Protokoll der Sitzung vom 09.01.2001

Dies ist eine geschlossene Gesellschaft, die aus lauter verdienten Herren und einigen Frauen besteht. Diese Vereinigung hat bisher dafür gesorgt, dass die bayerische Variante der Agrarindustrie reibungslos funktioniert hat.

(Hofmann (CSU): Wenn der studiert hat, halte ich vom bayerischen Abitur gar nichts mehr!)

Bisher waren lauter Musterbetriebe betroffen. Die Menschen haben diese Betriebe mit gutem Recht für Musterbetriebe gehalten. Es hat sich aber gezeigt, dass diese Betriebe hinsichtlich der Fütterung lediglich outgesourcte Betriebe der Agrarindustrie waren. Diese Betriebe hängen völlig von der Agrarindustrie ab. Sie haben deshalb keine Kontrolle mehr über ihr Produkt. Dies sind keine selbstständigen Bauern.

(Guckert (CSU): Das wissen Sie doch gar nicht! Das ist eine Unterstellung!)

Wenn sie nämlich gewusst hätten, was sie ihren Rindern da füttern, hätten sie es nicht getan Ich bin mir sicher, dass kein Bauer diesen Dreck verfüttert hätte. Ihr System entzieht den Bauern die Verantwortung. Diese Herren, die Sie alle kennen und die allesamt in der CSU sind, haben dafür gesorgt, dass die Interessen der Pharma-, der Chemie- und der Futtermittelindustrie, die Sie „Wirtschaftlichkeit“ nennen, Priorität haben. Vermeintliche Wirtschaftlichkeit ist wichtiger als die Gesundheit der bayerischen Bevölkerung.

Der Bauernverband hat sich stets mit Händen und Füßen gegen die Erhöhung von Produktionsstandards gewehrt. Er hat protestiert, als die Risikomaterialien aus dem Verkehr gezogen werden sollten, er hat protestiert, als die EU gegen das QHB-Siegel vorgegangen ist. Die EU ist gegen dieses Siegel vorgegangen, weil dieses Siegel inhaltsleer war und eine Verbrauchertäuschung darstellte. Deshalb sollte dieses Siegel aus dem Verkehr gezogen werden. Der Bauernverband hat sich immer gegen zusätzliche Kontrollen und gegen Wettbewerbsnachteile ausgesprochen. Immer ging es gegen die böse EU. Immer war Europa Schuld. Die Staatsregierung hat sich diese Proteste immer zu Eigen gemacht. Bei dem Siegel „Qualität aus Bayern“ wollte der Ministerpräsident selbst in Brüssel auf den Tisch hauen, wie das Herr Sonnleitner von ihm verlangt hatte. Er hat Herrn Sonnleitner versprochen, sich für das „Kennzeichen des Feinkostlandes Bayern“ einzusetzen. Dieses Kennzeichen ist inzwischen das Kennzeichen des BSE-Landes Bayern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann es mir ersparen, Zitate von Frau Stamm zu bringen, mit denen sie die Fleischindustrie schützen wollte.

Herr Kollege Dr. Dürr, normalerweise hat jeder Redner 45 Minuten Redezeit zur Verfügung. Diese Redezeit kann bis zu 15 Minuten durch den Präsidenten verlängert werden, wenn ihm dies sachdienlich erscheint.

(Lachen bei der SPD und bei der CSU)

Die Redner der übrigen Fraktionen sind mit 45 Minuten ausgekommen. Sie sollten das auch versuchen.

Ich habe das meiste bereits gesagt. Bei einigen Punkten wäre es zwecklos, wenn ich sie hier vortragen würde. Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen das Manuskript meiner Rede zur Verfügung.

Wichtig ist, dass wir die Agrarpolitik erneuern. Sie lachen bei dieser Problematik. Deshalb glaube ich, dass Sie den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Wenn Sie die Gesundheits– und Agrarpolitik nicht erneuern können, müssen Sie das Handtuch schmeißen und andere ranlassen, die es können. Ich hätte kein Problem, das besser zu machen.

Zur naturnahen Landwirtschaft wird mein Kollege Schammann noch etwas sagen. Die Bundesregierung

hat sehr gute Vorschläge unterbreitet. Ich hoffe, dass die Staatsregierung diese Vorschläge aufgreifen wird und damit beginnt, diese Vorschläge umzusetzen. Es geht nicht darum, irgendjemand zwangszubeglücken. Dieses Land soll auch nicht zwangsläufig in ein Ökoland umgewandelt werden. Wir wollen, dass der ökologische Landbau endlich gleichberechtigt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der ökologische Landbau muss aus seiner Nische herauskommen. Er muss genauso ernst genommen werden wie der konventionelle Anbau, von dem wir hoffen, dass seine Qualität verbessert wird. Wir brauchen klare Standards für den konventionellen Anbau. Ein konventioneller Bauer muss darstellen, was er tut und was er nicht tut. Es darf keine erneute Verbrauchertäuschung geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, ziehen Sie Konsequenzen. Machen Sie einen personellen Neuanfang und entlassen Sie die beiden Minister Miller und Stamm. Nur dann könnten wir den Ankündigungen eines Neuanfangs wirklich glauben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Frau Staatsministerin Stamm ums Wort gebeten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige Dinge eingehen, die vor allem der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Maget, angesprochen hat. Ich gehe davon aus, dass er zurückkommt und sich das anhört, was ich auf seine persönlichen Äußerungen zu sagen habe. Ich habe ein Recht, darauf zu antworten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn der Ministerpräsident und der Fraktionsvorsitzende bereits ausführlich dazu Stellung genommen haben, möchte ich kurz auf den Bericht der Kontrollkommission der Europäischen Union eingehen. Der Bundeslandwirtschaftsminister selbst hat sich – das ist nachzulesen – anlässlich der Sondersitzung des Agrarausschusses und des gesundheitspolitischen Ausschusses in der vergangenen Woche in Berlin darüber beschwert, dass die EU der Bundesregierung den Bericht erst um den 20. Dezember herum vorgelegt hat und dass über einen Bericht der Kontrollkommission diskutiert wird, ohne dass dieser Bericht offiziell bei dem betreffenden Mitgliedsland, nämlich der Bundesrepublik Deutschland, eingegangen ist.

Nach wie vor gibt es keinen offiziellen Bericht. Im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ist eine Verordnung abgedruckt, in der genau steht, wie die Kommission mit derartigen Berichten umzugehen hat. Festgelegt ist, dass der Bericht dem Mitgliedsland in der jeweiligen Sprache – im vorliegenden Fall also in Deutsch – vorgelegt werden muss.

(Lachen bei der SPD)

Das ist bis zum heutigen Tag nicht geschehen. Weiter gibt es einen Artikel 7, in dem es heißt:

(Unruhe bei der SPD)

Anscheinend haben Sie an einer Aufklärung kein Interesse. Ich rede von Artikel 7 und nicht mehr von der deutschen Sprache. Maßgebend sind die Vorgaben, die in einem Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht sind. Für den Fall, dass die Kommission nach der Kontrolle der Auffassung ist, dass eine gesundheitliche Gefahr besteht, heißt es in Artikel 7: „In dringenden Fällen oder wenn bei den Kontrollen vor Ort eine Gefahr für die Gesundheit festgestellt wird, wird der Mitgliedstaat unverzüglich und in jedem Fall binnen zehn Arbeitstagen nach Abschluss der Kontrolle schriftlich von dem Kontrollergebnis in Kenntnis gesetzt. Der Mitgliedstaat nimmt unverzüglich Stellung, spätestens jedoch binnen zehn Arbeitstagen nach Erhalt des schriftlichen Berichts von der Kommission.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Inspektion davon ausgegangen wäre, dass aufgrund der Untersuchungsergebnisse, die im LUA Süd festgestellt worden sind, eine gesundheitliche Gefahr besteht, hätte die Kommission dies dem Mitgliedstaat innerhalb von zehn Tagen schriftlich mitteilen müssen. Das ist nicht geschehen.

(Beifall bei der CSU)

Daraus schließe ich, dass die Inspektoren vor Ort zwar Mängel festgestellt, aber keine gesundheitliche Gefahr für die Menschen gesehen haben. Das schließe ich daraus.

(Dr. Kaiser (SPD): BSE ist wohl nicht gefährlich!)

Ich rede jetzt nicht von BSE, sondern ich rede von dem, was Sie seit einigen Tagen in der Öffentlichkeit und auch heute wieder im Plenum kritisieren und was den Inspektionsbericht der EU betrifft. Darüber rede ich. Dazu erlaube ich mir Stellung zu nehmen. Das war die Vorbemerkung, die ich dazu machen wollte.

(Dr. Kaiser (SPD): Aber wahrheitsgemäß!)

Sie brauchen mich nicht darüber zu belehren, was die Wahrheit ist und was nicht. Ich habe mich hier in diesem Parlament immer an die Wahrheit gehalten.

(Beifall bei der CSU)

Es ist richtig, dass die Inspektion im LUA Süd gewesen ist.

(Leeb (CSU): Was heißt „LUA“?)

Landesuntersuchungsamt Südbayern. In Bayern gibt es zwei Landesuntersuchungsämter. Die Inspektoren waren nicht im Landesuntersuchungsamt Nordbayern, sondern nur im Landesuntersuchungsamt Südbayern, so dass es von dort zugegebenermaßen eine Moment

aufnahme gegeben hat. Die Momentaufnahme sah so aus – auch das ist richtig –, dass beim Landesuntersuchungsamt Südbayern Proben in einem Zustand eingingen, der einen histologischen Test nicht mehr erlaubte. Für einen histologischen Test braucht man einwandfreie Proben. Das heißt, das Gewebe, das aus dem Gehirn entnommen wurde, muss in einem einwandfreien Zustand sein. Beim histologischen Test müssen die Proben, die aus dem Gehirn entnommen werden, in Formalin eingelegt werden. Das ist Voraussetzung für den Test, sonst kann er nicht durchgeführt werden. Die Proben müssen nämlich hart werden, damit sie geschnitten werden können und die entsprechenden Untersuchungen durchgeführt werden können.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür gibt es einen Schnelltest! – Wahnschaffe (SPD): Ist das keine Gefahr, wenn Sie solche Proben vergammeln lassen?)

Herr Kollege, ich habe versucht, Ihnen darzustellen, dass die Proben – und das waren die meisten – nicht im Landesuntersuchungsamt Südbayern vergammelt sind, sondern dass sie bereits in einem Zustand ins Haus gekommen sind, der einen histologischen Test nicht mehr erlaubte. Das ist Tatsache, und das ist die Wahrheit.

Die Situation ist schwierig. Wenn man über diese Dinge diskutiert, muss man sich auch damit beschäftigen, wie die Praxis aussieht. Es geht um gefallene Tiere. Wir wissen, dass sich die Tiere gerade im südbayerischen Raum im Sommer zumeist nicht im Stall oder auf dem Hof, sondern draußen auf der Weide oder sogar auf der Alm befinden. Wenn ein Tier im Sommer auf der Weide oder auf der Alm stirbt, ist es bei den vorhandenen Temperaturen sehr schwierig, das Tier rechtzeitig wegzubringen.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Herr Kollege Starzmann, hören Sie mir bitte zu. Sie wissen genau, wie das bei den gefallenen Tieren abläuft. Das gefallene Tier muss vom Bauern erst in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht werden. In der Tierkörperbeseitigungsanstalt muss die Probe entnommen werden. Die Probe wird dann von der Tierkörperbeseitigungsanstalt in das Landesuntersuchungsamt Südbayern gebracht. Das ist die Realität. Das ist der histologische Test. Im Rahmen des Überwachungsprogramms der Europäischen Union ist der histologische Test vorgesehen. Soviel wollte ich vorweg sagen.

(Zuruf des Abgeordneten Starzmann (SPD))

Herr Starzmann, ich habe Ihnen sehr lange zugehört. Ich will jetzt meine Rede zu Ende führen. Am Schluss bin ich bereit, Fragen zu beantworten, aber jetzt möchte ich im Zusammenhang vortragen. Ihr Fraktionsvorsitzender ist nicht unterbrochen worden, und das nehme ich für mich auch in Anspruch.

(Beifall bei der CSU)

Die Europäische Union hat uns vorgegeben, dass im Rahmen des Überwachungsprogramms zum einen histologische Tests durchgeführt werden. Zum anderen muss aber auch eine bestimmte Zahl von Stichproben im Jahr genommen werden. Für jedes Mitgliedsland der Europäischen Union wurde eine Anzahl von Stichproben vorgegeben. Bayern hatte dabei im Rahmen dieses Überwachungsprogramms der Europäischen Union pro Jahr 195 Stichproben zu entnehmen. 1998 hat dieses Überwachungsprogramm begonnen. Demnach hätten wir 1998195 Tests durchführen müssen. 1999 hätten wir wiederum 195 Tests vornehmen müssen.

(Wahnschaffe (SPD): Erzählen Sie doch einmal etwas über die getesteten Tiere!)

Herr Kollege Wahnschaffe, Sie müssen es schon mir überlassen, in welcher Reihenfolge ich die Tatsachen vortrage. Das, was Sie hören wollen, sage ich schon noch. Sie werden es schon noch erfahren.