Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Meine Damen und Herren, zu einigen Aspekten des Paktes – ich habe ihn, wahrscheinlich im Gegensatz zu vielen anderen, gerade hier in diesem Block, gelesen –: Es gibt berechtigte Kritik zum allgemeinen Tenor des Migrationspakts, der Mig ration wirklich sehr positiv umschreibt und auf viele Chancen der Migration eingeht, aber nur wenig zu den damit verbun denen Herausforderungen sagt. Daher rührt auch die Sorge Österreichs, dass praktisch jegliche Migration legalisiert wür de

(Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Sagen Sie mal was zur Zensur!)

oder dass eine Unterzeichnung als generelle Einladung ver standen werden könnte. Das wollen wir nicht,

(Zuruf von der AfD: Ja, Sie wollen das nicht!)

und da wäre eine bessere sprachliche Ausgewogenheit sicher gut gewesen.

Eine kritische Passage gibt es im Dokument auch zur Erleich terung der Familienzusammenführung. Die Familienzusam menführung soll für Migranten auf allen Qualifikationsniveaus erleichtert werden. Ich denke, dass die gegenwärtige Vorge hensweise mit einem begrenzten Familiennachzug für subsi diär Schutzbedürftige hier bei uns human, sinnvoll sowie ins gesamt ausreichend und angemessen ist.

(Zuruf von der AfD: Punkt 17! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Ich sage es noch einmal: Der Migrationspakt ist kein allge meingültiges Recht auf Migration. Deutschland behält defini tiv seine Souveränität in Migrationsfragen.

(Unruhe bei der AfD)

Auf der anderen Seite aber – das muss man hervorheben – ent hält der Migrationspakt sinnvolle Vereinbarungen zur grenz überschreitenden Bekämpfung des Schleuserwesens und für ein koordiniertes Grenzmanagement.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Welche Grenzen? – Wei tere Zurufe von der AfD – Unruhe)

Besonders bedeutend sind die Passagen zur Bekämpfung von Fluchtursachen und zur Rückkehr- und Reintegrationspolitik. Nachteilige Triebkräfte, die Menschen zum Verlassen ihres Heimatlands bewegen, sollen minimiert werden. Deshalb möch ten die unterzeichnenden Länder Investitionen in den Her kunftsländern befördern, um dann vor Ort die Voraussetzun gen dafür zu schaffen, dass die Menschen dort durch Bildung, Arbeit und Rechtsstaatlichkeit ihr Leben bestreiten können. Hierfür engagiert sich Deutschland schon lange; wir werden unter Punkt 9 unserer heutigen Tagesordnung ja noch über die Afrikastrategie des Landes debattieren.

Wenn der Pakt andere Nationen dazu bewegt, verstärkt in die se Richtung zu gehen, dann ist das gut und richtig. Durch Be stimmungen in der Vereinbarung werden verschiedene Ziele vereinbart, die uns die Rückführung von Menschen ohne Blei berecht erleichtern. So ist vorgesehen, die Zusammenarbeit bei Rückkehr und Wiederaufnahme zu verbessern. Die Unter zeichner der Vereinbarung bekräftigen ihre völkerrechtliche Rücknahmeverpflichtung gegenüber ihren eigenen Staatsan gehörigen – eigentlich etwas Richtiges.

(Unruhe bei der AfD)

Diese Rücknahme von Staatsangehörigen ist in der Praxis häu fig schwieriger, als sie sein sollte. Deshalb wird diese Passa ge ausdrücklich begrüßt. Sie trägt zur besseren Rückkehr- und Reintegrationspolitik bei. Hier hat die Bundespolitik, die Bun desregierung wirklich gut verhandelt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

In dieselbe Richtung geht die Zielvereinbarung, dass Migran ten über einen Identitätsausweis verfügen sollen. Das Fehlen von Identitätsnachweisen und die Beschaffung von Ersatzpa pieren erschweren die Rückführung nach einem negativen Asylverfahren häufig enorm. Darum ist die grundsätzliche Be reitschaft aller UN-Mitgliedsstaaten, Staatsangehörige stets mit Identitätsausweisen auszustatten, eine wichtige Grundlage.

(Abg. Anton Baron AfD: Tätowieren, oder was?)

Im Ergebnis komme ich zum selben Schluss wie gestern die CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Insgesamt überwiegt das In teresse Deutschlands am Zustandekommen des UN-Migrati onspakts die kritischen Punkte.

(Abg. Stefan Herre AfD: In keinster Weise! – Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

Deutschland sollte selbstbewusst genug sein, Migration selbst gestalten zu wollen. Ich bin davon überzeugt, dass die demo kratischen Parteien in den deutschen Parlamenten das genau so sehen.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Es gibt ja nur noch eine!)

Bei Ihnen reichen schon die Stichworte „Migration“ und „In ternationale Zusammenarbeit“, um reflexartig Angstvorstel lungen auszulösen.

(Beifall bei der CDU, den Grünen und der SPD so wie Abgeordneten der FDP/DVP)

Mit Angst macht man aber keine konstruktive Politik. Mit Angst kann man Migration nicht ordnen und steuern. Das geht

nur mit Mut und Sachverstand. Deshalb brauchen wir über den EU-Migrationspakt eine tatsächlich inhaltliche Debatte und keine Angstmacherei mit bloßen Worthülsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Zuruf von der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Abg. Wölfle das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Der UN-Migrationspakt, genauer der Glo bale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, ist seit Wochen das Aufregerthema der AfD, denn für die AfD bietet dieser Pakt einmal mehr die Gelegenheit, ihr Giftsüpp chen zu kochen und die Menschen in unserem Land mit ab surden Verdrehungen hinters Licht zu führen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Udo Stein AfD: Deshalb unterschreiben es viele Länder ja nicht! – Weitere Zurufe von der AfD)

Alice Weidel entwirft bereits genüsslich Horrorszenarien. Sie sagt, in Europa werde bald kein Stein mehr auf dem anderen stehen, millionenfache Einwanderung von Afrika nach Euro pa stehe bevor, und alle Migranten hätten dann die gleichen Rechte wie die Ursprungsbevölkerung.

(Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)

Weidel behauptet weiter, die Afrikaner würden massenhaft in unsere Sozialsysteme einfallen,

(Abg. Bernd Gögel AfD: Wohin denn sonst? – Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Das passiert doch schon! – Abg. Stefan Räpple AfD: Das ist doch längst so!)

mit schrecklichen Folgen für uns alle. Sie spricht davon, die Migranten würden „hineingemerkelt“.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der AfD: Genau!)

Jörg Meuthen darf natürlich auch seine Meinung kundtun, und diese lautet, Merkel wolle Migranten weltweit den Zugang nach Deutschland ermöglichen. Markus Frohnmaier spricht von einem rechtlichen Korsett für das angebliche Chaos von Merkel.

Um der ganzen Sache noch einen gewissen Kick zu geben, schaltet die sogenannte Alternative eine eigene Internetseite mit einem Countdown, welcher am 10. Dezember endet; das ist der Tag der Unterzeichnung. Damit will man deutlich ma chen: Ab dem 10. Dezember beginnt hier das absolute Chaos.

(Abg. Emil Sänze AfD: Das ist ja schon da, das Chaos! – Gegenruf von der SPD: Warum macht ihr dann die Uhr? – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Ab diesem Zeitpunkt werde das von der AfD kolportierte „Umvolkungsprogramm“ starten. Unseriöser und verlogener kann eine Partei überhaupt nicht agieren.

(Beifall bei der SPD, den Grünen und der CDU so wie Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Bernd Gö gel AfD: Erzählen Sie das mal Ihren Restwählern!)

Mit dieser Strategie soll der Öffentlichkeit vermittelt werden, es handle sich um einen geheimen Plan zur „Umvolkung“ des Abendlands.

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Wenn es uns nicht gäbe, wäre er geheim!)

Man meint, wenn man diese abstrusen Behauptungen nur lan ge genug wiederhole, würden die Leute es irgendwann ein mal glauben. Nichts davon ist wahr, wie auch aus den Ant worten der Bundesregierung auf entsprechende Bundestags anfragen der AfD hervorgeht.

Wahr ist jedoch, dass sich die AfD hier wieder einmal mit al len möglichen Verschwörungstheoretikern dieser Welt gemein macht und sich mit diesen absurden Äußerungen zugleich in die illustre Gesellschaft von den USA, Ungarn, Österreich und Polen einreiht.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abg. Anton Ba ron AfD: Ah!)

Frau Abg. Wölfle, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. – Hier hat diese verkürzte und einseitige Argumentation natürlich voll gefruchtet.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Sie argumentieren gar nicht!)

Dabei gehen die Halb- und Unwahrheiten, die hier verbreitet werden, völlig an dem vorbei, was dieser Pakt tatsächlich be wirkt,