Protokoll der Sitzung vom 28.11.2018

(Beifall bei der SPD – Abg. Raimund Haser CDU meldet sich.)

Herr Ministerpräsident, hinter der Aussage „Wir brauchen mehr Mittel“ mache ich drei Ausrufezeichen. Aber dann müs sen Sie sich hier hinstellen und erklären, wie Sie im Landes haushalt im Rahmen der Mittel, die Sie verteilen, auch prio risieren können und wie Sie vor allem auch im Verhältnis zu den Kommunen die Mittel zur Verfügung stellen wollen, die Sie jetzt vom Bund jedenfalls nicht haben wollen. Denn nur zu sagen: „Aus Bedenken verfassungsrechtlicher Art will ich dieses Geld nicht“, ist dann nur der halbe Weg. Wenn Sie glaubwürdig und wahrhaftig sein wollen, müssen Sie den Län dern und den Kommunen hier eine Antwort geben, wie Sie dieses Geld für diese Investition aus Landesmitteln schultern wollen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

Herr Abg. Stoch, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Haser zu?

(Minister Franz Untersteller: Wo hat er denn gesagt, dass er das Geld nicht nimmt? – Vereinzelt Heiterkeit – Gegenruf: Die ganze Zeit!)

Lieber Franz, jetzt hören wir einmal ein bisschen zu.

Moment!

Herr Stoch, eine kleine Ver ständnisfrage zu dem Punkt, den Sie vorher genannt haben. Sie haben das IZBB-Programm angesprochen, im Rahmen dessen in den Jahren 2003 bis 2009 4 Milliarden € bereitge stellt wurden. Dazu bedurfte es keiner Grundgesetzänderung. Was ist der Unterschied zu heute?

(Beifall des Abg. Thomas Poreski GRÜNE)

Lieber Herr Kollege Haser, nach der Föderalismuskommission 2006 wurde das Thema „Finan zierung von Bildungsausgaben“ neu geregelt. Deswegen ist die Frage der Bildungsinfrastrukturausgaben heute in einer anderen verfassungsrechtlichen Lage. Daher kommen wir überhaupt zu dieser Diskussion und auch zu dem Bestreben des Bundes. Eigentlich ist das in sich logisch.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, wir brauchen mehr Mittel. Sie haben es hier deutlich gemacht. Gleichzeitig sagen Sie: „Wir warten nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“ Das ist auch ein Zi tat aus Ihrer Rede. Mit Verlaub, wenn man im parlamentari schen Verfahren über den Bundesrat deutlich macht, dass man es so jedenfalls nicht will, dann kann man doch nicht den an deren, die das Verfahren vorantreiben wollen, vorwerfen, dass sich das Verfahren verzögert, wenn man selbst derjenige ist, der im Bremserhäuschen sitzt. Glauben Sie eigentlich, dass Sie die Menschen da draußen für dumm verkaufen können? Sie sind doch schuld, wenn es an dieser Stelle nicht vorwärts geht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Wenn Sie mit einer anderen Verteilung der Steuermittel argu mentieren: Mit Verlaub, Artikel 106 ist als Instrument bekannt. Ja, ich glaube, jeder in den Landesparlamenten, auch hier in Baden-Württemberg, ist dafür, dass die Länder für die gestie genen Ausgaben einen höheren Anteil an den Steuermitteln bekommen. Aber – jetzt kommen wir wieder zum Thema Glaubwürdigkeit – dann brauchen Sie eine Mehrheit für die se Position.

(Zuruf: Genau!)

Sie haben weder in Ihrer grünen Partei dafür eine Mehrheit, noch haben Sie offensichtlich unter den Vertretern der ande ren Bundesländer, schon gar nicht auf der Ebene der Bundes politik, eine Mehrheit. Also müssen Sie doch, wenn Sie die sen Weg gehen wollen, nicht nur als Märtyrer hier stehen, son dern Sie müssen sich aufraffen, müssen politische Mehrhei ten schmieden, müssen Ihre eigene Partei überzeugen, sonst ist doch alles das, was hier passiert, nur heiße Luft.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Dann kommt noch diese Nummer vom goldenen Zügel. Ich glaube, den haben Sie angesprochen, Herr Kollege Reinhart. Also, jetzt mal ganz vorsichtig: Wir haben das Verhältnis Bund/Länder. Ja, die Länder brauchen im Rahmen der föde ralen Ordnung – das gebietet auch der Respekt vor der Eigen staatlichkeit der Länder – eigene Mittel, über die sie selbst in eigener Hoheit entscheiden können.

Aber jetzt fragen wir uns doch einmal, wie Sie mit den Kom munen umgehen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Also, mit Verlaub: Wer als Erstes in dieser Legislaturperiode in einer Zeit, in der es kein strukturelles Defizit im Haushalt mehr gab, den Kommunen aus der freien Verfügungsmasse 300 Millionen € wegnimmt, um es ihnen dann über Pro grämmchen wieder mundgerecht zurückzugeben, der braucht nicht hier zu stehen und die Politik des goldenen Zügels an zuprangern, der praktiziert sie nämlich selbst.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommen wir einmal zu der von mir eingangs zitierten Änderungsformulierung des Gesetzentwurfs. Jetzt zitiere ich gern schon einmal aus dem Schreiben, das die Bundestags fraktionen der Grünen und der FDP an die Bundeskanzlerin, Frau Merkel, geschickt haben, um die Grünen noch einmal darauf hinzuweisen, dass ihre Position am heutigen Tag viel leicht nicht die höchstglaubwürdige ist.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Wie so oft!)

Es gibt eine ausgehandelte Position zwischen SPD, CDU und CSU, die war klar, die war umrissen, die war begrenzt. In dem Brief der Grünen und der FDP, u. a. unterzeichnet von Frau Göring-Eckardt und Herrn Hofreiter, wird folgende Aussage getroffen:

Neben den geplanten Investitionen müssen daher natio nale Bildungsstandards und deren verbindliche Umset zung sowie die Schaffung inklusiver Bildungs- und flä chendeckender Ganztagsangebote unter Beteiligung des Bundes möglich werden.

(Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD)

Meine lieben Damen und Herren von den Grünen, wer im Bund mit einer klar umgrenzten, die föderale Ordnung nicht infrage stellenden Formulierung nicht zufrieden ist, sondern eine Formulierung möchte, die dazu geeignet ist, die Abgren zung zwischen Land und Bund tatsächlich aufzuweichen, der kann doch nicht hier hinstehen und sich als Retter des Föde ralismus aufspielen. Sie müssen doch erst einmal in Ihrer grü nen Partei für Ordnung sorgen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf: Bravo!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, auf Bundesebene stehen am morgigen Tag u. a. die zweite und dritte Lesung des Gesetzes zur Errichtung des Sondervermögens „Digitale Infrastruktur“ an. Dabei geht es insbesondere um die Finanzausstattung, die Förderung des Breitbandausbaus und die Umsetzung des Digitalpakts Schu le. Ich hoffe, dass diese Gesetze durch den Bundestag gehen werden. Ich hoffe, dass wir am Freitag über den Bundesrat zu einem „Gute Kita“-Gesetz kommen, da wir in ganz Deutsch land und auch in Baden-Württemberg dringend zusätzliche Mittel für Qualität und für Gebührenfreiheit der Kita brau chen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wenn diese Regierung aus Grünen und CDU weiterhin im Bremserhäuschen sitzt, dann versündigt sie sich an der Zu kunft der Kinder und der Menschen insgesamt in diesem Land.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Ulrich Goll FDP/DVP – Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke das Wort.

(Zuruf: Was hören wir jetzt?)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zunächst einmal dem Ministerpräsidenten und dem Kollegen Schwarz ein Kompliment machen. Sie haben es geschafft, ein Schreckens szenario an die Wand zu werfen.

(Zuruf: Genau!)

Da muss man wirklich sagen: Wenn dieses Schreckensszena rio, das Sie da gezeichnet haben, tatsächlich real wäre, dann hätten Sie mit Ihrer politischen Haltung ja sogar recht. Aber das, was Sie am heutigen Tag erzählt haben, das war schon starker Tobak. Das klang so, als ob in dem Moment, in dem das Grundgesetz geändert wird – der Kollege Stoch hat die Formulierung vorgetragen; es geht darum, dass der Bund Mit tel zur Verfügung stellen kann; das ist die Formulierung –, an dem Tag sämtliche Kultusminister der Länder – Sie, Frau Ei senmann, dann kurz nach Ihrem Geburtstag – in Rente ge schickt werden, ein Bundesbildungsminister übernimmt und sämtliche Schulen in ganz Deutschland zentral vom Bund ver waltet werden.

Herr Kollege Schwarz sprach ja von Departements. Vor dem geistigen Auge kommt da also der Graf Waldersee aus dem Grab, marschiert in den Ländern ein und schlägt hundert Jah re später noch mal eine Art Boxeraufstand der Länder nieder, und diese werden dann zu Kolonien.

Das, was Sie, meine Damen und Herren, da gezeichnet haben, war schon starker Tobak. Das war freier Realismus.

(Beifall bei der FDP/DVP und der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Es war Unsinn!)

Worum geht es wirklich? Es geht, so wie die Formulierung hier lautet, darum, dass der Bund bei der Digitalisierung mit finanzieren kann. Der Herr Ministerpräsident hat davor furcht bar Angst, weil ja niemand die Digitalisierung so gut be herrscht wie Baden-Württemberg.

(Heiterkeit bei der FDP/DVP und der SPD)

Ich darf Sie zitieren, Herr Ministerpräsident: „Wir fahren mit Volldampf in die Digitalisierung.“ So Winfried Kretschmann sinngemäß von diesem Pult am heutigen Tag. Dieser „Voll dampf in die Digitalisierung“ trägt einen Namen, nämlich „ella“. Damit sind Sie mit Volldampf an die Wand gefahren, meine Damen und Herren. Auf diesen Volldampf der Digita lisierung können wir in Baden-Württemberg gut verzichten.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD)

Und dann haben Sie fast rührend Ihre Bemühungen des Jah res 2006 geschildert. Man hat beinahe den Eindruck, der tie fe psychologische Grund dafür, dass Sie sich heute so quer stellen, ist das sentimentale Gedenken an das Jahr 2006.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Damals war es das Land der Sommermärchen!)

Weil man sich mit dem Kollegen Oettinger – nicht mehr in diesem Hause – und dem Kollegen Drexler – bald auch nicht mehr in diesem Hause –