Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt rächt es sich, dass Sie nicht bereit waren, zusätzliche Lehrkräfte einzustellen. Jetzt rächt sich auch das verzweifelte Festhalten der CSU an einem überkommenen Gesellschaftsbild von der Familie, denn der Ausbau der Ganztagsschule kommt viel zu spät. Man hätte viel früher damit beginnen sollen. Wir begrüßen es, dass Frau Hohlmeier von der Haltung „Ganztagsschule ist sozialistischer Kindesentzug“ abgewichen ist. Ganztagsschulen kosten aber mehr Geld, und seit vorgestern ist klar, dass den Worten der Kultusministerin keine Taten folgen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schülerzuwachs, Pensionierungswelle, sechsstufige Realschule, Ganztagsschulen und Schulinnovation – all dies kommt in einer Zeit zusammen, in der höchstes Ziel der Staatsregierung das Sparen ist und in der zwar Millionen von DM aus der Hightech-Offensive in Großunternehmen, die internationalen Konzernen gehören, gesteckt werden, aber in die Bildung nicht genügend oder falsch investiert wird. Die Staatsregierung steckt Gelder aus der Hightech-Offensive in Unternehmen, die drei Tage später, nachdem sie das Geld kassiert haben, 600 Arbeitskräfte entlassen, wie das bei uns in Aschaffenburg bei Petri der Fall gewesen ist.

Lassen Sie mich ein Wort zu der Hightech-Euphorie des Ministerpräsidenten sagen. Der Ministerpräsident wird lernen müssen: Ohne Bildung kein Hightech. Bildung ist das Fundament, auf dem alles ruht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hightech mit Low Budget bei der Bildung wird nicht funktionieren. Die bayerischen Schulen stecken in der Krise, und die nächste Krise sieht man schon am Horizont, nämlich die Pensionierungswelle. Was tun? – Was die bayerischen Schulen jetzt brauchen, ist zum einen ein Krisenmanagement und zum anderen ein Zukunftskonzept. Lassen Sie mich einige Vorschläge machen. Unabdingbar sind zusätzliche finanzielle Mittel. Hier ist der Finanzminister gefragt. Soweit ich weiß, wurde die Frage der Finanzierung bereits gestern diskutiert.

Was kann sofort getan werden? – Schreiben Sie die Lehrkräfte auf den Wartelisten an, und machen Sie ein entsprechendes Weiterbildungsangebot. Werben Sie Lehrkräfte in Kreisen der Migrantinnen und Migranten an, und bilden Sie sie weiter. Setzen Sie native speaker aus dem In- und Ausland ein.

(Herrmann (CSU): Adi Sprinkart zum Beispiel, ein echter native speaker!)

Adi Sprinkart könnte man auch eine Chance im bayerischen Schuldienst geben. In der Tat ist er ein echter native speaker.

Öffnen Sie unsere Schulen für Lehrkräfte aus der EU. Sorgen Sie für bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen und für mehr Gerechtigkeit unter den Schulen. So wichtig es ist, den Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Gymnasien mehr Planstellen zur Verfügung zu stellen, auch die Hauptschulen müssen berücksichtigt werden. Können Sie sich vorstellen, was für ein Signal an die Hauptschulen es war, als es vorgestern hieß, die Fachoberschulen, die Berufsoberschulen und die Gymnasien bekommen etwas und die anderen nicht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Schule mit der höchsten Unterrichtsverpflichtung ging leer aus. Das müsste auch Ihnen wehtun, Herr Kollege Knauer. Die Hauptschule, die Schule mit der höchsten Unterrichtsverpflichtung, hat oftmals auch die schwierigsten Unterrichtsbedingungen. Die CSU redet zwar gern von der Bedeutung der Hauptschule, lässt sie aber in ihrer konkreten Politik links liegen. Sie redet sie schön und lässt sie ausbluten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Teilen Sie die Lehrkräfte nicht mehr den einzelnen Schulen zu, sondern sorgen Sie dafür, dass sie sich an den einzelnen Schulen bewerben können. Das erhöht die Attraktivität des Lehrberufs, denn das Hin- und Hergeschiebe, die Zuteilung von Lehrkräften, widerspricht dem Selbstverständnis eines mündigen Menschen. Geben Sie den Schulen freie finanzielle Mittel an die Hand, mit denen sie Personal für Aufgaben einstellen können, für die nicht notwendigerweise Lehrkräfte erforderlich sind. Zum Beispiel können für Betreuungsaufgaben Erzieherinnen eingestellt werden. Bei der Lehre könnte man auch an Lehrbeauftragte denken. Sorgen Sie für mehr Transparenz, was den Lehrer- und Lehrerinnenbedarf angeht, indem Sie ständig aktuelle Informationen über den zukünftigen Bedarf an Lehrkräften über das Internet bereitstellen.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben das Kind in den Brunnen fallen lassen; sorgen Sie dafür, dass es schnellstens wieder herausgeholt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe das Abstimmungsergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 14/5222 bekannt. Das war Tagesordnungspunkt 8. Mit Ja haben 73 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 59. Der Stimme haben sich 5 Kolleginnen und Kollegen enthalten.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Damit ist das Gesetz in der zur Abstimmung gestellten Fassung des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes angenommen. Es hat den Titel „ Gesetz zur Änderung des Bayerischen Beamtengesetzes und der Bayerischen Disziplinarordnung“.

Mit der Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung des federführenden Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes hat der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eykmann, Ach, Unterländer und anderer, CSU, auf Drucksache 14/5672 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon zustimmend Kenntnis.

Wir fahren fort in der Aktuellen Stunde. Als nächster Redner hat Herr Kollege Knauer das Wort. Er beschränkt seine Redezeit auf fünf Minuten.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Münzel, die Rede, die Sie soeben gehalten haben, war eine einzige Enttäuschung. Sie war ein verbaler Rundumschlag, der völlig außer Acht gelassen hat, dass das bayerische Schulwesen im nationalen wie im internationalen Vergleich nach wie vor höchstes Ansehen genießt.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Münzel, Sie wären glaubwürdiger – das sage ich auch allgemein zur Opposition –, wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, selbst etwas Konstruktives zu erarbeiten und vorzuschlagen, und zwar in einer Gesamtschau. Sie aber sind durchs Land gezogen und haben ein bisschen mehr für die Hauptschulen, ein bisschen mehr für die Realschulen, ein bisschen mehr für die Fachoberschulen und ein bisschen mehr für die Berufsoberschulen gefordert. Darf es ein bisschen mehr sein?

(Frau Radermacher (SPD): Sie haben das doch versprochen!)

Das Arbeitszeitkonto, das in Bayern praktiziert wird, ist ein Mittel, das auch in den Ländern angewandt wird, in denen Sie in der Regierungsverantwortung stehen. Sie wissen das, und Sie sollen kein falsches Zeugnis ablegen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Wahrheit ist, wir haben durch unsere Haushaltsbeschlüsse immer dazu beigetragen, dass die Qualität des bayerischen Schulwesens eines der Gütesiegel des Freistaates Bayern im nationalen wie im internationalen Vergleich war und ist.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich „Gütesiegel“ höre, denke ich an BSE!)

Frau Fraktionsvorsitzende, Sie sollten sich einmal mit den Unterlagen, die Ihnen von der Staatsregierung dankenswerterweise alle zwei Jahre ohne Anforderung übersandt werden, auseinandersetzen, denn dann würden Sie feststellen, dass wir unseren Kindern mit 36,2 Unterrichtsstunden pro Woche mehr Zeit für Bildung und Erziehung widmen als jedes andere Flächenland in der

Bundesrepublik Deutschland. Das gehört zum Qualitätssiegel „Schule in Bayern“.

Frau Kollegin Kellner, Sie würden wertvolle Aufklärungsarbeit leisten, wenn Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen einmal darüber informieren würden, dass wir mit 173 DM für jede einzelne Unterrichtsstunde mehr Geld zur Verfügung stellen als jedes andere Bundesland, von den Stadtstaaten Hamburg und Bremen aufgrund ihrer besonderen Struktur abgesehen. Mit 9300 DM pro Schüler wenden wir am meisten Geld für unsere Kinder auf. Auch das ist die Wahrheit.

Ich sage bewusst, während das Leistungsland Bayern den enormen Anstieg der Zahl der Gymnasiasten von 268000 im Jahr 1989 auf 312000 im Jahr 1998 mit einer Ausweitung der Zahl der Unterrichtsstunden von 409000 auf 431000 beantwortete, reagierte zum Beispiel das rot-grün-regierte Nordrhein-Westfalen auf den noch viel größeren Zuwachs von 473000 auf 530000 Gymnasiasten mit Stundenkürzungen. Das sind Anspruch und Wirklichkeit, wenn Sie über Bildungspolitik sprechen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob der Zwischenrufer sein Abitur in Bayern gemacht hat.

Nur unter der Hand werden Testergebnisse des Berliner Max-Planck-Instituts gehandelt, die eindeutig belegen, bayerische Schüler gehören zur deutschen Bildungselite, während Nordrhein-Westfalens Schüler zu den schlechtesten gehören. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern haben wir nicht nur angekündigt, eine beachtliche Zahl von Lehrern einzustellen, sondern wir haben mehr Lehrer eingestellt als alle anderen.

Daraus wird deutlich: Dank der aufgeschlossenen Haltung der CSU, die Schule stets als Schwerpunkt ihrer landespolitischen Aufgabe gesehen hat, ist Bayern seiner Verpflichtung, die Bildungschancen seiner Kinder zu maximieren, stets erfolgreich nachgekommen, und dabei wird es auch bleiben.

Liebe Frau Kollegin Münzel, als sich Ihre Kolleginnen und Kollegen Gedanken über den Dringlichkeitsantrag gemacht haben, konnten sie noch nicht ahnen, dass sich die Staatsregierung bereits auf 220 neue Stellen geeinigt hatte, bevor die Verhandlungen zum Nachtragshaushalt begannen. Meine Damen und Herren, Ihnen hat es die Sprache verschlagen und nichts anderes.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wir wissen auch, dass es Mängel gibt und wir viele Dinge anpacken müssen, die wir angekündigt haben. Das wird uns enorme Leistungen abverlangen. Wir werden diese Leistungen erbringen. Reden Sie, liebe Frau Kollegin Münzel und liebe Kolleginnen und Kollegen vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bayern schlecht; der bayerische Wähler wird es Ihnen durch ein schlechtes Wahlergebnis danken.

(Beifall bei der CSU – Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte, dass meine Kinder in der Schule etwas lernen! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Irlinger das Wort. Es handelt sich um einen zehnminütigen Beitrag.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Knauer, Ostern steht vor der Tür. Ich habe mir überlegt, Ihnen eine neue CD zu schenken, damit Sie nicht stets die alte Platte auflegen müssen, wenn Sie ans Rednerpult treten.

(Lachen bei der SPD)

Wir kennen diese Platte seit fünf Jahren: Bayern ist am besten; die anderen sind schlecht. Warum sind dann die Zeitungen jeden Tag voll mit Kritik an Ihrer Schulpolitik?

(Lachen bei der CSU)

Da muss doch etwas nicht stimmen.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Wir diskutieren heute in der Tat über ein weiteres schwarzes Kapitel im unsäglichen Drehbuch mit dem Titel „Unterrichtsnotstand in Bayern“.

(Hofmann (CSU): Eine hässliche Brille!)

Ich weiß, du bist neidisch.