Protokoll der Sitzung vom 08.05.2001

Für uns ist das alles wirklich nicht einfach gewesen; das muss ganz klar gesagt werden. Aber wenn wir uns nicht der Verantwortung gestellt und die Fakten abgewogen hätten, wären von Ihnen, meine Damen und Herren, keine vernünftigen und ausgewogenen Gesamtvorschläge gekommen, gerade von Ihnen, Herr Kollege Dr. Hahnzog, nicht. Sie haben sich nämlich hauptsächlich – das haben wir in der Diskussion immer wieder erlebt – mit München als dem Nabel der Welt beschäftigt.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das Oberland!)

Ich bin nicht der Auffassung, meine Damen und Herren, dass wir Ihre Argumentation hinnehmen können. Denn sie schadet nicht etwa der CSU, sondern sie schadet dem ganzen Parlamentarismus und dem Ansehen des Parlaments in der Öffentlichkeit. Deswegen weise ich Ihre Unterstellungen als parteipolitische Diffamierungen zurück.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen ganz klar erkennen: Diese Reform war ein schwieriges Werk. Es galt, zwischen mehreren Gesichtspunkten abzuwägen. Das eine war die Gleichheit der Stimmen, die Sie angesprochen haben, auf die Sie ausschließlich Wert gelegt haben, das andere war aber auch die Identität der Gebietskörperschaften, die Stimmkreisidentität und vieles andere mehr. Wir haben dies alles abgewogen. Wir sind unserer Verantwortung gerecht geworden, und Sie werden sehen, dass nicht nur in diesem Punkt Polemik nicht Sachpolitik und Diffamierung nicht die Übernahme von Verantwortung ersetzt. Mit Ihrer Art von Politik werden Sie keinen Erfolg haben.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: War das jetzt alles?)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur noch ganz knapp zu einigen Punkten etwas sagen. Was ist denn die Aufgabe einer Opposition? Die Opposition hat die Aufgabe, alternative Konzepte zu entwickeln und dann für diese zu werben.

Ich stelle hier nochmals fest: Mit Ausnahme des Wahlkreises Oberbayern hat die SPD keinerlei Modell entwickelt und keinen Antrag gestellt. Ich sage das auch deswegen, weil es für das Verfassungsgericht von Bedeutung ist. Weder in Schwaben noch in Unterfranken noch in Oberfranken noch in Mittelfranken noch in Niederbayern noch in der Oberpfalz wurde ein alternativer Antrag gestellt. Sie stellen keine Anträge, sondern Sie beschränken sich genauso wie in Bad Windsheim auf ein Konzept der Verleumdung und Diffamierung. Da kann man nur sagen: Das ist Opposition in Ihrem Stil. Aber so billig werden Sie nicht davonkommen.

(Beifall bei der CSU)

Auch wenn Sie, Herr Hoderlein, mich als netten Mann bezeichnen, muss ich Sie fragen: Wie oft habe ich Sie aufgefordert, konkrete Konzepte zu bringen, damit wir zu ihnen Stellung nehmen können. Aber mit Ausnahme Oberbayerns ist kein Konzept gekommen.

Es wäre fair, Herr Hoderlein – ich fordere Sie dazu auf –, wenn Sie sagen würden, was Ihnen an der Regelung für Oberfranken nicht passt. Ich fordere Sie auf: Stellen Sie einen Antrag! Ich fordere Sie auch ausdrücklich auf: Wenn Sie Klage erheben, sagen Sie vorher, was Sie wollen, damit Sie sich nicht mit einer Herumnörgelei und einem allgemeinen Herumreden der Aufgabe entziehen, alternative Konzepte vorzulegen.

Ich fordere Sie auf, uns zu sagen, was nun gilt, die Aussage von Herrn Hahnzog, der erste Entwurf für Mittelfranken, die 15% einzuhalten, sei richtig gewesen, oder Ihre öffentliche Aussage in der Zeitung, man könne nicht die Verrücktheit begehen, Ansbach auf drei Stimmkreise aufzuteilen, und müsse deswegen die Grenze von 15% nicht genau einhalten. So können wir nicht miteinander umgehen. So kann man sich billig einer Diskussion auf einem Parteitag entziehen. Aber nicht hier und erst recht nicht beim Verfassungsgericht.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister – –

Es war nicht mein „letzter Wunsch“, sondern nur der zuletzt von mir vorgetragene Wunsch, den Antrag beim Verfassungsgericht bald einzureichen. Ich appelliere an Sie: Unterstützen Sie den Antrag mit konkreten Anträgen. Bei Oberbayern haben wir sowohl zu München als auch zum Bereich Bad Tölz Stellung genommen. Unterstützen Sie Ihren Antrag mit konkreten Anträgen für andere Regierungsbezirke. Dann werden Sie ernst genommen. Sonst haben Sie vor dem Verfassungsgericht nicht den Hauch

einer Chance, sondern Sie missbrauchen das Verfassungsgericht für eine politische Demonstration. Das wissen Sie ganz genau. Sie wissen es ganz genau.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie keinen konkreten Antrag haben, können Sie nicht sagen: Was wir gewollt haben, ist rechtswidrig übergangen worden. Das wissen Sie. Dann reduziert sich der gesamte Streit auf Oberbayern. Aber ich erlebe draußen, dass man überall darüber diskutiert und sagt: Wir greifen das Gesetz an.

Herr Odenbach, wir haben uns neulich im Bereich Bamberg unterhalten. Ich will ausdrücklich sagen: Sie haben sich dort auch im Angesicht eines Bürgermeisters, der sehr hartnäckig verlangt hat, dass seinen örtlichen Vorstellungen nachgegeben werden muss, völlig fair und korrekt verhalten. Aber insgesamt sehe ich doch, dass Sie sich der Mitverantwortung entziehen, die daraus entspringt, dass Sie gesagt haben, dass der Landtag verkleinert werden müsse. Das aber kann man gerade bei einer solchen Frage nicht tun. Jedenfalls darf man das nicht mit der Behauptung von Filz und Ähnlichem verbinden, ohne dass man sich knallhart sagen lassen muss, dass man eine systematische Diffamierung selbst mit den Mitteln des Verfassungsgerichts vornimmt. Das ist mein Vorwurf: Sie diffamieren, und Sie treiben keine anständige Opposition.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Dr. Hahnzog.

Herr Beckstein, zu Ihrem Vorwurf, die Opposition habe nichts Konkretes eingebracht: Soweit es möglich war, haben wir das gemacht. Im Oberland sind sieben Stimmkreise betroffen, ebenso der Stimmkreis Rosenheim-West. In München sind acht Stimmkreise betroffen. Das macht schon einen sehr großen Teil aus.

Wir sind aufgrund von Prinzipien vorgegangen. Wir haben unter dem Gesichtspunkt der Gleichheitsprinzipien, also Deckungsgleichheit, Wahlgleichheit, immer wieder gefragt, nach welchen weiteren Maßstäben Sie vorgehen. Ich habe das heute noch einmal dargelegt. Was ist denn mit dem Grundsatz, keine Dreiteilung vorzunehmen? Bei einem Bereich sagen Sie, dort dürfe keine Dreiteilung stattfinden; in einem anderen Bereich findet sie jedoch statt. Was ist mit dem Grundsatz, man müsse beim Kleinsten anfangen? In dem einen Fall fängt man, glaube ich, beim Kleinsten an; in drei anderen Regierungsbezirken macht man es nicht. Wie sollen wir konkrete Gegenvorschläge machen, wenn Sie selbst keine Maßstäbe haben?

Genauso ist es bei dem Kontinuitätsgesichtspunkt. Das macht es doch so schwer, mit Ihrem durch die Fraktion noch mehr verwässerten und verschlimmerten Vorschlag weiter zu kommen. Deshalb war die Diskussion so schwierig. Diese Streitpunkte werden wir dann in ganz konkreter Weise aufgrund der konkreten Situation

im Oberland und in München vor dem Verfassungsgericht weiter verfolgen. Was dort herauskommt, hat natürlich auch Auswirkungen auf die anderen Bereiche. Dann werden wir die Sache hier völlig neu behandeln müssen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Vielen Dank, Herr Kollege. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/5719 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf Drucksache 14/6512 zugrunde. Der federführende und endberatende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 14/6512. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie fünf Stimmen aus der CSUFraktion. Stimmenthaltung? – Das ist Herr Kollege Hartenstein. Dann ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Diese soll auf Wunsch der SPD-Fraktion, wie in § 135 Absatz 1 der Geschäftsordnung vorgesehen, in namentlicher Form erfolgen. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen zugrunde. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Seite der CSU-Fraktion, die Nein-Urne auf der Oppositionsseite aufgestellt. Die Urne für die Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.24 bis 17.29 Uhr)

Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Einige Mitglieder der Hohen Hauses möchten eine Erklärung nach § 139 der Geschäftsordnung abgeben. Als Erster hat sich Herr Abgeordneter Böhm gemeldet. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt und will das kurz mit drei Punkten begründen.

Artikel 14 der Bayerischen Verfassung sagt, dass grundsätzlich jeder Landkreis einen Stimmkreis bildet. Indes gibt es künftig die geforderte Deckungsgleichheit, wie ich einem Papier der CSU-Fraktion entnommen habe, nur noch in 26 von 92 Fällen. Die Deckungsgleichheit ist also vom Regelfall zur reinen Ausnahme geworden.

Die Bayerische Verfassung will, dass bei Wahlen zum Landtag gewachsene, zusammengehörende Einheiten zur Entfaltung kommen. Deswegen wählen wir in Bayern beispielsweise über Bezirkslisten und nicht über eine Landesliste, über die bevölkerungsschwächere Bezirke majorisiert werden könnten. Deshalb soll die jeweilige kreiskommunale Einheit nicht nur ihren Landrat, sondern auch ihre Abgeordnete oder ihren Abgeordneten wählen. Jetzt sind die Stimmkreise vorwiegend Kunstgebilde. Die darin gewählten Abgeordneten sind nicht mehr die typischen Vertreter der jeweiligen konkreten Kreisbevölkerung.

Ein Zweites: Das Gesetz legt von Fall zu Fall unterschiedliche, ja fast willkürliche Maßstäbe an. In der Begründung der Gesetzesvorlage heißt es beispielsweise zum Stimmkreis Kronach: „Eine Aufteilung des Kreises auf angrenzende Stimmkreise kommt aufgrund seiner Randlage nicht in Betracht.“ Und zum Stimmkreis Tirschenreuth ist ausgeführt:

„Eine Auflösung kommt wegen seiner Randlage nicht in Betracht.“

(Vereinzelte Heiterkeit)

Und der den nördlichsten Punkt Bayerns erreichende Stimmkreis Rhön-Grabfeld, der längere Grenzen zu Hessen und zu Thüringen als zum bayerischen Mutterland hat, wird dagegen trotz der extremen Randlage als Stimmkreis vernichtet.

Und ein Drittes: Unterfranken, das sich in drei Planungsregionen gliedert, verliert zwei Stimmkreise. Die ganze Wucht dieses Verlustes wird einer von drei Regionen aufgebürdet, der ehemaligen Grenzlandregion Schweinfurt, die sowieso noch zu leiden hat unter den Nachteilen der ehemaligen Zonengrenze. Hier werden zwei Stimmkreise genommen, und aus ihr wird eine stattliche Reihe von Gemeinden einem Stimmkreis der Nachbarregion zugeschlagen, um dort den eigentlich kleinsten der unterfränkischen Stimmkreise, nämlich Kitzingen, mit 105868 Einwohnern, über Wasser zu halten. Zum Vergleich: Der neue Stimmkreis Haßberge wird mit einer guten Hälfte des Landkreises Rhön-Grabfeld zu einem Stimmkreis von 149549 Einwohnern aufgeblasen. Probleme mit der Stimmengleichheit liegen also auf der Hand.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wortwechsel zwischen CSU und SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Blöchl das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich habe dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt. Ich möchte das auch hier kurz begründen.

Ich kann in der Argumentation eigentlich an das anschließen, was der Herr Landtagspräsident in seinem ersten Punkt gesagt hat: Bei der Einteilung für Nieder

bayern hat man auch nicht nach der Verfassung gehandelt, sondern man hat den Landkreis Freyung-Grafenau, der mit dem Stimmkreis deckungsgleich ist, geteilt bzw. aufgelöst. Es wäre eine andere Lösung möglich gewesen.

Ich gehöre nicht zu denen, die sagen: Einschnitte ja, aber nicht bei mir! Aber trotz der vielen Verhandlungen, bei denen ich alle Register gezogen habe, war es nicht möglich, eine Regelung herbeizuführen, die tragbar gewesen wäre. Ich möchte jetzt nicht in die Einzelheiten gehen, weil es für die Kollegen aus den anderen Regierungsbezirken vielleicht gar nicht so fassbar ist.

Niederbayern hat neun Landkreise und in Zukunft neun Stimmkreise, und es wäre mit kleinen Verschiebungen möglich gewesen, die kleinen Stimmkreise ein bisschen aufzufüllen, so dass die entsprechende Größenordnung bei der Einwohnerzahl gewährleistet gewesen wäre. Das war bei den Verhandlungen nicht möglich, und deshalb kann ich diesem Gesetzentwurf im Grunde genommen auch nicht zustimmen.

Man ist, wie gesagt, diesmal den einfachsten Weg gegangen, einen Stimmkreis aufzulösen, und damit hat sich die Sache.

Ich darf auch klarstellen, dass es bei mir nicht um Eigennutz geht, denn wie bekannt sein dürfte, kandidiere ich das nächste Mal nicht mehr. Aber mir geht es innerlich darum, dass ich es nicht verantworten kann, dass bei der zukünftigen Stimmabgabe ein Landkreis, eine kommunale Gebietskörperschaft nach normalem Ermessen, weil schließlich Mehrheiten entscheiden, überhaupt nicht mehr in der Lage ist oder die Möglichkeit hat, einen eigenen Abgeordneten direkt in den Landtag zu entsenden. Das sage ich parteiübergreifend, weil doch der Wähler letzten Endes bei den Wahlen entscheidet.

Das ist meine Argumentation, warum ich diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen kann. Ich bedauere es außerordentlich, dass es keine Regelung gegeben hat. Dieser Landkreis liegt im Dreiländereck, im südöstlichsten Zipfel Bayerns, wo Tschechien, Österreich und Bayern zusammenstoßen, und in diesem Randbereich sind weiß Gott nicht immer so große Vorteile vorhanden, wie sie woanders spürbar sind. Deshalb, glaube ich, ist es nur verständlich, wenn jemand einem solchen Gesetzentwurf, der anders zu gestalten gewesen wäre, in dieser Detailfrage nicht zustimmt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ums Wort hat Herr Kollege Stockinger gebeten.