieren: Ich nenne bewusst das Stichwort Le bensarbeitszeitkonto. Wir müssen darüber nachdenken, wie die einzelne Schule mehr Handlungsspielraum bekommt, um entsprechende Engpässe zu überwinden.

Im Übrigen sind wir den Lehrkräften sehr dankbar, dass sie viel dazu beitragen, dass Unterrichtsausfall aktuell vermieden werden kann. Das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sa gen – nicht nur als ehemaliger Lehrer, sondern als betroffener Politiker.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Fazit vorerst: Die derzeitige Unterrichtsversorgung kann uns selbstverständlich nicht zufriedenstellen. Die Ministerin sagt das immer wieder. Aus diesem Grund hat eine verlässliche Unterrichtsversorgung höchste Priorität für uns, die beiden Koalitionspartner.

Wir haben – Frau Boser hat es gesagt – keinen Stellenman gel, sondern wir haben einen Bewerbermangel. Diesen müs sen wir vor allem fachbezogen abmildern.

Deswegen haben wir im dargelegten Sinn gehandelt. Wir ha ben – ich sage es nochmals: ob die Prognose richtig war oder nicht – die falsche Weichenstellung beendet, haben Umkeh rungen eingeleitet und sind jetzt auf einem guten Weg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Balzer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Ein Schüler, ein Gymnasiast, klagt über Unterrichtsausfall – un gewöhnlich genug.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Für einen Schüler, meinen Sie?)

Ja. – Wenn ab und zu Unterricht ausfällt, freuen sich nor malerweise die Schüler. Hier verklagt ein Schüler sogar mit hilfe seiner Eltern das Kultusministerium. Offensichtlich fällt etwas zu viel Unterricht aus, zu viel für jemanden, der lernen will. Offenbar hat hier die Landesregierung das Vertrauen der Eltern verspielt. Offenbar glauben die Eltern nicht mehr, dass alles getan wird, um das Elementare, die Unterrichtsversor gung, zu gewährleisten.

Der Gymnasiast aus Stuttgart hat Unterrichtsausfälle akribisch notiert. Seine Eltern klagen nun und werden von der Arbeits

gemeinschaft der Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungs bezirk Stuttgart unterstützt.

Ein Präzedenzfall oder nur die Spitze des Eisbergs? Danke für den Hinweis. Wer ist verantwortlich? Herr Ministerpräsident, Regieren ist schließlich eine Stilfrage. Und dass die SPD die se Debatte beantragt, ist starker Tobak, richtig frech. Denn Sie, die Sozialdemokraten, sind dafür mitverantwortlich. Mit Ihnen, der SPD, ist die damalige, grün-rote Landesregierung für diese Misere ursächlich verantwortlich.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Sie haben in der vergangenen Legislaturperiode den zukünf tigen Lehrerbedarf kleingerechnet. Ich war damals noch Leh rer; ich habe es sehr genau im Visier. Sie haben das Ansehen der Lehrer, die Autorität der Lehrer untergraben. Die Lehrer seien Mimosen, zu starr, nicht offen für Neues, so der leider jetzt nicht anwesende ehemalige Kultusminister Stoch. Und heute: Lernbegleiter.

Linke Spät-68er haben oft ein Problem mit Autoritäten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Aus dem gestörten Verhältnis zur deutschen Kultur und zur deutschen Tradition kommt die Vorliebe, das zu zerstören, was weltweit als Inbegriff der humanistischen Tradition in Deutsch land bekannt ist: das Gymnasium. Dabei gilt doch: Regieren ist eine Stilfrage, wie der Ministerpräsident gern sagt.

Diese Politik der vergangenen Legislaturperiode ist angesichts der Pensionierungen, die jetzt kommen oder schon laufen, kaum mehr auszugleichen. Die Schüler müssen das ausbaden. Die Frage ist nur: Welche Schüler, welche Schüler an welchen Schulen, an welchen Schularten? Der geneigte Beobachter kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Unterrichts versorgung an Gymnasien und in den beruflichen Schulen zu gunsten der Unterrichtsversorgung an Ganztagsschulen ver nachlässigt wird. Ich hoffe, das ist nicht der Fall.

(Abg. Sandra Boser GRÜNE: Einfach mal sagen!)

Eine Vernachlässigung der Besten, lieber Herr Staatssekretär, darf ja wohl nicht wahr sein; natürlich nicht.

Wird hier möglicherweise deutlich, dass Schule für einige po litische Parteien mehr die Aufgabe der Betreuung zufällt als die Aufgabe der Vorbereitung auf eine erfolgreiche Berufstä tigkeit? Sie nennen das dann „Lebensraum Schule“. Wir, die Alternative für Deutschland, fordern eine bessere Unterrichts versorgung, insbesondere, aber natürlich nicht nur am Gym nasium.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Dass jetzt ausgerechnet ein Schüler des Gymnasiums klagt, ist kein Zufall. Denn die meisten Schüler im Gymnasium wol len lernen, und sie erwarten auch, dass sie optimal vorberei tet werden auf das erste Semester des Hochschulstudiums – Hochschulreife nennt sich das –, und zwar insbesondere auch in den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften. Genau da – Kollege Röhm hat es sehr schön ausgeführt – fehlen die Bewerber.

Eine genauere Betrachtung ergibt jetzt im konkreten Fall: Der Gymnasialschüler und seine Eltern klagen wegen einer Be nachteiligung. Benachteiligung gegenüber wem? Gegenüber den Schülern, bei denen kein Unterricht ausfällt.

Da frage ich an dieser Stelle wiederum Grün-Rot: Wer hat das Gymnasium in der vergangenen Legislaturperiode zugunsten der Gemeinschaftsschule geschwächt? Grün-Rot. Ein billiges Spiel, liebe Kollegen von der SPD, ein Ablenkungsmanöver. Herr Fulst-Blei, wer hat die Schülerprognosen kleingerech net? Wer hat damals andere Prioritäten gesetzt als Unterrichts versorgung? Schöne Sahnehäubchen waren Inklusion von be hinderten Kindern, Integration, Ganztagsschule. All dies war der SPD und den Grünen offenbar wichtiger als das tägliche Lernen und Arbeiten in der Schule.

(Beifall bei der AfD)

Die Folgen zeigen sich jetzt. Diese Maßnahmen waren schön und sind auch sinnvoll, aber sie sind nicht kostenlos, und sie gehen zulasten dessen, was eigentlich die notwendige Basis der Schule ist und hätte bleiben müssen, nämlich des regel mäßig stattfindenden Unterrichts an den allgemeinbildenden Schulen. Da gibt es noch ein schönes Bonmot eines Schullei ters: „Der beste Unterricht ist der, der stattfindet.“ Ganz ein fach!

Die Inklusion erfordert das Zweipädagogenmodell. Sie wis sen das. 600 Stellen wurden dafür geschaffen. Warum ist das jetzt auf die Schnelle am Gymnasium nicht möglich? Die Ant wort liegt auf der Hand: weil die Bewerber fehlen. Insbeson dere für Mathematik und in den Naturwissenschaften brau chen wir eine Stärkung der Unterrichtsversorgung, doch das ist eben kein grün-rotes Projekt gewesen.

Der Forderung der Arbeitsgemeinschaft der Elternvertretun gen nach Unterrichtsversorgung mit einer Einsatzreserve ist nur zuzustimmen. Im Zuge der Haushaltsplanberatungen ha ben wir, die AfD-Fraktion, für Mangelfächer wie beispiels weise Mathematik Zulagen gefordert, ebenso Zulagen für ei ne Mangelregion; Sie erinnern sich. Natürlich ist es nicht ein fach, so etwas umzusetzen; das weiß ich schon auch. In unse ren Anträgen haben wir auch eine höhere Krankheitsvertre tungsreserve gefordert.

Ein weiteres Problem ist die Entlassung von Referendaren und angestellten Lehrkräften in den Sommerferien. Das ist eine Missachtung gut ausgebildeter Fachkräfte. Die gehen dann eben nach Bayern oder nach Rheinland-Pfalz oder nach Hes sen. In NRW werden die Nachwuchslehrer übrigens über die Sommerferien weiterbeschäftigt, sofern sie im Jahr davor 39 Wochen Unterricht gegeben haben oder ab dem 1. Februar an gestellt waren. Insofern jetzt tatsächlich Dank an die SPDFraktion für die sinnvolle Anfrage.

Zur Landesregierung: Bei der Digitalisierung ist leider sehr viel Aktionismus seitens der Landesregierung dabei gewesen. „Ella“, die schöne teure Dame – Nutzen eher gering, Kosten eher hoch. 8 Millionen € Steuergeld verbrannt. Dafür ist min destens ein Untersuchungsausschuss mehr als fällig.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt das neue Projekt: Die Rolle der Schulaufsicht soll ge schärft und gestärkt werden. Herr Staatssekretär, da hätten Sie

doch im Ministerium das zweistufige Verfahren der Bewer tung durch die Schulaufsicht belassen oder wieder neu ein führen sollen. Dass die qualitativ wertvolle Beratung der Lehr kräfte durch den Fachberater entfallen ist, hat negative Fol gen für den Unterricht, und das war abzusehen. Die Schullei tung als das fast einzige beförderungsrelevante Element in Be urteilungen hat naturgemäß auch andere wichtige Kriterien im Fokus. Sie wissen doch selbst: Profilierung durch die „Ope rativ Eigenständige Schule“, OES genannt. Oder das Projekt „Systematisches Leitbild“.

Jetzt setzen wir noch eines obendrauf: Ein strategisches Ge samtkonzept für ein systematisches Bildungsmonitoring und eine datengestützte Qualitätsentwicklung sollen eingeführt werden – eine weitere Gängelung der Lehrerschaft im Inter esse internationaler Lobbyverbände, die sogenannte Vergleich barkeit internationaler Art. Die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, grüßt und freut sich darüber. Der Abschied von der Kultushoheit naht in großen Schritten, befürchte ich.

Das frühere Landesinstitut für Erziehung und Unterricht wur de vor Jahren zum Landesinstitut für Schulentwicklung, und heuer soll dann ein neues Zentrum für Schulqualität und Leh rerbildung alles richten, die Schulen beraten und Unterrichts materialien erarbeiten. Die Landesakademie für Lehrerfort bildung in Esslingen und andere Standorte wurden zur GmbH. Und was soll heuer daraus werden? Regieren ist eine Stilfra ge und eine Frage des Umgangs miteinander. Ein Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg möchte die Kultusmi nisterin bilden, anstatt zuallererst einmal die Unterrichtsver sorgung zu gewährleisten. Ich frage: Ist das Ehrgeiz oder Pro filierungssucht? Das darf doch nicht wahr sein!

Natürlich kann und muss man schlechte Leistungen zum An lass für Verbesserungsprozesse nehmen. Aber neue Instituti onen zu gründen, die dann wieder mit abgeordneten Lehrkräf ten bestückt werden, die dann im Unterricht fehlen, kann nicht sinnvoll sein.

(Beifall bei der AfD)

Mehr Ruhe an den Schulen, mehr regelmäßiger Unterricht mit klarer Leistungsvorgabe und weniger politische Tagträumerei wären der von uns dringend empfohlene Weg.

(Beifall bei der AfD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Kern.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Es muss ja in der Tat schon wirklich sehr weit gekommen sein, wenn Eltern von Schülerinnen und Schülern an Gymnasien in ihrer Verzweiflung zum Mittel ei ner Klage greifen.

Die erste sogenannte Vollerhebung des Unterrichtsausfalls im Juni 2018 ergab für die Gymnasien, dass bei 12,7 % des Un terrichts die originär zuständige Lehrkraft abwesend war; da von wurden 6,1 % vertreten und 6,6 % fielen aus.

Äußerst gern blickt die Kultusministerin – der Kollege Röhm hat das ja heute auch gemacht – bei solchen Gelegenheiten in

den Rückspiegel. Zweifellos gehen auch schwere Versäum nisse auf das Konto der ehemaligen, grün-roten Landesregie rung. Aber – da zitiere ich den Kollegen Fulst-Blei – der ge betsmühlenartige Verweis der Kultusministerin auf die Vor gängerregierung verkommt immer mehr zum Ritual der Hilf losigkeit und ersetzt das eigene Regierungshandeln nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD)

Die Unterrichtsversorgung dürfte die entscheidende Stellgrö ße in der Erfolgs- oder eben Misserfolgsbilanz dieser Kultus ministerin werden.