Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. 30 Minuten stehen pro Fraktion zur Verfügung. Ich erteile das Wort dem Herrn Kollegen Hartmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn die Frühschoppenzeit schon etwas hinter uns liegt, möchte ich mit zwei Trinksprüchen in das Thema einführen, weil damit deutlich wird, was sich hinter diesem Produkt letztlich alles verbirgt:

Wenn Bacchus das Feuer schürt, sitzt Venus an der Ofenbank.

Der Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste.

Sehr geehrte Damen und Herren, ein solches Produkt kann doch eigentlich keine Vermarktungsprobleme kennen. Es müsste doch regelrecht ein Selbstläufer im

Markt sein und damit die Weinabsatzförderung hier im Parlament auch kein Thema sein.

Die Realität ist allerdings anders, obwohl dieses Produkt hervorragende Eigenschaften besitzt. Das Produkt mit den Eigenschaften des Weines stiftet den Menschen Identität, verkörpert Lebensgefühl, ist aber auch kennzeichnend für den Lebensraum in Mainfranken. Auf etwa 5600 Hektar Rebfläche sind landschaftsprägend am Mainviereck, am Maindreieck, aber auch im Bereich Steigerwald die Rebflächen angelegt. Das gilt natürlich auch für die kleineren Anbaugebiete in Bayern, nämlich im Gebiet der unteren Donau und am bayerischen Bodensee.

Auch die Qualitätseigenschaften des Frankenweins sind hervorragend. Ich bitte um Verständnis, wenn ich in Zukunft bei der bayerischen Weinförderung ausschließlich von Frankenwein spreche; denn er macht nun einmal 98% der gesamten in Bayern erzeugten Menge aus.

Also auch die Qualitätseigenschaften sind hervorragend, wie nicht zuletzt immer wieder durch zahlreiche internationale Auszeichnungen belegt wird. Diese Qualitätseigenschaften gilt es zu sichern und zu bewahren, und zwar genauso, wie es das Markenzeichen des Frankenweins, unseren fränkischen Bocksbeutel, zu wahren und zu sichern gilt.

Ich sage ein paar Worte zum Stellenwert des Weinbaus. Etwa 7000 Winzerfamilien ziehen ihre Existenzgrundlage aus dem Wein. Er ist natürlich auch in der Gastronomie bzw. im Fremdenverkehr für die Einkommenssicherung von zentraler Bedeutung. Der Wein ist also auch ein regionaler Wirtschaftsfaktor. Die Existenz ganzer Dörfer hängt von der jährlichen Weinernte entscheidend ab.

Der Ausdruck von Weinkultur findet sich aber auch im Brauchtum, in der Kunst und in der Literatur wieder. Der Weinbau in Franken hat eine große Tradition, die über 1200 Jahre zurückreicht.

Zu dieser Tradition gehören aber auch die Kleinstrukturen, etwa 70% der fränkischen Winzer bewirtschaften weniger als 0,5 Hektar. Extrem und zugleich besonders landschaftsprägend sind die Kleinstrukturen auf den Terrassenhängen des Untermains, zum Beispiel in Großheubach und Klingenberg.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Münzel (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Vor allem diese Kleinstrukturen, aber der Weinbau in Franken insgesamt sind seit den Neunzigerjahren einem zunehmenden Wettbewerbsdruck, einem Importdruck in einem globalisierten Markt ausgesetzt, der zunehmend von großen Strukturen dominiert wird. Australien, Chile, Kalifornien oder Südafrika mit extremen Großstrukturen, mit günstigen Klimabedingungen und vorteilhaften betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben in den letzten Jahren ihre Exporte kontinuierlich gesteigert. Sie betreiben eine aggressive Marketingstrategie mit hohem Mitteleinsatz, was zu einem Verdrängungswettbewerb führt.

Die Frage, wie man dieser Situation begegnet, die ich eben aufgezeigt habe, stellt sich nicht nur den Winzern, sondern, wie ich meine, auch dem bayerischen Parlament. Soll der Staat regulierend eingreifen? Wollen wir den Weinbau sehenden Auges einem Wettbewerb überlassen, den er nicht gewinnen kann, sondern aufgrund der vorgenannten Rahmenbedingungen verlieren muss? Wollen wir das landschaftsprägende Element aufs Spiel setzen? Wollen wir die Existenz der Winzerfamilien infrage stellen, oder wollen wir mit dieser Tradition weiterhin verantwortungsbewusst umgehen?

Wir Sozialdemokraten wollen beim Weinbau nichts aufs Spiel setzen

(Beifall der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

und wir wollen auch nichts in Frage stellen. Wir wollen verantwortungsbewusst handeln.

(Freiherr von Redwitz (CSU): Sehr gut!)

Deshalb treten wir für eine Regulierung nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ ein, das heißt für einen Absatzfonds, der für ein Dachmarketing und damit für die Werbung eingesetzt wird. Für uns stellt sich in diesem Fall nicht die Frage, ob Regulierung ideologisches Teufelszeug ist oder ob der Weinbau ein „Pipifaxthema“ ist, wie es von der Kollegin Kellner – die jetzt leider nicht anwesend ist – im Haushaltsausschuss kürzlich benannt wurde.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist ja – -!)

Nein, für uns stellt sich die Frage, ob präventives Handeln besser ist als spätere soziale Nachsorge. Wir sind für den Weg der Prävention, weil er sich bewährt hat und weil er volkswirtschaftlich sinnvoll ist.

Die Einführung einer Abgabe für einen Weinfonds halten wir deshalb grundsätzlich für richtig. Bewährt haben sich solche Absatzfonds zum Beispiel bei der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft, bei der Holzwirtschaft, aber auch bei der Milchwirtschaft. Auch dort galt es, die Wettbewerbsfähigkeit der Kleinstrukturen durch die Finanzierung gezielter Marketingmaßnahmen zu stärken. Gute Erfahrungen mit Weinfonds gibt es in Deutschland seit 1976 bzw. 1977 in Rheinland-Pfalz und in Hessen.

Unser Gesetzentwurf sieht eine gestaffelte Abgabe von 100 bis 250 Euro je Hektar und Jahr vor. Kleinwinzer mit Anbauflächen von weniger als fünf Ar bleiben ausgenommen. Der Werbebeirat entscheidet letztlich über die Verwendung der Mittel.

Gleichzeitig wollen wir mit einem „Manifest der fränkischen Weinethik“ der Qualitätssicherung und dem Verbraucherschutz Rechnung tragen. Wir wollen damit den Status quo des aktuellen Weingesetzes festschreiben, wie es der Fränkische Weinbauverband in seinem Thesenpapier vom Oktober 2000 mit dem Titel „Traditionelle fränkische Weinbereitung als Antwort auf die internationalen Weinstile“ bereits gefordert hat. Nicht der clevere

Macher, der mit Aromastoffen, Farbzusätzen und genmanipulierten Hefen die Weinkultur demontiert, ist gefragt; gefragt ist ein Reinheitsgebot für den Wein, also Qualitätssicherung und Verbraucherschutz.

(Beifall der Abgeordneten Frau Radermacher (SPD) und Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

Der CSU-Gesetzentwurf, der wohl eher als Entwurf der Ministerialbürokratie zu verstehen ist,

(Widerspruch von der CSU – Ach (CSU): Darum haben Sie ihn abgeschrieben?)

verzichtet auf ein Anreizsystem für die Qualitätssicherung und für den Verbraucherschutz.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Haben wir gemacht!)

Das heißt, wir werden uns bei Ihrem Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Dabei wäre es zum Beispiel interessant gewesen, wenn Sie sich selbst ein Anreizsystem – nicht unseres – zur Qualitätssicherung und zum Verbraucherschutz hätten einfallen lassen,

(Beifall der Abgeordneten Frau Radermacher (SPD) und Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

in dem Sie die Abgabe nicht nach der Fläche, sondern nach der erzeugten Menge erhoben hätten. Je geringer also die Menge, desto geringer wäre letztlich auch die Abgabe. So hätten Sie einen Anreiz zur Qualitätssteigerung in das System einbeziehen können.

Aber aus Ihrem ersten Entwurf vom 18. Januar ist im zweiten Entwurf vom 11. April mehr oder weniger ein Verordnungsentwurf geworden: Durch Rechtsverordnung werden das Erhebungsverfahren und die Höhe der Abgabe geregelt, durch Rechtsverordnung kann die Verteilung der Mittel auf nachgeordnete Behörden übertragen werden, und durch Rechtsverordnung werden die Zusammensetzung und das Verfahren des Werbebeirats geregelt. Warum schreiben Sie diese Dinge nicht ins Gesetz? Warum geben Sie das Heft des Handelns aus der Hand?

(Beifall der Abgeordneten Frau Radermacher (SPD) und Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

Ich sehe darin ein weiteres Beispiel, wie sich die CSUFraktion von der Ministerialbürokratie und von der Staatsregierung hat über den Tisch ziehen lassen. Man sieht daran wieder einmal, dass es sich hier nicht um eine machtbewusste Mehrheitsfraktion handelt.

Wie so oft hat die CSU-Fraktion ihren eigenen Handlungsspielraum als Mehrheitsfraktion nicht genutzt. Sie haben nicht den Mut gehabt, Ihre Unabhängigkeit von der Staatsregierung bei der Willensbildung zu demonstrieren. Die Ministerialbürokratie und die Staatsregierung haben Ihren ersten Entwurf vom 18. Januar kassiert und Ihnen mit dem zweiten Entwurf vom 11. April wieder einmal gezeigt, „wo der Barthel den Most holt“ – um es in der fränkischen Weinsprache zu sagen. Mit Ihrem auf

Rechtsverordnungen fixierten Gesetz besteht die Gefahr, dass der Weinbauverband vom Ministerium als Patronatsherr für den Weinfonds eingesetzt wird. Das wäre aber der falsche Weg.

(Freiherr von Redwitz (CSU): Starke Worte, mein Lieber!)

Sie haben es versäumt, die Grundlage für neue Strukturen, für eine neue Offenheit und damit auch für einen Aufbruch im fränkischen Weinbau zu schaffen. Da drängt sich mir die Frage auf: Kennen Sie die Stimmung in der Winzerschaft nicht

(Ach (CSU): Wir kennen sie, aber Sie nicht!)

oder wollen Sie sie ignorieren? Sprechen Sie nicht mit den Winzern, sprechen Sie nur mit den Funktionären des Weinbauverbandes?

(Beifall der Abgeordneten Frau Radermacher (SPD) und Frau Werner-Muggendorfer (SPD))

In der „Mainpost“ war nach der letzten Jahresversammlung des Weinbauverbandes folgende Überschrift zu lesen: „Die meisten Winzer haben hier nichts mehr zu sagen.“ Das sagte einer von gerade mal 80 Anwesenden als Stimmungsbarometer und Stimmungsbild über die Situation im fränkischen Weinbau. Ich denke, diese frustrierende Aussage belegt, dass ein Bündeln aller Kräfte dringend nötig wäre und dass Handlungsbedarf an vielen Fronten besteht. Sie dürfen also nicht nur den Verbandsfunktionären zuhören, sondern Sie müssen die Basis stärker beachten.

Wir haben zahlreiche Gespräche mit Verantwortlichen geführt.

(Loscher-Frühwald (CSU): Wir auch!)

Wir haben in öffentlichen Veranstaltungen, zum Beispiel in Iphofen, in Eisenheim und in Großheubach unseren Gesetzentwurf zur Diskussion gestellt.

(Ach (CSU): So sieht das Ergebnis aber nicht aus!)

Wir haben 35 schriftliche Stellungnahmen von Weinbaugemeinden, von Genossenschaften, von Verbänden und Winzern vorliegen. Wir haben konstruktive Kritik, aber auch in hohem Maß Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf erfahren.

Wir hatten auch der CSU das Gespräch angeboten, um die beiden Gesetzentwürfe zusammenzuführen und zu optimieren. Es kam aber nicht zum Dialog. War das Ohnmacht vor der Ministerialbürokratie und der Staatsregierung oder war es die Arroganz der Macht, die diesen Dialog verhindert hat, oder war es beides?