Protokoll der Sitzung vom 12.12.2018

Meine Damen und Herren, laut § 92 Absatz 1 letzter Satz der Geschäftsordnung ist der Abgeordnete Räpple damit ohne Weiteres für die nächsten drei Sitzungstage von der Sitzung ausgeschlossen.

(Beifall bei der SPD und der FDP/DVP sowie Abge ordneten der Grünen und der CDU – Abg. Sabine Wölfle SPD: Sehr gut! – Abg. Stefan Herre AfD: Ein spruch! Das kann doch nicht sein!)

In der Aktuellen Debatte erteile ich das Wort für die Landes regierung Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Her ren! Also, ich kenne keine sozialdemokratischen Abtreibungs pläne. Ich kenne überhaupt keine Partei, die Abtreibungsplä ne hätte. Es erschließt sich – das haben viele meiner Vorred nerinnen und Vorredner auch festgestellt – kein Zusammen hang mit vermeintlich linksideologischen Einflüssen, vor de nen man Familien oder Kinder – im Kontext des Titels der Aktuellen Debatte – irgendwie schützen müsste.

Ihre gedanklichen Verknüpfungen bei dem Thema der Aktu ellen Debatte ergeben keinerlei Sinn. Eigentlich muss man da rauf auch gar nicht weiter eingehen. Ich glaube, Sie haben ja gezeigt, dass es vermutlich doch wieder um eine Inszenierung ging, und das ist Ihnen geglückt.

Ich würde doch sagen, meine Damen und Herren, dass wir uns einmal die Sachverhalte anschauen. Meine Vorredner, Herr Poreski und andere, haben zur Frage der Schwangerschafts abbrüche Stellung genommen. Wir haben einen Konsens in den demokratischen Parteien, wie wir mit dem Schwangeren konflikt umgehen, dass wir Frauen in Konfliktsituationen um fassend beraten.

Ich möchte Sie an dieser Stelle kurz informieren.

Es gab im Jahr 2015 in Baden-Württemberg 62 995 qualifi zierte Beratungen und 9 559 Abbrüche. Im Jahr 2016 gab es 68 285 qualifizierte Beratungen und 8 537 Abbrüche. Sie se hen, es gab einen Rückgang der Zahl der Abbrüche im Land bei einer gestiegenen Zahl qualifizierter Beratungen. Sie se hen, dass Baden-Württemberg seine Aufgabe, Frauen in Kon

fliktsituationen, ihre Familien, ihre Angehörigen, ihr soziales Umfeld zu beraten, sehr ernst nimmt und hier sehr individu ell beraten wird. Von Abtreibungsplänen kann da keine Rede sein.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Herr Minister Lucha, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu?

Ja.

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich hatte vor Kurzem eine Kleine Anfrage zur Zahl der Schwangerschaftsabbrüche, der vorgeburtlichen Kindstötungen, gestellt. Ich hatte dort auch die Frage gestellt, wie viele medizinische Prozeduren, die unter der großen Über schrift „Ausschabungen und Ähnliches“ laufen, bei Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren in Baden-Württemberg durchge führt wurden. Denn es gibt den begründeten Verdacht, dass unter dieser Überschrift in Wahrheit auch vorgeburtliche Kindstötungen vorgenommen werden. Haben Sie mittlerwei le Zahlen zu diesem Sachverhalt?

Sehr geehrter Herr Abg. Fiechtner, wie wir Ihnen ja auch schon mitgeteilt haben, können wir die Indikationen bei den Abrechnungen feststellen. Aber die Motive der Indikationen, die medizinisch sind, wenn Ausschabungen stattfinden, gibt es natürlich nicht in der Vorerhebung. Aber ich glaube, dass wir bei unserer Umsetzung des Schwangerschaftskonfliktge setzes tatsächlich einen sehr hohen Standard haben.

Im Übrigen ist Baden-Württemberg das Bundesland, das rück läufige Abtreibungszahlen hat, weil wir alle gemeinsam die Beratung ernst nehmen, weil wir auch Projekte wie STÄRKE und andere Projekte der Frühen Hilfen für Familien begleiten, und weil wir natürlich auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Das alles sind Mosaikbausteine, die zeigen, dass wir Menschen in schwierigen Lebenslagen ernst nehmen, dass wir sie nicht in irgendeiner Weise in eine Ecke stellen, sondern solidarisch begleiten.

Auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor linksideo logischen Ideen und einer vermeintlichen Gesinnungsprüfung brauchen wir jetzt nicht einzugehen. Sie haben die Broschü ren ja angesprochen und auch das, was in Mannheim in dem Kindergarten – im Übrigen mit Einverständnis der Eltern – Thema war. Mannheim wird das Ganze dienst- und fachrecht lich prüfen, hat der Oberbürgermeister gesagt.

Jetzt ist ja von der AfD niemand mehr anwesend. Selbst in ei nem hohen Maß mit einer sehr giftigen Wortwahl einzustei gen und dann selbst keine Kritik auszuhalten, das ist kein de mokratischer Diskurs. Sie haben das ja angesprochen. Wir ha ben immer mal wieder Debatten, aber wir werden natürlich den Anstand, den der Diskurs gebietet, nie verlassen. Und am Ende haben wir in wesentlichen gesellschaftlichen Fragen auch immer konsensuale Prozesse hinbekommen. In diesem Stil werden wir auch weiterhin vorgehen.

Natürlich hat sich – Herr Rülke, Sie haben recht – die SPD, auch wenn ich selbst einer anderen Partei angehöre, um die

se moderne Demokratie größte Verdienste erworben; die kann kein Mensch kleinreden.

(Beifall bei den Grünen und der FDP/DVP sowie Ab geordneten der CDU)

Natürlich benötigen wir sie im Diskurs, im Wettbewerb der Ideen demokratischer Parteien. Darum sind wir da. Liebe CDU, wir machen das ja genauso.

Jetzt sind die Adressaten der Ansprache weg. Ich möchte nur zwei Sätze sagen. Ich glaube, wir haben uns gemeinsam auch in der Koalition auf Information, Prävention und Aufklärung im Umgang mit extremistischen Tendenzen, mit der Gefähr dung, mit einer Verführbarkeit jedweder Art – ob religiös be dingt, ob links- oder rechtsextremistisch – geeinigt. Unsere beste Prävention und unser bester Beitrag ist doch, dass wir jeden Tag für eine tolerante und offene Gesellschaft eintreten und uns immer wieder zu den Vorzügen der offenen Gesell schaft bekennen, einer Gesellschaft, in der jeder seine Frei heitsrechte so leben kann, dass er den Nächsten nicht gefähr det, aber auch vom Staat in seiner Meinungsbildung und in seiner Teilhabe geschützt ist.

Baden-Württemberg macht das mit einer äußerst effektiven Integrations- und Antidiskriminierungsarbeit. Nicht zuletzt haben wir aufgrund des Beschlusses im Koalitionsvertrag die landesweite Antidiskriminierungsstelle eingerichtet. Wir ha ben im Zukunftsplan und im „Masterplan Jugend“ enorm vie le Präventionsaufgaben, wo wir junge Menschen befähigen, sich selbst eine Meinung zu bilden, kritisch abzuwägen – wie es auch Kollege Poreski und andere gesagt haben –, sich ei genständig entwickeln zu können, einen kritischen Geist zu entwickeln und in dieser Gesellschaft auch mitmachen zu kön nen, Teilhabechancen zu haben. Das ist doch unser Gesell schaftsbild. Wir verunglimpfen nicht irgendwelche Gruppen aufgrund ihrer Religion, ihres Äußeren, sondern ganz im Ge genteil: Wir stärken jeden Einzelnen, jedes einzelne Kind und jeden einzelnen Jugendlichen, damit sie sich in dieser offe nen, demokratischen Gesellschaft einbringen können.

Auf diesem Weg arbeiten wir, glaube ich, alle gemeinsam – die demokratischen Kräfte, die noch hier sitzen – weiter. Wir lassen uns aber auch diese offene Gesellschaft nicht kleinre den, meine Damen und Herren. Ich glaube, es ist eine gewis se Betroffenheit eingekehrt, weil der abstruse Titel dieser Ak tuellen Debatte dazu geführt hat, dass sich die AfD wieder als Opfer stilisiert. Menschen, die in ihrem Denken totalitaris musgefährdet sind, tun das sehr gern. Ich sage einmal: im Aus teilen Weltmeister, im Einstecken nicht einmal Kreismeister. Das ist natürlich nicht politischer Diskurs. Politischer Diskurs ist, dialektisch Meinung und Gegenmeinung gegenüberzustel len und sich dann eine Meinung zu bilden, die mehrheitsfä hig ist. Das ist hier nicht gewünscht. Das zeigte auch gerade der Auszug.

Meine Damen und Herren, wir, die wir jetzt hier im Saal üb rig geblieben sind, nehmen als Opposition und Regierung die Verantwortung für die Menschen in dieser Gesellschaft wahr, die offene Gesellschaft gegen Extremismus jedweder Form zu verteidigen, vor allem junge Menschen resilient zu machen, ihnen Teilhabe- und Verwirklichungschancen zu bieten – mit Schulen gegen Rassismus und anderen Maßnahmen, die wir mit dem Landesjugendring, mit Kirchengemeinden, mit vie

len Partnerinnen und Partnern der Zivilgesellschaft, des Sports, der Kultur vielfältig fördern. Das ist eine vielfältige und lebenswerte Gesellschaft. Das ist das vielfältige und er folgreiche Baden-Württemberg, meine Damen und Herren. Wir stehen doch gemeinsam dafür, dass das so bleibt, und da für arbeiten wir jeden Tag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Die Abgeordne ten der AfD betreten den Plenarsaal.)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die AfD-Fraktion Herrn Abg. Klos.

(Zuruf: Jetzt kommen sie wieder! – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: Herbert Wehner hat gesagt: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen“!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Rülke, für Ihre Worte hätten Sie mindestens einen Ordnungsruf kassieren müssen – um das einmal ganz klar zu sagen, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der AfD)

Das war eine Ungeheuerlichkeit, die Sie sich hier erlaubt ha ben.

Herr Abg. Poreski, Sie haben bewiesen, dass es bei den Grü nen immer noch tiefer geht, dass Sie es gut finden,

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Wovon reden Sie ei gentlich?)

dass Kindergärtnerinnen Kinder, die kaum laufen können, vielleicht anderthalb Jahre alt sind, nicht lesen und schreiben können, aus dem Kinderhort herausholen, auf die Straße füh ren, vor meinem Informationsstand aufbauen. Dass die Kin dergärtnerinnen denen dann Zettel in die Hand drücken, ob wohl die Kinder noch nicht einmal lesen und schreiben kön nen,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

das finden Sie gut. Das ist das Letzte. Schämen Sie sich, Herr Poreski!

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf von den Grü nen: Sie sollten sich schämen! – Zuruf der Abg. Ca rola Wolle AfD)

Ich sage Ihnen noch eines, Herr Dr. Rülke: Ernst Achenbach, Heinrich Alef, Joachim Angermeyer, Albrecht Aschoff, Her mann Berg, Richard Burckardt, Rolf Dahlgrün – Sie wissen, wofür diese Namen stehen.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Bernd Gögel AfD: Sind die durch das Brandenburger Tor mar schiert? – Gegenruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Ja, vor 80 Jahren! – Zuruf von der AfD: FDP- Mitglieder!)

Wird in der zweiten Runde das Wort gewünscht? Herr Abg. Poreski hätte noch Redezeit. – Dann für die Fraktion GRÜNE Herr Abg. Poreski.

Herr Klos, ich kenne den Vorgang im Einzelnen nicht, aber eines ist klar: Sie hätten oh ne Weiteres mit den Menschen in Kontakt treten und vielleicht sagen können, dass das, wogegen sie protestieren, vielleicht auch Ihre Meinung ist, dass es eben kein „Vogelschiss“ in der Geschichte ist. Aber genau das haben Sie nicht gemacht.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Abg. Rüdiger Klos AfD: Unfassbar!)

Die Zwischenrufe und auch ihre Reden haben eines genau be stätigt. Das Schema, nach dem Sie operieren, ist: Sie malen diffamierend einen Teufel an die Wand, den es nicht gibt; dann nehmen Sie für sich in Anspruch, ebendiesen erfundenen Teu fel mit großer Geste auszutreiben. Dieses Schema ist nicht nur unseriös und vordemokratisch,

(Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Wir benennen unbeque me Themen!)

sondern genau das Schema, nach dem jede totalitäre Strömung operiert.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Was für ein Unsinn!)

Die Jugend ist in freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen – so steht es in Artikel 12 unserer Landesverfassung. Es ist Kern der frühkindlichen Bildung, Kinder zu stärken, zu ermutigen und demokratisch zu bilden.

Herr Palka – ich sehe ihn nicht – hat vorhin gefragt: „Was tun, wenn ein Kind in der Kita Hakenkreuze zeichnet und zu Hau se gesagt wird, dies sei etwas Gutes?“ Was tun, wie damit um gehen, wenn Erzieherinnen oder Eltern vor Kindern in der Ki ta flüchtlingsfeindliche oder rassistische Aussagen treffen? Auch dazu muss man sich verhalten, dazu gibt es Handrei chungen. Dass Sie sich darüber empören, ist mir schon klar; denn für Vielfalt und Demokratie haben Sie offensichtlich nicht viel übrig – dafür für ganz anderes.

Die AfD-Jugend Baden-Württemberg – deren Vorstand jetzt zurückgetreten ist – hat die verfassungsfeindlichen Bestrebun gen in dieser Organisation ausdrücklich bestätigt. Dazu kam von Ihnen nichts.