Das Gesundbeten und Sich-selbst-immer-wieder-Bestätigen, Herr Kollege Knauer, wie gut die CSU in Bayern ist, nützt nichts mehr.
Die Grausamkeiten, die Sie den Schulen anbieten, gehen weiter. Andere Kapitel in dem schlimmen Drehbuch heißen „Mammutklassen“ und damit weniger Lernchancen für unsere Kinder und
„Unterrichtsausfall“ bis zu 10%. Damit sind die Lehrer und Schüler einem ungeheuren Druck ausgesetzt. Weitere Kapitel heißen „Stundenkürzungen“, die die Unterrichtsqualität mindern, und zum Beispiel auch „ungeheuerlicher Nachhilfeboom“, weil unsere Schulen den Lernerfolg nicht mehr sichern können. Das Schlimmste ist, dass diese Kapitel nie abgeschlossen werden und immer weiter gehen.
Die jetzige Situation mit dem Ausdruck „Lehrermangel“ zu beschreiben, geht am Kern des Problems vorbei. Sie stellen den Lehrermangel dar, als wäre er etwas Schicksalhaftes, quasi vom Himmel Gefallenes. Nein, der jetzige Notstand ist hausgemacht, weil Sie Ihre Pflicht, an den bayerischen Schulen den Unterricht zu garantieren, nicht erfüllen, was von Ihnen so gewollt war und politisch
Hätten Sie in den neunziger Jahren eingestellt, wie wir es jährlich vorgeschlagen haben, hätten wir keinen Unterrichtsnotstand. Die Kinder waren da. Wir wussten das. Sonst wird tagtäglich beklagt, dass es zu wenig Kinder gebe in diesem Lande. Die Kinder waren da, aber Sie haben die Schulen nicht dementsprechend ausgestattet. Hätten Sie das geregelt, wie wir es wollten, hätten wir jetzt nicht in allen Schularten den Unterrichtsnotstand. Die Eltern bräuchten nicht auf die Barrikaden zu gehen, die Schulleiter nicht zu resignieren, und man könnte der Pensionierungswelle gelassen entgegensehen. Auch das ist zum Thema „Lehrermangel“ zu sagen, Frau Ministerin: Was Sie in diesem Zusammenhang geboten haben, ist mit „fehlendem Fingerspitzengefühl“ sehr zurückhaltend beschrieben. Sie gehen nach Österreich, um Lehrer zu holen, obwohl bei uns Tausende auf der Warteliste stehen. Bei uns gibt es Tausende von Lehrern, denen in den letzten Jahren die Schultüre vor der Nase zugeschlagen wurde, und bei uns gibt es noch Hunderte, denen Sie „Sklavenverträge“ angeboten haben – im Februar eingestellt, und im Juli wieder ausgestellt. Hier hätten Sie etwas tun können. Ich gebe der Kollegin Münzel Recht, Sie müssten einstellen und die Wartelisten abräumen.
Sie haben – so will ich das jetzt nennen – ziemlich professionell das „Brandstiftersystem“ entwickelt. Sie zündeln und feiern sich anschließend als Feuerlöscher und Retter. Das Feiern ist Ihnen nach der jüngsten Meldung ziemlich schnell vergangen, weil – wie wir gestern lesen durften – in den Ministerien der Rechennotstand ausgebrochen ist. TIMSS schlägt in Bayern voll zu: Sind es 100 neue, sind es 120 neue oder gar 220 neue Stellen? Liebe Frau Ministerin, das Papier war schon in dem Moment nichts mehr wert, als die Meldung gedruckt wurde.
Auch wenn es bei 220 zusätzlichen Lehrerstellen zum neuen Schuljahr bleiben sollte, ist das dennoch nur eine Farce. Liebe Kollegin Münzel, das kann man doch nicht als „erste Hilfe“ bezeichnen. Damit beleidigt man die Erste-Hilfe-Teams im Lande. Das ist nicht einmal ein kleines Kinderpflasterchen, das Sie auflegen. Die 100 Stellen, die von den 220 Stellen vielleicht den Gymnasien zugute kommen, reichen nicht. Vor einem Monat sagte der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, Herr Rupp, die Gymnasien bräuchten mindestens 180 Stellen in diesem Schuljahr und danach jährlich 1200 neue Lehrerinnen und Lehrer.
Zum September 2001 sind 8500 zusätzliche Schülerinnen und Schüler an unseren Schulen. Um den steigenden Bedarf auf dem Niveau des letzten Schuljahres zu bewältigen, bräuchten wir 500 neue Lehrkräfte. Nicht einmal das schaffen Sie.
Ihre Lösung stopft nicht einmal die Löcher, die Sie in den letzten Jahren aufgerissen haben. Zu Beginn des letzten Schuljahrs haben Sie nicht einmal genügend Lehrerinnen und Lehrer für die Erfüllung des Pflichtstundenkatalogs der Gymnasien zur Verfügung stellen können. Jetzt müssen Sie im Nachhinein ein paar Lehrkräfte bereitstellen. Das ist eine Farce, weil Sie den Gymnasien zwar ein paar Lehrkräfte geben, ihnen aber mit den Anrechnungsstunden wieder etwas nehmen. Mit einer Hand geben Sie, und mit der anderen nehmen Sie es sich wieder. Das ist Ihre Schulpolitik.
Mit dem „Brandstiftersystem“ haben Sie an den Fachoberschulen und den Berufsoberschulen im letzten Jahr einen ungeheuren Brand gelegt, weil diese Schulen einen Unterrichtsnotstand zu verzeichnen hatten wie noch nie. Kürzung durch Budget, fehlende Lehrkräfte und reihenweise Pflichtstundenausfälle waren die Folge. Durch Ihr fahrlässiges Verhalten haben Sie den Schulen viel zugemutet. Im Landtag wurde einhellig gesagt, dass es im nächsten Schuljahr besser werden müsse. Ob mit den 20 Lehrkräften, die man ihnen jetzt zugesteht, etwas besser wird, wage ich zu bezweifeln.
im Büßergewand auftreten, denn Sie haben Ihre Versprechen nicht gehalten, Frau Kultusministerin. Die Hauptschule wurde erwähnt. Sie haben bei den Hauptschullehrkräften gut Wetter gemacht und ihnen im Juli 2000 gesagt, sie bekämen 1300 neue Kollegen, um die Hauptschulreform durchführen zu können, die Sie beim Volksbegehren herausgestellt haben, als es um die sechsstufige Realschule ging. Jetzt sagen Sie zu diesen Schulen: Ätsch, ihr könnt mich mal, wir haben kein Geld und keine Lehrer. – So wird mit den Hauptschullehrern umgegangen!
Zu dem Versprechen, Ganztagsschulen einzuführen: Sie haben das Thema entdeckt, und Sie haben auch die Familie entdeckt. Nun sagen Sie, wir bräuchten Ganztagsschulen. Sie haben das nicht nur den Gymnasien, sondern allen Schularten – was richtig ist – versprochen. Heute müssen Sie erklären, dass Sie für die Ganztagsschulen nicht einen Pfennig haben. Man kann mit den Leuten nicht in der Weise umgehen und sagen, dass es zwar Bedarf gebe, aber kein Geld vorhanden sei.
Ein weiteres Kapitel in diesem Unterrichtsnotstandsbuch ist die Art, wie Sie mit den Grundschulen umgegangen sind. Auch hier haben Sie Ihr Versprechen nicht gehalten. Als Sie die Wochenstundenzahl in den vier Schul
jahren in dramatischer Weise von 107 auf 99 senkten, sagten Sie: Wir geben diese Stunden zurück, weil sie bedeuten, dass die Schüler in vier Jahren über ein Vierteljahr weniger Unterricht haben. Trotzdem stoppen Sie jetzt die Rückgabe, die Sie versprochen haben, weil Sie hier einfach in Ihrem eigenen Notstand hängenbleiben und die Grundschulen in dieser misslichen Lage zurücklassen.
Zur Realschule. Wir könnten jetzt genüsslich nachsehen, was aus der Reform geworden ist. Es wird alles schlimmer, als es je gesagt wurde. Das sagt nicht nur die Opposition, sondern das sagen auch Leute, die in der Verwaltung sitzen und wissen, wohin der Hase läuft. Die Grundschule wird ohnehin immer mehr Druck bekommen. Die Teilhauptschulen sterben.
Aber das Wichtigste ist: Sie haben die sechsstufige Realschule versprochen, eine neue Struktur geschaffen, aber nicht daran gedacht, dass man dort auch die richtigen Rahmenbedingungen braucht. Die Realschule steuert auf Rahmenbedingungen zu, die für die Schülerinnen und Schüler unannehmbar sind. Die Realschulen haben schon jetzt die höchsten durchschnittlichen Klassenstärken. Das heißt, fast die Hälfte der Jugendlichen geht in Mammutklassen mit über 30 Schülerinnen und Schülern. Der Unterrichtsausfall ist enorm. Wenn ein Lehrer krank wird – das gilt auch für die Prüfungsklasse –, dann wird er nicht ersetzt und man lässt den Unterricht einfach ausfallen. Lehrerstellen geben Sie den Schulen nicht; die stehen nicht zur Verfügung.
Aber jetzt kommt noch das I-Tüpfelchen. Sie machen eine Realschulreform und fangen schon mit Stundenkürzungen an. Die fünfte und die sechste Klasse kriegen statt 30 nur noch 28 Wochenstunden. Das heißt, es muss in den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Englisch gekürzt werden. Ich halte es für einen Skandal, was man den Kindern damit zumutet.
Ich bin beim letzten Satz. Es muss Schluss sein mit dem Bildungsdiebstahl. Es muss Schluss damit sein, mit immer weniger Geld immer mehr Schüler besser ausbilden zu wollen. Das schaffen Sie nicht. Sie müssen deshalb mehr in die Bildung investieren. Ich hoffe, dass wir Ihnen das noch zumuten können.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den Neunzigerjahren war die schulpolitische Diskussion durch den Ausspruch
geprägt: Wir haben zu viele Lehrer. Wir waren froh, dass wir mit Zweidrittelstellen immer noch junge Leute für den Lehrberuf haben finden können. Es ist ganz wichtig, hervorzuheben, dass im Gegensatz zu anderen Bundesländern alle frei gewordenen Planstellen wiederbesetzt wurden. Mehr noch: Es wurden neue Stellen geschaffen. Die Schülerzahlen sind gewachsen. Dagegen sind andere Bundesländer ganz andere Wege gegangen. Das Beispiel Nordrhein-Westfalen ist genannt worden. Wenn man dort die Unterlassungen nicht begangen hätte, müsste Nordrhein-Westfalen jetzt nicht in einer Mammutaktion 6000 Lehrer für 2 Milliarden DM einstellen und müsste im Umfang dieses Betrages nicht eine Haushaltssperre auf alle anderen Positionen verhängt werden.
Heute stellt sich heraus – für viele überraschend –, dass sich das Bild geändert hat. Lehrer werden gesucht, das Lehramt wird zum Mangelberuf. Aber auch hier müssen wir differenzieren. Für die Grundschule haben wir nach wie vor zu viele Bewerberinnen und Bewerber. Das gleiche Bild gibt es bei verschiedenen Kombinationen am Gymnasium. Gesucht werden insbesondere Lehrer für alle naturwissenschaftlichen Fächer, und zwar im Moment an den Realschulen und natürlich auch an den Haupt- und Berufsschulen.
Wir müssen auf drei Gebieten besonders umsichtig sein. Wir müssen wieder vermehrt Leute in das Studium der Mangelfächer bringen. Wir müssen die Leute dazu bewegen, nach dem ersten auch das zweite Staatsexamen zu machen, sprich: ins Referendariat einzutreten, und danach auch in den Staatsdienst zu gehen.
Warum tun die Leute das im Moment nicht? Der erste und wichtigste Grund ist die attraktive Konkurrenz aus der Wirtschaft. Wenn Leuten, die mit dem Studium noch nicht fertig sind oder das erste Examen hinter sich gebracht haben, Monatsgehälter von 5000, 6000 DM und mehr geboten werden, dann erscheint die augenblickliche Referendarbesoldung absolut nicht attraktiv. Von daher haben wir über die Bundesbesoldungsregelung die Referendargehälter entsprechend anzuheben, um gerade den jungen Leuten in der Familiengründungsphase die nötige finanzielle Ausstattung zu geben.
Erinnern Sie sich bitte auch an die Green-Card-Diskussion, die durch den plötzlichen großen Bedarf an Informatikern ausgelöst wurde. Daran sieht man bereits, wie groß der Druck aus der Wirtschaft ist. Andererseits zeigt die Situation im Lehrerberuf auch, dass die bayerische Lehrerbildung offensichtlich so qualifiziert ist, dass ein bayerischer Lehrer ohne nähere Betrachtung sofort eine Anstellung in der freien Wirtschaft findet.
Der zweite wichtige Grund liegt in der Akzeptanz des Lehrerberufs und im Image des Lehrers. Wenn ein Bundeskanzler die Lehrer als faule Säcke bezeichnet, kann man wohl nicht erwarten, dass viele Leute das Lehramtsstudium motiviert betreiben.
Wenn der Lehrer immer mehr zum „Watschenbaum“ der Nation wird, kann man nicht erwarten, dass junge Leute
den Lehrerberuf für attraktiv halten. Hier müssen wir ansetzen, das Image des Lehrerberufs wieder zu verbessern. Wir alle müssen die große fachliche wie pädagogische Leistung der Lehrer hervorheben und klarmachen, dass es sich um einen sehr wichtigen Beruf handelt.
Kollege Knauer hat es bereits angesprochen: Das MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung hat aufgezeigt, dass die Qualität der bayerischen Schulen sehr gut ist. Das zeigt sich auch an den sehr guten Abiturprüfungsergebnissen, mit denen sich die bayerischen Schülerinnen und Schüler im Ländervergleich nicht zu verstecken brauchen. Das genaue Gegenteil ist der Fall.
Da wir gerade beim Thema „Abiturquote“ sind: Wir dürfen die Schüler der Fachoberschulen – FOS – und der Berufsoberschulen – BOS – auf keinen Fall vergessen, denn gerade diese Schulen tragen mit dazu bei, dass wir einen sehr hohen Prozentsatz an Abiturienten haben und damit die zahlreichen Fachhochschulen mit sehr guten Schülerinnen und Schülern versorgen können.
Meine Damen und Herren, wir müssen also daran ansetzen, Verbesserungen in der Bezahlung insbesondere beim Referendariat zu erreichen.
Wir müssen natürliche auch Folgendes sehen. Ich nehme Bezug auf eine Pressemitteilung des Bayerischen Philologenverbandes. Dort ist man uns schon sehr dankbar, dass jetzt die 220 Stellen auf den Weg haben gebracht werden können. Die Mitteilung des Verbandes zeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.
Die finanzielle Situation der Schulen in Bayern – es handelt sich um ein Volumen von 14 Milliarden DM – kann sich sehen lassen, wenn man einen Vergleich mit allen anderen Bundesländern anstellt. Schauen Sie sich das IWG – und wie die Institute alle heißen – an! Die Bilanzen sind gut.