Protokoll der Sitzung vom 03.04.2019

(Beifall der Abg. Martin Grath GRÜNE und Thomas Blenke CDU)

Vielen Dank. – Ich glau be, jetzt haben wir das Thema ausführlich behandelt.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Radios haben wir noch nicht angesprochen!)

Ich sehe keine Wortmeldung mehr. – Vielen Dank, Herr In nenminister.

Wir verlassen jetzt diesen Themenkomplex und kommen zu dem Thema, das die Grünen auf die Tagesordnung gesetzt ha ben:

E i n r i c h t u n g e i n e s D r o g e n k o n s u m r a u m s i n K a r l s r u h e

Wem darf ich dafür das Wort erteilen? – Bitte, Herr Abg. Po reski.

(Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Darf ich hier stehen bleiben?)

Nein, Sie dürfen bitte nach vorn kommen, um die Frage ein zuführen. Die Folgefragen werden dann von einem Saalmik rofon aus gestellt.

Wir haben ja für Drogenab hängige aufsuchende Angebote. Meine Frage dazu ist: Wel che Vorteile sieht die Landesregierung, wenn ergänzend zu diesen aufsuchenden Hilfen auch Drogenkonsumräume vor gehalten werden?

Herr Sozialminister, ich darf Sie zur Beantwortung dieser Frage nach dem Drogenkon sumraum in Karlsruhe nach vorn ans Redepult bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Kollege Poreski, ich beantworte gern Ihre Frage. Wir haben aufgrund von § 10 a Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der letzten Verord nung vom 2. Juli eine Rechtsverordnung erlassen, die es er möglicht, dass in Stadtkreisen mit mehr als 300 000 Einwoh nern Drogenkonsumräume eingerichtet werden können. Im Übrigen werden wir diese Verordnung nächste Woche im Ge setzblatt verkünden. Es hat sich jetzt gedoppelt. Alle Fraktio nen im Haus bekommen heute diese Verordnung auch auf dem Postweg zugeschickt.

Warum richten wir Drogenkonsumräume ein? Drogenkon sumräume nach dem genannten § 10 a des Betäubungsmittel gesetzes müssen der Gesundheits-, Überlebens- und Aus stiegshilfe für Drogenabhängige dienen und müssen in das örtliche Suchthilfenetz eingebunden sein.

Sie wissen, an dem betreffenden Platz in Karlsruhe gibt es bis lang eine außergewöhnlich große sogenannte offene Szene, auch mit sozialen Implikationen: Die Gewerbetreibenden dort haben reklamiert, dass die Situation schwierig ist.

Der Betrieb dieser Drogenkonsumräume soll dazu beitragen, dass durch den Drogenkonsum bedingte Gesundheitsgefah ren gesenkt werden, um damit insbesondere auch das Überle ben von Abhängigen zu sichern, gleichzeitig die Behandlungs bereitschaft der Abhängigen zu wecken und dadurch den Ein stieg in den Ausstieg aus der Sucht einzuleiten. Selbstver ständlich geht es auch darum, die Inanspruchnahme weiter führender, insbesondere suchttherapeutischer Hilfen ein schließlich einer vertragsärztlichen Versorgung zu fördern, so wie darum – ich habe es anfangs erwähnt –, die Belastungen der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen zu reduzieren.

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Der Reihenfolge nach Fraktionsstärke entsprechend er teile ich nun Herrn Kollegen Stefan Teufel das Wort.

Sehr geehrter Herr Minister, der Drogenkonsumraum ist sicherlich auch eine erweiterte Hilfe für schwerstabhängige Menschen; dies ist kein Freibrief für Drogenhandel. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass dort keine Straftaten verübt werden?

Sehr geehrter Kollege Teufel, herzlichen Dank für die Nach frage. Wir haben in § 6 der Verordnung – ich bedanke mich noch einmal ausdrücklich beim Innenminister; es war eine in tensive Debatte, und wir haben eine Lösung hinbekommen – geregelt, dass ausschließlich für den eigenen Konsum Stoff mitgebracht werden darf. Wenn das Personal sieht, dass mehr dabei ist und gedealt werden könnte, ist das zu unterbinden. Es gibt eine Gelb-Rote Karte; es gibt eine Verwarnung. Es muss unterbunden werden. Sollte dies nicht gelingen, wird der Vorfall natürlich strafrechtlich zur Anzeige gebracht. Das ist eine klare Verabredung. Unser Ziel ist, dass dort keine Straf taten geschehen.

Wir evaluieren ja auch, und wir dokumentieren.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Woher er den Stoff hat, interessiert nicht!)

Danke schön, Herr Minis ter. – Nun hat Herr Abg. Hinderer für die SPD das Wort.

Herr Minister, Sie regeln das Thema ja untergesetzlich, auf dem Verordnungsweg. Das ist auch gut so. Sie hatten bereits im November 2017 einen Ver ordnungsentwurf erarbeitet. Die CDU-Landtagsfraktion hat ihre Bedingungen für die Zustimmung im Juni 2018 abgege ben, und wir freuen uns, dass wir heute nun die Verordnung in den Postfächern vorfinden, erlauben uns aber trotzdem die Frage: Was hat da so lange gedauert, und warum?

Gut Ding will Weile haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Karl Zimmermann CDU: Ob das so gut ist, weiß ich gar nicht! – Vereinzelt Heiterkeit)

Das Ergebnis zählt. Lieber Herr Hinderer, ich könnte Ihnen später einmal die SMS des von uns sehr geschätzten Oberbür germeisters der Stadt Karlsruhe zeigen, der sich noch einmal ausdrücklich für unseren großen Einsatz bedankt. Frau Wei ser – für alle, die sie nicht kennen: die ehrenwerte Geschäfts führerin der Liga der freien Wohlfahrtspflege – hat mich un längst auf einer Tagung quasi umarmt und gesagt, sie habe jetzt 29 Jahre auf den Drogenkonsumraum gewartet.

Zwischendrin hatte auch Ihre Partei einige Jahre die Ministe rin gestellt; wir haben es nun hinbekommen. Das dauert eben ein bisschen – wir sind ja noch jung und fröhlich –, aber wir starten. Wir werden am Donnerstag oder Freitag nächster Wo che die Verordnung verkünden, und die Vorbereitungen in Karlsruhe werden ebenfalls aufgenommen. Im Übrigen ist der Mittelbedarf für die Stadt Karlsruhe enorm; die Stadt Karls ruhe wird selbst ca. 300 000 € in die Hand nehmen.

Sie sehen, wir arbeiten Hand in Hand. Wir sind mit dem Suchthilfenetzwerk in Kontakt, die AWO ist dabei; die Nach barschaftsorganisationen helfen mit, ebenso wie die Polizei. Es gibt dort ja einen Begleitbeirat, und auch bei ihm muss ich mich wirklich noch einmal bedanken. – Sie sehen also, wir haben es hinbekommen.

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Für die FDP/DVP hat sich Herr Kollege Keck gemeldet.

Vielen Dank. – Herr Minister, nachdem wir uns vor wenigen Wochen die Einrichtung in Karlsruhe selbst anschauen durften und es sich auch um eine wirklich tolle Einrichtung handelt, stellt sich die Frage: Könn ten Sie sich vorstellen, in naher oder ferner Zukunft solche Räume auch in den ländlichen Regionen, den ländlichen Landkreisen – speziell jetzt im Landkreis Konstanz, aber auch in anderen Landkreisen – einzurichten, also nicht nur für die Kommunen ab 300 000 Einwohnern? Denn nicht nur in den Metropolen gibt es Drogenprobleme, Drogenkriminalität, son dern auch in den ländlichen Räumen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das will ich mir gar nicht vorstellen!)

Danke schön. – Herr Mi nister, bitte.

Wir haben gemeinsam einvernehmlich geklärt, dass wir es jetzt erst einmal auf Kommunen ab 300 000 Einwohnern begren zen. Wir sehen, dass diese Szenen auch in anderen Metropo len vorkommen. Wir haben aktuell aber noch von keinen an deren Städten in Baden-Württemberg offensiv die Anzeige, dass ein Konsumraum erforderlich ist.

Unser Ziel muss sein, eine Suchtpolitik, Substitutionspolitik, Begleitungs- und Beratungspolitik zu betreiben, damit es nicht nötig wird, solche Konsumräume einzuräumen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl Zim mermann CDU: Genau!)

Wenn es uns aber tatsächlich aus vielen gesellschaftlichen Gründen nicht glückt, dies zu tun, dann schauen wir uns die Situation vor Ort an. Es gibt ja für solche Situationen das Eva luationsprinzip, falls andere Städte in entsprechender Größen ordnung auf uns zukämen. So sind wir verblieben und wer den dann zur entsprechenden Zeit darüber reden – gegebenen falls gemeinsam mit Ihnen dann auch wieder ins Gespräch ge hen –, ob Handlungsbedarf besteht.

Jetzt haben wir mit Karlsruhe den ersten Drogenkonsumraum. Wir werden das begleiten, wir werden die Erfahrungen, wie viele Menschen dort sind, wie es ihnen geht, wie viele Leben wir retten können, wie viele aussteigen, welche Ausstrahlung es auch auf die Szene im Ganzen hat, sammeln und Ihnen dann haarklein berichten. Das ist unser eigenes Interesse. Las sen Sie uns jetzt einfach dort erst einmal anfangen.

Danke schön. – Für die Grünen hat sich noch einmal Herr Abg. Poreski gemeldet.

Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen, die die Niedrigschwelligkeit dieses An gebots herausgestellt haben. Deswegen auch meine weiter ge hende Frage. Wenn diese niedrigschwelligen Zugänge ermög licht werden: Welche weiteren Maßnahmen oder Konzepte unterstützt die Landesregierung, um die Abhängigen auf ih rem Weg aus der Sucht zu unterstützen?

Sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank für die Nachfrage. – Wir haben in der Tat – da sind wir, das muss ich einfach sa gen, eine große Familie; auch Kollege Hinderer war in der letzten Legislaturperiode beteiligt; der Sozialausschuss hält schon zusammen – ganz sukzessive die suchtmedizinische Versorgung ausgebaut. Wir haben ein sehr ausdifferenziertes Angebot von Niedergelassenen, im stationären Bereich mit Entzugsentwöhnungsbehandlung, Substitutionsbehandlung einschließlich Diamorphinsubstitution und Schwerpunktpra xen begonnen.

Wir geben zu – im Bundesbetäubungsmittelgesetz haben wir es geklärt –, wir haben da auch eine offene Flanke. Wir müs sen Nachwuchsärztinnen und -ärzte gewinnen. Noch vor kur zer Zeit standen Ärzte mit einem Bein im Gefängnis. Das ha ben wir geklärt, Herr Innenminister, das konnten wir regeln. Aber jetzt brauchen wir wirklich den Nachwuchs.

Wir haben psychosoziale Beratungsstellen, wir haben die Kontaktläden, wir haben die Suchtselbsthilfe, wir haben die Suchtprävention. Ich bedanke mich ganz stark bei den beiden Regierungskoalitionsfraktionen, dass es uns für diesen Nach tragshaushalt gelungen ist, den Landeszuschuss für die psy chosozialen Beratungsstellen wieder auf 17 900 € je Vollzeit kraft zu erhöhen. Wir fördern zudem mit einer Stellenerhö hung von 496 Stellen in den 1 100 Gemeinden, in den 44 Stadt- und Landkreisen flächendeckend im Land. Ich glaube, das lässt sich wirklich sehen.

Weil auch die Kollegin Kultusministerin da ist, erwähne ich: Wir sind in der Präventionsarbeit auch immer im engen Aus tausch, die Suchtprävention noch stärker und systematischer in die Schulen zu bringen. Wir wollen an allen Ecken und En den informieren – auch über die ganzen neuen Drogen, die synthetischen Drogen, die „Legal Highs“. Es ist eine wirklich bedeutende Herausforderung, frühzeitig zu informieren.

Das gilt im Übrigen auch für das Nichtrauchen, meine Damen und Herren. Das ist mir genauso wichtig. „Be Smart – Don’t Start“ ist eine große Botschaft. Auch mit diesem legalisierten Bereich müssen wir sehr offen und informativ umgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es noch Wortmeldungen? – Bitte, Herr Abg. Hinderer.

Herr Minister, ich erlaube mir die kurze Klarstellung, dass während der Zeit, als die SPDFraktion die Sozialministerin gestellt hat, kein Antrag vorlag und deshalb auch keine Verordnung erforderlich war.

Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Einwohnergrenze von 300 000 zunächst einmal auf dem Papier steht, damit die CDU-Fraktion zustimmen kann, dass aber, sobald z. B. die Stadt Freiburg, die darunter fallen würde, einen Antrag stellt, das Ganze wieder zur Diskussion steht und Sie dann die Ver ordnung gegebenenfalls entsprechend ändern würden?

(Abg. Karl Zimmermann CDU: So viele Rauschgift süchtige gibt es doch gar nicht, dass man das überall braucht!)

Einige ergänzende Fragen: Was spricht außer dem Votum der CDU für diese dreijährige Befristung? Was halten Sie persön lich vor dem Hintergrund, dass in diesen Raum – auch seitens der Stadt Karlsruhe – jetzt investiert werden muss, von dieser Befristung, und was passiert mit den Investitionen, wenn nach drei Jahren dann Ende ist?

Die Befristung bereitet mir überhaupt kein Problem. Wir wollen sehen, ob wir das richtige Angebot machen.

Noch einmal: Unser therapeutisches Ziel ist es, dieses Ange bot nicht zu benötigen. Wenn wir es in drei Jahren nicht mehr brauchten, wären wir die Ersten, die – – Der Raum ist auch sehr metallisch, das ist kein heimeliges Schmuckkästchen, das ist funktional, hygienisch, fachärztlich und alles andere als su per. Wir würden die Flex in die Hand nehmen und abbauen.