Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was den Anteilsverkauf betrifft, beantragt die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, wir sollten nicht nur das Optionsmodell infrage stellen, das mit den Stimmen ebendieser GRÜNEN im Bundestag gerade beschlossen wird, sondern auch die unterschiedliche Steuerbelastung bei Veräußerungen zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften einer kritischen Würdigung unterziehen. Wir tun das, mehr noch: Ich habe gemeinsam mit Herrn Merz ein Konzept entwickelt, wie alle von Verkäufen betroffenen Unternehmen entlastet werden könnten. Ihr Zitat, Herr Kollege Dr. Kaiser, war richtig. Wir wollen eine Flexibilisierung bei Verkäufen von Unternehmensanteilen. Es geht aber nicht an, dies nur auf Körperschaften zu beschränken, während bei Personenunternehmen die Rahmenbedingungen des Verkaufs drastisch verschlechtert werden. Es kann doch nicht sein, dass ein Bauunternehmer, der von einem Unternehmen zum anderen – beide gehören ihm

ein Grundstück überträgt, stille Reserven mobilisieren und versteuern muss, obwohl überhaupt kein Geld geflossen ist. Das ist unter anderem ein Ergebnis einer Regelung, die von der Bundesregierung vor einem Dreivierteljahr gegen den Mittelstand getroffen worden ist.

Doch damit nicht genug. Künftig sollen die Veräußerungsgewinne großer Kapitalgesellschaften steuerfrei sein. In meinen Augen ist das erstens hinausgeschmissenes Geld und zweitens ungerecht. Deshalb sollten Sie unser Konzept übernehmen.

(Beifall bei der CSU)

Jenseits des Konzepts und der Regelung, die gegenwärtig im Bundestag debattiert und beschlossen wird, gibt es eine Fülle von Ungerechtigkeiten in der Steuerpolitik der Bundesregierung. Das seit wenigen Tagen auf dem Tisch liegende Erbschaftssteuerkonzept, das man bis zu den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen vergraben hatte, wird dazu führen, dass viele Landwirte vor der Existenzvernichtung stehen. Alle schlimmen Befürchtungen, die wir hatten, stehen in diesem Konzept, und das ist ein Skandal.

(Beifall bei der CSU)

Auch bei der Umstellung des Euro wird abgezockt, was ich bei der Finanzministerkonferenz ausdrücklich gebrandmarkt habe, den SPD-Kollegen aber unterlegen bin. Es kann doch nicht sein, dass bei der Erbschaftsund Schenkungsteuer durchgehend 2 zu 1 umgestellt wird. Denn das bedeutete, dass bei einem steuerpflichtigen Erwerb von zum Beispiel 100000 DM eine zusätzliche Belastung von 1100 DM eintritt. Meiner Meinung nach muss sehr nahe an den tatsächlichen Umstellungsverhältnissen umgerechnet werden. Es ist ein Skandal, dass der Fiskus nach Vorstellung der SPD bei der Umstellung von D-Mark auf Euro abzocken will. Wir müssen für den Euro werben. So macht man ihn aber systematisch kaputt.

Insbesondere den GRÜNEN möchte ich am Schluss meiner Ausführungen Folgendes sagen: Der Vermittlungsausschuss wird nicht leicht für Herrn Eichel. Wenn er meint, er könnte die Opposition nach dem Motto „Friss oder stirb“ an die Wand spielen, täuscht er sich. Einen Kompromiss um jeden Preis wird es nicht geben. Wesentlich ist für uns, dass der Spitzensteuersatz gesenkt und der Betrag, ab dem er greift, niedriger wird, das heißt, die Einkommensteuerkurve muss flacher werden, damit alle, auch die mittleren Einkommen, entlastet werden.

Es geht nicht nur um die Spitzenverdiener, sondern um den gesamten Mittelstand. Ein Kompromiss muss auch die Benachteiligung des Mittelstandes durch die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen beseitigen. Sonst wird es von uns keine Zustimmung geben, was für Deutschland dramatisch wäre. Flexibilität bei Veräußerungen darf nicht nur für Körperschaften, sondern muss für alle Unternehmen gelten. Ich hoffe, dass die Bundesregierung von ihrem hohen Ross heruntersteigt und mit Vernunft und

Beweglichkeit einen Weg sucht, auf dem ein vernünftiger Steuerkompromiss erreicht werden kann.

(Beifall bei der CSU)

Der Beitrag hat sich nicht an die Zehn-Minuten-Grenze gehalten. Als nächstem Redner erteile ich Herrn Dr. Söder das Wort.

Herr Präsident! Steuerpolitik ist ein Bestandteil der Wirtschaftspolitik, und die Ausführungen des Finanzministers haben deutlich gemacht, dass Ihre Steuerpolitik trotz vieler Lippenbekenntnisse ein Kahlschlag gegen den Mittelstand in Bayern und darüber hinaus ist.

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Bereits ihre ersten Entwürfe haben gezeigt, dass Sie sich ausschließlich am Großkapital orientieren und auf das Lob von Analysten und Großkapitalisten hoffen. Diesen Fehler versuchen Sie nun mit Taschenspielertricks bei Mittelstandsoffensiven auszugleichen. Das werden wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen. Das können Sie vergessen.

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zwar heißt es von Ihrer Seite: „Wir wollen den Mittelstand fördern und bekennen uns zu ihm“, wenn man aber knallhart nachrechnet, zeigt sich, dass der Mittelstand durch Ihre Reform massivst belastet wird. Das ist in einigen Redebeiträgen schon sehr deutlich herausgearbeitet worden. Ihr Reformwerk ist in vielen Punkten ungenügend. Der Verband der Steuerberater sagt, es werde viele Schlupflöcher geben, derentwegen hart arbeitende Mittelständler viele Nachteile haben, andere dagegen mit Tricksereien zum Erfolg kommen dürften.

Das darf nicht passieren. Selbst die Länderfinanzminister sagen, dass Ihre Reformvorschläge in einigen Bereichen erhebliche Probleme brächten. Der Antrag der GRÜNEN zeigt das sehr deutlich.

Im Gegensatz zu dem, was Sie vorlegen, muss man die Gesamtrechnung machen. Das ist entscheidend. Was Sie versuchen auf der einen Seite zu geben, nehmen Sie auf der anderen Seite. Das ist Steuertrickserei. Beispiel Erbschaftssteuer: Zwar wird ein Vorschlag für eine Steuerreform gemacht, aber hintenrum versucht man auf leisen Sohlen die Erbschaftssteuer auf den Plan zu bringen. Die „Neidsteuer“ ist ein uraltes steuerpolitisches Ideologiethema. Die „Neidsteuer“ einzubringen und den Mittelstand zu belasten ist kein Ansatz, den Mittelstand zu fördern. Gerade beim Mittelstand ist die klare Trennung vom Betriebs- und Privatvermögen so nicht möglich. Deswegen belasten Pläne zur Erhöhung der Erbschaftssteuer den Mittelstand. Sie belasten mit solchen massiven Tricksereien den Mittelstand und gehen letztlich an die Substanz. Wir sagen: Es kann nicht sein, dass man sich auf der einen Seite in einigen Wirtschaftszeitungen dafür feiern lässt, dass man etwas für das Groß

kapital tut, aber den Mittelstand und die jungen Unternehmer, die in schwierigen Zeiten versuchen ihren Weg zu gehen, belastet.

Beispiel 2, die Ökosteuer: Es ist klar geworden, was man auf der einen Seite zu geben versucht, wird auf der anderen Seite massiv genommen. Pfennigbeträge werden gegeben, große Geldbeträge genommen. Die Erhöhung der Ökosteuer schlägt allein im Jahr 2000 mit 17,4 Milliarden DM durch. Die Ökosteuer ist nach wie vor das mittelstandsfeindliche Problem Nummer 1. Einige Große werden ausgenommen. Der Kernbestandteil des Mittelstandes wird durch die Erhöhung der Energiesteuer ganz massiv belastet. Für den Mittelstand ist die Energiesteuer ein deutlicher Kostenfaktor. Er ist auf Transportentwicklungen angewiesen. Stückpreise spielen eine enorme Rolle. Außerdem sind Sie nicht in der Lage, die Ökosteuer in Verkehrsinfrastruktur umzusetzen – in Bayern bräuchten wir das dringend. Das zeigt, dass Sie es mit dem Mittelstand nicht ernst meinen.

Ein Weiteres betrifft den Kernbestandteil der Politik von Sozialdemokraten. Sie haben das in Nordrhein-Westfalen gemerkt. Das schlechteste Ergebnis seit 40 Jahren zeigt, dass sich die Abwendung von den sozialen Problemen der Menschen letztendlich auch bei Ihnen bemerkbar macht. Allein das Lob des Porsche-Chefs, der die Idee von Eichel Klasse fand, müsste Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zurufe von der SPD)

Die Ökosteuer bringt nichts. Sie löst die Rentenprobleme nicht. Sie belastet den Mittelstand. Sie belastet Arbeitslose, Rentner und Sozialhilfeempfänger. Ein durchschnittlicher Rentnerhaushalt zahlt 400 DM mehr. Die Pendler sind massiv betroffen.

All das zeigt, meine Damen und Herren, dass Ihr Reformkonzept auf den ersten Blick Charme hat, aber wenn man alles zusammen nimmt und genau ausrechnet – Steuerpolitik ist nicht nur das eine –, wird deutlich, dass Sie versuchen, in massiver Weise zu tricksen und die Leute an der Nase herumzuführen. Wir lassen das nicht durchgehen. Wir wenden uns dagegen. Bayern hat einen eigenen Vorschlag gemacht, der auch das Lob der Experten und weit darüber hinaus gefunden hat, der für die verschiedenen Bereiche wie den Mittelstand und die Sozialpolitik absolut gerechtfertigt ist und der ein guter Motor für die Wirtschaftsbereiche und nicht nur für einige wenige ist, die sich durch Dividenden an den Schwächeren stärken wollen. Wir sagen ganz klar: Wir brauchen eine Reform und lehnen deshalb große Teile Ihres Vorschlags ab.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Scholz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen Vorredner! Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie treiben mit dem

Mittelstand und dem Handwerk – so habe ich den Eindruck – ein recht perfides Spiel. Ich weiß nicht, wie lange es sich die mittelständischen Unternehmer und das Handwerk von den CSU-Funktionären noch gefallen lassen – wie Herr Traublinger das macht –, dauernd ein X für ein U vorgemacht zu bekommen. Seit eineinhalb Jahren werden die Reformgesetze schlechtgeredet, die dem Mittelstand und dem Handwerk nützen, wie zum Beispiel das Gesetz zur Beschleunigung von Zahlungen, das dem Mittelstand und dem Handwerk ganz elementar dient.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was kommt von dem Obersprecher der Handwerker? – Zu spät, nicht ausreichend; dabei haben Sie zuvor nichts gemacht.

Die Reduzierung der Sozialabgaben war eine Hauptforderung des Handwerks. Die Auswirkungen der Ökosteuer, nämlich die Reduzierung der Sozialversicherungsausgaben, ist mittelstandsfreundlich und viel wichtiger als manch andere Sache, die in diesem Zusammenhang diskutiert wird. Bei allen unseren Gesprächen mit dem Handwerk, was das Dringendste und Wichtigste sei, kam immer die Reduzierung der Sozialabgaben, weil die Arbeit zu teuer sei, während in anderen Bereichen die Verdienstmöglichkeiten besser seien. Das haben wir getan.

Auch das neue 630-Mark-Gesetz hat zur Wettbewerbsentzerrung geführt. In vielen Branchen sind Vollarbeitsplätze geschaffen worden, und auch das Ausbilden ist wieder vernünftig. Die Maßnahmen, die die Bundesregierung mit dem Sofortprogramm „100000 Jobs für Junge“ geschaffen hat für die Arbeitsbeschaffung für junge Menschen, haben ebenfalls dem Mittelstand und dem Handwerk in besonderer Weise gedient, weil dort die jungen Leute einbezogen werden und die Chance zur Ausbildung geliefert wird.

Meine Damen und Herren, die Programme für die alternativen Energien – wie zum Beispiel das Solardächerprogramm, das sehr schnell ausgebucht war – sind Chancen für das Handwerk. Das alles wird von Ihnen madig geredet.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt führen Sie zur Steuerreform einen „Eiertanz“ auf. Wenn man den ersten Teil der Steuerreform einbezieht, sieht die Bilanz so aus, dass die Großen, wie die Versicherungswirtschaft oder die Energiewirtschaft mehr zahlen und die kleinen und mittleren Unternehmen in beiden Steuerreformgesetzen erheblich entlastet werden.

Nun bringen Sie die Geschichte mit der Differenz von 20%, zwischen 25% und 45%. Wegen 20% Differenz schreien Sie „Skandal, Katastrophe“. In den zehn Thesen des Ministers Faltlhauser ist zu lesen, dass das Belastungsgefälle von 20 Prozentpunkten eine durch nichts gerechtfertigte große Benachteiligung für den Mittelstand sei. So dumm können Sie und Ihre Kollegen doch gar nicht sein, dass Sie meinen, dem Handwerk

einen solchen Unsinn anbieten zu können. Das ist nie und nimmer eine solide und einigermaßen vernünftige Argumentation. Das merkt man am deutlichsten, wenn man das Optionsmodell diskutiert. Wir haben das in vielen Veranstaltungen mit Wirtschaftsminister Müller mit dem Mittelstand und dem Handwerk diskutiert. Es zeigt sich, dass die Entscheidung nicht einfach ist, weil die Auswirkungen ziemlich nahe beieinander liegen. Von wegen 20%. Es ist ausgesprochener Unsinn, so zu argumentieren, und darin steckt eine gewisse Perfidie. Meine Damen und Herren, mit dieser Argumentation kommen Sie nicht weiter.

Ich möchte auf eine These von Herrn Faltlhauser eingehen. Er sagte, der Gedanke, nur im Unternehmen verbleibende Unternehmenseinkünfte zu begünstigen, zeige ein falsches Verständnis von gerechter Besteuerung.

Die Redezeit ist abgelaufen, Herr Dr. Scholz.

Dr. Scholz (SPD) Ich will wenigstens diesen Gedanken zu Ende bringen.

Genau das dient dem Mittelstand, weil die Unternehmer, die sich entscheiden, ihr Geld im Unternehmen zu lassen, wissen, was sie tun. Das sichert die Arbeitsplätze. Das soll mit dieser Reform erreicht werden.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Kellner das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, das CSU-Konzept ist nicht akzeptabel, da es auf Pump finanziert wird. Lassen Sie mich aus einem Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“ zitieren:

Es ist ein in der Praxis widerlegter Unsinn, dass der Staat nur kräftig die Steuersätze senken muss und am Ende einfach mehr in seinen Kassen hat.

(Zuruf von der CSU: Amerika!)

Im Schuldenstaat Bundesrepublik, den die rot-grüne Koalition von Ihnen geerbt hat, wäre ein Steuersenkungsprogramm auf Pump ein Hokuspokus-Programm, das unverantwortlich wäre.

Nicht nur die Bundesrepublik Deutschland ist heute in der glücklichen Lage, vor dem Hintergrund der Steuerschätzung finanzielle Spielräume zu gewinnen. Als Sie, Herr Staatsminister, noch in Bonn waren, mussten Haushaltslöcher gestopft werden, und Ihre Vorgänger mussten Haushaltssicherungsprogramme vorlegen und neue Sperren veranlassen.