Mit Ihrem hemmungslosen Angriff wollen Sie wahrscheinlich vom desolaten Zustand Ihrer Partei und der Koalition ablenken. Es ist immerhin Bundestagspräsident Thierse gewesen, der gesagt hat, die SPD befinde sich in einem Überlebenskampf.
Aber ich glaube, dieses Thema ist zu ernst für parteipolitische Taktik, wie Sie sie hier anwenden wollen. Sie kramen aus ihrer alten sozialistischen Mottenkiste – –
Ja, ich werde Ihnen gleich sagen, was Sie da herauskramen. Sie kramen aus der alten sozialistischen Mottenkiste die These hervor, dass der Bürger vor dem Staat geschützt werden müsse. Das ist doch Ihre Parole. Wir vertreten die Ansicht, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane die Bürgerinnen und Bürger schützen und dass wir die Aufgabe haben, der Polizei die nötigen Mittel und die gesetzlichen Grundlagen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihren Auftrag zum Schutz des rechtstreuen Bürgers erfüllen kann. Unsere Sicherheitspolitik ermöglicht der Polizei und dem Verfassungsschutz einen wirkungsvollen Schutz der Bevölkerung. Wir unterscheiden uns darin von anderen Bundesländern, wie erst jüngst das Beispiel in Berlin gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, die SPD fordert, der Polizei sollten keine Mittel nachrichtendienstlicher Art übertragen werden, wie Sie sich ausdrücken, die präventiv und ohne jegliche Verdachtsmomente angewandt werden können. Davon kann doch nach dem Gesetzeswortlaut und nach der Begründung überhaupt keine Rede sein.
In Ihrer maßlosen Kritik beschränken Sie sich nicht auf die Beanstandung, dass die Berufsgeheimnisträger von präventiven Abhörmaßnahmen nicht ausgenommen sind – dazu werde ich mich noch besonders äußern –, Sie wollen ganz offensichtlich eine präventive Abhörmaßnahme überhaupt nicht zulassen.
Kollege Kreuzer hat gestern dargestellt, dass unser Gesetzentwurf der Polizei die technischen Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr und zur Verhinderung von Straftaten eröffnen will, die gegenwärtig zur Strafverfolgung in der Strafprozessordnung verankert sind. Auch unter Mitwirkung der rot-grünen Bundesregierung gibt es doch Bestimmungen über Abhörmöglichkeiten, insbesondere des Einsatzes des Imsi-Catchers und vieles andere mehr. Wir haben uns an das gehalten, was für repressive Maßnahmen in der Strafprozessordnung verankert ist, und wollen das auf die präventiven Maßnahmen ausdehnen.
Notwendig ist die klassische Telekommunikationsüberwachung, das heißt die Überwachung von Telekommunikationsinhalten, des Weiteren die Befugnis zur Einholung von Telekommunikationsverbindungsdaten hinsichtlich bereits stattgefundener sowie zukünftiger Telekommunikation und schließlich der Einsatz des so genannten IMSI-Catchers, der zur Feststellung des Ländercodes sowie der Netz- und Teilnehmernummern notwendig und geeignet ist.
Dass der Einsatz dieser Mittel zulässig ist, wird eigentlich nur von Ihnen in dieser Diskussion bestritten. Ansonsten ist das unbestritten. Auch der Datenschutzbeauftragte – das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen – hat im Grundsatz gegen diese Maßnahme keine Bedenken. Er hat lediglich angemerkt, dass es nach seiner Meinung sinnvoll wäre, zunächst die Ergebnisse des Max-PlanckInstituts für Rechtsvergleichung zur Telefonüberwachung im Strafverfolgungsbereich abzuwarten. Er hat aber im Grundsatz keine Einwendungen gegen diese präventiven Maßnahmen gehabt.
Ja, wir warten gerne ab. – Der Datenschutzbeauftragte hat die Übernahme seiner Forderung begrüßt, den generellen Richtervorbehalt grundsätzlich bei allen Datenerhebungen vorzusehen. Das würde er doch nicht tun, wenn er im Prinzip gegen diese Maßnahme Einwendungen hätte.
Wir sehen uns zu dieser gesetzlichen Maßnahme veranlasst und verpflichtet, da es die Aufgabe der Sicherheitsorgane ist, Straftaten aufzuklären und zu verfolgen, da der Staat im gleichen Umfang aber auch dazu aufgerufen ist, Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhüten. Das hat das Bundesverfassungsgericht in vielen Entscheidungen ausgesprochen, Herr Kollege Dr. Hahnzog.
Ja eben, dann sollten Sie das ja wissen. Umso beschämender sind Ihre Ausführungen zu unserem Gesetzentwurf.
Die Telefonüberwachung zur Abwehr von Straftaten und zur Sicherung besonders hoher Rechtsgüter, wie Leben, Gesundheit, Freiheit einer Person, oder zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes kann selbstverständlich nicht erfolgen, ohne dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Darüber sagen Sie überhaupt nichts.
Sie haben gestern und auch heute den Eindruck erweckt, als ob diese Maßnahmen willkürlich gegenüber jedermann ergriffen werden könnten. Eine solche Haltung kann nur mit dem abgrundtiefen Misstrauen gegen
die Sicherheitskräfte in unserem Land erklärt werden, so wie das von der Opposition immer wieder zum Ausdruck kommt. Sie können dem Gesetzentwurf entnehmen, dass die zu befürchtende Straftat hinreichend konkret sein muss, um eine Telefonüberwachung zu rechtfertigen. Der Datenschutzbeauftragte hat dazu einen konkreten Vorschlag gemacht, den wir übernommen haben.
Er hat vorgeschlagen, es sollte formuliert werden, dass Personen, die eine näher beschriebene Straftat „begehen wollen“, überwacht werden können. In der Formulierung „begehen wollen“ kommen die konkrete Gefahr und die Bestimmtheit des Eingriffs zum Ausdruck.
Wie Sie wissen, reichen nach dem Polizeirecht Vermutungen oder kriminalpolizeiliche Erfahrungen allein nicht aus. Es ist mehr erforderlich. Das wird in unserem Gesetzentwurf beachtet.
Besonders bei Kontakt- und Begleitpersonen ist Artikel 4 des Polizeiaufgabengesetzes zu beachten; das gilt aber auch ganz allgemein. Artikel 4 sagt, dass von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen die Polizei diejenige zu treffen hat, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt. Sie haben ja vorhin beanstandet, dass in jedem Fall und sofort diese Maßnahme eingeleitet werden könne. Sie übersehen dabei aber den Artikel 4 und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der unser Polizeirecht beherrscht.
Der Datenschutzbeauftragte – das betone ich noch einmal – erhebt gegen die präventive Telefonüberwachung grundsätzlich keine Bedenken. Er hat Bedenken bezüglich des Straftatenkatalogs geltend gemacht, der nach seiner Meinung zu weit gefasst und zu unbestimmt sei. Über diesen Komplex werden wir sicherlich zu diskutieren haben. Aber ich möchte schon an dieser Stelle darauf hinweisen, dass nach unserer Meinung der Katalog hinreichend bestimmt ist. In dieser Auffassung werden wir auch durch die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 1994 bestärkt, der sich mit Artikel 30 Absatz 5 des Polizeiaufgabengesetzes befasst hat. Sie haben beanstandet, das sei eine zu weitgehende Verweisung. Aber Artikel 30 Absatz 5 ist vom Verfassungsgerichtshof überprüft worden. Dieser hat festgestellt, dass diese Bestimmung verfassungsgemäß ist, dass sie insbesondere in ausreichender Klarheit und Bestimmtheit formuliert sei.
Besonders kritisch setzt sich die Opposition mit der Tatsache auseinander, dass unser Gesetzentwurf die Angehörigen von Berufsgruppen, die ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, von der Telekommunikationsüberwachung nicht ausnimmt. Dieses Thema muss in aller Sachlichkeit debattiert werden. Die Opposition führt sich jetzt so auf, als ob die Pressefreiheit gefährdet wäre, als ob eine Verfolgung der Journalisten stattfände. Das ist eine Polemik sondergleichen, die einfach unzutreffend ist.
Da bedarf es eben der entsprechenden Aufklärung. Wir werden diese leisten. – Da brauchen Sie nicht zu lachen, sondern Sie sollten das ernst nehmen.
Eine Abhörmaßnahme gegenüber Personen, die nicht selber Straftaten begehen wollen – ich gehe davon aus, dass Journalisten nicht Straftaten begehen wollen; auch der Beichtvater, von dem Sie in der Diskussion immer wieder sprechen, hat nicht vor, eine Straftat zu begehen –, kann sich nur auf Kontakt- und Begleitpersonen beziehen. Das sind nur solche Personen – das steht in der Begründung unseres Gesetzentwurfs –, die in einem gefahrenabwehrrelevanten Kontakt zu dem potenziellen Straftäter stehen und als so genannte Nachrichtenmittler auftreten, die Informationen für den Störer entgegennehmen oder weiterleiten oder deren Kommunikationseinrichtungen dazu genutzt werden. Das alles kommt für die Journalisten von vornherein überhaupt nicht in Betracht, natürlich auch nicht für die übrigen Berufsträger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Polizei ist kein anonymes Gebilde. Die Angehörigen der Polizei stehen im Dienste des Staates. Sie sind verpflichtet, nach Recht und Gesetz zu handeln. Können Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, eigentlich den leitenden Polizeibeamten ruhigen Gewissens in die Augen sehen, die nach unserem Gesetzentwurf bei Gefahr im Verzug berechtigt sind, eine TÜ-Maßnahme anzuordnen? Sie unterstellen diesen Beamten, sie wollten unser Land zu einem Überwachungsstaat machen. Das ist ein ungeheurer Vorwurf.
Man kann nur hoffen, dass in nächster Zeit keine Straftat begangen wird, die durch eine präventive Maßnahme hätte verhindert werden können. Würde sie dennoch geschehen, dann wären Sie die Ersten, die sagen, dass die Polizei nicht rechtzeitig eingeschritten sei.
Unser Ziel ist die Aufrechterhaltung von Freiheit und Sicherheit. Da möchte ich ein Wort des Bundesinnenministers zitieren, der gesagt hat: Wer frei leben will, braucht Sicherheit vor Kriminalität und Terrorismus. Diese Sorge bewegt die Menschen und nicht die angestaubte Theorie vom angeblich allgegenwärtigen Überwachungsstaat.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die amtierende Präsidentin hat vor kurzer Zeit die Entschuldigung des Staatsministers des Innern und des Staatssekretärs vorgetragen. Ich darf noch einmal zum Ausdruck bringen: Beide nehmen an wichtigen Besprechungen im
Zusammenhang mit der Innenministerkonferenz teil, die seit langem anberaumt sind und außerordentlich wichtig sind.
Uns sind die Dringlichkeitsanträge von SPD und GRÜNEN zu diesem Punkt seit gestern Mittag bekannt. Es war nicht möglich und nicht sinnvoll, die Terminplanungen der zwei Kollegen zu ändern. Ich bitte das Hohe Haus dafür um Verständnis. Ich habe kein Verständnis für Angriffe der Opposition in diesem Zusammenhang.
Die Staatsregierung hat eine verfassungsrechtliche und rechtliche Prüfung des Gesetzentwurfs bereits vorgenommen. Ich stelle dazu namens der Staatsregierung fest, dass die grundsätzlichen massiven verfassungsrechtlichen Einwände, die die Opposition gegenüber dem Gesetzentwurf vorgebracht hat, nicht stichhaltig sind.
Herr Kollege Hahnzog, ich weiß sicher, dass die Staatsregierung in den Ministerien über kompetente Verfassungsrechtler verfügt. Es ist also anders, als Sie es hier zum Ausdruck bringen.
Wir sehen die Einwände, die heute dargestellt worden sind, auch als Ausdruck Ihres tiefen Misstrauens gegenüber der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden. So hat es ja auch Kollege Kempfler soeben gesagt.
Die CSU bietet mit diesem Gesetzentwurf präventive Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr. Mit Ihren Einwänden misstrauen Sie grundsätzlich der Polizei und den Strafverfolgungsbehörden, dass sie das Recht in rechtsstaatlicher Weise anwenden.
Da ich diesem Hohen Hause schon einige Zeit angehöre, wage ich die Behauptung, dass SPD und GRÜNE jedenfalls in Teilbereichen ein gestörtes Verhältnis zur Polizei und zu entsprechenden Maßnahmen haben.