Protokoll der Sitzung vom 24.06.2003

Ich komme nun zum letzten Punkt, der mir zeigt, dass die Bayerische Staatsregierung in so manchem, was die europäische Entwicklung anbelangt, im eigenen Land sehr hinter der Zeit hinterher hinkt. Die Region Nürnberg hat mit den zuständigen europäischen Behörden und Institutionen verhandelt, um als europäische Metropolregion anerkannt zu werden. Ergebnis: Ja, wir anerkennen die Metropolregion Nürnberg als europäische Metropolregion. Meinung der Staatsregierung: Haben wir nicht, brauchen wir nicht. Außer München gibt es in Bayern nichts. Das galt, bis Stoiber sah, er muss irgendwo die Notbremse ziehen. Dann sagte er, wie bei der Staatsoper in Nürnberg: „So können wir das vor der Wahl in Nürnberg nicht machen, wir müssen die Kurve kratzen und uns in die richtige Richtung – in Richtung Franken – orientieren.“

Das würde ich mir öfters wünschen. Die Zentralisten Bayerns sollten sich in Europa nicht aufspielen. Die CSU wäre gut beraten, wenn sie keine Schreckgespenster wie diese „Verwaltungsprovinz“ an die Wand werfen würde. Diese Gefahr besteht nicht. Lassen Sie uns produktiv zusammenarbeiten, um aus dem Europäischen Konvent eine Europäische Verfassung zu machen, die in die Zukunft weist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Gesetzentwurf der Abgeordneten Prof. Dr. Gantzer, Schmitt-Bussinger, Boutter und anderer (SPD)

zur Änderung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Drucksache 14/12481)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Das Wort hat Frau Kollegin Narnhammer.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! „Datenschutz ist Grundrechtsschutz.“ So hat der Datenschutzbeauftragte Herr Vetter seinen letzten Datenschutzbericht überschrieben. Dieses Grundrecht auf Datenschutz möchten wir mit unserem Gesetzentwurf auch auf den nichtöffentlichen Bereich ausgedehnt wissen. Die Möglichkeiten der Datenerhebung und der Datenverarbeitung wachsen immer schneller. Angesichts der weltweit zunehmenden Vernetzung durch das Internet ist ein bestmöglicher Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor unberechtigten Eingriffen in ihre Rechte auf datenrelevante Selbstbestimmung notwendig.

Ich möchte dazu nur ein paar Stichpunkte nennen: Sie wissen, dass es seit kurzem die Möglichkeit der elektronischen Signatur gibt. Das E-Government wird immer weiter ausgeweitet. Kürzlich wurde das Melderechtsrahmengesetz geändert, mit dem die Rahmenbedingungen für die Nutzung moderner Informations– und Kommunikationstechnologien geschaffen und unnötige Meldepflichten abgeschafft werden sollen. Kolleginnen und Kollegen, den Menschen draußen ist es nicht gleichgültig, welche Spuren sie auf der elektronischen Autobahn hinterlassen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ihnen nicht egal, wer diese Spuren eventuell verfolgt und wofür diese Spuren verwendet werden. Viele Anfragen an den Landesdatenschutzbeauftragten beweisen, dass es die Bürgerinnen und Bürger nicht einfach hinnehmen wollen, dass sie in allen möglichen Dateien gespeichert werden. Als Mitglied der Datenschutzkommission weiß ich aus erster Hand, wie oft Herr Vetter und seine Mitarbeiter von Privatpersonen um datenschutzrechtliche Auskunft gebeten werden. Kolleginnen und Kollegen, manchmal habe ich den Eindruck, dass für Teile der Mehrheitsfraktion in diesem Hause der Datenschutz nur ein lästiges Übel ist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Vetter stellt dazu in seinem 20. Tätigkeitsbericht eingangs fest, ich zitiere:

Auf jeden Fall ist der Stellenwert des Datenschutzes im Ansehen der politischen Öffentlichkeit zumindest in Gefahr, wenn nicht gesunken.

Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass Datenschutz immerhin Verfassungsrang hat. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist verfassungsrechtlich geschütztes Freiheitsrecht. Im Übrigen: Der Datenschutz hat die erforderliche Datenverarbeitung, zum Beispiel im Sicherheitsbereich, auch bisher nicht verhindert. Der letzte Punkt wird immer wieder von der Mehrheitsfraktion eingefordert.

Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir eine einheitliche datenschutzrechtliche Gesamtkonzeption. Momentan ist der Landesbeauftragte für den Datenschutz für den öffentlichen Bereich zuständig, während der nichtöffentliche Bereich von der Regierung von Mittelfranken beaufsichtigt wird. Diese wiederum hat diese Aufgabe durch eine Datenschutzverordnung übertragen bekommen. Meine Damen und Herren, der Öffentlichkeit und vor allem den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ist eine Unterscheidung der beiden Datenschutzbereiche und ihrer behördlichen Zuständigkeiten meistens nicht bekannt. Deshalb hat sich der Datenschutzbeauftragte in der Vergangenheit immer wieder zur ersten Anlaufstelle für datenschutzrechtliche Belange aller Art entwickelt.

Zudem stellen wir fest, dass eine immer weiter fortschreitende Verquickung von Datenverarbeitungen öffentlicher und nichtöffentlicher Stellen stattfindet. Dies lässt sich häufig nicht mehr ändern. In weiten Bereichen erfolgt bereits eine – meistens sinnvolle – Zusammenarbeit. Ich nenne nur die Forschung und das Gesundheitswesen. Auch die öffentliche Verwaltung bedient sich zunehmend privater Dienstleister, soweit dies rechtlich zulässig ist. Wir aber wollen Datenschutz aus einer Hand. Unser Gesetzentwurf stellt daher eine Verwaltungs– und Regelungsvereinfachung des Datenschutzes in Bayern dar. Er bestimmt den Landesbeauftragten für den Datenschutz als neue Aufsichtsbehörde für den nichtöffentlichen Bereich gemäß § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes. Die bisher nur durch Verordnung bestimmte Aufsichtsbehörde in Bayern wird nun durch ein Gesetz festgeschrieben.

Zahlreiche Bundesländer sind diesen Schritt schon gegangen und haben die Zuständigkeit auf den Datenschutzbeauftragten des jeweiligen Bundeslandes übertragen. Wir sehen einen weiteren Vorteil darin, dass im Gegensatz zur jetzigen Regelung mit der Regierung von Mittelfranken der Landesbeauftragte für den Datenschutz nicht einer Aufsicht oder gar den Weisungen des Innenministeriums unterliegt. Er nimmt die ihm zugewiesenen Aufgaben der Datenschutzkontrolle in völliger Unabhängigkeit wahr.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, legt der Datenschutzbeauftragte regelmäßig seinen Tätigkeitsbericht vor. In unserem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch für die neu hinzugekommenen Aufgaben im nichtöffentlichen Bereich ein Tätigkeitsbericht vorzulegen ist. Mit unserem Gesetzentwurf wird die zweigeteilte Zuständigkeit im Datenschutz aufgehoben. Dieses erscheint uns äußerst sinnvoll. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege König.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der von der SPD-Fraktion kurz vor Torschluss der 14. Legislaturperiode eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Datenschutzgesetzes ist überhaupt nicht umsetzbar, um das Ergebnis meiner Bewertung gleich vorwegzunehmen. Frau Kollegin Narnhammer, wenn Sie den Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten aufmerksam gelesen hätten, wüssten Sie, dass er im Grunde die Übertragung der Überwachung des Datenschutzes im privatrechtlichen Bereich auf seine Institution zwar gerne hätte, dass er aber selbst erkannt hat, dass dies aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ohne weiteres geht.

Trotz der knappen Zeit gehe ich davon aus, dass wir über diesen Gesetzentwurf im Ausschuss diskutieren werden. Da das Ergebnis jedoch von vornherein auf der Hand liegt, möchte ich anlässlich der Ersten Lesung darauf hinweisen, dass wir im Jahre 1998 mit der Einfügung des Artikels 33 a in die Bayerische Verfassung unseren Landesbeauftragten für den Datenschutz dem Landtag und nicht mehr der Exekutive zugeordnet haben. Die Überwachung des Datenschutzes im privatrechtlichen Bereich ist nach § 38 des Bundesdatenschutzgesetzes eine klassische Aufgabe der Exekutive.

Frau Kollegin Narnhammer, dementsprechend und entgegen Ihren Ausführungen wird diese Aufsicht in den meisten Bundesländern von der inneren Verwaltung wahrgenommen. Dies ist in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen so geregelt. Die einzigen Länder, in denen diese Aufgabe vom Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wird, sind die Stadtstaaten Bremen und Hamburg. Dort gibt es jedoch eine Weisungsmöglichkeit der Justizsenatoren. Dieser Weg wurde in den genannten Ländern nur gewählt, weil dort geeignete Behörden der inneren Verwaltung für diese klassische Aufgabe der Exekutive überhaupt nicht zur Verfügung stehen.

Ohne eine Änderung der Verfassung wäre der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht umsetzbar, weil diesem Gesetzentwurf das Gewaltenteilungsprinzip entgegensteht. Wir haben den Landesbeauftragten für den Datenschutz im Jahre 1998 dem Parlament und nicht mehr der Exekutive zugeordnet. Deshalb dürfen ihm logischerweise keine exekutiven Aufgaben übertragen werden.

Es würde auch dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung widersprechen, wenn man diesen Weg wählen würde.

Um der Einzelberatung in den Ausschüssen nicht völlig vorzugreifen, will ich es dabei bewenden lassen. Es klingt an sich schlüssig, wenn Sie sagen, es wäre zweckmäßig, wenn all diese Aufgaben vom Datenschutzbeauftragten wahrgenommen würden, weil die meisten Bürger

Datenschutz im öffentlichen und Datenschutz im privaten Bereich nicht auseinander halten können. Sie führen an, die Bürger wüssten nicht, wohin sie sich wenden sollten, und es gebe Verquickungen zwischen Datenschutz im öffentlichen und im privatrechtlichen Bereich. Frau Narnhammer, das will ich zwar zunächst nicht abstreiten, aber ich muss darauf hinweisen, dass es so, wie Sie es vorgeschlagen haben, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt nicht gehen kann. Das werden wir in den Ausschüssen noch zu beraten haben. Dann werden wir darauf zurückkommen. Vielleicht kommen wir in dieser nur noch kurz andauernden Legislaturperiode sogar noch zur Zweiten Lesung.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Stahl, nun haben Sie das Wort, bitte.

Herr Präsident, meine Herren und Damen! Wie gut, Herr König, dass Sie eine durchaus ernst zu nehmende Ausrede gefunden haben, weil Sie sich sonst in einem ganz speziellen Sinne für den Datenschutz positionieren müssten, und ich weiß, wie schwer Ihnen das fällt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wohin wenden sich denn die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie ein Problem mit dem Datenschutz haben, wenn sie zum Beispiel feststellen, dass ihre Kinder bei einem Internetspiel mitgemacht haben und ihre Daten nun für kommerzielle Zwecke genutzt werden? Was machen die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie feststellen, dass ein falscher Schufa-Eintrag vorliegt, aus dem hervorgeht, dass sie angeblich einen Kredit aufgenommen und diesen nicht zurückgezahlt haben? – Die Bürgerinnen und Bürger wenden sich sicher nicht an die Regierung von Mittelfranken, sondern an den bayerischen Datenschutzbeauftragten, der in den letzten fünf Jahren leider einen Fehler gemacht hat: Er hat zu gut gearbeitet. Sein Name ist zu einem Begriff geworden, und seine Arbeit wird von den Bürgern und Bürgerinnen geschätzt. Deswegen tritt man vermehrt an ihn heran.

Die SPD hat nichts anderes getan, als zu fordern, dass man sich diesen Umstand zunutze macht. Wir werden tatsächlich prüfen müssen, ob der von der SPD vorgeschlagene Weg verfassungsrechtlich möglich ist oder ob man eine Konstruktion finden kann – da ist die Kreativität der Verwaltung, durchaus auch die Kreativität der CSU gefragt –, die diesem Bürgerwunsch, der mich überzeugt, entgegenkommt. Wir sollten dieser normativen Kraft des Faktischen in irgendeiner Form eine gesetzliche Grundlage verschaffen.

Die Feststellung der SPD in ihrer Begründung ist richtig, dass mittlerweile die Grenze zwischen öffentlicher Datenverarbeitung und der Datenverarbeitung nichtöffentlicher Stellen verwischt ist. Es gibt ständig Diskussionen darüber, dass öffentliche Stellen auch auf private Daten oder semiprivate Daten zurückgreifen. Es gibt das Problem, dass die Polizei oder der Verfassungsschutz

zum Beispiel an die Daten von Hochschulen herangehen. Ich habe bisher noch keinen Studenten erlebt, der sich deswegen an die Regierung von Mittelfranken oder an irgendeine andere Regierung gewendet hätte, sondern die Studenten kommen selbstverständlich entweder auf uns zu, auf die Datenschutzkommission oder den Datenschutzbeauftragten. Hier müssen wir uns einfach einen neuen Weg überlegen.

Ich habe noch ein anderes Problem. Das Personal des Datenschutzbeauftragten wird leider immer mehr beschränkt; die Stellenanzahl wird reduziert, und es werden Rückstufungen vorgenommen. Das ist nicht etwas, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, im Gegenteil: Gute Leute wandern nach einiger Zeit ab. Ist das eigentlich Ihre Politik? Wollen Sie das weiter zulassen, oder wollen Sie sich ernsthaft Gedanken über die Stärkung des Datenschutzes machen?

(Zuruf des Abgeordneten König (CSU))

Herr König, das hat schon etwas damit zu tun; denn wie soll man jemandem zusätzliche Aufgaben zuweisen, der dafür gar nicht die richtige personelle Ausstattung hat? – Sie müssen sich also in zweifacher Hinsicht entscheiden: Wollen Sie eine Stärkung des Datenschutzes, vor allem eine Stärkung des Verbraucherschutzes, und wie wollen Sie den Datenschutzbeauftragten ausstatten? Angesichts dessen, was im Haushalt passiert, erscheinen mir Ihre Aussagen, dass Sie für die Belange des Datenschutzes voll offen seien, als doppelbödig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Aussprache ist geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. – Damit besteht Einverständnis. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Dr. Wilhelm, Dr. Spaenle und anderer (CSU)

zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Bayerischen Hochschullehrergesetzes (Drucksache 14/11324)

Zweite Lesung –

Änderungsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Dr. Wilhelm, Dr. Spaenle und anderer (CSU) zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Bayerischen Hochschullehrergesetzes (Drucksache 14/11709)