Protokoll der Sitzung vom 17.07.2019

An dieser Stelle sind wir aber sehr abhängig von der Bahnin dustrie, die nicht liefert, wie sie liefern sollte. Sie können mir glauben, dass ich über diese Firma in besonderer Weise ver ärgert bin.

Gibt es noch weitere Fra gen zum Thema ÖPNV? – Herr Abg. Katzenstein, bitte.

Herr Minister, ich komme noch einmal zurück zu dem Bus; damit hat Herr Hauß mann ja eingeleitet. Sie haben gesagt, der Bus bringe bezüg lich des Schadstoffs NOx 2 bis 10 Mikrogramm Reduzierung. Bei einem Wert von 55 Mikrogramm, bei dem wir gerade lie gen, ist das ein erheblicher Anteil. Das heißt, wir kommen in die Nähe der besagten 50 Mikrogramm, mit Glück liegen wir sogar darunter. Diese 50 Mikrogramm sind der Wert, ab dem wir dann nach Aussage des Bundesministeriums keine flä chendeckenden Fahrverbote mehr brauchen.

Wie schätzen Sie das ein, und wie ist die Lage? Ich glaube, es gibt noch ein Gerichtsverfahren bezüglich dieses Wertes.

Grundsätzlich könnte ich die Messwerte, die ich vorhin zu der Messstation Neckartor vorgetragen habe, jetzt auch für andere Stellen nachliefern. Wir haben insgesamt flächendeckend eine deut liche Reduktion der Luftschadstoffe. Das will ich hier auch einmal sagen.

Ich kann den Abgeordneten nur raten, von Stuttgart nicht län ger als der dreckigsten Stadt der Republik zu reden, weil das einfach nicht stimmt. Wir haben inzwischen deutlich bessere Werte als viele andere Städte, dank dieser Vielzahl von Maß nahmen, welche über mehrere Jahre eingeleitet wurden.

Tatsächlich – das habe ich hier im Haus auch schon gesagt – gehen wir deswegen mit großer Wahrscheinlichkeit davon aus, dass wir um flächendeckende Fahrverbote – die aber das Ge richt immer noch von uns verlangt – herumkommen. Es ist auch die Begründung unserer Abwehrklage, dass wir sagen: Wir tun etwas, wir können etwas tun, und wir können bele gen, dass es besser geworden ist. Wenn es dann noch notwen dig ist, können wir streckenspezifische Fahrverbote verhän gen, und dann halten wir die Grenzwerte ein.

Ob wir die Fahrverbote wirklich brauchen – das habe ich hier schon hundertmal gesagt –, hängt sehr davon ab, was wir im Laufe des Jahres messen. Die Koalition hat sich darauf ver ständigt, dass wir Ende des Jahres noch einmal schauen: Wie sind die Werte genau, und ist es dann noch zu rechtfertigen?

Zu dem Streit, welcher Grenzwert gilt: Wir haben quasi zwei Grenzwerte. Wir haben den europäischen Grenzwert, von dem die Juristen sagen, der sei absolut gültig. Das sind die 40 Mi krogramm. Der Bund hat über das Immissionsrecht einen neu en Grenzwert – 50 Mikrogramm – gesetzt, der sozusagen die Grenze für Fahrverbote darstellen soll. Wir haben deswegen Revision beim Bundesverwaltungsgericht beantragt, weil wir geklärt haben wollen, welcher Wert für die politische Admi nistration eigentlich gilt.

Im Moment hängen wir da ein bisschen in der Luft, aber wir kalkulieren jetzt mal mit den 50 Mikrogramm. Es könnte aber natürlich auch passieren, dass festgehalten wird: Die 50 Mi krogramm sind eine deutsche Lösung, entsprechen aber nicht der europäischen Regelung, und die europäische Regelung gilt.

Herr Abg. Haußmann noch einmal, bitte.

Wir haben ja jetzt die Situation in den neuen Netzen, deren Strecken auch von GoAhead und Abellio gefahren werden, dass die Fahrzeugkapa zitäten nicht ausreichen und die Züge teilweise überfüllt sind. Deswegen die Frage: Liegt dies nur daran, dass noch nicht al le Fahrzeuge ausgeliefert sind, oder besteht noch Bedarf, für diese Strecken zusätzliche Züge zu bestellen?

Wir hören ja oft die Klage, die Züge seien zu kurz und überfüllt. Es wird ge fragt: Warum hängt ihr nicht einfach einen Waggon dran? In aller Regel sind die Züge deswegen zu kurz, weil die Fahr zeuge nicht verfügbar sind. Bevor wir aber gar nicht fahren, wird mit dem kürzeren Zug gefahren, der vorhanden ist.

Wir haben übrigens bei allen Netzausschreibungen einen Puf fer für Nachbestellungen gehabt, abhängig davon, wie sich die Entwicklung bezüglich der Nachfrage darstellt. Wir haben in allen Netzen jetzt schon den Puffer genutzt, weil wir dort, wo es klappt, einen erheblichen Zuwachs haben. Man muss ja auch sagen: Es ist nicht so, als seien alle Bombardier-Züge nicht geliefert worden, sondern auf der Murrbahn sind schon im letzten Jahr die neuen Züge Talent 2 von Bombardier ein geführt worden. Diese werden von der DB gefahren, und sie funktionieren. Dort haben wir einen Fahrgastzuwachs von 30 %.

Wenn das Angebot also stimmt, dann sind wir erfolgreich, und deswegen planen wir, auch weitere Züge zu bestellen. Wir ha ben ein klares Ziel: Wir wollen die Fahrgastzahlen insgesamt verdoppeln. Das wird man mit einer gleichbleibenden Zahl von Zügen nicht schaffen. Wir werden daher angepasst an die Nachfrage die Züge bestellen.

Wir haben übrigens ein System bei den Zügen, die jetzt im Einsatz sind. Diese kann man in verschiedenen Varianten – Dreierkombination, Fünfer, Achter; je nach Zugtyp gibt es Un terschiede –, also in kleineren, etwas größeren und noch grö ßeren Einheiten zusammenstellen. Dies wird angepasst gefah ren, auch orientiert an den Tageszeiten. Wenn es viele Fahr gäste gibt, wird die lange Variante gefahren. In den Stunden, in denen weniger Fahrgäste unterwegs sind, kommen auch kürzere Züge zum Einsatz. Das spart insgesamt Geld. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.

Ich bitte dieses Parlament noch einmal, zu bedenken – bei al len Problemen, die wir mit einzelnen Akteuren auf einzelnen Strecken haben –: Es ist nicht so, als würde der öffentliche Verkehr bei uns flächendeckend nicht funktionieren. Im Nah verkehr sind wir im Schnitt deutlich besser als im Fernver kehr, was Pünktlichkeit und Zugausfallquote anbelangt. Beim Fernverkehr der DB würde man sich, glaube ich, glücklich schätzen, wenn solche Werte erreicht würden, wie wir sie im Nahverkehr haben.

Trotzdem ärgert es uns, dass unser Standard, den wir gesetzt haben und der deutlich über 90 % Pünktlichkeit bei einer Zugausfallquote von maximal 1 % bedeutet, in einzelnen Be reichen immer wieder unterschritten wird. Dem Fahrgast auf der Murrbahn ist es egal, ob die Züge im Rheintal pünktlich sind, ihn interessieren nur die Züge auf seinen Verbindungen. Deswegen ist es immer ein Ärgernis, wenn es irgendwo nicht klappt.

Jetzt habe ich noch eine Wortmeldung von Herrn Abg. Renkonen.

Herr Minister, ich will noch einmal nachhaken. Es hat ja nicht nur Abellio Probleme ge habt, sondern auch Go-Ahead, und zwar mit den Zügen der Firma Stadler. Dabei war immer die Rede von Softwareprob lemen; es wurde gesagt, die Steuerung funktioniere nicht und die Züge selbst seien nicht leistungsfähig. Ich möchte daher nachfragen, inwieweit Sie diese Probleme jetzt mithilfe der Firma beheben konnten und wie sich das Land da eingebracht hat. – Danke.

Wir sind mit Stadler und auch mit Go-Ahead regelmäßig im Gespräch. Es gibt Gespräche sowohl mit den einzelnen Betreibern als auch mit den einzelnen Lieferanten. Wir haben inzwischen auch ein Gesprächsforum, bei dem wir alle Akteure – Deutsche Bahn, Go-Ahead, Abellio – zusammenbringen, weil diese zum Teil ja auf demselben Netz miteinander fahren und die Prozesse sehr stark aufeinander abgestimmt sein müssen.

Was die Züge von Stadler anbelangt, werden diese sukzessi ve nachgebessert. Der Fehler wurde gefunden – es ist ärger lich, dass es diesen Fehler überhaupt gab; das muss ich schon einmal sagen. Man wusste nämlich schon vorher, dass die Bahnsteige am Stuttgarter Bahnhof nicht gerade sind und dass es da bestimmte Dinge zu beachten gibt; dies hätte man tat sächlich schon vorher wissen können. Aber sie haben es halt vergessen oder übersehen. Jetzt sind die Mängel meines Wis sens weitgehend behoben.

Herr Abg. Dr. Schweickert noch einmal, bitte.

Herr Minister, Sie ha ben vollkommen recht, es sind verschiedene Problemlagen: Das eine ist das Nichtliefern, das andere sind die Probleme der Software. Sie sagten gerade, dass Sie selbst verärgert sei en. Dazu möchte ich nachfragen. Es gab eine Ausschreibung für die Züge der Firma Bombardier. Wenn ich einen Hand werker beauftrage und dieser nicht liefert, dann setze ich ihn in Verzug, und irgendwann sage ich: Entweder du liefert jetzt, oder du lieferst nicht, und dann kostet es Geld.

Wie ist das im Rahmen der Ausschreibung geregelt? Sie ha ben selbst angesprochen, dass es, glaube ich, die 13. Verschie

bung des Auslieferungstermins gab. Wir beide wissen nicht, ob es noch eine 14. oder 15. gibt. Ab wann werden Strafzah lungen fällig, und was hat das Land dann vor zu tun? Geht es dann in Richtung Entschädigung der Pendler, oder wie geht man mit so etwas um? Ich weiß nicht, ob das unter dem Stich wort Pönale zu subsumieren wäre.

Herr Minister, bitte.

Das Ganze ist et was komplizierter als beim Handwerker. Wenn Sie einen Handwerker nicht bekommen, dann können Sie einen ande ren holen. Im Schienenfahrzeugbereich kann ich nicht sagen: „Dann kaufe ich den Zug halt woanders“, denn es sind Bestel lungen, die über drei, vier Jahre laufen, und die Herstellung dauert auch nicht nur ein paar Wochen, sondern meist mehre re Monate pro Fahrzeug.

Nun sind aber nicht wir in einem Verhältnis, sondern das Ver tragsverhältnis besteht zwischen den Lieferanten der Fahrzeu ge und den Betreibern; das sind die eigentlichen Besteller, die den Vertrag abschließen. Die Betreiberfirmen stehen in einem Vertragsverhältnis mit dem Land, da sie mit ihren Zügen fah ren müssen; sie müssen eine Fahrleistung nach Vertrag liefern. Das heißt, wir haben die Möglichkeit einer Pönale, bezogen auf die Betreiber, wenn sie nicht fahren, und diese haben die Möglichkeit der finanziellen Bestrafung des Herstellers. Das ist eine Kaskade.

So kompliziert es ist, besteht dadurch aber natürlich auch der Zwang, dass Go-Ahead und Abellio das größte Interesse ha ben, zu liefern, weil sie sonst uns gegenüber schadensersatz pflichtig sind. Letztendlich ist es natürlich auch nicht im In teresse von Bombardier und Stadler, Strafzahlungen zu leis ten. Insofern sind alle angespannt und wollen etwas bringen.

Ich glaube nicht, dass es böswillig ist, aber man muss einfach sehen: Die Bahnindustrie ist in Deutschland über mindestens ein Jahrzehnt abgebaut worden, da es kaum öffentliche Auf träge für neue Fahrzeuge gab. Nun bestellt die öffentliche Hand in allen Netzen neue Fahrzeuge nach, und jetzt sind sie nicht mehr leistungsfähig. Manchmal ist es auch so, dass Bombardier eine Zulieferung nicht bekommt und wiederum davon abhängig ist. Das sind komplexe Ketten, und es ist manchmal nicht so ganz einfach, den Schuldigen auszuma chen.

Herr Abg. Katzenstein, Sie hatten sich ebenfalls noch einmal gemeldet.

Vielen Dank. – Herr Minister, jetzt haben wir viel von Go-Ahead und Abellio und von Problemen gehört. Aber es haben ja nicht nur diese Be treiber neue Netze bzw. neuen Fahrbetrieb übernommen, son dern auch die SWEG und die Neckartalbahn.

Bei mir ist nicht angekommen, dass es dort Probleme gäbe. Können Sie schildern, wie dort die Inbetriebnahme gelaufen ist? Ist es vielleicht so, dass dort zur Abwechslung bzw. zur Freude aller alles gut lief?

So ist es. Wir sprechen immer über die Problemfälle, und man hat den Ein druck, es gäbe nur Probleme. Tatsächlich muss man sagen: Die kleinste unter den Firmen, die landeseigene SWEG, hat

zur selben Zeit den „Ulmer Stern“ übernommen. Dort gab es keine Klagen; es hat alles bestens funktioniert. Wir sind auch ein wenig stolz darauf, weil es die Landesgesellschaft ist, bei der fast ausschließlich wir Eigentümer sind; es sind nur noch einige Landkreise in kleinem Umfang daran beteiligt. Inso fern muss man sagen: Mit der Übernahme der neuen Betrei ber gibt es auch gute Mehrleistungen.

Noch einmal bezogen auf Go-Ahead und Abellio: Das, was diese als Leistung gewonnen haben, ist mehr als zuvor. Daher ist es zum Teil so, dass wir das Mehr noch nicht fahren kön nen, sondern noch den alten Standard fahren. Es ist also nicht so, dass da gar nichts fährt, sondern nur nicht in dem Ausmaß, mit der Vielzahl und den Takten, wie wir es eigentlich bestellt hatten.

Herr Abg. Haußmann, Sie haben noch einmal das Wort.

Herr Minister, nachdem wir nun schon Eigentümer der Schienenfahrzeuge sind, haben Sie auch noch vor, Lok- und Triebfahrzeugführer auf Landes seite einzusetzen. Wenn Sie sagen, die Schwierigkeiten seien gar nicht mehr so groß, stellt sich ja schon die Frage, warum das Land, wenn wir einen Personalmangel bei Triebfahrzeug führern haben, eine solche Ausschreibung macht.

Mich würde interessieren: Wie sieht die Ausschreibung genau aus? Was haben Sie denn da vor, wenn das Land sozusagen als Gesellschaft anderen noch Lokführer bereitstellt? Wie sieht die Ausschreibung dazu aus?

Zunächst für al le, die nicht Spezialisten in diesem Bereich sind: Es geht um Folgendes. Ein Teil der Zugausfälle und -verspätungen sind darauf zurückzuführen, dass es mit dem Personal nicht klappt, das heißt, dass die Gesellschaften teilweise so knapp mit Per sonal planen oder kalkuliert haben, dass der Zug ausfällt, wenn eine Person krank ist.

Zu Zeiten, als die Bahn noch Staatsbahn war, hatte sie eine üppige Zahl von Beschäftigten, die „bereitgesessen“ sind, de nen klar war, dass sie an dem jeweiligen Tag warten müssen, ob ein Zug ausfällt, und dann entweder bei einem Ausfall zum Einsatz kommen oder nichts zu tun haben.

Dieses System ist im Laufe des Wettbewerbs und der Libera lisierung praktisch weitgehend abgeschafft worden. Es gibt so gut wie keine oder nur geringe Reserven. Die Gesellschaften haben im Wettbewerb versucht, ihre Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Der Effekt ist, dass es keine Puffer mehr gibt, und das bei Fahrzeugen wie beim Personal.

Wenn man sieht, dass hier der Markt nicht funktioniert, dann muss die öffentliche Hand, die letztlich die Verantwortung für den öffentlichen Nahverkehr hat, schauen, was man da ma chen kann.

Deswegen haben wir gesagt: Wir bauen einen Personalpool auf, der unterteilt in kleine Einheiten in den jeweiligen Regi onen sitzt, damit sie nicht lange brauchen, um bei einem Zugausfall bei ihrem Einsatz zu sein. Wir werden auch einen Fahrzeugpool aufbauen, der jeweils Puffer und Reserve dar stellt.

Das machen wir aber nicht nach dem Motto: „Dann zahlen wir das halt.“ Vielmehr müssen diejenigen, die zu wenig Zug führer oder Zugbegleiter haben, dann bei uns den Leihloko motivführer holen und ihn bezahlen. Das ist natürlich teurer, als wenn sie ihn selbst eingestellt hätten. Das soll auch durch aus die Funktion haben, dass sie in Zukunft besser mit Reser ven planen. Wir werden uns dies bei Fahrzeugen wie bei Lo komotivführern bezahlen lassen, und diese Kosten sind für sie natürlich deutlich höher, als wenn sie diese direkt vorhalten würden.

Die Ausschreibung sieht so aus: Wir stellen so und so viel Geld zur Verfügung, um einen solchen Pool – bei Fahrzeugen wie auch bei Lokomotivführern – aufzubauen. Daraus wird dann auch für die, die es nutzen, eine Rechnung abgebildet.

Wir machen das nicht selbst; wir haben ja keine Staatsbahn. Wir bewirtschaften das nicht selbst.

(Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Leiharbeitge ber!)

Natürlich ist das eine Form von Leiharbeit, klar. Das gibt es aber übrigens schon heute, weil es natürlich Sinn macht, da am Markt viele Firmen nicht groß genug sind, um sich den Puffer leisten zu können. Daher macht das durchaus Sinn.

Übrigens haben diese Beschäftigten keine schlechteren Ar beitsbedingungen als die anderen, sie haben nur verschiede ne Einsatzfälle.