Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

(Dr. Scholz (SPD): Das stimmt doch nicht!)

Herr Kollege Scholz, hören Sie doch erst einmal zu. Ich finde das entsetzlich. Frau Kollegin Münzel nimmt vorhin an dieser Stelle in ihrem Beitrag meine von ihr erhofften Argumente schon auf und entgegnet. Sie sagen, das stimme doch nicht, haben aber gar nicht gehört, was ich sage. Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Scholz, als Wahrsager hier sitzen wollen, betätigen Sie sich in der Jahrmarktbude als Wahrsager. Dann setzen Sie sich bitte nicht in dieses Parlament und fangen an, Dinge zu erhoffen oder zu ersehnen, die nicht kommen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Scholz (SPD): Das brauche ich mir von Ihnen nicht sagen zu lassen!)

Ich sage Ihnen klipp und klar – Herr Kollege Scholz, hören Sie gut zu: Der Bayerische Handwerkstag hat sich dafür ausgesprochen, dass wir denjenigen interessierten Absolventinnen und Absolventen der Meisterprüfungen die Möglichkeit eines fachgebundenen Studiums an der Fachhochschule einräumen und dies mit dem Propädeutikum versehen, das wir bereits in einem Modellversuch in Amberg-Weiden und in Ingolstadt erfolgreich durchführen. Da können Sie mich beim Wort nehmen; denn wenn der Präsident des Bayerischen Handwerkstages heute wegen seiner überaus wichtigen Beschäftigungen im Rahmen des Handwerks nicht verhindert, sondern hier wäre, würde er dies bestätigen. Das ist Fakt; daran rütteln Sie mit Ihren Argumenten nicht mehr.

Frau Kollegin Münzel, es geht hier nicht um einen Dünkel und darum, dem Abitur irgendetwas als Heiligenschein zu verpassen, sondern es geht schlicht und einfach um die Zukunft unserer jungen Leute.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei unserem Antrag schon! – Weitere Zurufe von der SPD)

Vor den hoch qualifizierten Leistungen unserer jungen Handwerkerinnen und Handwerker, die sich erfolgreich einer Meisterprüfung unterzogen haben, habe ich persönlich einen hohen Respekt.

(Beifall bei der CSU)

Dieser Respekt gilt der beruflichen, handwerklichen Ausbildung. Die handwerkliche Ausbildung ist andersgeartet als die am Gymnasium, an der Fachoberschule oder Berufsoberschule; denn sie hat eine berufliche Qualifizierung und nicht den Weg zur Studierfähigkeit zum Gegenstand, und das ist für uns das Entscheidende. Deswegen haben wir uns bereits im Antrag auf Drucksache 14/8497, der bereits verabschiedet wurde, für das Propädeutikum, das in Ingolstadt und in Amberg-Weiden vermittelt wird, als Königsweg ausgesprochen, um jungen Meisterinnen und Meistern den Zugang zur Fachhochschule fachgebunden zu ermöglichen.

Der Modellversuch in Ingolstadt und in Amberg-Weiden ist erfolgreich; denn von 36 Absolventen dieses Modellversuchs haben 34 die Prüfung bestanden. Das heißt, insbesondere das in Englisch, Deutsch und Mathematik angebotene Propädeutikum gibt den jungen, angehenden Studierenden genau das Rüstzeug mit, um ein Studium an der Fachhochschule erfolgreich abzuschließen.

In der Zeit dieses Propädeutikums sind die angehenden Studierenden bereits eingeschriebene Studentinnen und Studenten. Das heißt, dieses Semester wird auf ihr Studium voll angerechnet. Und weil sie die Meisterprüfung erfolgreich abgelegt haben, haben sie an der Fachhochschule ein Semester weniger als Praxissemester zu leisten. Sie können also an der Fachhochschule ihr Diplom in genau derselben Zeit, nämlich in acht Semestern, ablegen wie jeder andere an der Fachhochschule Studierende auch. Dieses ehrliche Angebot ist, wie wir gehört haben, auch angenommen worden.

Frau Kollegin Münzel, ich darf nochmals darauf hinweisen, dass unser bayerisches Schulsystem so durchlässig ist wie noch nie. Es ermöglicht jedem auf verschiedenen Wegen den Zugang zum Hochschulstudium, gleich ob Universität oder Fachhochschule. Andererseits überlegen wir uns, dass der Stellenwert des Abiturs verbessert werden und nicht mehr die einzige Voraussetzung für einen Studienplatz an der Universität sein soll. Herr Kollege Dürr, dies ist kein Widerspruch, sondern es sind zwei verschiedene Möglichkeiten. Anträge, wie etwa Ihr Antrag auf Drucksache 14/7728 zur Gleichstellung mit dem Abitur, dagegen helfen nicht weiter. Denken Sie bitte daran, dass eine Gleichsetzung der Meisterprüfung mit dem Abitur den Unterschieden beider Vorbildungen nicht gerecht werden kann. Dies sage ich ohne Hinweis auf Dünkel und Heiligenschein, sondern aus wohlverstandenem Interesse unserer jungen angehenden Studierenden.

Der fachgebundenen Zugang für Meisterinnen und Meister des Handwerks – ich lege Wert auf die Feststellung „des Handwerks“ –, die wir mit dem Antrag auf Drucksache 14/8497 beschlossen haben, eben mit dem Propädeutikum, ist unseres Erachtens der sinnvolle Weg, der beschritten werden kann. Ich bitte deshalb, den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/7728, abzulehnen. Über den anderen Antrag brauchen wir nicht mehr abzustimmen; dem haben wir hier schon zur sinnvollen Mehrheit verholfen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Dr. Scholz das Wort.

Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hatte dem Antrag der CSU ebenfalls zugestimmt, weil sie ihn als einen Schritt in die richtige Richtung gesehen hat. Wir sind aber der Meinung, dass ein bisschen mehr Mut dazu gehörte.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist die Öffnung, die die GRÜNEN vorschlagen, das Ganze auch für Techniker und Betriebswirte zu erweitern, ein richtiger und mutiger Vorschlag. Die Ausbildung zum Techniker und die Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt beinhaltet so viel Theorie, Mathematik und andere theoretische Fächer, dass wir das Wagnis eingehen sollten, das Studium an der Fachhochschule – ich beziehe mich auf die Fachhochschule und nicht auf die allgemeine Hochschule – zu ermöglichen, weil dies für viele junge Menschen – Herr Prof. Dr. Stockinger, Sie haben von der Zukunft der jungen Menschen gesprochen – richtig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang muss man sich die Lebensplanung junger Menschen vor Augen halten. Das ist eine Lebensplanung außerhalb des Abiturs, der man neue Chancen geben muss. Die Ochsentour über die Berufs- oder Fachoberschule ist nicht der Königsweg, sondern das sind die Stufen der beruflichen Ausbildung und der beruflichen Weiterbildung zum Techniker, Betriebswirt und zum Meister. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, auf diesem Weg zumindest bis zur Fachhochschule zu gehen. Das muss für den jungen Menschen planbar und nicht mit allen möglichen Einschränkungen versehen sein.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun sieht es so aus, als würde für die Meister alles auf ein Propädeutikum hinzielen. Es gäbe nichts dagegen zu sagen, wenn wir davon ausgehen könnten, dass das Propädeutikum als Wahlmöglichkeit angeboten wird. Wenn es jedoch eine Voraussetzung ist, ist dies wiederum eine Einschränkung. Der CSU-Antrag geht also nicht weit genug und löst das Problem nicht.

Man darf aber auch nicht – das tun Sie, Herr Stockinger, aber immer wieder – die theoretischen Leistungen, die mit einer Meisterprüfung verbunden sind ebenso wie beim Betriebswirt und beim Techniker unterschätzen, meine Herren Akademiker.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Selber Akademiker!)

Ich bin gelernter Werkzeugdreher und nicht akademischer Ingenieur. Ich habe kein Abitur. Meine Herren Akademiker, Sie haben nicht zugehört, sondern dies im kleinen Kreis besprochen.

Sie haben von mangelnder Studierfähigkeit gesprochen. Dazu ist zu sagen, dass die theoretischen Anforderungen beim Meisterbrief, beim Techniker und beim Betriebswirt außerordentlich hoch sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich weiß nicht, ob Sie sich hineinversetzen können. Ich kann Ihnen das bestätigen. Ich habe die Ochsentour durchgemacht und könnte allergisch werden, wenn man diese unterschätzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin der Meinung, dass wir für diesen Teil der jungen Menschen in unserem Land die Möglichkeit eröffnen müssen. Wir gehen dabei überhaupt kein Risiko ein; denn an den Universitäten werden nach wie vor Prüfungen durchgeführt. Es ist eine vorgeschobene Sorge,

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist Bevormundung!)

ob die denn dann wohl auch in der Lage sind, gut genug Englisch zu sprechen. Das wird sich während des Studiums zeigen. Deswegen gibt es in jedem Semester Prüfungen.

(Beifall bei der SPD)

Zumindest an den Fachhochschulen ist die Durchfallquote der Abiturienten mindestens ebenso hoch wie derjenigen, die über den zweiten Bildungsweg hinein gekommen sind. Das müssen Sie sich hinter die Ohren schreiben. Dann müsste es keine Sorge geben, dass Gefahren eintreten könnten. Wo sehen Sie denn überhaupt Gefahren? – Es gibt keine Gefahren. Seien wir also mutig und geben wir den jungen Menschen diese Chance.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Apostrophierung der Akademiker hat Herrn Dr. Dürr veranlasst, sich zu Wort zu melden. Herr Dr. Dürr.

Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident! Es ist bezeichnend – Kollege Dr. Scholz hat das am Ende seines Beitrags deutlich gemacht – welches Menschenbild die CSU hat. Sie müssen die Menschen bevormunden.

(Lachen und Widerspruch bei der CSU)

Natürlich, Sie müssen die Menschen bevormunden.

Wir reden über Erwachsene, die motiviert sind und die sich weiterbilden wollen. Sie kennen ihre Qualifikationen und sie haben im Laufe ihres Berufslebens Selbstbewusstsein entwickelt. Sie sind erwachsen genug, um dies anzugehen. Diese Menschen wollen Sie deckeln. Ich finde das absurd. Es wäre verständlich, wenn Sie diese Menschen vor irgend etwas schützen müssten.

Sie aber wollen ihnen den Zugang verwehren. Das ist ständestaatliches Denken und Dünkel. Sie denken, diese Menschen sind nicht gut genug für die akademische Ausbildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Prof. Dr. Stockinger (CSU): Sie waren schon einmal besser!)

Es gibt zwei Punkte, einmal die Qualifikation und zum anderen die Motivation. Sie stellen die Qualifikation infrage. Ich meine – Kollege Dr. Scholz hat dies ausführlich dargestellt –, dass die Qualifikation da ist. Sie sind qualifiziert und wollen sich weiterbilden. Sie wissen, auf welchen Weg sie sich einlassen, ganz im Unterschied zu Abiturienten, die dies sehr häufig nicht wissen und häufig nicht motiviert genug sind. Deshalb sind die Abbrecherquoten so hoch. Die Menschen, die den beruflichen Weg gehen, sind motiviert und qualifiziert. Sie können die Weiterbildung schaffen. Würden Sie an die individuelle Förderung glauben und würden Sie den Menschen Chancen einräumen, würden Sie nicht die Decke einziehen.

Zwar wird den Studierenden zugetraut, das Latinum nachzuholen, das Erlernen einer lebenden Sprache nicht. Sie glauben nicht, dass sich ein intelligenter Mensch Englisch studienbegleitend aneignen kann. Sie haben anscheinend damit ein Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Meinung ist durch nichts gerechtfertigt, außer durch Ihren Dünkel. Das ist bezeichnend für Ihr Menschenbild. Das ist ein Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Prof. Dr. Eykmann (CSU): Es ist ein Skandal, dass Sie so argumentieren! – Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Stockinger (CSU) – Weitere Zurufe der CSU)

Jetzt hat Herr Staatsminister Zehetmair das Wort.

Für diese Aufgeregtheiten gibt es überhaupt keine Gründe. Es ist dummes Zeug, von Bevormundung oder Dünkel zu reden. Dann hat man wirklich keine Ahnung.

(Beifall bei der CSU)

Wir stehen derzeit in einer umfassenden Debatte, was das Abitur überhaupt noch wert sein soll. Der Weg wird dorthin gehen, dass das Abitur künftig keinesfalls mehr automatisch bringt, überall und alles studieren zu dürfen. Es wird an den Hochschulen zu Eingangsprüfungen kommen.

Das Modell in Amberg, Weiden und Ingolstadt hat das Ziel herauszufinden, wie viele in der Lage sein werden, dies zu bewältigen. 7000 standen an und 36 – wenn ich es richtig im Kopf habe – sind die Hochqualifizierten. Diese müssen die Chance bekommen. Das ist überhaupt keine Frage. Sie kommen dran. Ob wir dann eine