Protokoll der Sitzung vom 31.05.2001

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Als Mitglied des Präsidiums kann ich noch Folgendes anmerken: Der Sitzungskalender für das Jahr 2001 ist allen Abgeordneten

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Auch den Ministern!)

mit Datum vom 7. Juni 2000 zugegangen. Es bestand also die Möglichkeit zu wissen, dass heute eine Plenarsitzung stattfindet.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU – Hofmann (CSU): Das ist ein starkes Stück! – Beifall bei der SPD – Große Unruhe)

Ich verstehe die Unruhe nicht.

(Zahlreiche Zurufe von der CSU)

Herr Kollege Hofmann, ich verstehe das Amt eines Abgeordneten auch so, dass er sich darum bemüht, bei Vollsitzungen anwesend zu sein.

Sie sind ein leuchtendes Beispiel dafür. Ich habe das Verhalten der Kultusministerin nicht kritisiert. Ich weiß auch nicht, wann und wie es zu dieser Reise gekommen ist. Sie kennen aber die Einwände, die es von allen Seiten des Hauses im Hinblick auf die Anwesenheit bei Plenarsitzungen gibt.

(Hofmann (CSU): Es ging um die Unterstellung!)

Das wollte ich noch klarstellen. Das Wort hat jetzt Herr Kollege Dr. Hahnzog zu einer Erklärung nach § 111 Geschäftsordnung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte folgende persönliche Erklärung abgeben: Das Hohe Haus hat die Staatsregierung vor drei Wochen in namentlicher Abstimmung aufgefordert, im Bundesrat für die Einführung des Dosenpfands zu stimmen. In den letzten Tagen mehren sich die Anzeichen dafür, dass die Mehrheit in der CSU-Fraktion und die Staatsregierung versuchen, diesen Beschluss des Landtags vom 9. Mai am Landtag vorbei kaputtzumachen.

(Prof. Dr. Gantzer (SPD): Das gibt es ja wohl nicht!)

Dies macht mich als Abgeordneten dieses Hauses betroffen. Darüber bin ich empört. Mir ist natürlich klar, dass Beschlüsse des Landtags über ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Bundesrat beim Verfassungsgericht nicht eingeklagt werden können. Solche Beschlüsse haben aber eine politische Bindungswirkung. Herr Kollege Glück ist im Moment leider nicht da. Aus der Fraktionsspitze der CSU kommen nämlich immer wieder sehr dezidierte Äußerungen zur Stärkung des Parlaments. Wenn man das Parlament ernst nimmt, kann die politische Bindungswirkung eines solchen Beschlusses nur vom Landtag selbst beseitigt werden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies kann nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Fraktionszimmern oder anderen Räumen geschehen. Wie wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern sonst noch klarmachen, dass der Landtag die oberste Plattform für politische Entscheidungen in unserem Freistaat ist? Diese Frage betrifft auch Sie von der CSU.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hier von Teilen der CSU und der Staatsregierung inszeniert wird, ist eine bodenlose Missachtung unserer Demokratie. Ich hoffe, dass die Kolleginnen und Kollegen, die sich in namentlicher Abstimmung für diesen Antrag ausgesprochen haben, Manns und Frau genug sind, bei diesem Beschluss zu bleiben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile jetzt Herrn Kollegen Herrmann zu einer persönlichen Erklärung nach § 111 Geschäftsordnung das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe dem Herrn Präsidenten signalisiert, dass ich zu einer Erklärung nach § 111 zu zwei Themen ums Wort bitte. Zunächst zur Israel-Reise der Frau Kultusministerin: Selbstverständlich ist der Terminplan dieses Hohen Hauses seit langer Zeit bekannt. Den Kollegen der Opposition ist aber sicherlich auch bekannt, dass sich Termine im Ausland nicht immer hundertprozentig mit dem Sitzungskalender des Landtags vereinbaren lassen. Sie wissen, dass dies auch in anderen Parlamenten so ist. Ich bitte Sie herzlich darum, in solchen Fällen die Kirche im Dorf zu lassen.

(Beifall bei der CSU)

Im Bundestag kommt es unentwegt vor, dass sich Mitglieder der Bundesregierung während der Sitzungen auf Auslandsreisen befinden. Dies war sowohl bei der früheren als auch bei der jetzigen Regierung der Fall. Der Bundestag akzeptiert dies selbstverständlich. Deshalb wäre es nicht sinnvoll, wenn sich beispielsweise die CSU-Landesgruppe im Bundestag das, was Sie soeben gesagt haben, zum Maßstab nähme.

(Zuruf des Abgeordneten Wörner (SPD))

Herr Kollege Wörner, hier geht es ausschließlich um die für diesen Tagesordnungspunkt zuständige Ministerin. Das Kultusministerium ist durch den zuständigen Staatssekretär vertreten, der nach der Bayerischen Verfassung, wenn die Ministerin nicht da ist, voll umfassend sein Ministerium repräsentiert. Herr Staatssekretär Freller war während der Aktuellen Stunde von der ersten bis zur letzten Minute anwesend. Damit ist das für uns erledigt. Für eine weitere Kritik in dieser Frage gibt es keinen Grund.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Dr. Hahnzog, zu Ihrer Art von Kritik gibt es nicht den geringsten Anlass. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass in diesem Hohen Hause bereits zwei Anträge von Ihrer Seite zum Thema „Dosenpfand“ mit Mehrheit abgelehnt worden sind. In der letzten Plenarsitzung hat dann ein Antrag zu diesem Thema eine Mehrheit gefunden.

(Maget (SPD): Das Abstimmungsverhalten des Landtags wird von der Staatsregierung nur bei dem zugestimmten Antrag abgelehnt!)

Herr Kollege Maget, wir sind uns doch darüber einig, dass die Beschlüsse des Landtags zum Abstimmungsverhalten der Staatsregierung rechtlich nicht bindend sind. Das hat auch Herr Kollege Dr. Hahnzog nicht in Frage gestellt. Das kann der Landtag aber nicht beschließen. Der Landtag kann die Staatsregierung nur auffordern. In der Regel orientiert sich die Staatsregierung daran.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Maget (SPD): Immer dann, wenn es in ihre Entscheidung passt!)

Lieber Herr Kollege Dr. Hahnzog, nach meiner Kenntnis gibt es bislang keinen endgültigen Beschluss der Staatsregierung über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Die Entscheidung, wie sich die Staatsregierung in einer Bundesratssitzung verhält, erfolgt in der Regel in der gleichen Woche, in der die Bundesratssitzung stattfindet. Diese Entscheidung wird meistens am Dienstag vor der Sitzung im Kabinett getroffen. Bis dahin muss die Staatsregierung erst einmal verfolgen, welche Anträge aus anderen Bundesländern in den Bundesrat eingebracht werden. Diese Anträge kennt die Staatsregierung noch gar nicht. Manchmal herrscht in den einzelnen Bundesländern jeden Tag eine andere Meinung.

(Frau Biedefeld (SPD): Hier geht es um einen Beschluss des Bayerischen Landtags! – Hans Joachim Werner (SPD): Sie können unsere Brauereien doch nicht durch Dumpingpreise kaputt machen lassen! – Weitere Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)

Entschuldigen Sie, wenn weitere Anträge in den Bundesrat eingebracht werden, zum Beispiel mit dem Ziel, das Ganze zu verschieben, muss man sich damit doch auseinandersetzen. Ich kann nur sagen, in der CSULandtagsfraktion ist die Meinungsbildung zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen. Die Staatsregierung muss ihre Meinung selbst darstellen. Wir werden uns mit diesem Thema noch einmal befassen und auch mit Ihnen darüber diskutieren. Herr Kollege Dr. Hahnzog, für diese Art von Polemik, die Sie in eine Erklärung nach § 111 Geschäftsordnung gekleidet haben, gibt es überhaupt keinen Anlass.

(Beifall bei der CSU – fortgesetzte Zurufe von der SPD)

Mir liegen noch drei Wünsche für die Abgabe einer persönlichen Erklärung nach § 111 Geschäftsordnung vor. Gerade wird mir der vierte Wunsch nach einer solchen Erklärung gereicht. Ich möchte aber jetzt einen langjährigen Mitarbeiter auf der Stenografenbank herzlich begrüßen, nämlich Herrn Fritz Kemmerich.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kemmerich konnte vor wenigen Tagen seinen 80. Geburtstag feiern. Herr Kemmerich, wir alle gratulieren Ihnen ganz herzlich.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kemmerich hat uns immer geholfen, wenn beim Stenografischen Dienst Not herrschte. Auch heute hat er gesagt: Ich will es noch einmal wissen. Ich finde das großartig. Herr Kemmerich herzlichen Dank und alles Gute für die Zukunft.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Kollegin Schmitt-Bussinger – wer es noch nicht weiß, die Frau Kollegin hat geheiratet, und wir gratulieren ganz herzlich – hat nun das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Als Mitglied der vom Bayerischen Landtag eingesetzten Enquete-Kommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ gebe ich zur Haltung der Staatsregierung und der CSU-Fraktion, betreffend Abstimmung zum Dosenpfand vom 09.05. dieses Jahres, folgende persönliche Erklärung nach § 111 der Geschäftsordnung ab, die durchaus nicht polemisch, sondern sehr ernst gemeint ist:

Die vom Bayerischen Landtag eingesetzte EnqueteKommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ hat in den letzten Monaten seit fast eineinhalb Jahren nicht nur die Problematik der Kräfte und Machtverteilung zwischen der Staatsregierung einerseits und dem Parlament, den vom bayerischen Volk direkt gewählten Vertretern andererseits detailliert durchleuchtet, sondern auch sachlich sinnvolle und rechtlich machbare Forderungen zur Stärkung der Länderparlamente vorbereitet Hierbei konnte und kann immer festgestellt werden, auf welche konstruktive Art und Weise fraktionsübergreifend in vielen Punkten Einigkeit innerhalb der Kommission herrscht. Übereinstimmend streben die Vertreter aller der im Landtag vertretenen Fraktionen als Ziel die Stärkung der Länderparlamente durch sinnvolle Rückverlagerungen von Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder und durch eine sachgerechte Positionierung der Landesparlamente gegenüber den Landesregierungen an. Derzeit hat das bayerische Parlament – das ist wohl eine geltende Übung – vielfach nur die Möglichkeit, von der Bayerischen Staatsregierung bereits getroffene Vorstelllungen abzusegnen. Das wird von den Mitgliedern der Enquete-Kommission einhellig abgelehnt.

Meine Damen und Herren von der CSU, wir waren uns in der Enquete-Kommission bisher einig und ich habe keinen Grund, an der Ernsthaftigkeit zu zweifeln, dass unsere Forderungen unter anderem auf eine stärkere Beteiligung des Bayerischen Landtags an Entscheidungen und Initiativen der Staatsregierung auch ernst gemeint sind. Ich will nur zwei Punkte nennen, die von uns gemeinsam erarbeitet wurden:

Erstens. Zur generellen Verlängerung der Redefristen für Stellungnahmen des Bundesrats nach Art. 76 Abs. 2 Grundgesetz: Den Landesparlamenten sollte es damit erleichtert werden, sich frühzeitig in das Gesetzentwurfverfahren des Bundes einzubringen. Auch hier bestand allseitiges Einverständnis, dass diese Einflussmöglichkeit der Landesparlamente auf die Entscheidungen der Regierungen im Bundesrat gestärkt werden soll.

Zweitens. Um die Informations- und Beteiligungsrechte des Landtags in europa-, bundes- und landespolitischen Angelegenheiten zu verbessern, war die Enquete-Kommission mehrheitlich der Auffassung, die Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Parlament müsse einer Regelung unterworfen werden. Eine dies

bezügliche verfassungsrechtliche Regelung wie in anderen Landesparlamenten mittlerweile auch, zumindest aber ein Parlamentsinformationsgesetz zur Ausgestaltung der Informations- und Beteiligungsrechte des Bayerischen Landtags war in der Kommission mehrheitsfähig. Hätten wir im Bayerischen Landtag eine solche Regelung, so würde diese auch die Verpflichtung der Staatsregierung beinhalten, bestimmte Stellungnahmen bzw. Beschlüsse des Parlaments einzuholen und vor allem zu berücksichtigen.

(Hofmann (CSU): Nur noch Presseberichte – Schaumschlägerei!)

Im Klartext heißt dies. Bei Abstimmungsergebnissen des Parlaments, die der Staatsregierung nicht gefallen, legt diese selber noch einmal Hand an. Dieses Verhalten stellt erneut den Versuch der Mehrheitsfraktion bzw. der Staatsregierung dar, das Parlament zu ihrem willfährigen Handlanger zu machen.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Nach unserem Selbstverständnis – ich hoffe, ich spreche für alle Abgeordneten – müssen wir uns hiergegen alle mit Entschiedenheit zur Wehr setzen.