hier: Entscheidungskompetenz der Ausschüsse in eilbedürftigen Angelegenheiten des Bundesrates (Drucksache 14/11737)
Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung über die Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung (Drucksache 14/11738)
Stärkung der Mitwirkungsrechte des Landtags bei der Benennung der Vertreter Bayerns im Ausschuss der Regionen (Drucksache 14/11739)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Es wurden 15 Minuten Redezeit pro Fraktion verabredet. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Welnhofer.
Herr Präsident, Hohes Haus! Es geht bei den heutigen Beratungen um eine Stärkung der bayerischen Volksvertretung, also um eine Parlamentsangelegenheit, die vor allem uns Abgeordnete in eigener Sache betrifft, die für unsere Tätigkeit insbesondere in Bezug auf die Signalwirkung in den Augen der Bevölkerung – leider besteht dafür eine gewisse Notwendigkeit – eine Aufwertung des Bayerischen Landtags und eine Festigung des Ansehens der bayerischen Volksvertretung bringen soll.
Im Einzelnen geht es zunächst um die Zweite Lesung des interfraktionellen Gesetzentwurfs für ein Parlamentsinformationsgesetz und weiter um den bereits genannten interfraktionellen Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung, die das Parlamentsinformationsgesetz ausfüllen soll,
um einen interfraktionellen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung, der sicherstellen soll, dass der Landtag rechtzeitig entscheiden kann, wenn es um eilige Bundesratsangelegenheiten geht, und schließlich geht es um einen interfraktionellen Antrag zur Stärkung der Mitwirkungsrechte des Landtags bei der Benennung der bayerischen Vertreter für den Ausschuss der Regionen, ein Gremium der Europäischen Union.
Nach der Ersten Lesung am 11. März konnten die Beratungen zügig und einvernehmlich durchgeführt werden. Ausgangspunkt der Überlegungen waren die Empfehlungen der Enquetekommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“.
Wir haben den Schlussbericht dieser Kommission am 20. März vorigen Jahres vorgelegt. Zahlreiche wichtige
Vorschläge können zwar nicht allein und nicht in erster Linie auf Landesebene verwirklicht werden, denn die Stärkung des Föderalismus – -.
Entschuldigung, Herr Kollege Welnhofer. Ich darf jetzt wirklich darum bitten, dass auch am Kabinettstisch ein bisschen Disziplin herrscht, auch unter den Kolleginnen und Kollegen. Es ist doch unmöglich, wenn bei einer so wichtigen Beratung jeder mit jedem redet und dem Redner überhaupt niemand zuhört. Ich bin ja meistens mit derlei Ermahnungen sehr zurückhaltend und versuche, manches mit Blicken zu regeln, aber ab und zu muss man das sagen.
Herr Präsident, ich bedanke mich ebenfalls. Das liegt vielleicht daran, dass die Kolleginnen und Kollegen schon alles wissen, was vorgetragen wird; denn wir haben das, wie gesagt, in den Fraktionen und Ausschüssen umfangreich vorberaten.
Zahlreiche wichtige Vorschläge der Enquete-Kommission „Reform des Föderalismus“ – Stärkung der Landesparlamente“ können wir in Bayern nicht allein verwirklichen; dazu sind Grundgesetzänderungen notwendig. Soweit der Bayerische Landtag aber den Empfehlungen dieser Enquete-Kommission selbst Rechnung tragen kann, tut er das auch. Wesentliche Veränderungen sind seit einigen Monaten konkret auf dem Weg und stehen heute vor ihrer parlamentarischen Verabschiedung, die jetzt dann im Anschluss an diese Beratungen geschehen wird.
Es handelt sich, wie schon erwähnt, um den Entwurf des Parlamentsinformationsgesetzes – das ist die Hauptsache – einschließlich einer umfassenden Durchführungsvereinbarung; denn das Gesetz selbst enthält nur wenige Grundsätze und ist sehr kurz gefasst. Deswegen bedarf es einer ausführlichen Durchführungsvereinbarung, die zwischen Landtag und Staatsregierung zu schließen ist. Ferner haben wir einen gemeinsamen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung zu behandeln, die gewährleisten soll, dass der jeweils federführende Ausschuss in eilbedürftigen Angelegenheiten anstelle des Plenums entscheiden kann, um so dem Landtag in Bundesratsangelegenheiten rechtzeitig Gehör zu verschaffen.
Ferner wird mit einem Antrag beansprucht, dass immer dann, wenn der Freistaat Bayern zwei Mitglieder in den Ausschuss der Regionen entsenden kann, einer davon aus der Mitte des Landtags gewählt wird, sodass Bayern in diesem EU-Gremium künftig nicht mehr ausschließlich durch die Staatsregierung vertreten sein wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Parlamentsinformationsgesetz mit seiner Durchführungsvereinbarung, das die Pflicht der Staatsregierung zur Information des Landtags in landes-, bundes- und europapolitischen Angelegenheiten regelt, bedeutet eine Stärkung der Mitwirkungsrechte
des Landtags, also der unmittelbar gewählten bayerischen Volksvertretung. Das gilt auch für die Benennung der Vertreter Bayerns im Ausschuss der Regionen.
Das Parlamentsinformationsgesetz sowie die Durchführungsvereinbarung sollen darüber hinaus, wie gerade beschlossen worden ist, in der Bayerischen Verfassung verankert werden. Die Zustimmung des Volkes wird, so hoffen wir, am 21. September erteilt werden. Diese verfassungsrechtliche Verankerung des Parlamentsinformationsgesetzes ist zwar nicht Voraussetzung für die genannten Maßnahmen, hebt aber deren Bedeutung besonders hervor und macht sie, jedenfalls im Kern, einfach gesetzlich änderungsfest.
Der Bayerische Landtag bedarf zur Wahrnehmung seiner Aufgaben der umfassenden Information über alle Angelegenheiten von landespolitischer Bedeutung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es fehlt auch derzeit nicht an dieser Information. Nur so können wir den Kompetenzbereich des Landtags betreffende Vorhaben und Entscheidungen der Staatsregierung in Angelegenheiten von Land, Bund und EU überhaupt beeinflussen. Diese auch gegenwärtig ausreichende Information ist aber gesetzlich nicht verankert, sondern beruht auf Übung, auf gutem Willen und Praxis. Das entspricht nicht mehr dem Selbstverständnis eines Parlaments. Deswegen erfolgt eine gesetzliche Regelung, nicht etwa deswegen, um Defizite der Information deutlich zu machen.
Künftig ist also gesetzlich vorgeschrieben – wenn wir dieses Gesetz annehmen –, dass der Landtag rechtzeitig über Vorhaben der Gesetzgebung, über beabsichtigte Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Landtags bedürfen, über beabsichtigte Staatsverträge, die wir, wenn sie erst einmal abgeschlossen sind, kaum noch beeinflussen können, und auch über Gegenstände von erheblicher landespolitischer Bedeutung rechtzeitig informiert wird, auch über beabsichtigte Verwaltungsabkommen, Angelegenheiten der Landesplanung, Bundesratsangelegenheiten, über die Zusammenarbeit mit dem Bund, mit anderen Ländern, mit den Regionen, mit anderen Staaten und zwischenstaatlichen Einrichtungen und über Angelegenheiten der EU.
Besonders wichtig ist die Bestimmung, dass in all diesen Angelegenheiten der Landtag nicht nur zu unterrichten ist, sondern dass die Staatsregierung seine Stellungnahmen auch berücksichtigen soll. „Berücksichtigen“ ist nach der Terminologie des Grundgesetzes zu verstehen und bedeutet keine rechtliche Bindungswirkung. Nach der staatsrechtlichen Konstruktion, die wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, wäre eine verbindliche Festlegung der Staatsregierung im Bundesrat nicht möglich. Natürlich entsteht aber durch Stellungnahmen des Landtags, die berücksichtigt werden sollen, wie es sinngemäß im Gesetz heißt, eine gewisse politische Bindungswirkung.
Mit dem Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung über die Unterrichtung des Landtags zur Ausführung des PIG wird die Staatsregierung aufgefordert, innerhalb einer angemessenen Frist – wir stellen uns einige Wochen vor – nach
Inkrafttreten des Parlamentsinformationsgesetzes (PIG) mit dem Landtag eine Vereinbarung zu schließen, welche die näheren Einzelheiten der Informationspflicht regelt. Wir haben diese Vereinbarung in einem Antrag sozusagen als Angebot – wie es im Rechtssinne zu nennen wäre – bereits abschließend formuliert, und Sache der Staatsregierung wird es sein, das Angebot unverändert anzunehmen. Natürlich hat es dazu vorher Abstimmungsgespräche gegeben. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Staatsminister Huber, dass die Abstimmungsgespräche in einer sehr konstruktiven Form verlaufen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe schon erwähnt, dass das Grundgesetz für Bundesratsangelegenheiten enge Fristen vorgibt. Deswegen war es notwendig, die Geschäftsordnung dahin zu ändern, dass anstelle des Plenums künftig von federführenden Ausschüssen entschieden werden kann, wenn es eilt; denn wir können unsere Jahresplanung nicht nach den Terminen des Bundesrates abstimmen, und wir können unsere Jahresplanung auch nicht ohne zwingenden Grund ständig ändern. Wir müssen unsere Sitzungsfolge überschaubar halten. Das hat zur Folge, dass eine ganz neue Angelegenheit, nämlich Entscheidungen eines Ausschusses anstelle des Plenums, eingeführt werden soll mit der Maßgabe, dass die Vollversammlung des Landtags diese Ausschussentscheidungen korrigieren kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, über den Ausschuss der Regionen habe ich ausreichend gesprochen. Wir sind der Meinung, dass wir auch in diesem Gremium der EU, und – ich füge hinzu, das ist nicht Gegenstand des Antrags, ich sage es aber – auch in einem etwaigen Nachfolgegremium – wenn es denn ein solches geben sollte, was zur Zeit offen ist – als Parlament in Zukunft stärker eingebunden sein wollen als dies bisher beim Ausschuss der Regionen in Bayern der Fall war.
Der Bayerische Landtag nimmt sich mit seinen heutigen Beschlüssen – wenn sie denn so fallen werden, wovon auszugehen ist – selbstbewusst, wie es der von den Bürgerinnen und Bürgern des Landes gewählten Volksvertretung zukommt, die Rechte, die er seiner Stellung entsprechend benötigt und die ihm als modernem Parlament zustehen, ohne deswegen – so will ich hinzufügen – die bewährten Grundsätze der für unser Land erfolgreich praktizierten, wenn auch von der Opposition immer wieder kritisch angesprochenen Aktionseinheit zwischen Mehrheitsfraktion und Regierung in Frage zu stellen. Meine Damen und Herren, wir legen erstens großen Wert auf die für das Land fruchtbare Aktionseinheit, die Verfassungswirklichkeit ist.
Zum Zweiten wollen wir den Knochen, an dem die Opposition so gerne nagt, ihr nicht wegnehmen. Insofern soll alles bleiben, wie es ist. Das ist die moderne Form des Parlamentarismus, und es ist Verfassungswirklichkeit, dass Mehrheitsfraktion mit der von ihr getragenen Regierung oder Koalitionsfraktionen mit der von ihnen getragenen Regierung eine enge Zusammenarbeit, eine kritische Zusammenarbeit haben, wo im Vorfeld vieles
kontrovers behandelt werden kann und dann im Landtag eine enge Zusammenarbeit stattfindet. Das wissen wir alle. Daraus machen wir keinen Hehl. Herr Dr. Hahnzog, der heute verkleidet – mit Krawatte, was selten vorkommt – eine Rede gehalten hat, die man beklatschen konnte – ich habe auch geklatscht –, hat gesagt, dass die Aktionseinheit etwas Vorhandenes begründe, und er hat damit seine Forderung nach Stärkung der Opposition begründet. Sämtliche Lichter leuchten. Das ist gut so. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nach den ausführlichen Ausführungen des Kollegen Welnhofer muss ich zum Inhalt nichts mehr sagen. Er hat betont, die zum Beschluss anstehenden Änderungen seien Ausdruck eines selbstbewussten Parlaments. Dies kann man nur unterstreichen. Wie das selbstbewusste Parlament die in Gesetz gegossenen neuen Rechte und in eine Vereinbarung zu gießenden Rechte – hauptsächlich in der nächsten Legislaturperiode – nützen und mehr Gewicht erhalten wird, bleibt abzuwarten.
Herr Kollege Welnhofer, Sie haben angesprochen, dass das Parlament nicht nur das Recht auf Information von der Staatsregierung hat – wir müssen nicht streiten, ob sie schon jetzt alles ohne rechtliche Grundlage ausführlich weitergegeben hat. Ich habe den Eindruck, dass zu Anhörungen die Materialien zu Gesetzesvorhaben der Staatsregierung nicht unbedingt weitergegeben werden. Zumindest habe ich das im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen monieren müssen, als ich dort Mitglied war, weil Unterlagen nicht vorgelegt wurden. Das gehört jetzt der Vergangenheit an.
Ein wichtiger Teil ist, dass wir Stellungnahmen rechtzeitig abgeben. Ich bitte Sie, den modernen Parlamentarismus so zu verstehen, dass man die eigene Meinung und das Recht auf kritische Anregung und Hinterfragen von Aktionen der Staatsregierung nicht mit der Wahl des Ministerpräsidenten in einer der ersten Sitzungen der Wahlperiode abgibt und sich ansonsten nur noch auf die Aktionseinheit beruft.
Die heute zu beschließenden Rechte werden nur dann das Ansehen des Parlaments stärken, wenn wir im hauptsächlich betroffenen Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten vor den Bundesratssitzungen dezidierte Stellungnahmen abgeben, die über das allgemeine Wort „Danke liebe Staatsregierung, dass du im Bundesrat dich meldest und tätig wirst.“ hinaus gehen und unsere Position selbstbewusst formulieren. Sie haben Recht, dass die Staatsregierung sie nicht auf Punkt und Komma übernehmen muss. Sie muss aber zumindest die Argumentation überlegen und dem Parlament eine Stellungnahme abgeben, wie die Abwägung ausgefallen ist und warum sie bestimmte Punkte – was ich mir bei Ihrer Aktionseinheit gar nicht vorstellen kann – des Parlaments nicht übernommen hat.
Diese Chance eröffnen wir heute mit den Gesetzesänderungen und der Vereinbarung. Diese Aufgabe haben die Mitglieder des nächsten Parlaments mit den heutigen Beschlüssen zu übernehmen und auszufüllen. In diesem Sinne stimmen wir allen Änderungen und den Anträgen zu.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann den Vorrednern zustimmen. Was wir heute beschließen, ist auch in unserem Sinne. Wir haben es in einer konstruktiven Atmosphäre gemeinsam ausgehandelt. Die Vereinbarung bedeutet eine Stärkung des Landtags. Ob sie auch eine Stärkung der Oppositionsrechte bedeuten, ist noch offen – Kollege Güller hat dies angesprochen. Wir müssen versuchen, unsere Rechte wahrzunehmen.