Protokoll der Sitzung vom 17.10.2000

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Noch etwas ist in meinen Augen für einen Wirtschaftsstandort wie Deutschland völlig unverständlich: dass wir uns durch den Ausstiegsbeschluss aus der Diskussion um die Sicherheitstechnik der Kernkraftanlagen verabschieden

(Dr. Wilhelm (CSU): So ist es!)

und das Thema anderen Ländern überlassen, die diese hohen Anforderungen nicht haben.

(Beifall bei der CSU)

Das ist für mich insgesamt unverständlich und auch unrealistisch.

Ich fand auch seltsam, was der Bundeswirtschaftsminister am 13. Oktober laut. „Handelsblatt“ gesagt hat:

In diesem Zusammenhang sprach sich Müller strikt gegen Importverbote für ausländischen Strom und für zusätzliche Abgaben auf Stromimporte aus. Stromimporte grundsätzlich zu verbieten sei ein nicht akzeptabler Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Im Übrigen könne man dem Strom nicht ansehen, ob er aus erneuerbaren Energiequellen oder aus Kernkraftwerken komme.

Am Sonntag hat er etwas anderes gesagt, nämlich: Schmutzige Energie – damit meinte er die Kernenergie – solle man nicht beziehen. Von Freitag bis Sonntag hat er also gelernt, den Strom aus Kernenergie vom Strom aus erneuerbaren Energien zu unterscheiden.

Meine Damen und Herren, das Problem liegt darin, dass das, was Sie auflegen, nicht zukunftsfähig ist und dass bei aller Förderung der regenerativen Energien von Ihnen der falsche Weg eingeschlagen wird.

Wir in Bayern haben in den letzten Jahren für Projekte erneuerbarer Energien rund 55 Millionen DM ausgegeben, für Biomasse rund 230 Millionen DM aus dem Haushalt des Landwirtschaftsministers, für kommunale Energieeinsparprojekte 7,5 Millionen DM, für die Breitenförderung bei den erneuerbaren Energien 110 Millionen DM und für Wasserstoff- und Brennstoffzellenprojekte 80 Millionen DM zum guten Teil ausgegeben, der Rest steht zur Verfügung.

(Zuruf der Frau Abg. Biedefeld (SPD))

Wir haben immer darauf geachtet, die Forschung zu fördern, die Entwicklung zu fördern, Pilotprojekte voranzutreiben und darauf zu schauen, dass diese regenerativen oder alternativen Energien nach Möglichkeit wirtschaftlich werden. Dort, wo sie nahe an der Wirtschaftlichkeit sind, kann man in die Breitenförderung gehen. Man muss aber ökonomisch den Druck aufrechterhalten, damit an Verbesserungen gearbeitet wird und man mit diesen Energien wettbewerbsfähig wird.

Was Sie machen, ist eine pauschalierte Subvention und damit ein Ausbau des Status quo, ohne zu wissen, ob es in den nächsten Jahren nicht entsprechende Verbesserungen oder andere Technologien gibt. Nehmen wir einmal an, Sie bauen in den nächsten fünf Jahren die KraftWärme-Kopplung auf der jetzigen Basis aus und die Wasserstofftechnologie entwickelt sich zu einer hervorragenden Technologie, dann haben Sie Rieseninvestitionen mit subventionierten Mitteln getätigt, die in einigen Jahren überflüssig sind.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und wie wollen Sie den Wasserstoff erzeugen?)

Der Wasserstoff. Gegen den haben Sie in den letzten Jahren gemosert, und jetzt entdecken Sie ihn plötzlich.

(Beifall bei der CSU – Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie wollen Sie denn den erzeugen?)

Ich bin froh, dass die Grünen bei diesem Thema mittlerweile kapiert haben, was eigentlich los ist. Ich habe festgestellt, das dauert bei Ihnen im Schnitt immer fünf Jahre.

(Heiterkeit bei der CSU – Glück (CSU): Länger!)

Länger.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bei der Bio- und Gentechnologie haben Sie 1973/74 den Beschluss gefasst, diese nicht zuzulassen, selbst wenn sie Menschenleben retten könnte. Das war auf einem Parteitag der GRÜNEN in Eching. Kürzlich habe ich gelesen, dass die GRÜNEN einen Parteitag zur Förderung der Bio- und Gentechnologie abgehalten haben.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diesen Parteitag kenne ich nicht!)

Dann werde ich Ihnen Informationen dazu geben.

Über die Messe München haben die GRÜNEN so lange gemosert, bis sie fertig gestellt war. Jetzt lobt Herr Monatzeder bei jeder Messeeröffnung, an der er teilnimmt, den Messestandort München. Das dauert alles seine Zeit bei den GRÜNEN.

(Beifall bei der CSU)

Der Weg der permanenten Dauersubvention und des garantierten Strompreises, unabhängig von der Frage, ob damit der technische Fortschritt forciert wird, ist falsch. Der richtige Weg ist, den technischen Fortschritt bei den regenerativen Energien durch Förderung der Forschung, Entwicklung und, wenn sie marktnah sind, mit der Breitenförderung, voranzutreiben. Heute für die Windenergie, die Solarenergie und die Kraft-WärmeKopplung unabhängig vom technologischen Fortschritt pauschale Preise festzuschreiben, das ist der falsche Weg. Die Reduzierung um 0,5 Pfennig pro Jahr auf vier Jahre kompensiert das nicht.

Ich möchte sehen, wie Sie es den Menschen an den bestehenden Standorten klarmachen, dass man diese Standorte, wo der Strom für vier oder fünf Pfennig hergestellt wird, schließt, dafür aber andere Standorte aufbaut, wo der Strom für 9, 12, 17 oder 99 Pfennig produziert wird. Diese Logik bitte ich zu erklären. Der Drive, der in den Innovationsprozessen steckt, wird auf diese Weise nicht gefördert.

Lassen Sie mich ein Fazit ziehen: Rot-Grün betreibt mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und damit mit der Gefährdung auch der konventionellen Standorte eine für einen Industriestandort wie Deutschland nicht verantwortbare Energiepolitik.

(Beifall bei der CSU)

Die Abhängigkeit vom Ausland steigt durch Öl-, Gasund Stromimporte. Ich verstehe die EU-Kommisarin Frau Palacio, die gesagt hat, wenn man aus der Kernenergie aussteige, müsse man sich außenpolitisch ganz wesentlich um die Sicherung der Energiequellen kümmern. Das wird ein Thema werden, weil sich die Energiequellen zum Teil in unsicheren Ländern befinden.

Bei uns werden die technologischen Stärken abgebaut, so wie es bei der Kernenergie der Fall ist, und der Energiemix wird beeinträchtigt. Die CO2-Thematik spielt bei Ihnen keine Rolle mehr. Die geplante Neuregelung zur Kraft-Wärme-Kopplung bedeutet ein Kraftwerksvernichtungsprogramm und damit ein Arbeitsplatz- und Kapitalvernichtungsprogramm in gewaltigem Ausmaß. Der Abbau dieser Kraftwerkskapazitäten reduziert auch die Stromerzeugung im Inland. Wir werden zunehmend zu Stromimporten verurteilt. Die Erzeuger werden auf diese Weise zunehmend zu Stromhändlern. Wir verlieren Versorgungssicherheit, Preiswürdigkeit und Qualität als Industriestandort. Diese Politik ist in sich weder konsequent noch stimmig noch zukunftsträchtig noch ist sie europäisch harmonisiert. Ich verweise auf Frankreich, das sich jetzt fragt, warum es den Markt völlig öffnen solle, wenn demnächst durch die Regelungen, die

Deutschland betreibe, der subventionierte und reglementierte Strommarkt wieder 35 bis 40% ausmache. Darüber gibt es derzeit einen Streit in Brüssel.

Meine Damen und Herren, die Kernenergieausstiegspolitik der Bundesregierung, die sich von einer Stromerzeugungstechnologie verabschiedet, für die es in Deutschland und Bayern keine gleichwertige Alternative gibt, wird für die Versorgungssicherheit von großem Schaden sein. Das Thema der Kosten habe ich bereits angesprochen. Die Förderung der Windenergie leidet daran, dass sie hoch subventioniert ist und die Anlagen keine permanent verfügbare Energie erzeugen. Die Politik in Bezug auf die regenerativen Energien geht von einem falschen Ansatz aus. Die rot-grüne Energiepolitik ist ideologisch geprägt, verstärkt die Abhängigkeit vom Ausland und ist für einen Industriestandort wie Deutschland nicht akzeptabel. Offensichtlich hat man noch nicht verstanden, dass es beim Thema Energie um eine zentrale Zukunftsfrage geht, die nicht vier Legislaturperioden umfasst, sondern vier Jahrzehnte der Weiterentwicklung unseres Industriestandortes betrifft.

(Beifall bei der CSU)

Hierbei auf Optionen zu setzen, die zwar wünschenswert und auch sinnvoll sind, wenn sie vernünftig entwickelt werden, die aber heute noch nicht verfügbar sind und nicht garantiert werden können, das kann nicht der Weg sein, zumal dies mit einer Methode betrieben wird, die den Fortschritt eher bremst als vorantreibt. Strom bleibt die wesentliche Schlüsselindustrie für moderne Zukunftstechnologien. Damit ist Strom für die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands von herausragender Bedeutung. Deswegen hoffe ich, dass diese Energiepolitik bald wieder auf einen vernünftigen Weg zurückgeführt wird. Sie werden an Ihren Widersprüchen scheitern.

(Beifall bei der CSU)

Sie werden an Ihren Wiedersprüchen scheitern, weil Sie nach dem Beitritt der osteuropäischen Ländern in einigen Jahren niemandem erklären können, warum es selbstverständlich ist, von dort Strom, der in Kernkraftwerken produziert worden ist, zu beziehen, die Kernkraftwerke bei uns aber abzuschalten.

(Beifall bei der CSU)

Sie werden niemandem erklären können, dass man hohe Sicherheitsanforderungen bei uns beerdigt und sich woanders Sicherheitsrisiken aussetzt. Sie werden niemandem erklären können, warum man Stromanlagen mit Strompreisen in Höhe von 15 und mehr Pfennig baut und die Kraftwerke schließt, die ökologisch vertretbar Strom zu einem Preis von fünf oder sechs Pfennig herstellen. Sie werden niemandem erklären können, warum man Kapital und Arbeitsplätze vernichtet und an anderer Stelle auf Hoffnungswerte setzt. Sie werden auch niemandem erklären können, dass man damit auf Dauer eine garantierte und sichere Stromversorgung für den Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland erreichen kann.

Diese Widersprüche werden nicht nur von uns klargemacht, sondern sie werden auch von den Arbeitnehmern in den Betrieben erkannt. Diese Arbeitnehmer, von denen Sie angenommen haben, dass sie traditionell SPD wählen, werden Ihnen etwas anderes erzählen. Die Arbeitnehmer fühlen sich von der SPD nicht nur nicht verstanden und vernachlässigt, sondern sie sagen, dass hier eine Politik vertreten wird, die ihnen nicht mehr erklärbar ist.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb sollten Sie deutlich machen, dass noch mehr Kraftwerke verschwinden werden, weil das die logische Folgerung Ihrer Politik ist. Erklären Sie es den Menschen in Arzberg und Franken II, Herr Landesvorsitzender der SPD. Die Arbeitnehmer schlagen mittlerweile auch gegenüber den Gewerkschaften ganz andere Töne an. Mit Ihrer Politik werden Sie weder vor den Arbeitnehmern noch vor der Wirtschaft, noch vor der Aufgabe, die wir eigentlich haben, bestehen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 40 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Biedefeld das Wort.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben derzeit eine Kahlschlagspolitik durch den Energiekonzern e.on, die von der Bayerischen Staatsregierung abgesegnet ist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Die Kraftwerksstilllegungen und der Abbau von rund 700 Arbeitsplätzen in Bayern sind das Ergebnis einer nicht nur unsinnigen, uneinsichtigen und vernagelten Energiepolitik in Bayern und 16 Jahre lang auf Bundesebene, die ohne Rücksicht auf Verluste gleich welcher Art auf Atomkraft fixiert ist, sondern auch das Ergebnis einer gescheiterten bayerischen Industrie- und Wirtschaftspolitik infolge der Fusion von Viag und Veba.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer hat denn zu verantworten, dass der Freistaat Bayern keinerlei Mitspracherecht bei derartigen Konzernplanungen hat und es zu Stillegungen und Arbeitsplatzabbau kommt? Wer hat denn zu verantworten, dass jegliche Einflussnahme für Geld geopfert wurde? Wer hat denn zu verantworten, dass Bayern völlig unzureichend im Vorstandsgremium von e.on vertreten ist?

Wer hat dies zu vertreten? Allein Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber, die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Mehrheit in diesem Hause.