Protokoll der Sitzung vom 13.02.2003

Die Ganztagsbetreuung ist nämlich, wie schon der Name sagt, nur eine Betreuung und leistet einen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist zwar richtig und wichtig, ist uns aber zu wenig. Die Ganztagsschule dagegen bietet eine große pädagogische Chance, weil sie ein anderes Lernen, Unterrichten und Üben ermöglicht. Sie gibt mehr Zeit für intensive moderne Lernformen, für Projekte, Patenschaften und

Schülerfirmen. Die wollen Sie ja eigentlich auch, aber ich frage mich, wie die in unserer Halbtagsschule zu realisieren sind. Unterricht und Spiel, Spannung und Entspannung wechseln sich ab, weil der Stoff nicht mehr im Eiltempo von 45 Minuten eingepaukt werden muss. Die Ganztagsschule bietet die ganz große Chance, die Qualität des Unterrichts zu verbessern. Die Verbesserung der Qualität des Unterrichts ist ja auch Voraussetzung dafür, dass die Leistungen aller Schülerinnen und Schüler gesteigert werden.

Wir sind der Ansicht, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler in eine Ganztagsschule gehen müssen, aber das Angebot muss sehr viel größer werden. Die Ganztagsbetreuung verlängert zwar die Zeit, die Kinder und Jugendliche an der Schule verbringen, aber sie führt nicht zu einer neuen Qualität des Unterrichts und des Lernens. Wenn die Staatsregierung auf die Ganztagsbetreuung setzt, verspielt sie eine große pädagogische Chance, und zwar aus Gründen der Finanzen. Bei der Ganztagsbetreuung werden nämlich die Kommunen mit in die Finanzierungspflicht genommen. Das wollen wir nicht. Wir sagen: Das ist Bildung, deren Kosten vom Freistaat getragen werden müssen, nicht von den Kommunen.

Nun gibt es vom Bund Mittel für Investitionen. Ein Entwurf liegt vor. Wir alle wissen, dass diese Mittel nur für Investitionen, nicht für Personal ausgegeben werden dürfen; das ist doch klar.

Ich finde, wir sollten uns darüber freuen, dass der Bund Mittel zur Verfügung stellt. Wir sollten nicht herummäkeln, sondern zugreifen im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler. Die Zuständigkeit für Bildung geben wir damit noch lang nicht an den Bund ab. Sie bleibt selbstverständlich bei uns. Dafür werden wir uns weiterhin stark machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Nächste Wortmeldung: Frau Staatsministerin Hohlmeier.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, als ich den Dringlichkeitsantrag gelesen habe, habe ich mir gedacht, das wäre eine Steilvorlage für die CSU-Landtagsfraktion, aber nicht für die Oppositionsparteien im Bayerischen Landtag, da auch die Verwaltungsvereinbarung, die von Frau Bulmahn in der dritten Vorlage vorgestellt worden ist, nicht befriedigen kann. Die ersten beiden Vorlagen haben wir gar nicht bekommen; wir haben sie nur intern über Kanäle erhalten, die keine offiziellen waren. Dabei haben wir erst einmal erfahren, was in einer Verwaltungsvereinbarung unter Umständen drinstehen könnte. Die ersten Entwürfe waren eine regelrechte Katastrophe und stießen auf den massiven Widerstand sowohl der A-Länder als auch der B-Länder, die in einer geschlossenen Front gegen den Bund standen.

Auch mit der vorliegenden Verwaltungsvereinbarung sind die SPD-regierten Länder und die rot-grün regierten Länder vom Tenor her nicht einverstanden. Das ist der Opposition in Bayern anscheinend entgangen. Die Situation ist so, dass sämtliche Länder Deutschlands der Auffassung sind, dass die versprochenen 4 Milliarden e über die Umsatzsteuer an die Länder gegeben werden sollten, damit diese das Geld für die Ganztagsangebote dort verwenden können, wo es notwendig ist. Die Entscheidung, ob das Geld für Personalkosten, für Betriebskosten oder für Räume ausgegeben wird, sollte den Ländern vorbehalten bleiben und nicht vom Bund getroffen werden.

Jetzt gibt es ein 4-Milliarden-Programm, dass vier Jahre gelten soll. Dann hört die Förderung auf. Anschließend müssen die Länder und die Kommunen für das vom Bund für vielleicht 100000 e pro Schule bestellte Programm das Zehn- bis Zwanzigfache an Personalkosten und Betriebskosten im dauerhaften System bezahlen. Sie hier im Bayerischen Landtag ununterbrochen von Konnexität sprechen. Dabei stelle ich mir, offen gestanden, die Frage, was das für eine Konnexität sein soll, wenn der Bund etwas bestellt und anschließend die Länder und die Kommunen allein dafür aufkommen.

(Beifall bei der CSU)

Sie wissen ganz genau, dass bei den Kommunen bis auf einige Ausnahmen nicht die Räume das Problem sind, sondern die Finanzierung der Personalkosten und der Betriebskosten.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Aber auch!)

Wir sind in Bayern etwas fortschrittlicher gewesen, als das in Ihren Ländern der Fall ist. Wir haben das schon längst in die Schulfinanzierung hineingenommen.

(Frau Werner- Muggendorfer (SPD): Das ist doch lächerlich!)

Wissen Sie was: Ihr 4-Milliarden-Programm ist ein richtiger Rohrkrepierer, um das einmal deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CSU)

Es ist ein Rohrkrepierer, weil Ihre großen Ankündigungen im Wahlkampf, dass Sie phantastische Ganztagsschulen schaffen werden, damit enden, dass Sie glatt die Mensa und den Mehrzweckraum bezahlen; aber die kompletten Kosten für qualitativ hochwertige Ganztagsangebote und Ganztagsschulen tragen Länder und Kommunen und sonst niemand. Das ganze Programm ist ein Riesenpopanz.

(Unruhe bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Wie wäre es denn mit dem klugen Vorschlag gewesen, den A-Länder und B-Länder geteilt haben? – Ihre Kollegen Kultusminister sind mit uns einer Meinung, dass diese 4 Milliarden e in Umsatzsteuerpunkten an die Länder hätten gegeben werden sollen und für Personal, Betriebskosten und Räume hätten ausgegeben werden sollen, je nachdem, wie sich die Länder entscheiden.

Wenn Ihre Kollegen von der SPD dieser Meinung sind, dann sollten Sie in Bayern endlich einmal für Bayern Partei ergreifen und nicht Steigbügelhalter für die rotgrüne Regierung in Berlin spielen. Das wäre wesentlich vernünftiger.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das stimmt nicht!)

Frau Werner-Muggendorfer, Sie können nachher reden. Vielleicht hören Sie einmal zu: Das gehört nämlich auch zum demokratischen Verhalten, das man in der Schule lernen soll. Man soll zuhören können und anschließend reden. Dafür gibt es das Rednerpult; das steht anschließend zur Verfügung.

(Gartzke (SPD): Es gibt keine Benimm-Noten mehr!)

Frau Schieder, ich freue mich, dass Sie gesagt haben, dass die Ganztagsangebote hervorragend angenommen werden. Das stimmt tatsächlich. Sie sagten, dass auch die Lehrer sehr zufrieden und die Eltern erleichtert seien und dass die Schüler Hilfe erhalten würden. Das widerspricht allerdings dem, was Frau Münzel gesagt hat. Es ist aber richtig, was Frau Schieder gesagt hat. Tatsächlich ist es so, dass sich auch die Unterrichtsqualität im Zusammenhang mit den Ganztagsangeboten verbessert, weil die Schüler in speziellen Bildungsbereichen extra Förderangebote erhalten und sich die Lehrer in der Sache stark engagieren. Daneben finden die Schüler ein sinnvolles freizeitpädagogisches Angebot vor.

Frau Münzel, Sie verwenden immer wieder bewusst das Wort „Betreuung“. In der heutigen Zeit wissen wir aber schon lang, dass Erziehung, Bildung und Betreuung sowie Förderung zusammengehören. Das eine gibt es nicht ohne das andere. Kein Mensch will Aufbewahranstalten, und unsere Ganztagsangebote sind dies auch nicht. Darüber hinaus haben wir inzwischen auch einige Ganztagsschulen. Wir werden sie am Freitag vorstellen. Frau Bulmahn sagt, an jeder dritten Schule soll eine Ganztagsschule entstehen. Interessant an der Verwaltungsvereinbarung ist für mich, dass man unter Ganztagsschule auch das Ganztagsangebot Bayerns versteht. Das heißt, für die Bundesbildungsministerin ist das Ganztagsangebot Bayerns eine Ganztagsschule im Sinne der Verwaltungsvereinbarung des Bundes. Deshalb sollte man hier vorsichtig sein.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Darum ändern Sie jetzt den Titel in „Ganztagsangebote“!)

„Ganzstagsangebote“ haben wir zu Anfang gesagt, und das werden wir auch in Zukunft sagen, dabei bleibe ich. Ich habe das von Anfang an gesagt. Ich habe meine Diktion nie verändert. Die Bundesbildungsministerin hat ihre Diktion allerdings schon verändert. Sie nannte das zuerst „offene Ganztagsschule“. Ich bin einverstanden. Wie immer man es nennt, es ist ein qualitativ hochwertiges Angebot, das wir unterbreiten.

Frau Münzel, es stimmt schlichtweg nicht, dass die Ganztagsschule immer die bessere Unterrichtsqualität

bietet. Das ist nicht wahr. Man kann an einer Halbtagsschule einen genauso exzellenten Unterricht durchführen, wie man das an einer Ganztagsschule kann. Letztlich kommt es auf die Schüler an. Es gibt Schüler, die Ganztagsschulen brauchen, weil sie bei einer ganztägigen schulischen Förderung und einer Rhythmisierung des Unterrichts besser lernen können. Für diese Schüler eröffnen wir in Zukunft in größerem Ausmaß die Chance, eine Ganztagsschule besuchen zu können. Aber die Abqualifizierung der Ganztagsangebote, die oftmals eine hervorragende Qualität haben, ist schlicht falsch.

Die Verwaltungsvereinbarung ist ein reines Raumprogramm. Mit der Qualität von Schule, mit der Finanzierung von Personal, mit einer Zukunftsinvestition in die Bildung und mit einer besseren Ausstattung der von Ihnen ruinierten Kommunen hat das ganze Programm sehr wenig zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU.

(Unruhe – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist nicht die Mehrheit!)

Entschuldigung, ich habe mitgezählt, bin aber unterbrochen worden. Wir geben der CSU die Gelegenheit, ihre Mehrheit zu beweisen.

(Zuruf von der CSU: Die Kultusministerin haben wir auch noch!)

Jetzt ist noch ein Staatsminister gekommen. Ich glaube, jetzt liegt die Mehrheit eindeutig bei der CSU. Ich stelle fest, dass der Dringlichkeitsantrag mit knapper Mehrheit abgelehnt ist. Wird das bezweifelt? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so entschieden.

Zur gemeinsamen Beratung rufe ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Elisabeth Köhler, Dr. Runge, Kellner und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Subventionsabbau in Bayern (Drucksache 14/11621)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Sackmann und anderer und Fraktion (CSU)

Ziele des Abbaus von Subventionen sowie der Deregulierung und des Bürokratieabbaus weiterverfolgen (Drucksache 14/11633)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Präsident, nicht sehr zahlreich anwesende Kolleginnen und

Kollegen! Der Herr Finanzminister ist auch noch unterwegs, wie mir gerade gesagt wurde; ich hoffe, er trifft demnächst ein, weil speziell sein Ressort betroffen ist.

Am vergangenen Montag gab es große Demonstrationen in Berlin und München. Unter dem Motto „Jetzt reicht ‚s“ haben sich Handwerker, Kleinunternehmer, vor allem waren es auch Bauern, auf die Straße begeben. Diese Demo war und ist Teil einer Kampagne, die zurzeit unter dem Motto „Aufbruch jetzt“ stattfindet, die von breiten Kreisen der Wirtschaft getragen bzw. unterstützt wird. Unter anderem werden in der Kampagne 100 Tage lang Anzeigen in der berühmten Wirtschaftsfachzeitung „Bild“ geschaltet, daneben macht man auch sehr viel über das Internet. Ziele der Initiative sind Subventionsabbau, Vereinfachung des Steuerrechts, Eindämmung unnötiger bürokratischer Hemmnisse, Reformierung der sozialen Sicherungssysteme und Sanierung der öffentlichen Haushalte.

Einzelne Abgeordnete der CSU sind am Montag mitmarschiert, andere haben diese Kampagne unterstützt. Auch wir sagen ganz klar: Wir stehen hinter den Zielen, die ich eben aufgelistet habe. Der Freistaat Bayern soll hier mit gutem Beispiel vorangehen. Deshalb haben wir den Dringlichkeitsantrag gestellt, in dem wir die Staatsregierung auffordern, einen Katalog der Subventionen des Freistaates vorzulegen, welche ihrer Meinung nach mittelfristig gestrichen oder gekürzt werden können. Daneben haben wir noch eine Bitte, die den Subventionsbericht betrifft: Wir hätten gerne alle Subventionen, alle Finanzierungshilfen des Freistaates in diesem Bericht. Wir finden immer wieder einige, die im Subventionsbericht nicht enthalten sind, aber im Haushaltsplan schon. Außerdem wäre es für uns, Herr Finanzminister, schön, wenn wir tatsächlich die Ist-Zahlen vorfänden und nicht immer nur Soll-Ansätze.

Gehen wir zum Thema der Kampagne „Aufbruch jetzt“, zurück. Da muss man ganz klar festhalten: Selbstverständlich sollen die Verbände und die Unternehmen hier mit gutem Beispiel vorangehen, gerade die Verbände und Unternehmen, die am Montag mit dabei waren, und diejenigen, die die Kampagne tragen bzw. unterstützen. Wir freuen uns genauso wie die Kolleginnen und Kollegen von der SPD auf sinnvolle Vorschläge des Bayerischen Bauernverbandes zum Subventionsabbau. Wir begrüßen und fordern es sogar ein, dass unsere Kammern – die sind ein Hort der Regulierung und Bürokratie – mit gutem Beispiel vorangehen und beispielsweise die Zwangsmitgliedschaft infrage stellen. Auch sie sollten sich selbst an der Nase packen und sagen: Es kann nicht richtig sein, dass wir unseren Mitgliedsunternehmen – Zwangsmitgliedern – über diverse kommerzielle Betätigungen Konkurrenz machen. Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, Umweltmanagement, Ideenmanagement, Wissensmanagement: Überall werden Schulungen und Seminare angeboten, was gleichzeitig aber auch kleine Unternehmen machen.

Die skizzierten Forderungen richten sich gerade an Bayern. Gerade in Bayern sind Bürokratie- und Subventionsabbau notwendig, weniger Staat und weniger Filz. Bei Staatswirtschaft und Interventionismus ist Bayern ganz oben. Ich denke an CD-Pilz und Dorfhelferinnen, Deut

scher Orden, Maxhütte, Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft, Kirch. Das sind alles wunderbare Beispiele, wo der Staat massiv reingelangt und danebengelangt hat; das gilt es zu beenden. Wir sollten uns in dieser Forderung einig sein.

Zur Steuerpolitik: Es gibt einerseits wahrlich gute Gründe, um über unser Steuersystem zu lamentieren. Es gibt zu viele Steuerarten, zu viele Schlupflöcher, es gibt viel zu wenig Transparenz. Auf der anderen Seite sollte man auch die Fakten zur Kenntnis nehmen. Die Steuerquote in Deutschland ist mit die niedrigste aller Dienstleistungs- und Industriegesellschaften. Fakt ist auch, dass die deutschen Unternehmen – ganz egal, ob es Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften sind – schon weitaus höhere Steuern zahlen mussten, als sie es heute tun.