Protokoll der Sitzung vom 12.11.2002

(Welnhofer (CSU): Selbstverständlich!)

Oder ist das unüberlegt?

Ich komme zur Bauwirtschaft und damit zur Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen für Gebäude, zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne bei den Immobilien und zur Kürzung der Eigenheimzulage. In Bayern ist die Bauwirtschaft überproportional stark. Ein Viertel des Umsatzes am Bau in Deutschland wird in Bayern gemacht. Ein Viertel der deutschen Bauarbeitnehmer ist in Bayern beschäftigt. Nach den Berechnungen der Verbände der Bau- und Wohnungswirtschaft auf der Grundlage der Baufertigstellungen 2001 ist infolge der verfehl

ten Bau- und Wohnungspolitik mit einem Rückgang der Wohnungsbaufertigstellungen um 10000 Wohneinheiten in Bayern zu rechnen.

Eigentlich hätten die Fehler, die unter Lafontaine gemacht worden sind, schon gereicht. Damals ging es um die Verschlechterung der Verrechnung von Verlusten im Mietwohnungsbau gegen andere Einkunftsarten. Der Bund hat in den letzten Jahren die Förderung des sozialen Wohnungsbaus um 50% reduziert. Sie haben damals schon die Wohnungsbauförderung gekürzt. Die Fehler, die hier gemacht worden sind, haben dazu geführt, dass 100000 oder noch mehr Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Die Fehler, die Sie jetzt machen, werden dazu führen, dass 100000 bis 200000 Arbeitsplätze verloren gehen. Selbst die Gewerkschaft protestiert jetzt. Merken Sie denn nicht, was Sie anrichten mit dieser Politik?

Bundesfinanzminister Eichel meint einzusparen. Tatsächlich spart er Umsätze, und über die mangelnden Umsätze verliert er Steuern. Bayern und Baden-Württemberg trifft dies überproportional.

Weiter zu nennen ist die Wertzuwachssteuer bzw. die Streichung der Spekulationsfristen. Das gilt für die Aktien genauso wie für die Vermögensbildung. Bayern ist mittlerweile das Zentrum der Vermögensverwaltung. Bayern ist das Zentrum der Fondsbranche und des Venture Capital. Wenn diese Branchen durch steuerliche Maßnahmen zurückgedrängt werden, verliert Bayern als Finanzstandort und als Versicherungsstandort massiv an Substanz.

Im Übrigen verstehe ich immer noch nicht, warum man den Leuten bei der Riester-Rente sagt, sie sollen Aktien und Wohnungen kaufen, und ihnen dann, wenn sie dies tun, mit der Steuerkeule über die Rübe haut. Das kann es nicht sein.

(Beifall bei der CSU)

Der Finanzstandort Bayern verliert dadurch an Qualität. Hinzu kommt, dass eine Eigentumswohnung in München pro Quadratmeter durchschnittlich 4700 e kostet, während der Preis in den nördlichen Ländern die Hälfte beträgt. Das bedeutet, dass der Süden Deutschlands durch diese Steuer erheblich stärker betroffen ist als der Norden. Das ist nicht zu widerlegen. Ich frage mich nur, was die Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN hier tun wollen.

Ich komme zur Ökosteuer, die mit dem Argument eingeführt wurde, dass man bei den Lohnzusatzkosten unter 40% kommen will. Getan hat man nichts: Die Lohnzusatzkosten liegen inzwischen bei 42% und steigen weiter. Sie verteuern das Benzin und den Regelsteuersatz für Erdgas. Mir kommt es aber insbesondere auf folgenden Punkt an: Die ermäßigten Steuersätze für das produzierende Gewerbe werden „behutsam“ – sagt Herr Dr. Kaiser von 20% auf 60% angehoben.

Soll das behutsam sein? – Das geschieht auf einen Schlag. Dadurch werden alleine die Haushalte bei uns und unserer Industrie mit 100 Millionen e belastet. Das

verarbeitende Gewerbe wird durch die Erhöhung der ermäßigten Ökosteuersätze um 76 Millionen e belastet. Für die nicht eisenverarbeitenden Metallindustrie bedeutet dies je Arbeitsplatz 3200 e im Jahr. Ich bitte Sie, in einige Betriebe zu schauen, die knapp an der Rentabilität sind. Es wird einige „wegblasen“. Die Kollegen werden kommen und sagen, wir sollen retten und sanieren.

(Dr. Kaiser (SPD): Welche Vorschläge haben Sie?)

Zur chemischen Industrie haben Sie vielleicht in der Zeitung gelesen, dass dort der Anteil der Energiekosten sehr hoch ist. Degussa sagt, dass in Trostberg 700 Leute ausgestellt werden müssen, wenn dies kommt. Ich kann nur sagen: Viel Vergnügen; geht zur SPD und bedankt euch. Das wird nicht die einzige Firma bleiben. Firmen an den Raffineriestandorten und andere, die unter erhöhtem Wettbewerb stehen, wird es „wegblasen“, wenn sie die erhöhte Ökosteuer auf Strom und Energie zahlen müssen.

(Dr. Kaiser (SPD): Machen Sie Vorschläge!)

Das sind Ihre Vorschläge und Beschlüsse, die Sie getroffen haben, ohne sich die Auswirkungen zu überlegen.

Die bayerische Ziegelindustrie ist enorm energieintensiv. Der Anteil an der deutschen Ziegelindustrie macht um die 40% aus, bei Dachziegeln 50%. Die Wettbewerbssituation ist grauenhaft. Beim Preis ist nichts zu erzielen, die Kosten können nicht übergewälzt werden, weil dies der Markt nicht hergibt. Wenn die Energiekosten noch dazukommen, wird es diese Firmen reihenweise „weghauen“. Will man das denn?

Zur bayerischen keramischen Industrie erinnere ich mich an eine SPD-Konferenz, die vor ein paar Jahren in Nordostoberfranken stattgefunden hat. Dort wurde gesagt, es müsse etwas getan werden, damit die Energie billiger wird. Sie machen die Energie teurer. Wenn für die produzierende Industrie die Entlastung von 20% reduziert und auf 60% Belastung hochgesetzt wird, weiß ich, wer demnächst vor meiner Türe stehen wird.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Ich werde sie zu Ihnen schicken. Sie sollen nach Berlin gehen und dort sagen: Dankeschön für das schöne Geschenk „Erhöhung der Ökosteuer“, durch das wir endlich die Betriebe zusperren und in den Urlaub gehen können. Das wird das Ergebnis sein. Haben Sie denn die Folgen nicht berücksichtigt?

Schauen Sie sich die Rentabilitätsgrenzen und die Spielräume an. Sie liegen zwischen Null und –/+ 2%. Was war vor ein paar Jahren in einem Hofer Textilbetrieb? Der Firmeninhaber hat gesagt, wenn die Abwasserreinigung eine höhere Belastung bringe, werde er wegziehen. Wir haben viele Kopfstände gemacht, damit der Betrieb trotz hoher Auflagen für die Abwasserentsorgung bleiben konnte. Werden einem solchen Betrieb die hohen Energiekosten „draufgeklatscht“, „bläst“ es ihn um. Ist Ihnen das noch nicht klar geworden?

Das neue Ökosteuerpaket bedeutet eine Explosion der Energiekosten um bis zu 80%. Gleiches gilt für die Glasindustrie. Dort wird die Zusatzbelastung in Bayern 65 Millionen e ausmachen. Gehen Sie mit mir zu SchottZwiesel, oder gehen Sie zu ein paar anderen Betrieben. Schauen Sie sich deren Bilanzen an und erklären Sie mir dann, wie das für die weitere Entwicklung befruchtend sein soll.

Gleiches gilt für die Papierindustrie. Dort beträgt der Energiekostenanteil in der Regel 25 bis 30%, die Personalkosten 15%. Wenn die Energiekosten enorm steigen, werden große Schwierigkeiten kommen.

Schauen Sie sich die Tankstellen entlang des gesamten Grenzgürtels an. Schauen Sie sich den Tanktourismus nach Österreich an. Sagen Sie den Leuten, die ihre Existenz aufgeben müssen, das sei alles im Sinne einer höheren Zielsetzung, weil die Ökosteuer nur etwas Gutes für die Menschheit ist. Sie sollten den Leuten die Zusammenhänge erklären. Ich kann es nicht.

(Frau Radermacher (SPD): Das glaube ich!)

Meine Damen und Herren, Sie richten einen Kahlschlag bei den produzierenden Arbeitsplätzen in Bayern an.

Letzter Punkt: Erhöhung der Beiträge zur Renten-, Krankenversicherung und – in absehbarer Zeit werden wir das erleben – zur Arbeitslosenversicherung bedeutet Druck auf den Mittelstand. Der Mittelstand hat 50% der Wertschöpfung, 75% der Beschäftigten und 85% der Ausbildungsplätze. Wenn man dort die Arbeitskosten erhöht, obwohl die Nachfrage nicht steigt, bedeutet dies Rationalisierungszwänge. Damit geht die Beschäftigung zurück. Wir haben es in diesem Jahr erlebt und werden es im nächsten Jahr noch stärker erleben.

(Dr. Kaiser (SPD): Welche Alternativen haben Sie?)

Wenn man die Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung und die Besteuerung der betroffenen Bürgerinnen und Bürgern erhöht, bedeutet dies weniger Kaufkraft und weniger Nachfrage.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wie sollen wir es besser machen?)

Die GRÜNEN treten zwar als Reformer auf, kuschen aber bei der SPD. Was machen die GRÜNEN? – Sie sagen zu allem ja. Sie sagen zu allen Punkten ja.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo denn?)

Wo haben Sie etwas durchgesetzt? – Nirgends. Ich frage mich allmählich, ob man vielleicht Freude daran hat, dass es Bayern besonders trifft.

Vorhin wurde behauptet, wir würden die kleinen Leute treffen. Ich meine: Sie treffen mit all den Maßnahmen die kleinen Leute. Sie reduzieren die Kaufkraft. Sie nehmen Ihnen die Arbeitsplätze weg. Sie zwingen die Klein-, Mittel- und auch die Großbetriebe zur Rationalisierung. Damit wird die Zahl der Arbeitslosen größer. Die Zahl der

Beschäftigten wird kleiner. Die Chancen steigen nicht sondern sinken. Die Bundesregierung tut das Gegenteil von dem, was in der aktuellen wirtschaftlichen Lage notwendig wäre, nämlich sparen und gestalten. Konsolidierung und Begrenzung der konsumtiven Ausgaben findet nicht statt. Die Umschichtung zugunsten von Investitionen findet nicht statt. Die Umsetzung der Steuersenkungen 2004 und 2005 wurde aufgeschoben.

Die Sachverständigen sagen sehr deutlich, dass das Gegenteil von dem, was Rot-Grün macht, richtig wäre, wenn wir mehr Wachstum, mehr Arbeitsplätze und mehr Steuerneinnahmen haben wollen.

Ihre Politik ist schon im Ansatzpunkt falsch. Deshalb wird die Wirkung negativ sein. Nachfrage- und Investitionsschwäche sind Merkmale dieser Politik. Freisetzung von Arbeitplätzen, Angst um Arbeitplätze und Angstsparen sind die logische Folge.

Ich füge hinzu: Soweit wir die Möglichkeit haben, werden wir diese Politik im Bundesrat nicht durchgehen lassen. Sie ist schädlich für das Land und schädlich für das Volk. Soweit dies möglich ist werden wir landespolitisch gegensteuern.

Um keine Illusionen aufkommen zu lassen, muss ich hinzufügen: Diese Fehler der Bundesregierung kann man landespolitisch nicht ganz ausgleichen. In Berlin muss korrigiert werden. Es wird höchste Zeit, dass man gegen diesen Blödsinn, der schädlich ist, mit aller Massivität vorgeht. Das sollten die Gewerkschaften tun, denn die trifft es ebenso. Das soll die Wirtschaft tun. Das sollen wir alle gemeinsam tun. Ich hoffe auf einige Einsichtige bei der SPD. Herr Maget macht es in aller Verzagtheit bei der Baubranche. Zumindest habe ich gehört, dass er ein paar Bedenken angemeldet hat. Ich hoffe, ich habe richtig gelesen. Sie sollten sich rühren. Sollten Sie der Meinung sein, dass Sie als bayerische SPD in Berlin Einfluss haben, dann zeigen Sie dies. Die Maßnahmen der Bundesregierung treffen in erster Linie und im besonderen Maße Bayern und wohl auch Baden-Württemberg. Die Südländer sind besonders betroffen. Ich stelle mir immer wieder die Frage, ob das etwa Absicht ist.

(Beifall bei der CSU)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Bernhard.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will einige ergänzende Bemerkungen zum Thema Steuerpolitik machen, nachdem Sie vor der Wahl und auch noch nach der Wahl – der Bundeskanzler hat dies noch im Oktober getan – gesagt haben, die Steuern würden nicht erhöht. Jetzt erhöhen Sie die Steuern um ein Volumen von fast 60 Milliarden e bis zum Jahr 2006. Sie, Herr Kaiser und auch die GRÜNEN haben die Wähler belogen und betrogen

(Beifall bei der CSU)

und damit die Glaubwürdigkeit in die Politik schwer erschüttert und ihr schweren Schaden zugefügt. Wer soll

uns denn noch glauben, wenn Sie solche Lügen und Unwahrheiten verbreiten?

Der „Sparkommissar“ – ich kann es nicht mehr hören – Eichel ist ein massiver Schuldenmacher. Er hat bewusst den Maastricht-Vertrag verletzt und die Leute vor der Wahl darüber belogen. Inzwischen wird er als Pinocchio, man kann auch sagen vulgo als Lügner in der deutschen Presse verspottet. Meine Damen und Herren, dieser Bundesfinanzminister ist unerträglich geworden in einer seriösen finanzpolitischen Auseinandersetzung in Deutschland.

Otto Wiesheu hat bereits auf einiges hingewiesen. Der fatale Fehler bei Ihrer Steuerpolitik ist – auch wenn man über das eine oder andere reden könnte – dass nur Steuern und Abgaben erhöht werden aber keinerlei Wachstumsperspektiven eröffnet werden, löst das eine Spirale nach unten aus. Sie werden sich noch über die Arbeitslosenzahlen in Deutschland wundern, die Sie zu verantworten haben.

Mit der Ökosteuer – ich will hervorheben, was Sie hier machen; Sie kündigen ja schon die Weiterentwicklung, das heißt die weitere Erhöhung der Ökosteuer an – forcieren Sie sehenden Auges aus ideologischen Gründen die Verlagerung von Standorten und die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland. Zu diesem Punkt müssen sich vor allem die GRÜNEN zu Wort melden.

Statt dessen schütten Sie – ich will das hier in Bayern einmal sagen – Milliarden in die Kohlenflöze zur Förderung einer umweltschädlichen Energie, nur weil das Ganze in Nordrhein-Westfalen stattfindet. Das ist ein energiepolitischer und ökonomischer Unfug erster Kategorie. Sie haben durch diese Energiesteuerpolitik, die Sie betreiben, Ihre ökologische Unschuld – das Ganze läuft ja unter dem Feigenblatt Ökologie – vollständig verloren. Es erweist sich – wir haben das von Anfang an gesagt –, dass diese Energiesteuerpolitik nichts anderes ist als eine Abzocke zum Stopfen von Haushaltslöchern.

Lassen Sie mich nun den Punkt hervorheben, den ich für den katastrophalsten halte, nämlich die Besteuerung der Veräußerungsgewinne auf Immobilien. Was machen Sie auf diesem Gebiet? Sie besteuern inflationäre Wertsteigerungen, die möglicherweise über Jahrzehnte angesammelt worden sind, zum vollen Steuersatz. Auf anderen Felder gibt es so etwas auch, aber mit stark ermäßigten Steuersätzen. Sie ziehen vielen Menschen in Deutschland die Alterssicherung unter den Füßen weg. Ich bin gespannt, wann der Zugriff auf die Lebensversicherungen erfolgen wird, der dann schon aus Gleichheitsgründen folgen muss. Wahrscheinlich wird das auch nach den Landtagswahlen im Frühjahr der Fall sein. Sie liquidieren den privaten Mietwohnungsbau; das ist völlig klar. Niemand in Deutschland wird unter solchen Bedingungen eine Mietwohnung zur Verfügung stellen. Das Groteske daran ist: Sie besteuern jetzt die Abschreibungen. Wenn jemand eine Immobilie ohne Veräußerungsgewinn verkauft, müsste man meinen, er müsste keine Steuer bezahlen. Doch weit gefehlt. Er muss die Abschreibung im Nachhinein versteuern. Das ist grotesk. Ich bin gespannt, wann Sie auf die Idee kommen, die Abschreibungen beim Betriebsvermögen zu besteu