Herr Kollege Sibler, Herr Kollege Schneider, wenn Sie etwas für die Anwärter tun wollen, müssen Sie ehrlicherweise sagen, dass auch Bayern nichts gegen die Kürzungen in Berlin unternommen hat und Bayern gleichzeitig die Unterrichtsverpflichtung der Anwärter und Referendare von 10 auf 12 Stunden heraufgesetzt hat.
Herr Staatsminister Faltlhauser, auch Ihnen wird es nicht gelingen, die tägliche Misere an unseren Schulen herunterzurechnen. Vieles von dem, was Sie zusammengerechnet haben, sind Ersatzbeschaffungen und keine neuen Planstellen. Auf Kollegen Spaenle möchte ich nicht eingehen – Realitätsverluste kann man nicht kommentieren.
Es ist amtlich, dass wir im Lande Bayern in diesem Jahr 6850 junge Lehrerinnen und Lehrer auf der Warteliste haben. Das nennt man Lehrerarbeitslosigkeit. Gleichzeitig haben wir an unseren Schulen einen riesigen Lehrermangel. Wenn man beides zusammennimmt, dann heißt das bayerische Schulpolitik. Man könnte noch ergänzen: Wenn dann noch die bayerische Kultusministerin in Österreich auf Lehrersuche geht, müsste man über den Begriff Schizophrenie nachdenken. Wenn die betroffenen Eltern und Lehrer, die sowieso schon mit Überstunden belastet sind, die täglich an der Schule kämpfen, als Lösung ihrer Probleme von der Kultusministerin die Jubelbotschaft erfahren „Hohlmeier: Kraftakt für 220 neue Lehrer“, dann muss ich dazu sagen: Frau Kultusministerin, angesichts eines tausendfachen Lehrermangels – ich will die 220 neuen Lehrer nicht schlechter reden, als sie sind – kann man über diesen Kraftakt, über den Sie frohlocken, eigentlich nur lachen,
wenn Sie mit diesem Tropfen auf den heißen Stein wirklich die aberwitzige Vorstellung verbinden, damit die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen zu verbessern. Sie können sie nicht einmal auf dem bisherigen niedrigen Niveau gewährleisten. Das heißt, im nächsten Schuljahr wird sich die Unterrichtsversorgung an unseren Schulen faktisch verschlechtern. Das ist Schulpolitik à la Hohlmeier. Sie sind damit Schullichtjahre von dem entfernt, was wirklich an den Schulen geschieht.
„Die hohen Ansprüche an die Bildung im dritten Jahrtausend bleiben also weiter in den Sonntagsreden. Die Realität heißt weiterwursteln.“ – So schrieb gestern die „Augsburger Allgemeine“. Angesichts des tausendfachen Lehrermangels ist der Versuch, über 220 neue Planstellen zu frohlocken, für mich so etwas wie der Versuch des Gewichthebens im Flohzirkus. Was unsere Schulen, Eltern und Lehrer wirklich brauchen, sind viel mehr als 220 neue Planstellen. 2200 – das Zehnfache wäre für dieses Schuljahr angemessen, und für die nächsten Jahre dann noch einmal, nicht aber 1000 hochgerechnete Stellen, was eben so nicht stimmt.
Vor allen Dingen muss man sagen: Wir haben diese jungen Lehrerinnen und Lehrer, und wir haben sie ausgebildet. Sie müssen eben flexibler sein, wenn es um den Einsatz dieser jungen Lehrerinnen und Lehrer geht, und endlich ihre ideologischen Scheuklappen der Drei-Klassen-Schule und -Gesellschaft ablegen. Dann wird es an unseren Schulen besser.
Was Sie machen, kommt mir vor, wie wenn ein Patient auf der Intensivstation eine Packung Aspirin erhält und der Arzt sich zur Beruhigung gleich noch ein Beruhigungsmittel verordnet, anstatt den Patienten intensiv zu betreuen.
Was heißt „ein Niveau“? Wer hat denn vorhin das Niveau bestimmt? – Nicht wir. Da waren wunderbare Redner am Werk.
Herr Kollege Hofmann, ich bin Schulrat aufgrund meiner dienstlichen Beurteilungen geworden. Darüber steht Ihnen kein Urteil zu.
Das ist eine miese Diffamierung. Dienstliche Beurteilung bedeutet Leistungsprinzip, Herr Kollege Hofmann. Darauf bin ich stolz.
Tatsache ist, Frau Hohlmeier, Sie sind beim bildungspolitischen 3000-Meter-Lauf in der ersten Runde im Wassergraben gelandet und haben von dort verkündet: Wenn man sich flach hinlegt, kann man sogar Schwimmbewegungen machen. Das ist keine Politik für unsere Schulen und für unsere Kinder – das ist eine Politik der Ahnungslosigkeit, der Ratlosigkeit und der Tatenlosigkeit. Frau Hohlmeier, Sie sind inzwischen mit Ihren großspurigen Reformankündigungen so weit wie Helmut Kohl am Ende seiner unseligen Ära. Wenn damals die Regierung Kohl von Reformen sprach, verbanden das die
Menschen immer mit negativen Erwartungen. Der Begriff „Reform“ war damals zu einem Unwort geworden. Wenn heute von der bayerischen Schulpolitik Reformen angekündigt werden, gehen alle Schulen sofort in Deckung. Warum? – Weil Schulen, Eltern, Lehrer, Schülerinnen und Schüler wissen, dass mit Ihren Reformen fast nur Verschlechterungen einhergehen. Alle wissen sofort: Jetzt ziehen wieder saure pädagogische Regenwolken aus München heran; hoffentlich treffen sie uns nicht.
Ich komme zum Ende. Ich will Ihnen den guten Willen nicht absprechen. Das ist aber kein Ersatz für eine Schulpolitik zugunsten unserer Kinder. Ich kann das mit einem Spruch aus meiner fränkischen Heimat zusammenfassen: Was Sie machen, ist genauso, wie wenn a Maus a Fäustla macht.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Herr Kollege Odenbach, Sie haben nicht nur in der Zeit überzogen, sondern Sie haben auch, was Inhalt und Dramaturgie Ihrer Rede angeht, weit, weit danebengelangt. Ich möchte dazu fast sagen: Setzen, Sechs. Mehr kann man dazu nicht sagen.
Lassen Sie mich mit ein paar Missverständnissen aufräumen. Wenn ich die Zustandsbeschreibung über das bayerische Schulwesen höre, die von Ihrer Seite gekommen ist, dann muss ich dazu sagen: Sie haben nicht mitbekommen, was in den letzten Jahren bildungspolitisch in diesem Hause beschlossen worden ist.
Sie haben auch nicht den Mut, fair und selbstkritisch in die von Ihnen regierten Bundesländer zu schauen. Ich möchte jetzt ein Zitat bringen, das den Zustand und den Stellenwert des bayerischen Bildungssystems verdeutlicht. Sie wissen, dass der „Spiegel“ nicht zu den Publikationen gehört, die der CSU wohlgesinnt sind. Am 2. April dieses Jahres war im „Spiegel“ zu lesen:
Nur unter der Hand werden Testergebnisse des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung gehandelt. Diese sind eindeutig: Bayerische Schüler gehören danach zur deutschen Bildungselite, nordrhein-westfälische Schüler gehören zu den schlechtesten.
Wenn wir uns konkret die Werte ansehen, zum Beispiel die Anzahl der Schüler pro Klasse usw., sieht es in Nordrhein-Westfalen sehr übel aus. Deshalb sollten Sie sich nicht hierher stellen und so tun, als ob im Freistaat Bayern nichts passieren würde. Herr Kollege Odenbach und Herr Kollege Irlinger, ich weiß, dass es einem Oppositionspolitiker in der Regel schwer fällt, sich beim Finanzminister zu bedanken. Hören Sie aber bitte mit der Darstellung dieser Untergangsszenarien auf. Sie zeichnen damit ein falsches Bild von der bayerischen Bildungslandschaft.
Wir können uns trefflich darüber streiten, welche Indikatoren etwas über den Stellenwert des Bildungssystems innerhalb eines Landes aussagen und wie man Schulqualität misst. Herr Kollege Irlinger, ein Indikator für die Qualität eines Bildungssystems ist für mich die Frage, wie Schülerinnen und Schüler auf dem Arbeitsmarkt angenommen werden. Tatsache ist, der Stellenwert bayerischer Schüler auf dem Arbeitsmarkt und die Zukunftsaussichten dieser Schüler gehören zu den besten.
Herr Kollege Irlinger, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, es trifft nicht zu, dass die bayerische Wirtschaft über die miserable Leistungsfähigkeit der bayerischen Schüler klagt. Bayerische Unternehmer klagen allenfalls darüber, dass sie die Leute, die sie brauchen, nicht in ausreichender Zahl bekommen. Sie klagen aber nicht über den Inhalt und die Qualität des bayerischen Bildungswesens. Gehen Sie doch einmal zu den Industrie– und Handelskammern in den Bundesländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen. Hören Sie sich einmal an, was die Handwerkskammern in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern über die Qualität des dortigen Bildungswesens zu sagen haben. Frau Kollegin Münzel, ich muss Ihnen leider Nachhilfe erteilen. Sie sollten nur von Dingen reden, von denen Sie etwas verstehen. Sie haben absolut keine Ahnung von der Hightech-Offensive.
Sie haben soeben versucht, die Ausgaben für die Hightech-Offensive den Ausgaben für die Bildungsoffensive gegenüberzustellen. Dabei haben Sie behauptet, die Mittel für die Hightech-Offensive seien Mittel für die Großkonzerne. Die Hightech-Offensive passt nahtlos in die bayerische Bildungsoffensive.
Mit diesen Mitteln wird jungen Menschen nicht nur eine solide Ausbildung, sondern auch ein zukunftsträchtiger Arbeitsplatz vermittelt.
(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt bauen die Betriebe, die die Hightech-Gelder kassieren, 600 Arbeitsplätze ab!)
Sie haben behauptet, mit der Higtech-Offensive wolle der Freistaat etwas für die Großkonzerne tun. Ich sage Ihnen, Ihre Genossen in Berlin begünstigen die Großkonzerne durch ihre Steuer– und Finanzpolitik.
Frau Kollegin Münzel, es macht keinen Sinn, wenn Sie behaupten, der Freistaat Bayern würde für die HightechOffensive eine Menge Geld ausgeben, das anderswo besser verwendet werden könnte. Die Gelder für die Hightech-Offensive werden nicht als Subvention für Großunternehmen verwendet. Wir stellen viel Geld für tolle Projekte in den Regionen zur Verfügung. Wir wollen damit Forschungsinitiativen starten und Forschungsschwerpunkte mit Weltruf schaffen. Sie sollten sich deshalb nicht gegen die Hightech-Offensive des Freistaates wenden. Tatsache ist, dass wir mit dieser Offensive moderne Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen. Begleiten Sie uns dabei. Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen ab, und tragen Sie dazu bei, Schule und Wirtschaft zueinander zu führen.
Frau Kollegin Münzel, als in den Siebziger– und Achtzigerjahren Debatten über dieses Thema geführt wurden, hatten Sie noch große ideologische Verblendungen. Heute sind Sie ein bisschen offener. Wir wünschen uns, dass Sie uns weiterhin auf dem Weg begleiten, auf dem wir das bayerische Bildungssystem in eine gute Zukunft führen und den jungen Leuten eine Zukunftsperspektive geben.
Ich lasse jetzt über die mitberatenden Dringlichkeitsanträge abstimmen, zunächst über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend „Bildungsoffensive“ auf der Drucksache 14/6280. Wer dem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Der Antrag ist damit abgelehnt.