Protokoll der Sitzung vom 28.06.2000

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster hat Herr Kollege Dr. Schuhmann das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat diese Anträge, die in den zuständigen Ausschüssen ausführlich diskutiert worden sind, im Plenum noch einmal hoch

gezogen. Sehr geehrte Frau Paulig, bei aller Wertschätzung muss ich dazu doch noch einiges sagen, was Ihnen möglicherweise nicht gefällt.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will es gerne nachlesen!)

Ich zitiere aus Ihrer heutigen Rede. Sie haben die Anstrengungen des Landes vermisst. Sie haben gesagt, es würde Bayern sehr gut anstehen, es wäre eines Freistaates Bayern wahrhaftig würdig. Sie fordern, dass Bayern begreifen möge, und Sie fordern dann dazu auf, eine Friedensoffensive zu starten.

Verehrte Frau Paulig, ich bin stolz darauf, dass die Bayerische Verfassung eine Friedensoffensive gestartet hat, mit eindringlichen, mit einprägsamen Worten, wie sie wahrscheinlich keine andere Verfassung in ganz Europa kennt. Die Verfassung des Freistaates Bayern beginnt mit den Worten „Angesichts des Trümmerfeldes...“ und fährt dann fort: „... in dem festen Entschluss, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechts dauernd zu sichern,...“. Das war der Beginn einer Friedensoffensive, wie Sie sie heute fordern.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CSU)

Sie haben dann mit Erstaunen die Ablehnung bzw. die Enthaltung der SPD festgestellt. Schon die alten Römer haben gesagt: „Si tacuisses.“ Und ich kann nur sagen: Weniger wäre wesentlich mehr gewesen.

Manche haben jetzt wahrscheinlich anderes zu tun als zuzuhören.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich höre Ihnen zu!)

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe gleichzeitig auch das Protokoll des Ausschusses gelesen!)

Im Protokoll steht: „Dr. Schuhmann zeigt sich über den vorliegenden Antrag verärgert.“ Diesen Ärger werde ich jetzt auch verbalisieren, –

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tun Sie es doch!)

und zwar einfach deswegen, weil ich mich über manche Schaufensteranträge ärgere. Dies ist ein Schaufensterantrag – ich rede jetzt speziell zum Antrag auf der Drucksache 14/2452 –, der nicht nur schlecht, sondern absolut falsch recherchiert ist und der allen Bemühungen im Freistaat Bayern, sich für Friedensarbeit vor Ort sowohl staatlich als auch privat einzusetzen, wirklich Hohn spricht.

Ich weiß nicht, wo Sie leben und welche Erfahrungen Sie gemacht haben. Es gibt auch eine Vertreterin Ihrer Fraktion etwa in der Bayerischen Landeszentrale für politi

sche Bildungsarbeit. Dort sind in den letzten Jahren Millionen eingesetzt worden, um – ich betone es noch einmal – angesichts des Trümmerfeldes, all das, was Wilkürherrschaft, was Gewaltherrschaft bewirkt hat, ins Bewusstsein der Bevölkerung, ins Bewusstsein auch der Schulen, ins Bewusstsein der Jugend zu bringen. Dafür sind Millionen ausgegeben worden und werden Millionen ausgegeben, in Dachau, in Kaufering, in Flossenbürg, obwohl so manche aus dieser Gedenkstätte eine beschauliche Parklandschaft machen wollten. Diesbezüglich hat sich, und zwar übereinstimmend in allen Fraktionen, ein Umdenkungsprozess vollzogen. Man darf ruhig auch einmal einen Staatsminister loben, der sich beispielsweise im Hinblick auf die Begegnungsstätte Dachau gegen seine eigenen Parteifreunde vor Ort durchgesetzt hat, um diese Friedensarbeit – ich bezeichne dies als Friedensarbeit – durchführen zu können.

Sie haben Koordination gefordert. Das Sozialministerium hat beispielsweise im Zusammenhang mit dem Kosovo-Konflikt 10 Millionen DM zur Verfügung gestellt und einen Koordinationsausschuss gegründet, zu dem alle Wohlfahrtsverbände eingeladen wurden. Sie sagen, Sie vermissten die Anstrengungen des Landes, obwohl diesbezüglich wirklich einiges getan wird und obwohl beispielsweise jetzt das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zu einer Friedensveranstaltung unter dem Titel „Faszination und Gewalt“ genutzt wird. Das ist ein Beweis dafür, dass man an friedenstiftende Maßnahmen denkt.

Wenn Sie in der Begründung Ihres Antrags schreiben, dass in regelmäßigen Abständen Wehrkundetagungen abgehalten würden, ist Ihnen wahrscheinlich entgangen, dass es diese Wehrkundetagungen längst nicht mehr gibt, dass sie in privater Trägerschaft abgehalten wurden und dass dies heute Tagungen für Sicherheitspolitik sind. Und selbst bei den früheren Wehrkundetagungen wäre wohl niemand ernsthaft auf den Gedanken gekommen, dass es sich dabei nicht um friedensfördernde Maßnahmen handele. Wir konnten das in den Medien nachlesen. Dort ist es doch nicht um Kriegshetze oder um Kriegsführung gegangen, sondern um die Vermeidung von Konflikten und um die Vermeidung von Kriegen.

Ihr Antrag lautet, im Jahr 2000 und danach in möglichst regelmäßigem Abstand eine große Friedenskundgebung in Bayern zu veranstalten. Ich bin beispielsweise Vorsitzender des Evangelischen Bildungswerks in Ingolstadt. Dort haben wir eine Vortragsreihe „Staat und Kirche im 20. Jahrhundert“ durchgeführt. Allein dafür haben wir einen Vorlauf von einem drei viertel Jahr gehabt, um das ordnungsgemäß über die Bühne zu bringen. Sie ziehen Ihren Antrag jetzt noch einmal hoch ins Plenum. Mittlerweile haben wir aber Ende Juni, und Sie fordern die Staatsregierung dazu auf, im Jahr 2000 eine große Friedenskundgebung in Bayern zu veranstalten.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ändern Sie das in 2001. Damit bin ich auch einverstanden!)

Seien Sie mir nicht böse, aber das ist einfach total unrealistisch.

Sie sagen überhaupt nichts darüber, wie so eine große Friedenskundetagung inhaltlich ausgestaltet werden soll, fordern aber von uns eine Zustimmung. Im Gegensatz dazu habe ich meine Fraktion gebeten, den Antrag sogar abzulehnen. Die Fraktion hat gemeint, man solle eine gute Absicht nicht generell ablehnen. Aber die gute Absicht wird durch diese schaufensterhafte und sehr schlecht recherchierte Art und Weise eher ins Gegenteil verkehrt.

Ihnen ist entgangen, dass es in Bayern bereits Friedensmuseen gibt.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Lindau und in anderen Städten!)

Warum fordern Sie dann die Einrichtung von Friedensmuseen im Wissen, dass es diese schon gibt?

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Konzept dafür, nicht die Einrichtung! Sie müssen den Antrag genau lesen!)

Ich habe ihn sehr genau gelesen und mich deswegen heute noch einmal geärgert, weil ich das noch einmal durchlesen musste.

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 9l0/DIE GRÜNEN))

Ich ärgere mich deswegen, liebe Frau Paulig, weil dies die vielen Bemühungen, die in diesem Freistaat – ich sage es noch einmal – sowohl amtlicherseits als auch ehrenamtlicherseits stattfinden, wirklich konterkariert.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CSU)

Die Menschen, die sich seit Jahren oder gar seit Jahrzehnten für diese Friedensarbeit einsetzen, werden so dargestellt, als hätten sie noch nie etwas in diesem Freistaat getan. Darum ärgere ich mich und diesen Ärger bringe ich hier auch zum Ausdruck.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Stahl?

Ich danke Ihnen, Herr Kollege. Ist Ihnen bekannt, dass von der CSU-Stadtratsmehrheit in Nürnberg die Zuschüsse für das Friedensmuseum nie bewilligt wurden, stattdessen aber die Zuschüsse für ein Wehrkundemuseum?

Mir ist nur bekannt, dass sich jetzt im Zusammenhang mit dem Museum auf dem Reichsparteitagsgelände –

eine hervorragende Konzeption, nebenbei bemerkt – sehr wohl die CSU mit ihrem Oberbürgermeister eingebracht hat und sich gemeinsam mit dem Freistaat auch finanziell in hohem Ausmaß beteiligen wird. Was da früher war, weiß ich nicht. Das ist mir nicht bekannt.

(Frau Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht früher, sondern jetzt!)

Sie, Frau Paulig, scheinen auch Folgendes vergessen oder übersehen zu haben: Ich kann hier wirklich guten Gewissens reden, weil ich einer derjenigen war, der die Ausdehnungsbestrebungen des bayerischen Armeemuseums vehement bekämpft hat. In diesem bayerischen Armeemuseum ist unter Einbeziehung des MPZ, also der Museumspädagogischen Zentrale, eine Dauerausstellung über den Ersten Weltkrieg entstanden, die mit einer Verherrlichung, die mit einer Glorifizierung überhaupt nichts zu tun hat, sondern wo Sie von Station zu Station geführt werden, wobei man heute aufgeklärt wird, welche Spielzeuge damals die Kinder bekamen, welche Bekleidung die Kinder und Jugendlichen bekamen, um sie an das Militaristische heranzuführen. Diese Ausstellung ist eine Antikriegsausstellung. Es handelt sich also um friedensstiftende Arbeit, die vom Freistaat Bayern gefördert, finanziert und auch begleitet wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Paulig?

Herr Dr. Schuhmann, die Auseinandersetzung mit vergangenen Kriegen ist der eine Punkt, aber die Umsetzung von neuen Forschungsergebnissen zur zivilen Konfliktregelung in die Zukunft, auf die Zukunft bezogen, was wir derzeit wissen, das ist die andere Aufgabe, und darum geht es uns.

Das war bedauerlicherweise keine Zwischenfrage, sondern ein Kommentar.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich nehme das auch gar nicht so ernst. Aber, Frau Paulig, auch hierbei ist es doch nicht so, dass im Freistaat an modernen Dingen nichts geschehen würde. Ich denke beispielsweise daran, dass es Lehrstühle für Wirtschaftsethik gibt, die sich dafür aussprechen, dass eben nicht das Kapital regiert, was dann sogar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führt. Ich bin Gefängnisberater in Neuburg/Herrenwörth. Dort wird zum Beispiel ein Anti-Gewalt-Training mit jungen Leuten durchgeführt, das auch der Freistaat finanziert.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig, das meine ich!)

An den Schulen wird Anti-Gewalt-Training betrieben.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das habe ich doch gesagt!)

Aber Sie fordern das so, als ob wir das Rad erst erfinden müssten,

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir fordern das in der Ausbildung der Lehrer! Lesen Sie halt die Anträge richtig!)