Protokoll der Sitzung vom 20.02.2019

Mir ist aber auch der andere Teil der Überschrift, den die CDU-Fraktion für diese Debatte gewählt hat, wichtig. Es geht nicht nur um Abschiebung, sondern es geht insgesamt um ei ne neue Ordnung der Migrationspolitik in Deutschland. Dies schließt auch die Bestimmungen zur Zuwanderung mit ein. Zuwanderung und Rückführung, das sind zwei Seiten einer Medaille, Herz und Härte, Vernunft und kluges Handeln.

(Zuruf: Reden Sie nicht, machen Sie!)

Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird Ausländern ein sehr weitreichender Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet. Das ist notwendig und klug, damit die Firmen in unserem Land dringend benötigte Arbeitskräfte finden. Nicht nur die großen Firmen tun sich sehr schwer, Arbeitskräfte zu finden; es sind gerade die mittelständischen Firmen, die unter dem Fachkräf temangel, unter Arbeitskräftemangel insgesamt leiden. In Ba den-Württemberg ist das in Wahrheit die Wachstumsbremse Nummer 1, dass wir Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel ha ben. Wir kennen die Sorgen des Mittelstands, der Handwerks betriebe sowie der Familienbetriebe in unserem Land, und wir nehmen sie ernst. Deswegen werden wir hier entsprechend nachsteuern.

(Beifall bei der CDU sowie der Abg. Anton Baron und Stefan Herre AfD)

Ich bin zuversichtlich, dass es mit dem Fachkräfteeinwande rungsgesetz gelingen kann, die Weichen so zu stellen, dass wir auch in Zukunft noch die Wertschöpfung in Deutschland und Baden-Württemberg erarbeiten können, die notwendig ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Damit aber das Fachkräfteeinwanderungsgesetz künftig als Ordnungsrahmen funktionieren kann, ist es unumgänglich, dass auf der anderen Seite die vollziehbare Ausreisepflicht konsequent durchgesetzt wird. Andernfalls würde einem Miss brauch der weitreichenden – und sinnvollen – Zuwanderungs möglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Für die Akzeptanz des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes – darauf hat Kollege Blenke zu Recht hingewiesen – wäre dies mehr als kontraproduktiv.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Weirauch zu?

Bitte. Gern.

(Abg. Dr. Christina Baum AfD: Mit zweierlei Maß wird gemessen!)

Herr Minister, vielen Dank für die Gewährung der Zwischenfrage. – Ich möchte noch ein mal auf folgenden Punkt zu sprechen kommen: Sie haben ge rade ausführlich beschrieben, wie wichtig Fachkräfte für die baden-württembergische Wirtschaft sind. Wir fragen uns natür lich, was, wenn in näherer Zukunft das Bundesgesetz kommt, mit den Menschen passiert, die potenziell unter den Schutz rahmen dieses Gesetzes fallen würden und die schon jetzt bei Unternehmen in Baden-Württemberg in Lohn und Brot ste hen, aber von der Abschiebung betroffen sind.

Schieben Sie diese Menschen trotzdem ab, wohl wissend, dass sie gegebenenfalls ab beispielsweise dem 1. Januar 2020 un ter einen solchen Rahmen fallen? Schieben Sie diese Men schen in der Zwischenzeit trotzdem ab? Das würde ich gern von Ihnen wissen.

Ich habe bereits im vergangenen Jahr, Herr Abg. Weirauch, verfügt, dass wir in bestimmten Bereichen die zu erwartende Bundesgesetzgebung – jedenfalls da, wo sie sich hinreichend klar abzeichnet – vorwegnehmen, und habe die Ausländerbehörden entsprechend angewiesen, etwa bei im Bereich der Altenpflege tätigen Personen Abschiebungen nicht mehr vorzunehmen, wenn sie unter das zu erwartende Bun desgesetz fallen werden.

Insofern haben wir die Spielräume, die es hier gibt, maximal ausgenutzt und haben ein Stück weit die künftige Bundesge setzgebung bereits in die Verwaltungspraxis in Baden-Würt temberg einbezogen. Das habe ich im vergangenen Jahr so entschieden, und ich glaube, dass das gerade im Bereich der Altenpflege – im Bereich der Altenpflegehelferinnen und -hel fer – eine richtige Entscheidung gewesen ist, weil wir die Menschen dort besonders dringend brauchen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Herr Minister, lassen Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Weirauch zu?

Ja.

Noch eine Nachfrage: Kön nen Sie sicherstellen, dass nach Ihrer Anweisung an die Aus länderbehörden keine entsprechenden Abschiebungen in dem von Ihnen gerade beschriebenen Bereich der Altenpflege er folgt sind?

(Abg. Winfried Mack CDU: Das kann man nicht aus schließen!)

Diese Anweisung ist selbstverständlich den Aus länderbehörden bekannt, und ich gehe davon aus, dass auch entsprechend gearbeitet wird.

Lassen Sie eine weitere Zwi schenfrage zu, und zwar von Herrn Abg. Dr. Fiechtner?

Bitte sehr.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und danach reden wir mal weiter!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Wie stellen Sie sicher, dass abschiebepflich tige Ausländer jetzt nicht vorgeben, in der Altenpflege tätig zu sein, beispielsweise durch Scheinanmeldungen und Ähn liches?

Herr Abg. Dr. Fiechtner, selbstverständlich sind in einem solchen Fall entsprechende Beschäftigungsverträge vorzulegen, es sind entsprechende Ausbildungsverträge vor zulegen. Diese Papiere werden selbstverständlich überprüft.

Missbrauch kann man im Leben nie vollständig ausschließen. Mein Eindruck ist aber, dass hier jedenfalls nicht massenhaft missbräuchlich gehandelt wird, sondern dass, wenn überhaupt, die Fälle, in denen das wirklich missbräuchlich gemacht wird, zahlenmäßig überschaubar sind.

Wenn Sie sich einfach einmal – dazu will ich Sie alle ermun tern oder Ihnen das nahelegen – mit denen unterhalten, die in der Altenpflege oder in der Krankenpflege tätig sind, Herr Dr. Fiechtner, dann wissen Sie, dass diese Bereiche vor allem un ter zwei Dingen extrem zu leiden haben: erstens unter einer überbordenden Bürokratie und zweitens unter einem erhebli chen Mangel an Kolleginnen und Kollegen. Es sind einfach zu wenige, die in Deutschland in der Altenpflege und in der Krankenpflege tätig sind. Deswegen ist dieser Hilfeschrei, der aus den Krankhäusern und aus den Pflegeeinrichtungen kommt, ernst zu nehmen, und in den allermeisten Fällen ist das auch berechtigt. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

Herr Minister, es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar von Herrn Abg. Dr. Gedeon. Lassen Sie diese zu oder nicht?

Frau Präsidentin, ich persönlich würde sehr gern weitere Zwischenfragen zulassen. Ich spüre nur eine Stim mung im Parlament,

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall)

die in Richtung Mittagspause geht. Bevor eine Kollegin oder ein Kollege in eine Unterzuckerung fällt,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Ich bin kurz davor!)

wäre es, glaube ich, besser, wenn ich jetzt meine Ausführun gen fortsetzen würde.

Wir haben inzwischen einen Gesetzentwurf des Bundesinnen ministeriums für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorlie gen, der im Übrigen am vergangenen Freitag im Bundesrat behandelt wurde. In diesem Zusammenhang ist auch das Ge setz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung zu se hen.

(Abg. Anton Baron AfD: Was ist mit sicheren Her kunftsstaaten?)

Das, Herr Kollege Weirauch, ist im Übrigen das Gesetz, um das es auch in den von Ihnen angesprochenen Fällen vor al lem geht, weniger um das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Das aber nur am Rande.

Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass wir bereits mit dem geltenden Recht Rückführungen betreiben

können. Herr Abg. Binder, das stimmt natürlich. Ich glaube nur – ich kann das auch sehr gut nachweisen –, dass sich we der das Land Baden-Württemberg noch diese Landesregie rung beim Vergleich mit anderen Bundesländern oder mit Vor gängerregierungen, was die Rückführungszahlen angeht, ver stecken müssen. Von 2015 auf 2016 haben wir die Abschie bezahlen in Baden-Württemberg um 50 % gesteigert,

(Abg. Thomas Blenke CDU: So sieht es aus!)

und zwar von 2 400 auf 3 600.

(Abg. Sascha Binder SPD schüttelt den Kopf.)

Auch wenn Sie den Kopf noch so sehr schütteln, ist es ein fach wahr.

(Abg. Sascha Binder SPD: Das habe ich gar nicht be stritten!)

Wir machen das mit einer anderen Konsequenz, und wir ma chen das mit anderen Ergebnissen, als es vorher gemacht wor den ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Bernd Gögel AfD: Die Hälfte kommt doch wieder!)

50 % mehr Rückführungen, das sind die Zahlen. Immer dann, wenn Sie mit dem Finger auf diese Regierung zeigen, zeigen drei Finger auf Sie. Ich hätte es nicht erwähnt; weil Sie aber immer meinen, diese Dinge hier thematisieren zu müssen,

(Abg. Sascha Binder SPD: Das habe ich doch nicht bestritten! Das haben Sie wohl verwechselt!)

bin ich auch veranlasst, Ihnen eine entsprechende Antwort nicht schuldig zu bleiben.

Weil wir das in dieser Konsequenz machen, wissen wir aber auch, dass der Gesetzgeber gefragt ist, den Praktikern, und zwar unseren Polizeipraktikern, zusätzlich taugliche Werk zeuge an die Hand zu geben. Insofern bin ich der Überzeu gung, dass das Bundesinnenministerium mit dem Entwurf des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht ab solut auf dem richtigen Weg ist.

Ich stelle fest, dass viele der Vorschläge, die wir im Vorfeld formuliert hatten, nunmehr konkretes Regierungshandeln wer den sollen. Das sind Vorschläge, die beispielsweise in BadenWürttemberg nach Gesprächen mit Praktikern aus der badenwürttembergischen Landespolizei entwickelt wurden. Das sind auch Vorschläge, die ich selbst nach stundenlangen Ge sprächen mit Polizeipräsidenten, die insbesondere mit Ab schiebungen beschäftigt sind, entwickelt habe. Das sind Vor schläge, die wir aus Baden-Württemberg in die Innenminis terkonferenz eingebracht haben und die dort die Zustimmung aller Innenminister der Republik erhalten haben. Das ist jetzt, da es Bundesrecht ist, in einen Gesetzentwurf des Bundesin nenministeriums gegossen worden. Das ist das konkrete Re gierungshandeln, das ich mir an dieser Stelle erwarte.

In erster Linie betrifft dies mögliche Erleichterungen bei der Inhaftierung. Der Entwurf sieht sowohl bei der Sicherungs haft als auch beim Ausreisegewahrsam Verbesserungen vor und gibt zudem noch neue Handlungsoptionen, nämlich das sogenannte kurzfristige Festhalten. Das ist für unsere Polizis

tinnen und Polizisten, die diese Schwerstarbeit für uns alle er ledigen, ein ganz entscheidend wichtiges Instrument.