Protokoll der Sitzung vom 11.03.2003

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Den Flurschaden, den die Staatsregierung mit ihren Kürzungsmaßnahmen im öffentlichen Dienst angerichtet hat, kann man mit zwei Worten umschreiben: Vertrauensbruch und Demotivation.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vertrauensbruch deshalb, weil einschneidende Maßnahmen – beileibe nicht nur Sparmaßnahmen – beschlossen wurden, ohne die Verbände zu beteiligen. Darauf ist Frau Kollegin Naaß bereits eingegangen. Außerdem wurde ohne Vorwarnung und ohne vernünftige Übergangsregelungen die Möglichkeit der Altersteilzeit eingeschränkt. Damit wurde die Lebensplanung vieler Beschäftigter von heute auf morgen über den Haufen geworfen.

Herr Kollege Dr. Eykmann, Sie sind auf den Gesichtspunkt der Kostenneutralität eingegangen. Was hätte uns daran gehindert, mit den Betroffenen und den Verbänden darüber zu beraten, wie die Altersteilzeit kostenneutral gestaltet werden könnte? Die Heraufsetzung der Antragsaltersgrenze auf 60 Jahre trägt zwar etwas zur Kostenneutralität bei, dennoch wird die Altersteilzeit dadurch nicht völlig kostenneutral. Wir hätten über mehrere Möglichkeiten verhandeln können. Wir hätten dabei zu einem Ergebnis kommen können, das die Betroffenen mitgetragen hätten. Das wäre offen gewesen. So war es jedoch ein eindeutiger Vertrauensbruch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen Vertrauensbruch gab es auch bei den AZV-Tagen, die bei den Lehrerinnen und Lehrern in Form von Altersermäßigungen umgesetzt wurden. Die Lehrerinnen und Lehrer haben hierauf gespart, und jetzt müssen sie feststellen, dass sie umsonst gespart haben, denn das, was sie als Altersermäßigung erhalten hätten, ist ganz oder teilweise gestrichen worden. Es gibt den Spruch: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Aus diesem Grund werden auch die Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass das Arbeitszeitkonto, welches man bei ihnen eingeführt hat, in Wirklichkeit eine Stunde Mehrarbeit bedeutet auf der steht: auf Nimmerwiedersehen.

Das Gleiche finden wir bei der 40-Stunden-Woche für die Beamtinnen und Beamten und es gilt auch für die Leistungsstufen. Sie sind schließlich keine milde Gabe des Staates als Arbeitgeber, sondern das haben sich die

Beschäftigten durch eine Streckung der Altersstufe selbst finanziert. Die Staatsregierung hat sich dafür loben lassen, weil sie in der Besoldung ein wichtiges Leistungselement eingeführt hat. Wenn die Leistungsstufen-Verordnung jetzt aber bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag außer Kraft gesetzt wird, ist dies wohl das Signal, dass es in Bayern Leistungshonorierungen nur nach Geschäftslage gibt. Ich frage: Soll es auch Leistung nur nach Geschäftslage geben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Davon kann wohl keine Rede sein. Durch die drastischen Einsparungen in fast allen Bereichen kommt auf die Kolleginnen und Kollegen ein ungeheueres Maß an Mehrarbeit zu. Bei manchen Behörden wird dadurch die Funktionsfähigkeit in Frage gestellt. Bei der Finanzverwaltung spricht man offen darüber, dass die Steuergerechtigkeit außer Kraft gesetzt wird. Dabei stellt sich bei den Finanzbehörden eine spezielle Situation dar. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort kosten den Staat eigentlich nichts, sondern sie bringen ihm Geld. Durch die dramatischen Einsparungsmaßnahmen gehen dem Staat aber Steuergelder verloren. Es handelt sich also nicht um Einsparungsmaßnahmen im Haushalt.

Ich denke, nicht die Einsparungen sind das Thema, das die Beschäftigten im öffentlichen Dienst so unversöhnlich stimmt. Es ist vielmehr die Frage, wie man mit den Betroffenen umgeht. Dies ist im hohen Maße demotivierend und unehrlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen hierzu zwei Beispiele nennen. Das erste betrifft die Lehramtsbewerber. Wir haben eine lange Warteliste an Lehramtsbewerbern. Trotzdem haben wir nicht genügend Lehrer. Das liegt daran, dass ein Teil der Lehramtsbewerber Einjahresverträge angeboten bekommen, die sie nicht annehmen können oder wollen. Man könnte diese Situation dadurch verbessern, dass man ihnen bessere Vertragsbedingungen gibt. Man könnte sie durch ein Bonussystem verbessern, wodurch diejenigen, die solche Verträge annehmen, auf der Warteliste weiter nach vorne kommen. Was aber tun Sie? – Herr Eykmann, ich war sehr überrascht. Sie fordern, dass diejenigen, die diese befristeten Verträge nicht annehmen, von der Warteliste gestrichen werden, wenn dies ohne nachvollziehbare Gründe geschieht. Diese Forderung hat zwei Fehler. Erstens. Die Forderung ist dirigistisch und demotivierend, das brauchen wir nicht. Zweitens. Diese Forderung ist bürokratisch, denn wer legt fest, was nachvollziehbare Gründe sind? Man bräuchte eine eigene Stelle, die solche Gründe festschreibt. Würde man das aber über ein Bonussystem regeln, hätten wir das Problem gewissermaßen am Markt erledigt.

Nächstes Beispiel. Die Beihilfe für Angestellte wurde bereits angesprochen. Dabei handelt es sich eindeutig um einen Schnellschuss des Finanzministeriums, den man abgegeben hat, ohne die Konsequenzen für die Betroffenen zu kennen. Die Reaktion des Ministeriums ist wie üblich die, die Schuld bei den Betroffenen zu suchen. Es wird gesagt, diese hätten eine Gesetzeslü

cke genutzt. Man behauptet, man habe die Betroffenen gewarnt, es werde Schreckliches auf sie zukommen. Mir ist von den Betroffenen aber bekannt, dass man ihnen hierzu sogar geraten hat.

Sie wollen mehr Kompetenzen vom Bund. Aber wie gehen sie mit den Kompetenzen um, die sie vom Bund bekommen? Das beste Beispiel dafür ist der Anwärtersonderzuschlag. Der Bund hat hier eine Möglichkeit geschaffen. Im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes haben wir lange darum gerungen, ob wir den Antrag der CSU als gemeinsamen Antrag einbringen und behandeln können. Als wir uns dazu durchgerungen hatten, kam plötzlich aus dem Kultusministerium die Nachricht: Es gibt keinen Bewerbermangel mehr bzw. der Bewerbermangel hat sich dramatisch reduziert. So jedenfalls war der Beitrag von Frau Staatsministerin Hohlmeier im Finanzausschuss. Zwei Wochen später, Anfang Dezember, konnten wir in einem Bericht der Staatsregierung lesen, dass es diesen Bewerbermangel nicht mehr gibt. Nun werfen wir aber einen Blick in die Broschüre „Die Lehrerprognose in Bayern für das Jahr 2002“, die ebenfalls im Dezember 2002 herausgegeben wurde, also genau zu den Zeitpunkt, als wir den Bericht der Staatsregierung bekommen haben. In dieser Broschüre ist auf Seite 16 nachzulesen: „In den Fachrichtungen Elektrotechnik, Metalltechnik und Ernährungswissenschaften besteht mittlerweile ein Bewerbermangel“. – Was soll man davon halten? Man könnte sagen: Vielleicht war die Untersuchung schon etwas älter und wurde erst im Dezember herausgegeben. Ein paar Seiten vorher können wir aber nachlesen: „Der für das Kalenderjahr 2002 ausgewiesene Bedarf an Berufseintritten stellt kein Prognoseergebnis dar, sondern gibt die Zahl der tatsächlich erfolgten Berufseintritte an.“ Das Ministerium sagt also innerhalb von wenigen Wochen, vielleicht sogar innerhalb der gleichen Woche, zweimal genau das Gegenteil. Was sollen die Betroffenen davon halten? – Die kommen sich doch, wenn ich es platt sagen darf, „verarscht“ vor. Das wird niemand abstreiten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben sehr teure Aufträge an Unternehmensberatungen wie Roland Berger und andere vergeben. Die wurden dann aber nicht umgesetzt, und das Ergebnis, das dabei herauskam, hätten wir im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes aus dem Stegreif und noch dazu kostenneutral geben können. Hätten sie das Geld hierfür lieber in den öffentlichen Dienst gesteckt. Sie hätten damit mehr erreichen können.

Lassen sie mich abschließend sagen: Wer einen zukunftsweisenden öffentlichen Dienst als bürgernahes Dienstleistungsunternehmen will, der braucht motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie, von der CSU und von der Staatsregierung tun aber alles, um diese Motivation zunichte zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte darauf hinweisen, das der nachgezogene Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion „Beihilfe für Angestellte im Öffentlichen Dienst – Härtefallregelungen schaffen“ auf Drucksache 14/11830 ebenfalls in die Behandlung dieses Punktes einbezogen wird.

(Franzke (SPD): Und sie bewegt sich doch!)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Wörner das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen sie mich eine Vorbemerkung machen. Herr Kollege Dr. Eykmann, wie wichtig diese Aktuelle Stunde ist, sehen wir auch daran, dass jetzt auch Sie einen Dringlichkeitsantrag nachziehen, mit dem die so genannte Liste – die nichts anderes als eine Murks-Liste ist, denn es war keine vernünftige Arbeit, sondern ein Schnellschuss, der hier gegen den öffentlichen Dienst abgegeben wurde – jetzt korrigiert werden soll. Wir freuen uns, dass Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Das sagen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Grunde geht es dem Finanzminister doch um etwas ganz anderes als um das Streichen von Geldern im öffentlichen Dienst. Er will den schlanken Staat, um die Daseinsvorsorge, die in der Verfassung eigentlich garantiert ist, zu sabotieren und zu privatisieren. Das ist sein eigentliches Ziel, und dazu ist ihm jedes Mittel recht.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich hier ausdrücklich für die gute Arbeit der bayerischen Polizei bedanken, die bekannt gegeben wurde.

(Beifall bei der SPD)

Man muss sich wundern, dass in Zeiten, in denen Polizeibeamte zu den Sparopfern massivster Art gehören – ich kann gerne auflisten, wo das so ist und warum –, diese Beamten hochmotiviert sind und ihren Dienst so erfüllen, dass wir in den statistischen Werten der Bundesrepublik ganz oben liegen. Von hier aus: Vielen Dank den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Man muss sie bewundern.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss sie bewundern, weil der bayerische Finanzminister alles tut, um die Motivation der Beschäftigten zu zerstören. Jeder Unternehmensberater rät zur Motivation der Beschäftigen. Im Übrigen führten die Aufträge an diese Unternehmen auch nur zu Papier, das man für viel Geld bei Freunden erstellen ließ. Was sie von der CSU aber machen, ist Demotivation.

(Beifall bei der SPD)

Sie werfen Lebensplanungen über den Haufen, Sie nehmen den Leuten Geld aus der Tasche – ich habe das auch schon einmal anders bezeichnet, das war aber

wahrscheinlich sogar zu harmlos ausgedrückt –, doch sie machen auch noch etwas anderes.

Sie verzocken auf dem Finanzmarkt Teile der Pensionsrückstellungen.

(Prof. Dr. Faltlhauser (CSU): Schwätzer!)

Da können Sie ruhig „Schwätzer“ sagen; ich sage Ihnen gleich etwas anderes. Das trifft Sie offensichtlich. Sie haben von den 0,2% Pensionsrückstellungen für die Beamten einen guten Teil auf dem neuen Markt verzockt. Herr Minister, das weise ich Ihnen nach.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn Sie genau hinsehen, werden Sie feststellen, dass gerade die Polizei in München mit Tausenden von Überstunden überlastet ist. Die Beamten müssen auf Wunsch des Finanzministers, weil er angeblich kein Geld übrig hat, in Gebäuden hausen – arbeiten kann man das nicht nennen –, die völlig heruntergekommen sind. Der Finanzminister überhäuft sie mit Überstunden und wundert sich dann, dass sie erkranken und frühzeitig dienstunfähig sind. Da gibt es innere Zusammenhänge, die ein Minister möglicherweise nicht so gut begreift wie jemand, der dort selbst tätig ist. Sie kürzen die Ballungsraumzulage, müssen sich aber dann eines Besseren belehren lassen, weil die Ballungsraumzulage zu Recht gewährt wurde, sonst wäre sie jetzt nicht als richtig im LEP weitergeführt.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Eykmann (CSU))

Herr Dr. Eykmann, Sie können sich ruhig erregen. Ich komme jedenfalls zu dem Ergebnis, Herr Faltlhauser will offensichtlich das, was er an Rückstellungen aufgebraucht hat, bei den Beamten einsparen. Das kann man natürlich machen; man muss sich dann allerdings gefallen lassen, dass es laut gesagt wird.

Herr Minister, Sie haben mit Ihrer so genannten Streichliste die Menschen im öffentlichen Dienst massiv geprügelt. Sie haben damit Leute getroffen, die den Dienst für die Öffentlichkeit leisten. In diesem Zusammenhang nenne ich allen voran die Polizei. Sie haben die Ballungsraumzulage angetastet und unsere Bitte, Grundstücke preiswert abzugeben, damit wir preiswerte Wohnungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bauen können, abgelehnt. Das heißt, Sie sind nicht bereit, für die Menschen, die in dieser Stadt Dienst leisten und sich das Leben in München aufgrund Ihrer Politik fast nicht mehr leisten können, preiswerten Wohnraum bauen zu lassen.

Was wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie die Leute in München dienstverpflichten, wie Sie es mit der Polizei machen zum Ärger und zur Demotivation vieler? Ich denke, das ist der falsche Weg und es wird Zeit, diesen Fehler zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Ach.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Wörner, das, was Sie uns hier bieten, ist eine Zumutung, und zwar sowohl in der Wortwahl als auch in der Art und Weise der persönlichen Angriffe. Wir können über alles diskutieren, aber ich sage Ihnen eines: Als Münchner Abgeordneter haben Sie die Interessen ganz Bayerns zu vertreten und nicht nur die Interessen der Region München in einer unparlamentarischen Art und Weise.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nun versuchen, der Diskussion die Emotionalität zu nehmen und die Debatte zu versachlichen. Das wird mir hoffentlich möglich sein.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das war die Vorbemerkung, Herr Kollege Dr. Dürr. Nun zum Thema. Sie wissen alle, dass wir unter äußerst schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen arbeiten und entscheiden müssen. Trotzdem ist es uns – leider ohne Ihre Unterstützung – gelungen, den Kurs einer soliden, nachhaltigen Haushaltspolitik fortzuführen. Das, was wir im Rahmen des Doppelhaushalts 2003/2004 beschlossen haben und beschließen mussten, kommt nicht von ungefähr. Verschiedene beschlossene Maßnahmen mussten umgesetzt werden, und zwar der planmäßige Abbau der Neuverschuldung, die Begrenzung des Ausgabenwachstums und – was Sie kritisiert haben, Herr Wörner – die Beibehaltung einer hohen Investitionsquote, die letztlich auch der Wohnraumbeschaffung zugute kommt.

Zunächst möchte ich auf den Abbau der Neuverschuldung eingehen. Sie wissen alle, dass unser gesetzlich geregeltes, zentrales haushaltspolitisches Ziel nach wie vor die schrittweise Rückführung der Neuverschuldung auf Null bis zum Jahr 2006 ist. Endgültiges Ziel ist die Schaffung eines ausgeglichenen Haushalts. Wenn Sie von der Opposition sich an unseren diesbezüglichen Bemühungen beteiligen, können Sie eine nachhaltige Politik für künftige Generationen sicherstellen.

Zweites und am heutigen Tag wichtigeres Thema – um das geht es heute inhaltlich – ist die Begrenzung des Ausgabenwachstums. In Zeiten rückläufiger Steuereinnahmen – ich frage Sie, wer diese zu verantworten hat – kann ein solider Staatshaushalt nur erreicht werden, wenn strenge Ausgabendisziplin geübt wird. Das gilt für Sie, für uns und für alle.