Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

Erstens. Der Zustand der LWS war schon lange vor 1991 desolat. Durch einen einfachen Telefonanruf beim Obersten Rechnungshof oder auch beim Aufsichtsratsvorsitzenden hätte man das feststellen können.

Zweitens. Die 1991 getroffene Entscheidung, die Geschäftspolitik der LWS zu ändern, war aus diesen Gründen falsch.

Drittens. Der Hauptverantwortliche für diese Entscheidung im Jahre 1991 war der Zeuge Stoiber, der als damaliger Innenminister die Ausweitung des riskanten Trägergeschäftes gegen die massiven Bedenken des Finanzministeriums durchsetzte und so der LWS Aufgaben zumutete, die diese nicht erfüllen konnte. Auch wenn dies im Mehrheitsbericht anders dargestellt wird, so gilt auch hier der Grundsatz im Recht über die Kausalität. Im Brief von Herrn Stoiber liegt die Ursache für die Verluste, die die LWS erlitten hat.

Viertens. Dadurch ist ein Schaden von über 500 Millionen DM entstanden. Bisher ist immer bestritten worden, dass der Steuerzahler diese Verluste tragen muss. Dieses ist falsch. Die Bayerische Landesbank – das wurde ja gefeiert – hat die LWS übernommen. Man tat so, als ob damit die Verluste nicht mehr vom Steuerzahler zu tragen seien. Dieses ist falsch. Tatsächlich wurde die LWS von einem Tochterunternehmen der Bayerischen Landesbank übernommen, nämlich von der Deutschen Kreditbank in Berlin, einer Firma, die laut Auskunft der Bayerischen Landesbank mit sehr hohen Gewinnen arbeitet. Der war es gerade recht, die LWS zu bekommen, weil somit die Verluste, die die LWS hat, gegen Gewinne, die die Deutsche Kreditbank selber gemacht hat, gegengerechnet werden können und konnten, was bei den hohen Gewinnen der Deutschen Kreditbank zur Folge hat, dass über 50% der Verluste der Steuerzahler aufgrund der Abschreibungen zu tragen hat.

(Maget (SPD): Das ist nicht so schlimm! Das ist nur der Berliner Steuerzahler!)

Wenn man das alles untersucht hat – ich komprimiere das –, folgt als Fazit: Auch Herr Stoiber ist nur ein Mensch.

(Zustimmung bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Aufgrund der letzten Ereignisse, die wir hier diskutiert haben, kann ich nur empfehlen, Herrn Stoiber wie im alten Rom einen Adlatus zur Seite oder hinter ihn zu stellen, der ihm ständig ins Ohr flüstert: Bedenke, dass du ein Mensch bist.

(Zuruf von der SPD: Den hat er schon!)

Nein, das hat Herr Huber noch nie getan.

(Maget (SPD): Das traut er sich nicht!)

Ich kann nur sagen: Wenn ich mir die Weste von Herrn Stoiber ansehe, dann finde ich darauf in letzter Zeit lauter Abkürzungen wie LWS, BSE, DO. Wenn ich dann sehe, was gerade im Nahen Osten passiert ist, kann ich eigentlich nur sagen: Weshalb in die Ferne schweifen, wo die Arbeit liegt so nah.

Wir haben über eineinhalb Jahre hinweg ein großes Sachproblem untersuchen müssen, das seine Ursache in falschen Entscheidungen und falschen Briefen gehabt hat. Dieses ist bedauerlich. Es ist bedauerlich, dass der Steuerzahler 250 Millionen DM zu tragen hat. Das ist kein gutes Ergebnis. Alle Politiker, auch wir, sollten daraus lernen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Kellner das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ungeachtet der guten und kollegialen Zusammenarbeit im Ausschuss, für die ich mich bei den Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanke, sind wir zu einem anderen Ergebnis gekommen als die CSU-Mehrheitsfraktion. Herr Kollege Dr. Bernhard, es liegt nicht in der Natur des Parlamentarismus, dass Opposition und Mehrheitsfraktion zu einer anderen Bewertung kommen, sondern es liegt an den Fakten. Ich werde meine Wertung selbstverständlich mit Zeugenzitaten und sonstigen vorgelegenen Fakten unterlegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fange beim Ende an und arbeite mich dann bis zum Anfang allen Übels vor.

Kolleginnen und Kollegen, Ende 2000 wird das Bauträgergeschäft der LWS eingestellt, die LWS von der Bayerischen Landesbank übernommen, das heißt aufgelöst. Damit sind die hochfliegenden Pläne des damaligen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Dr. Stoiber im Desaster geendet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn eines ist auch von Ihnen, Herr Dr. Bernhard, mit Ihrem Mehrheitsbericht nicht vom Tisch zu wischen: Die LWS-Pleite ist untrennbar mit Dr. Stoiber verbunden; sie klebt an ihm wie Kaugummi.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem LWS-Debakel ist der Nimbus des Edmund Stoiber als Vorstandsvorsitzenden der Bayern AG dahingegangen; er ist entschwunden. Egal was passiert, Deutscher Orden, BSE-Skandal – überall wird der Vergleich zur LWS-Pleite gezogen, und das bundesweit, was für den Möchtegern-Kanzlerkandidaten Stoiber besonders schmerzlich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Stellt er andere Regierungen als unfähig und dilettantisch hin, was er vor allem bei rot-grün-regierten Ländern gerne versucht, schallt ihm der Name LWS entgegen. LWS ist das Synonym für politische Einflussnahme, unfähige Staatswirtschaft, Stehlen aus der Verantwortung und dilettantisches Krisenmanagement geworden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als am 19. Juli 1999 die Meldung erschien, dass Ministerpräsident Stoiber den Obersten Rechnungshof gebeten habe, die Vorgänge bei der LWS zu untersuchen, war klar, dass Feuer am Dach ist. Das Vorgehen war dann auch typisch stoiberisch. Er hat die letzte Plenarwoche vor den Sommerferien ohne Unterrichtung des Parlaments vorüberziehen lassen, wohl wissend – deshalb waren Sie in dieser letzten Woche auch so aufgeregt und haben hin- und hergetuschelt; ich habe mich schon gewundert, was da im Busch ist –, dass spätestens am Montag die Medien berichten würden. Dann erfolgte die Flucht nach vorne, wie es der Bayerische Ministerpräsident so gerne hat mit Schlagzeilen wie: Stoiber sorgt für Aufklärung, Stoiber veranlasst Sonderprüfung, Stoiber räumt auf – natürlich hinsichtlich der Versäumnisse der anderen. Dass er selbst jemals etwas falsch gemacht haben könnte – diesen Verdacht lässt er erst gar nicht aufkommen, im Übrigen auch bei sich selbst nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über all diesen Aktivitäten stand natürlich die Hoffnung, dass der Skandal über die Sommerpause sanft entschlafen möge.

Pech gehabt! Die LWS wurde bundesweit zum Sommerthema. Letztlich sah sich Ministerpräsident Dr. Stoiber so in die Enge getrieben, dass er sich nach einem Bauernopfer umsehen musste. Dabei hatte er wieder Pech; denn der als Sündenbock vorgesehene Justizminister Sauter hatte eine andere Vorstellung vom Drehbuch. So spielten sich in Bayern Szenen ab, die die ganze Bundesrepublik über Wochen unterhielten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Hintergrund des Spektakels war die Feststellung: Edmund Stoiber, der Macher, der Könner und der Unfehlbare kann nicht zugeben, dass er Fehler macht. Edmund Stoiber ist nur für Erfolge zuständig. Für Misserfolge sind in Bayern grundsätzlich andere zuständig und verantwortlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich frage Sie hier und heute: Was wäre passiert, wenn sich Ministerpräsident Dr. Stoiber im Juli 1999 zu seiner Fehleinschätzung Anfang der Neunzigerjahre bekannt und die gravierenden Fehler bei der Kontrolle der LWS und die versuchte Vertuschung vor dem Parlament zugegeben hätte? Die Angelegenheit LWS wäre in den Ausschüssen und im Plenum in einem halben Jahr abgearbeitet gewesen, wie es sich gehört. Aber so, Herr Dr. Stoiber, haben Sie sich erst richtig in die Nesseln gesetzt. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet. Die LWS ist und bleibt Ihr Debakel. Daran ändert auch der Abschirmungsbericht der Ausschussmitglieder der CSU nichts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Und die Moral von der Geschicht: Aus der Verantwortung stiehlt man sich nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte kurz darstellen, wie alles anfing. Hier geht es um Vergangenheitsbewältigung und um einen Teil bayerischer Geschichte. Dreh– und Angelpunkt war natürlich der Einstieg in das Bauträgergeschäft trotz gravierender Bedenken des Finanzministeriums. Herr Prof. Dr. Faltlhauser, vielleicht können Sie aus dieser Geschichte einen Gewinn ziehen, wenn die Staatsregierung künftig mehr auf das Finanzministerium hört. Das wäre nicht schlecht.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben auch ganz schön Dreck am Stecken!)

Dieser Dreck kommt dann später noch ins Spiel. Heute kommen alle dran, die an dieser Geschichte beteiligt waren.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das wird ein Mehrteiler!)

Ja, das ist wirklich filmreif. Herr Dr. Bernhard, ein Abend reicht für die Darstellung dieser Geschichte nicht aus. Ich möchte kurz rekapitulieren: Die LWS war bis Ende der Achtzigerjahre ein gemeinnütziges Wohnungsbauunternehmen im Besitz des Freistaates, des Bundes und der Landesbank. Sie war im Wesentlichen im sozialen Wohnungsbau tätig. Die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen wurde 1990 aufgehoben. Dadurch wurden andere Betätigungsfelder möglich. Im Innenministerium – forciert von Innenminister Dr. Stoiber – wurde daher die große Chance gesehen, mit der Ausweitung des Bauträgergeschäftes Gewinne zu erzielen, um auch in Bayern Wohnungsbau finanzieren zu können. Die LWS wollte von sich aus die Geschäftstätigkeit gar nicht ausweiten. Innenstaatssekretär Dr. Gauweiler – Sie erinnern

sich, wie forsch er hier immer aufgetreten ist – organisierte über die Bayerische Landesbank den neuen Geschäftsführer Dr. Usadel. Danach sollte ein neues Unternehmenskonzept ausgearbeitet und umgesetzt werden. Das Ziel war eine Expansion. Daraufhin begann eine massive Ausweitung des Bauträgergeschäfts, obwohl die LWS schon Ende der Achtzigerjahre Verluste im Trägergeschäft machte. Das waren zwar nur kleine Geschäfte, aber schon damals wurde die LWS damit nicht fertig.

In einem Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs aus dem Jahre 1988 wurden bereits gravierende Mängel aufgedeckt und wurde all das moniert, was im Laufe der Jahre von keinem der Aufsichtsräte behoben werden konnte. Dies hat der LWS, die sich auf dem Expansionstrip befand, das Genick gebrochen. Herr Dr. Bernhard hat gesagt, die Opposition hätte eine bestimmte Wertung. Wir sind aufgrund von Zeugenaussagen und Berichten zu dieser Wertung gekommen. Weil die Kolleginnen und Kollegen nicht dem Untersuchungsausschuss angehört und die Akten nicht gelesen haben, möchte ich aus dem Bericht zitieren:

Die LWS wies bereits Ende der Achtzigerjahre Organisationsdefizite auf. Es bestanden kein gut funktionierendes Berichtswesen und keine ausreichende Innenrevision.

Das bedeutet, die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte war bereits damals problematisch. Es kann doch nicht sein, dass sich der zuständige Ressortminister und damalige Innenminister Dr. Stoiber nicht mit diesem Bericht beschäftigt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle haben Erfahrungen damit, wie Berichte des Obersten Rechnungshofs behandelt werden. Als Mitglied des Haushaltsausschusses kenne ich das Prozedere: Zunächst wird dem betreffenden Ministerium eine Mitteilung zugeschickt, mit der es zur Stellungnahme aufgefordert wird. Ich müsste mich sehr täuschen, wenn eine solche Mitteilung nicht über den Tisch des zuständigen Ressortministers ginge. Solche Beanstandungen werden nicht von irgendeinem Referatsleiter abgewickelt, sondern gehen über den Tisch des politisch Verantwortlichen. Das ist doch gar keine Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich saß damals bereits im Parlament und konnte beobachten, dass Herr Dr. Stoiber stets bemüht war, gut dazustehen und zu zeigen, wie eifrig er sich um alles kümmert. Das ist bis zum heutigen Tage so geblieben. Er findet sogar die Zeit, sich um den Terrazzofußboden der Pinakothek der Moderne zu kümmern. Und dieser Ministerpräsident will von diesem Rechnungshofbericht aus seiner damaligen Zeit als Innenminister nichts wissen! Das widerspricht jeglicher Lebenserfahrung. Herr Ministerpräsident, das widerspricht allem, was wir bisher von Ihnen gewohnt sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie waren damals nicht zu bremsen und setzten sich schließlich gegen den damaligen Finanzminister von Waldenfels durch. Wenn es sich hierbei nur um eine Angelegenheit zwischen den Ministerien und deren Amtschefs gehandelt hätte, wie das Herr Dr. Bernhard darzustellen versucht hat, wäre das anders abgelaufen. Wir haben doch den Briefverkehr gesehen: Herr Dr. Stoiber hat handschriftliche Notizen auf die Briefe geschrieben und dem Finanzminister sehr energisch widersprochen. „Diese Auffassung teile ich nicht.“ Dies war seine handschriftliche Notiz auf dem Schreiben des Finanzministers. Das bedeutet für mich: Der damalige Innenminister hat ein Ziel verfolgt und sich dahinter geklemmt. Für ihn war diese Angelegenheit nicht ergebnisoffen. Er wollte ins Bauträgergeschäft einsteigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Dr. Bernhard, von da an ging es bergab. Sie haben im Ausschuss stets versucht, die Mär vom Aufbau Ost zu verbreiten. Es wäre damals sehr schwierig gewesen, und im Osten hätten alle Probleme gehabt. Warum sollte es bei der LWS anders gewesen sein? So war es aber nicht. Der Aufbau Ost war nicht der Grund für die Forcierung des Trägerbaus, sondern die LWS sollte Gewinne erwirtschaften. Später musste sie das sogar tun; denn sonst hätte das Wertgutachten zum LWS-DASA-Aktientausch nicht gestimmt. Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass die LfA ihre DASA-Aktien für ein bestenfalls schwarzes Nullgeschäft hergegeben hätte. Davon kann doch überhaupt keine Rede sein. Ich zitiere hierzu Herrn Dr. Pfeffer, den Vorstandsvorsitzenden der LfA, vom 14. März letzten Jahres.