Protokoll der Sitzung vom 12.03.2003

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Herr Kollege Wörner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden diesen Antrag gern im Umweltausschuss diskutieren. Ich habe heute Vormittag schon etwas zum Wasser und zur Sicherheit von Wasser gesagt. Das Thema der Altlasten betrifft natürlich auch massiv das Grundwasser bzw. dessen Gefährdung.

Frau Paulig, es freut mich, dass die GRÜNEN das Thema jetzt auch aufgreifen, nachdem die SPD bereits eine Reihe von Anträgen betreffend die Altlastensanierung gestellt hat. Ich hoffe, dass es Ihrem Antrag besser geht als unseren Anträgen. Diese hat nämlich die Mehrheitsfraktion im Umweltausschuss abgelehnt, obwohl die vorgeschlagenen sinnvollen Maßnahmen zum Beispiel in Österreich längst praktiziert werden. Dort erhebt man für eine bestimmte Menge Müll, die eingesammelt wird, einen Betrag, den man dazu verwendet, Altlasten zu sanieren. Die Kosten treffen alle, aber in einer geringen Höhe. Wenn Altlasten entdeckt werden, muss nicht lang verhandelt werden, wer diese mit welchem Geld entsorgt. Aus dem Fonds speist Österreich, das bezüglich der Müllentsorgung eine ähnliche Geschichte hat wie Deutschland, inzwischen sämtliche Altlastensanierungen.

Wir hingegen sind immer noch bei der Erfassung, während die Österreicher längst einen Schritt weiter sind und sanieren. Wir fahren damit ein enorm hohes Risiko für das Grundwasser. Kein Mensch weiß, wann die ersten Altlasten wieder einmal – wir hatten schon einige solcher Fälle – ins Grundwasser durchbrechen, und dann ist der Teufel los.

Meine Damen und Herren, ich bitte wirklich darum, nicht mehr lange herumzutun, sondern schleunigst alle notwendigen Kataster zu erstellen. Man kann dann mit den Mitteln arbeiten, die in anderen Ländern auch nützen. Man muss ja nicht alles neu erfinden, sondern kann sich andere zum Vorbild nehmen. In diesem Fall ist nun einmal Österreich etwas weiter als wir. Man könnte ähnliche Gesetzgebungen schaffen. Man kann Geld beim Müll einsammeln, das dann dazu genutzt wird, die Altlasten schneller zu entsorgen, anstatt zu warten, bis wieder irgendwo ein Problem auftritt.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Herr Hofmann, Sie sind sonst so gescheit, aber das wissen Sie offensichtlich nicht, dass es in der Hand der Bundesländer liegt, solche Vereinbarungen zu treffen. Ich schlage deshalb vor, das im Umweltausschuss zu diskutieren. Wir greifen dabei auf unsere alten SPD-Anträge zurück, die in der Regel etwas weiterführender sind als das, was hier beantragt wird.

(Beifall bei der SPD)

Die Aussprache ist geschlossen. Es besteht offenbar Übereinstimmung darin, dass dieser Antrag in den zuständigen Umweltausschuss verwiesen wird.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Dr. Bernhard und anderer und Fraktion (CSU)

Dirigismus des Bundes bei der Verwendung der Flutopferhilfe verhindern (Drucksache 14/11825)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Werner-Muggendorfer, Schmitt-Bussinger und Fraktion (SPD)

Wirksame und nachhaltige Hilfe für Bayerns Kommunen anstelle taktischer Spielereien (z. B. Flutop- ferhilfe) (Drucksache 14/11872)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erster hat Kollege Ettengruber das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Situation der Kommunen ist dramatisch. Es ist fast schon eine Binsenweisheit, wenn man in diesen Wochen und Monaten darauf hinweist. Solange aber alle Appelle und politischen Aktivitäten an Rot-Grün in Berlin abprallen, ist es notwendig, immer wieder darauf hinzuweisen. Nach der November-Steuerschätzung wird für das Jahr 2003 mit Steuerausfällen von rund 16 Milliarden e gerechnet. Auf die Kommunen entfallen hiervon 2,9 Milliarden e. Bereits 2001 ist das Gewerbesteueraufkommen bundesweit um 9,2% zurückgegangen, und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2002 lag die Gewerbesteuer nochmals um 9% unter dem Aufkommen im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die Ursache für diese desolate Entwicklung der Kommunalfinanzen sind in falschen und unterlassenen Weichenstellungen in der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik des Bundes zu suchen. Durch die ständigen Lastenverschiebungen der Bundesregierung auf die Kommunen in den letzten Jahren hat sich deren finanzielle Situation dramatisch verschlechtert. Wir fordern dringend Kurskorrekturen auf Bundesebene ein. Am wichtigsten sind eine gute Wirtschaftspolitik und eine Stärkung des Wirtschaftswachstums. Die beste Sozialpolitik und die beste Politik für die Kommunen ist immer noch eine gute Wirtschaftspolitik, und an der fehlt es derzeit. Der Antrag auf Senkung der Gewerbesteuerumlage, der im Bundesrat vonseiten der Bayerischen Staatsregierung eingebracht worden ist, ist wiederum abgelehnt worden, sodass keine Besserung in Sicht ist. Auch die Gemeindefinanzreform lässt auf sich warten. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz würde eine Verschlechterung der finanziellen Lage der Kommunen um 15,6 Milliarden e allein im nächsten Jahr mit sich bringen.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist unser Antrag zu sehen, nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass der Bund über den Stand der Mittelverwendung für den Solidaritätsfonds „Aufbauhilfe“ Rechnung legt. Offensichtlich werden nicht alle diese Mittel gebraucht. Wir wollen wissen, welche Mittel noch da sind, welche bereits ausgegeben wurden und welche Mittel nicht mehr gebraucht werden. Außerdem fordern wir, dass diese Mittel den Kommunen zurückgegeben werden. Es ist ein alter Grundsatz, dass zweckgebundene Mittel, die für den vorgesehenen Zweck nicht mehr gebraucht werden, zurückgegeben werden. Jeder private Spendensammler, der zweckgebundene Mittel nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet, würde dem Staatsanwalt in die Hände fallen. Wir wollen, dass diese Mittel an die Kommunen zurückgegeben werden, die sie dringend brauchen. Eine Alternative dazu wäre, diese Mittel den Kommunen als Soforthilfe und ohne Zweckbindung zur Verbesserung ihrer Haushaltssituation zur Verfügung zu stellen. Auch der Bund hätte in diesem Fall auf die Rücknahme des Bundesanteils zu verzichten.

Ein kommunales Investitionsprogramm hilft den Kommunen überhaupt nicht weiter. Dieses Investitionsprogramm, das aus Darlehen bestehen soll, soll zum Teil mit den Mitteln der Flutopferhilfe finanziert werden. Der Präsident des Bayerischen Städtetags hat gesagt, es sei schon eine große Dreistigkeit, wenn man den Kommunen die Mittel, die man ihnen vorher abgenommen hat, über Darlehensprogramme zurückgeben will, für die sie dann auch noch Zins zahlen müssen. Im Übrigen sind die Zinsen auf dem freien Geldmarkt inzwischen so niedrig, dass ein derartiges Darlehensprogramm überhaupt nicht sinnvoll wäre. Die Kommunen brauchen Mittel zur freien Verwendung; sie wissen selbst am besten, was sie tun müssen und wofür sie die Mittel am besten verwenden.

Im Antrag der SPD wird, wie schon so oft zuvor, wiederum behauptet, dass die Schlüsselzuweisungen in Bayern innerhalb des Bundesgebietes mit zu den schlechtesten gehören. Das ist falsch. Das wird auch durch ständige Wiederholung nicht richtiger. Man kann

das nicht isoliert sehen: In Bayern fließt jeder fünfte Euro aus dem Staatshaushalt in die kommunalen Kassen. Im Finanzausgleich 2003 betragen die Finanzausgleichsleistungen trotz der Steuerausfälle rund 5,66 Milliarden e. Das bedeutet – bereinigt – Landesleistungen von 4,86 Milliarden e für die Kommunen. Das ist ein beachtliches Ergebnis, das in Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden erzielt worden ist.

Gerade die Schlüsselzuweisungen können auch im Jahr 2003 trotz des Rückgangs des Steuerverbundes gegenüber dem Vorjahr auf dem hohen Niveau des Jahres 2002 gehalten werden. Hier sind Umschichtungen notwendig geworden, die in Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden vorgenommen worden sind. Die Behauptung, die in diesem Antrag wieder aufgestellt wird, Bayern sei im Vergleich mit den übrigen alten Flächenländern Schlusslicht bei den Schlüsselzuweisungen, ist also falsch. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Schlüsselzuweisungen nicht isoliert betrachtet werden können, sondern dass der kommunale Finanzausgleich aus einer Vielzahl von Leistungen zugunsten der Kommunen besteht.

Bayern achtet sehr auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den allgemeinen Deckungsmitteln einerseits und den Mitteln für gezielte Einzelförderungen andererseits. Aussagekräftig sind die FAG-Landesleistungen pro Kopf der Bevölkerung. Hier liegt Bayern auch im Jahr 2003 mit 396 e pro Einwohner deutlich über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer mit 325 e. Die Auswirkungen der Steuermindereinnahmen in Höhe von 1 Milliarde e im Jahr können vom Freistaat Bayern selbstverständlich nicht vollständig ausgeglichen werden.

Wir müssen eine vernünftige Wirtschaftspolitik fordern. Wir sind neugierig darauf, was der Bundeskanzler am Freitag sagen wird. Viel Hoffnung besteht aber nicht. Ganz egal, was er sagen wird: Er hat offensichtlich nicht mehr die Autorität, das überhaupt durchzusetzen. Wer die Auseinandersetzungen der verschiedenen Flügel der SPD-Bundestagsfraktion verfolgt, die sich gegenseitig paralysieren, hat nicht viel Hoffnung, dass diese Rede vernünftige Konsequenzen nach sich ziehen wird.

Meine Damen und Herren, im Antrag der SPD wird auch noch gefordert, die Grenzlandgemeinden vom Solidaritätspakt zu befreien. Auch insofern ist dieser Antrag sehr populistisch.

(Schläger (SPD): Herr Schnappauf hat das vorgeschlagen, das haben wir von eurem Minister übernommen!)

Das kommt schon von euch.

(Lachen bei der SPD)

Dazu ist jedenfalls festzustellen, dass die Lasten der Deutschen Einheit von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden. Darin hat über die Parteigrenzen hinweg immer Übereinstimmung bestanden. Der Freistaat Bayern und die Kommunen werden im Jahr 2003 voraussichtlich 2,3 Milliarden e zur Finanzierung der Lasten der Deutschen Einheit beitragen. Der Finanzie

rungsanteil der Kommunen beträgt übrigens 38% und damit 154 Millionen e und nicht, wie es in Ihrem Antrag heißt, 880 Millionen. Hier enthält Ihr Antrag einen krassen Fehler.

Die Laufzeit für den Solidarpakt 2 ist bis 2019 vereinbart. Dem haben alle zugestimmt, auch die SPD-regierten Länder. Jetzt zu fordern, der Freistaat Bayern solle den Anteil der Kommunen im Grenzland übernehmen, geht zu weit. Im Übrigen frage ich Sie, wo hier die Abgrenzung ist. Wer soll entlastet werden und wer nicht? Auch diese Frage ist völlig offen. Natürlich ist es immer am einfachsten, zu fordern, der Freistaat Bayern solle diese Lasten übernehmen. Das ist aber sicher die am wenigsten intelligente Lösung.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie sagen doch immer, der Bund soll es übernehmen!)

Ja, es wäre vernünftig, wenn Sie in dieser Situation nicht immer auf den Freistaat Bayern zugehen würden. Das zeigt aber, dass Sie in Berlin offenbar keinen Einfluss haben. Es wäre sinnvoller, mit dem Bund über einen vernünftigen Ausgleich zu reden. Offensichtlich werden Sie in Berlin aber nicht gehört. Jedenfalls ist Ihr Antrag in der Form abzulehnen. Für den Antrag der CSU bitte ich um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Schmitt-Bussinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Ettengruber, Sie sprachen eingangs von einer desolaten Entwicklung der Kommunalfinanzen. Diese Beschreibung der Situation ist zweifellos richtig. Die Schlussfolgerungen daraus und die Zuschreibung der Verantwortung gehen aber bei Ihnen und bei uns in unterschiedliche Richtungen. Wir haben noch die Äußerungen des Kollegen Strasser zum vorletzten Dringlichkeitsantrag im Ohr. Deshalb müssen wir auch die Zuschreibung der Verantwortung an die bayerische Seite ernst nehmen. Dazu aber sagten Sie leider kein einziges Wort. Sie machen mit Ihrem Antrag nichts anderes, als die Schuld der Bundesregierung zuzuweisen.

(Dr. Bernhard (CSU): Das ist auch richtig so!)

Die eigenen Handlungsmöglichkeiten sehen Sie dabei nicht.

Ich will nur zwei Beispiele aufgreifen, die Sie, Herr Kollege Ettengruber, erwähnt haben. Erstens. Sie sprachen von der Rücknahme der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage. Diese Möglichkeit könnten wir hier im Freistaat nützen. Wir könnten hier in Bayern die Einnahmen, welche der Freistaat bekommt – im Jahr 2003 sind es immerhin 173 Millionen e – ohne weiteres an die Kommunen weitergeben. Sie tun das nicht, Sie wollen das nicht. Sie blicken auf den Bund und sagen: Bund, mach du etwas.

(Beifall bei der SPD – Dr. Bernhard (CSU): Wenn der Bund es macht, dann machen wir es auch, aber der Bund macht es nicht! – Willi Müller (CSU): Der Bund braucht doch nur das Gesetz zu ändern!)

Diese Position ist nicht nachzuvollziehen, weil Sie selber unabhängig vom Bund handeln könnten.

(Dr. Berhard (CSU): Warum tut es der Bund nicht? – Willi Müller (CSU): Am einfachsten wäre es, von 20 auf 30% wieder zurückzugehen!)

Zweitens kritisieren Sie immer wieder die Arbeit der Gemeindefinanzreformkommission. Aber auch dadurch, dass Sie das immer wieder ansprechen, wird es nicht richtiger. Natürlich hoffen wir alle darauf, dass die Ergebnisse in diesem Jahr vorgelegt werden, weil wir uns davon eine Verbesserung der Einnahmesituation erwarten. Sie haben während der Regierungszeit der Union 16 Jahre lang nichts dafür getan, obwohl Sie damals die Grundlagen für die Gewerbesteuer so verändert haben, dass das Steueraufkommen der Kommunen so gering geworden ist, wie es jetzt ist. Ohne Ihre Veränderungen wäre die Gewerbesteuer eine noch ernster zu nehmende Steuer, als sie es heute ist.

(Dr. Bernhard (CSU): Die Kommunen haben dafür doch die Umsatzsteuer! Wovon reden Sie eigentlich?)

1998, als ich neu in den Landtag kam, habe ich mich sehr darüber gefreut, dass das Kabinett eine Reform des innerbayerischen Finanzausgleichs beschlossen hat. Seither aber gibt es keine Ergebnisse. Wir haben dazu schon mehrere Anträge gestellt, um endlich an den Erkenntnissen der Staatsregierung oder der Reformkommission beteiligt zu werden. Wir haben niemals eine inhaltliche Antwort bekommen. Wir sind immer nur vertröstet worden. Im innerbayerischen Finanzausgleich gibt es nach wie vor keine Reform. Diese Reform wäre aber ebenso dringend notwendig wie auf Bundesebene. Deshalb frage ich Sie schon, wer länger braucht, um Reformen durchzuführen. In dem Fall ist es eindeutig das Land Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Nun aber, Kolleginnen und Kollegen der CSU, zu Ihrem Dringlichkeitsantrag. Dieser verfolgt, wie so oft, nur den Zweck, die eigenen Hände in Unschuld zu waschen, den Menschen Handlungsfähigkeit vorzugaukeln, aber keine Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der SPD)

Sie laden nur Schuld und Verantwortung bei der Bundesregierung ab. Das machen Sie ja immer wieder. Diese Schuldzuweisungen werden aber auch nicht dadurch wahrer, dass sie ständig wiederholt werden.