Protokoll der Sitzung vom 21.11.2018

Dort findet eine Lizenz- und Schutzjagd auf den Wolf statt, und dort sind übrigens auch Rentierbewirtschaftungsgebiete ausgezeichnet, bei denen man sagt: Dort sind Wölfe nicht er wünscht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, während andere han deln, steht in Baden-Württemberg der Streit im Vordergrund – der Streit innerhalb der Landesregierung, Untersteller ge gen Hauk. Ja, Hauk wurde von Minister Untersteller regel recht vorgeführt, und die CDU hat sich das gefallen lassen. Beispielsweise wurde in der Arbeitsgruppe „Wolf“ mit Rhein land-Pfalz, Saarland und Hessen, die Minister Untersteller ja mit initiiert hat, Minister Hauk nicht einmal mit eingebunden.

Das zeigt sich auch, wenn wir die Reden hier hören. Kollege Haser spricht hier und greift viele Punkte auf, die völlig rich tig sind. Es sind die Grünen, die dazu nicht applaudieren.

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch und Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Es ist völlig klar: Hier gibt es innerhalb der Landesregierung einen riesengroßen Dissens.

Was ist die Folge dieses dilettantischen Vorgehens? Frust – Frust bei den Tierhaltern, die zunächst einmal Sorge um ihre Tiere haben, die Belastungen durch den Herdenschutz haben, die Angst vor haftungsrechtlichen Fragen haben, wenn ein mal eine Schafherde oder eine Kuhherde durchgeht. Über all das haben Sie eben gerade gar nicht gesprochen.

Herr Kollege Rösler, Sie sind vorhin auf das Thema Herden schutz eingegangen und haben gelobt, wie toll das mit den Herdenschutzhunden hier laufe. Das ist halt nicht immer so. Das große Risiko ist tatsächlich: Wenn wir viele Herden schutzhunde haben, dann brauchen Jogger zukünftig vielleicht keine Angst vor dem Wolf zu haben – aber definitiv vor dem Herdenschutzhund, Herr Kollege.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Nein! Keine Ah nung, Herr Kollege! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ NE: Wir machen mal eine Hundeexkursion mit Ih nen! Sie haben wirklich keine Ahnung!)

Deswegen gibt es hier – ganz klar – nicht die goldene Lösung. Man kann nicht sagen: Wir brauchen nur Herdenschutzhun de, und dann ist alles in Ordnung. Sehen Sie den Problemen ins Auge!

Nun scheinen zumindest Teile der Grünen in der Landesregie rung einen vorsichtigen Kursschwenk einzuläuten, indem ge sagt wird, man könne die Wolfspopulation möglicherweise auch regulieren, solange sich der Wolf noch in Anhang IV be findet. Die FFH-Richtlinie hatte es den Nationalstaaten tat sächlich auch in der Vergangenheit schon ermöglicht, die Wolfspopulation in einem gewissen Rahmen zu regulieren; dies wurde nur nicht wahrgenommen.

Herr Kollege Haser, ich finde es einfach nicht richtig, dass Sie das Spiel mitmachen, den Schwarzen Peter nach Brüssel zu schieben. Das stimmt einfach nicht. Es hätte schon vorher ei ne Regulierung der Population stattfinden können.

Deswegen wiederhole ich unsere Forderung: Der Wolf muss ins Jagdrecht; wir brauchen eine Wolfsverordnung, und es muss darauf hingearbeitet werden, dass der Wolf entsprechend vom Anhang IV in den Anhang V gehoben wird.

Zum Titel der heutigen Aktuellen Debatte sage ich Ihnen ganz konkret: Europa hat sich in Bezug auf den Wolf eben nicht be wegt und musste dies auch gar nicht. Aber Sie haben erst jetzt, nachdem Sie jahrelang gepennt haben,

(Abg. Raimund Haser CDU: Jetzt ist es im Parla ment!)

kapiert, dass auch im Rahmen der geltenden FFH-Richtlinie eine Regulierung des Wolfsbestands stattfinden kann. Ich kann Ihnen nur raten: Kommen Sie in die Puschen, sorgen Sie da für, dass der Frust im Land in Bezug auf den Wolf aufhört. Machen Sie Ihre Arbeit!

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle ginnen und Kollegen Abgeordnete! Wenn man wie ich am Rande der Schwäbischen Alb wohnt und hin und wieder am Wochenende auf der Schwäbischen Alb wandern geht, weiß man, welch wertvoller Beitrag mit der traditionellen Weide tierhaltung auf der Schwäbischen Alb wie auch in anderen Tei len des Landes geleistet wird. Die berühmten und wunder schönen Wacholderheiden etwa würde es ohne die lange Tra dition der Schäferei auf der Schwäbischen Alb – laut der Dok torarbeit meines Staatssekretärs gibt es diese dort schon über 4 000 Jahre – nicht geben.

Unsere Kulturlandschaften in Baden-Württemberg sind letzt endlich zu einem Großteil das Ergebnis von menschlicher Be wirtschaftung – im Wesentlichen durch Bäuerinnen und Bau ern bzw. durch die Weidetierhaltung –, und sie sind, wie wir alle wissen, bis zum heutigen Tag – ich sage: Gott sei Dank – prägend für unser Land. Sie sind wertvolle Lebensräume, sie sind reich an Arten und deshalb sehr wichtig für die Biodiver sität in unserem Land. Ohne die traditionelle Weidetierhaltung wäre das alles nicht möglich. Wir haben den Weidetierhaltern in unserem Land sehr viel zu verdanken; denn sie halten die Landschaft offen. Sie pflegen damit unsere Kulturlandschaf ten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wollen wir die Wacholderweiden auf der Alb, wollen wir die Magerrasen auf der Alb, oder wollen wir die Borstgrasrasen im Schwarzwald und andere für die biologische Vielfalt in un serem typischen Landschaftsbild bedeutsame Lebensräume erhalten, dann müssen wir die Weidetierhalter in unserem Land auch angemessen unterstützen – oder, anders gesagt: Die Weidetierhaltung muss Zukunft haben.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Fakt ist aber, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Weidetierhaltung hat schon seit Längerem mit Problemen zu kämpfen. Sie sind teilweise angesprochen worden: Preisver fall bei Fleisch, Preisverfall bei Wolle, Zerschneidung unse rer Landschaften, was es erschwert, die Wanderschäferei wei ter in der gewohnten Form zu betreiben, bis hin zur Alters struktur der Schäferinnen und Schäfer. Man könnte weitere Themen nennen.

Hinzu kommt jetzt mit der Rückkehr des Wolfes nach BadenWürttemberg eine weitere Herausforderung. Hier sind viele Zahlen gefallen, wo überall wie viele Wölfe vorkommen. Ich will die Zahlen nicht bewerten.

(Abg. Udo Stein AfD: Ihre eigenen!)

Ich will trotzdem noch mal betonen: Nachgewiesen – Stand heute – ist ein Wolf, der im Raum Wildbad sesshaft geworden ist. Einer ist mehr als null. Deshalb muss man sich damit aus einandersetzen.

Trotzdem will ich noch einmal betonen, über was wir hier ge genwärtig reden. Herr Kollege Rülke, Sie haben gefragt: Wie ist es im Saarland? Wenn man weiß, wie viel so ein Wolf wan dert, kann man sagen: Wenn er morgens reingeht und wan

dert, ist er mittags schon durch. So klein ist das Saarland. – Das nur nebenbei.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Regionen, in de nen Wölfe vorkommen, sind Maßnahmen zum Herdenschutz – ich denke, das hat sich mittlerweile herumgesprochen, und das ist auch unwidersprochen – unverzichtbar. Die Erfahrun gen anderer Länder zeigen – Kollege Rösler hat vorhin eini ge Beispiele genannt –, dass die Anzahl der Nutztierrisse ganz entscheidend von der Qualität der ergriffenen Herdenschutz maßnahmen abhängt. Die Größe des Wolfsbestands spielt üb rigens in diesem Zusammenhang letztlich eine untergeordne te Rolle. Herdenschutzmaßnahmen sind entscheidend für das Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wolf. Genau dieses Nebeneinander – ob es uns passt oder nicht – müssen wir letzt endlich ermöglichen.

(Zuruf von der AfD: Das müssen wir nicht!)

Wir brauchen die Weidetierhalter in unserem Land zur Offen haltung der Landschaft, insbesondere der Steillagen; ich ha be versucht, das deutlich zu machen. Aber um es noch mal zu sagen: Der Wolf ist, ob es mir passt oder nicht, nun mal streng geschützt.

(Zuruf von der AfD: Das kann man ändern!)

In einem ersten Schritt hat das Umweltministerium die För derkulisse Wolfsprävention ausgewiesen. Innerhalb dieser Förderkulisse übernimmt das Land aktuell 90 % der Netto kosten für technische Mittel, die Schaf-, Ziegen- und Gehe gewildtierhaltern für Herdenschutzmaßnahmen entstehen. Auch der Unterhalt von Herdenschutzhunden kann mit einer jährli chen Pauschale von gegenwärtig rund 1 950 € pro Jahr geför dert werden.

Ein Teil der durch den Wolf entstehenden zusätzlichen Kos ten zum Herdenschutz konnte bisher vom Land nicht über nommen werden. Wir haben uns daher gemeinsam – das ist vorhin kurz angesprochen worden – mit dem Bundesumwelt ministerium, mit anderen Länderkolleginnen und -kollegen in Gesprächen bei der EU-Kommission in den letzten Monaten dafür eingesetzt, dass eine hundertprozentige Förderung von Herdenschutzmaßnahmen ermöglicht wird. Und dies haben wir, meine Damen und Herren – es freut mich, dass ich das heute sagen kann –, mit Erfolg getan.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die EU-Kommission hat am 8. November eine Änderung der Rahmenregelung für staatliche Beihilfen im Agrar- und Forst sektor bekannt gegeben. Danach können Investitionen in Her denschutzmaßnahmen nun zu 100 % durch die Länder finan ziert werden, ohne dass dies als unzulässige Beihilfe gewer tet würde.

Aktuell prüfen wir, wie die neuen Fördermöglichkeiten im Land nun möglichst rasch umgesetzt werden können. Und ne ben den Investitionskosten – das ist kurz angesprochen wor den, auch von Ihnen, Herr Kollege Haser – trägt natürlich auch der erhöhte Arbeitsaufwand zu den Gesamtkosten beim Her denschutz bei.

Das Umweltministerium arbeitet daher an einer Gesamtkon zeption zur Förderung des Herdenschutzes, die auch den er höhten Arbeitsaufwand mit berücksichtigen soll, soweit uns dies dann auch im Rahmen der EU-rechtlichen Regelungen zukünftig möglich ist. Das will ich heute hier ausdrücklich an kündigen.

Wir wollen die erreichten Zugeständnisse der Kommission, wie gesagt, so schnell wie möglich bei den Weidetierhaltern ankommen lassen.

Meine Damen und Herren, hart bleibt die EU-Kommission al lerdings bisher hinsichtlich Vorstößen zur Umstufung des Wolfes von Anhang IV – Klammer auf, mit meinen Worten: streng geschützt – in Anhang V – auch mit meinen Worten: jagdbar – der FFH-Richtlinie. Sie hat wiederholt erklärt, dass eine Änderung der FFH-Richtlinie – – Herr Abg. Dr. Rösler hat darauf hingewiesen: Vor drei Jahren gab es einen umfas senden Prozess; u. a. 550 000 Bürgerinnen und Bürger der EU haben sich daran beteiligt.

(Zuruf des Abg. Klaus Dürr AfD)

Anschließend wurde eine Entscheidung getroffen, nämlich die FFH-Richtlinie, die Vogelschutzrichtlinie zu belassen. Die EU-Kommission hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bereit ist – auch im Zusam menhang mit dem Wolf übrigens –, die FFH-Richtlinie zu än dern.

Für den Abschuss einzelner auffälliger Wölfe – das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen – ist die Umstufung übri gens auch nicht erforderlich, da in der FFH-Richtlinie bereits Ausnahmegründe zur Entnahme – ich nehme diesen Begriff jetzt einmal; man kann auch „abschießen“ sagen – des Wol fes aufgeführt sind:

Erstens: Es ist völlig unstrittig, dass den Menschen gegenüber auffällige Wölfe im Interesse der Gesundheit des Menschen sowie der öffentlichen Sicherheit getötet werden können. Herr Kollege Haser, Sie haben vorhin das Beispiel gebracht: „Ich will nicht erleben, dass ein solcher Wolf einem Kindergarten nahe kommt.“ Das kann ich zunächst einmal nachvollziehen. Aber wir erleben gegenwärtig – um auch dies einmal zu sa gen – in Baden-Württemberg pro Jahr rund 1 200 Angriffe von Hunden auf Menschen.

(Abg. Udo Stein AfD: Also!)

Viele Menschen wurden dabei schwer verletzt; einzelne An griffe sind in den letzten Jahren auch tödlich verlaufen. War um sage ich das?

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Wir haben in den letzten Jahrzehnten noch nicht erlebt – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Mitteleuropa –, dass es einen Angriff von Wölfen auf Menschen gegeben hätte.

(Abg. Udo Stein AfD: Das stimmt doch überhaupt nicht!)