Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

(Frau Radermacher (SPD): Das glauben Sie doch selber nicht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ich darf darauf hinweisen, dass im Bereich der Repression die Polizeigesetze des Bundes und der Länder wie auch die Strafprozessordnung zahlreiche Befugnisse für die Polizei zur verdeckten Datenerhebung enthalten. In der Strafprozessordnung gilt das insbesondere auch für die Telekommunikationsüberwachung. Ich stelle also fest, dass es entsprechende Maßnahmen und Rechtsgrundlagen für Derartiges auch im Bundesrecht gibt.

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf erhält die Polizei lediglich Instrumentarien an die Hand, die ihr im Bereich

der Strafverfolgung bereits zustehen. Aber wir sind uns im Hohen Hause doch eigentlich einig, meine Damen und Herren, dass eine wesentliche Aufgabe der Polizei darin besteht, Straftaten zu verhindern. Die beste Straftat – wenn ich es einmal so ausdrücken darf – ist die, die gar nicht stattfindet. Deshalb müssen wir die präventiven Möglichkeiten der Polizei verbessern,

(Beifall bei der CSU)

und zwar in den Bereichen, wo entsprechende Verdachtsmomente vorliegen.

Die Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation können keineswegs – wie Sie behaupten – ohne jegliche Verdachtsmomente angewandt werden. So lässt der Gesetzentwurf die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation nur soweit zu, als dies zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes, für wesentliche Einrichtungen des Staates, für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für Sachen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, notwendig ist. Voraussetzung ist also, dass die überwachte Person bereits eine konkrete Gefahr für eines der genannten Rechtsgüter verursacht hat.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer prüft das?)

Ich hielte es für leichtfertig, nicht zu handeln, wenn Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr vorhanden sind.

(Beifall bei der CSU)

Die Überwachung und die Aufzeichnungen über Personen sind nur zulässig, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wollen. Die Straftat hat zwar hier das Planungs- und Vorbereitungsstadium noch nicht überschritten, gleichwohl ist es erforderlich, dass der Polizei greifbare Anhaltspunkte für eine solche Straftat bekannt sind, die über bloße Vermutungen hinausgehen und jederzeit nachvollzogen werden können. Es ist also eine klare rechtsstaatliche Grundlage gegeben.

Schließlich ist eine Telekommunikationsüberwachung auch bei den so genannten Nachrichtenmittlern möglich, die Informationen über Störer entgegennehmen oder weiterleiten oder deren Kommunikationseinrichtungen genutzt werden. Auch hier müssen konkrete Tatsachen eine entsprechende Annahme rechtfertigen. Über allgemeine Erfahrungssätze hinaus müssen bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte für eine Kontaktaufnahme bestehen, wie das Bundesverfassungsgericht erst im März entschieden hat. Sämtliche weitere Regelungen über den Einsatz des IMSI-Catchers, die Anforderung von Telekommunikationsverbindungsdaten oder die Unterbrechung des Telekommunikationsverkehrs nehmen auf die genannten Voraussetzungen Bezug, sodass hier ebenfalls keine Maßnahmen ohne Verdachtsmomente zulässig sind.

Eine letzte Bemerkung zum Zeugnisverweigerungsrecht. Ich darf darauf hinweisen, dass das Polizeiaufga

bengesetz für die genannten Berufsgeheimnisträger solche Rechte nicht enthält. Sie würden auch auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr einen Fremdkörper darstellen. Der Gesetzentwurf lässt Abhörmaßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger ohnehin nur unter äußerst engen Voraussetzungen zu. Sie sind überhaupt nur dann möglich, wenn der Berufsgeheimnisträger selbst ein in dem genannten Sinne qualifizierter Störer ist, der also beispielsweise selbst eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen will. Ich meine, in diesem Fall ist ein Schutzbedürfnis nicht gegeben. Zulässig wären Abhörmaßnahmen auch dann, wenn der Berufsgeheimnisträger als Nachrichtenmittler für einen Störer auftreten würde. Auch in diesem Fall wäre der Berufsgeheimnisträger nicht schutzwürdig.

Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend feststellen, der Begriff „Geheimpolizei“, den die SPD in ihrem Dringlichkeitsantrag verwendet, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unsinnig. Er ist politisch sowohl für den Freistaat Bayern als auch für die Polizeibeamten beleidigend, weil er belastet ist.

(Beifall bei der CSU)

Dieser Begriff stellt eine irreführende Demagogie dar.

(Beifall bei der CSU)

Um das Wort hat Herr Kollege Dr. Hahnzog gebeten.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Huber, Sie haben sehr schön vorgelesen, was Ihnen das Innenministerium aufgeschrieben hat. Aber der eigentliche Anlass dieses Gesetzentwurfs kam in Ihren danebenliegenden Zwischenbemerkungen zum Ausdruck. Sie wollen die Opposition mies machen. Gehen Sie doch einmal zur Polizei, dann erfahren Sie, dass die Polizei nicht darüber klagt, dass sie nicht sämtliche Telefone abhören darf, sondern dass sie darüber klagt, dass sie nicht genügend Personal und Material hat. Das ist der Ansatzpunkt.

(Beifall bei der SPD)

Sicherheit hat eben auch – das betonen doch gerade Sie immer – eine subjektive Komponente. Es geht um das subjektive Sicherheitsgefühl, das Sie kaputtmachen, indem Sie ein subjektives Bedrohungsgefühl erwecken. Bei allen Interpretationen und Einschränkungen – es ist doch so, dass hier weitestgehend freie Bahn für Abhöraktionen gegeben wird. Damit muss jeder rechnen. Man weiß nicht, ob es einen trifft und ob man „ein Dritter ist, der unvermeidbar betroffen“ ist. So etwas prägt das Gesprächsklima. Sie hätten den Gesetzentwurf eben doch etwas genauer lesen sollen.

Ein Letztes: Irgendwann sollten Sie in die Grundschule der Verfassungsrechtler gehen und sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genau ansehen. Dort wird die primäre Funktion von Grundrechten damit beschrieben, dass diese Rechte auch die staatliche Gewalt beschränken. Wenn wir die Lehren aus der Zeit

nach 1933 nicht beachten, dann hätten wir uns gestern das eindrucksvolle Gedenken an das, was vor 70 Jahren hier geschehen ist, sparen können.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der CSU, Sie haben anscheinend Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht richtig gelesen. Das mag daran liegen, dass er wahrscheinlich aus der Feder des Innenministeriums stammt.

Wenn Sie den Gesetzentwurf richtig gelesen hätten und in allen Einzelheiten durchdacht hätten, in welchen Fällen die Telefonüberwachung möglich ist, dann wüssten Sie, welche überbordenden Befugnisse Sie der Polizei einräumen wollen. Es sind geheimdienstliche Mittel, praktisch gegen jeden Bürger und jede Bürgerin einsetzbar. Alle können betroffen sein; das merken Sie, wenn Sie sich die Fallbeispiele einmal genau ansehen. Sie haben keine Verdachtsschwelle mit aufgenommen für diejenigen, die im Verdacht stehen, eventuell in der Zukunft eine Straftat zu begehen. In der Gesetzesbegründung ist genau aufgeführt, dass Sie keine Verdachtsschwelle für erforderlich halten.

Herr Dr. Kempfler, das, was Sie zu den Kontaktpersonen gesagt haben, stimmt nicht. Es reicht, dass die Mitteilung eines potenziellen Straftäters entgegengenommen wird. Sie muss gar nichts mit der möglichen Straftat zu tun haben. Es geht um eine Mitteilung, die mit der Straftat nichts zu tun haben braucht. Wenn diese von jemand entgegengenommen wird, dann gilt diese Person bereits als Kontaktperson. Das kann natürlich bei einem Pressevertreter sehr wohl der Fall sein. Damit ist ein Angriff auf die Pressefreiheit gegeben.

Die Daten Dritter wurden angesprochen. Sie sagen, dass es nicht der Fall sei, dass Dritte so einfach überwacht werden können. Schauen Sie doch einmal in Ihren Gesetzentwurf. Die Telefonüberwachung darf stattfinden, auch wenn Dritte betroffen sind. Daten Dritter dürfen erhoben werden, wenn dies aus technischen Gründen unvermeidbar ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass es bei der Telefonüberwachung technisch unvermeidbar ist, dass Daten Dritter mit erhoben werden.

Herr Huber, der Gipfel der Unverschämtheit ist Ihr Vorwurf, dass wir gegenüber der Polizei ein grundsätzliches Misstrauen hegen. Diese Behauptung ist wirklich eine alberne Unterstellung.

(Welnhofer (CSU): Das stellen Sie doch ständig unter Beweis!)

Das entspricht überhaupt nicht den Tatsachen. Die Polizei muss selbstverständlich die technischen Mittel und die personelle Ausstattung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung erhalten. Aber die Polizei muss in ihren

Befugnissen begrenzt sein. In einer Demokratie darf man der Polizei keine ausufernden Rechte einräumen, sondern hier muss die staatliche Gewalt für die Bevölkerung einsichtig begrenzt sein. Das hat nichts mit einem Misstrauen gegenüber der Polizei zu tun. Wir wollen die Polizei vernünftig ausstatten, aber nicht mit geheimdienstlichen Mitteln und nicht so, dass wir hier in Bayern, wie Sie es vorhaben, einen Überwachungsstaat bekommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Dringlichkeitsanträge wieder getrennt. Über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/12300, das ist der Antrag der SPD-Fraktion, soll ziffernweise und getrennt abgestimmt werden. Ich lasse deshalb jetzt über die Ziffer 1 dieses Antrages abstimmen. Diese Abstimmung soll in namentlicher Form erfolgen. Die Ja-Urne befindet sich auf der Seite der Opposition, die Nein-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Urne für Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Es kann jetzt mit der Stimmabgabe begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 13.51 bis 13.56 Uhr)

Werte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis gebe ich später bekannt.

Wir fahren inzwischen mit der Abstimmung über die Ziffer 2 des Dringlichkeitsantrages fort. Wer der Ziffer 2 des Antrages der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CSU, SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Damit ist der Ziffer 2 des Dringlichkeitsantrages zugestimmt worden.

Nun lasse ich über den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/12304, das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Gegenstimmen? – Auch nicht. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Jetzt rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Paulig, Gote und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

25 Jahre Nationalpark Berchtesgaden: Konzept für Informationszentrum „Haus der Berge“ (Drucksache 14/12301)

und den nachgezogenen

Interfraktionellen Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kaul, Deml und anderer und Fraktion (CSU)

Maget, Starzmann, Gartzke und anderer und Fraktion (SPD)

Nationalpark Berchtesgaden (Drucksache 14/12346)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erste Rednerin hat das Wort Frau Kollegin Paulig.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In dem Dringlichkeitsantrag fordern wir ein Zuckerl für das 25-jährige Jubiläum des Nationalparks Berchtesgaden. Das Jubiläum soll bekanntlich unter großem Auftritt von Umweltminister Schnappauf und des Ministerpräsidenten Stoiber am nächsten Freitag begangen werden.

Wir hatten dazu eine Debatte im Umweltausschuss, und zwar am 10. 04. 2003, also noch nicht so lange her. CSU und SPD haben sich darauf geeinigt, dass man endlich die Zuständigkeiten klären muss, dass also nicht vier Ministerien und zwei Mittelbehörden ständig um ihre Kompetenzen ringen müssen und dass dadurch eigentlich nichts vorangeht. Es ist vernünftig, dass dies jetzt endlich geklärt wird; gut so.