Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Scharfenberg, Paulig und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Da wir die Dringlichkeitsanträge bis 14 Uhr behandelt haben wollen, bitte ich darum, sich möglichst kurz zu fassen.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Anfang Juli beschloss der Vorstand der Deutschen Bahn ein neues Tarifsystem. Danach gibt es Frühbucherrabatte und sonstige Sonderangebote, die sich aber nur auf den Fernverkehr beziehen. Der Nahverkehr erfährt dadurch eine indirekte Preiserhöhung, da Distanzen bis zu 150 Kilometer zum Nahverkehr zählen. Für einen Pendler zwischen Regensburg und München bedeutet das: Wenn er keine Wochenkarte hat und mit der Bahncard fährt, weil er vielleicht nur zwei Mal in der Woche nach München pendeln muss, muss er 57 DM ab Herbst 2002 bezahlen anstatt wie bisher 38 DM.
Das halten wir nicht für gerechtfertigt; denn wir wollen schließlich die Leute in die Bahn bekommen und nicht die Alternative Auto noch mehr in die Diskussion bringen. Die angestrebte Rabattreduzierung ist ein Eingriff in die Nahverkehrstarife. Nachdem die Deutsche Bahn nur im Fernverkehr über das Preissystem selbständig entscheiden kann, können die Länder diese versteckte Preiserhöhung stoppen. Die Bahncard ist nicht nur im Fernverkehr gültig, sondern auch im Nahverkehr. Im
Nahverkehr haben die Länder aber ein Mitspracherecht. Die Tarife müssen von ihnen genehmigt werden. So steht es zumindest in § 12 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes. Übrigens hat Mecklenburg-Vorpommern bereits angekündigt, dieses Mitspracherecht wahrzunehmen.
Wir fordern deshalb die Staatsregierung jetzt auf, die Zustimmung zu den Fahrpreisen von Korrekturen bei der Bahncard abhängig zu machen. Die Bahncard soll zum Beispiel im Nahverkehr weiterhin mit 50% Ermäßigung gelten. Darauf bezieht sich unser Antrag. Wir sind bereit, zusammen mit der CSU den zweiten Satz unseres Antrags abzuändern. Er besagt nämlich, dass die 50% Ermäßigung bei der Bahncard im Nahverkehr beizubehalten sind.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am gesamten Personenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland hat die Schiene derzeit einen Anteil von 6%. Angesichts eines für die nächsten Jahre prognostizierten Zuwachses im Personenverkehr in Höhe von 30% müsste die Bahn ihre Kapazität verfünffachen, wenn wir diesen Zuwachs auf die Schiene bringen wollten. Das ist sicher nicht zu leisten. Wir wissen auch, dass viele Züge leer fahren, während andere überfüllt sind. Von daher sind die Überlegungen der Bahn, wie diese Züge besser und gleichmäßiger ausgelastet werden können, grundsätzlich richtig und zu begrüßen. Sinnvoll ist es sicher auch, Fahrten für Kleingruppen und Familien deutlich zu verbilligen, weil Mitfahrer im Auto schließlich gratis reisen und bei zwei, drei oder vier Personen die Fahrt im PKW preislich oft günstiger ist als eine Bahnfahrt.
Nicht hinnehmbar ist allerdings die Reduzierung der Bahncard-Ermäßigung von 50% auf 25% insbesondere im Nahverkehr. Diese Reduzierung betrifft Spontanreisende im Fernverkehr und solche, die sich aus beruflichen Gründen nicht im Voraus auf bestimmte Züge festlegen und deshalb die Frühbucherrabatte nicht in Anspruch nehmen können. Verschlechterungen werden für Nahverkehrsreisende eintreten, insbesondere für teilzeitbeschäftigte Pendler, welche nur an einem oder an zwei Tagen mit Nahverkehrszügen zur Arbeit fahren müssen. Betroffen sind insbesondere Frauen, aber auch Rentner, welche sich ein Zubrot verdienen wollen. Strecken ohne Fernverkehr gibt es in Bayern zunehmend mehr; auf die Oberpfalz ist schon hingewiesen worden, aber auch im niederbayerischen und im schwäbischen Raum gibt es Strecken ohne Fernverkehr. Reisende auf solchen Strecken müssten eine erhebliche Verteuerung ihrer Fahrkarten in Kauf nehmen. Bei Strecken, auf welchen Nahverkehr und Fernverkehr parallel laufen, hätten wir die paradoxe Situation, dass die Fahrt im komfortableren Fernverkehrszug billiger wäre als im parallel laufenden Nahverkehrszug. Ich glaube, auch dieses Ergebnis ist von der Bahn nicht gewollt.
Nun ist es zwar schwierig, unmittelbar auf die Preisgestaltung Einfluss zu nehmen, weil der Freistaat Bayern der Bahn die Fahrpreise nicht diktieren kann. Die Bahn hat als Unternehmen die Fahrpreise eigenwirtschaftlich zu kalkulieren. Im Nahverkehr sind wir aber der größte Besteller von Verkehrsleistungen, und dies werden wir auch in Zukunft sein. Deshalb sollte der Freistaat Bayern seinen Einfluss in den anstehenden Neuverhandlungen zum Verkehrsdurchführungsvertrag geltend machen, wie es Minister Wiesheu bereits angekündigt hat, als das neue Preissystem bekanntgegeben worden ist. Im Nahverkehr sollte die 50% Ermäßigung bei der Bahncard, wie sie bereits jetzt gilt, auch künftig gelten. Das müsste ohne weiteres möglich sein, ohne dass zu viel von der gewünschten Transparenz verloren geht. Deswegen trage ich unsere Umformulierung des zweiten Satzes vor; Frau Kollegin Scharfenberg hat es ja bereits erwähnt. Dieser Satz soll künftig lauten:
Die Beibehaltung der 50%-Ermäßigung der Bahncard im Nahverkehr ist gegebenenfalls bei den anstehenden Verhandlungen zum neuen Verkehrsdurchführungsvertrag im Freistaat Bayern zur Sprache zu bringen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die neue Bahncard hat ohne weiteres Vorteile. Im Fernverkehr gilt ab einhundert Kilometern ein geringerer Grundpreis. Es gibt Frühbucherrabatte und kostenlose Fahrten für Kinder unter 14 Jahren mit Eltern und Großeltern. Wenn es einer richtig macht, kann er im Fernverkehr bis zu 80% einsparen. Den Wermutstropfen bilden hier aber die Regionalzüge. Wir sind auch der Meinung, dass der Rabatt von nur 25% bei den Regionalzügen nicht akzeptiert werden kann. In diesem Punkt muss nachgearbeitet werden. Bayern als Besteller des Nahverkehrs hat natürlich auch die Möglichkeit, in dieser Frage einzuhaken. Das sollten wir tun. Deswegen stimmen wir jetzt dem Antrag zu, nachdem der letzte Satz entsprechend geändert wurde. – Das war es auch schon.
Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Die Änderung ist vorgetragen worden. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/7183 in der geänderten Form seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion der CSU, die Fraktion der SPD und die Fraktion des BÜNDNIS
SES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Dann ist der Antrag angenommen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bis 14 Uhr hätten wir noch Zeit gehabt, aber es lohnt sich nicht mehr, einen weiteren Dringlichkeitsantrag aufzurufen. Bei einigen Fraktionen ist auch die Redezeit schon erschöpft. Wir verweisen den Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter, Sackmann und Fraktion (CSU) betreffend Verteilung der UMTS-Erlöse für Verkehrsprojekte nachbessern, Drucksache 14/7184, in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Den Antrag der Abgeordneten Biedefeld, Werner-Muggendorfer, Gartzke und anderer und Fraktion (SPD) „Trinkwasser darf nicht handelbares Wirtschaftsgut werden“, Drucksache 14/7185, überweisen wir an den Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung der letzten Plenarsitzung ist damit abgeschlossen. Wir haben jetzt auch schon die Halbzeit der Legislaturperiode nicht nur erreicht, sondern überschritten. Ich möchte aus diesem Anlass ein paar Bemerkungen zu unserer Arbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren machen.
Bisher wurden über einhundert Gesetzentwürfe eingebracht, von A wie Abgeordnetengesetz bis Z wie Zuständigkeitengesetz. Verabschiedet wurden unter anderem umfangreiche Regelungen im Beamtenrecht, Gesetze zur Verwaltungsreform, Änderungen im Bayerischen Hochschulgesetz, ein bayerisches Schlichtungsgesetz sowie die Einführung einer neuen Schulart, der sechsstufigen Realschule. Außerdem wurden mehr als 1 600 Anträge sowie rund 450 Dringlichkeitsanträge behandelt. Parlamentarische Beratungsschwerpunkte waren unter anderem die Bildungspolitik und die Integrationsund Migrationspolitik. Es wurden Anträge zu verbesserten Lebensbedingungen im Alter gestellt. Die Auflösung von Bundeswehrstandorten in Bayern wurde diskutiert. Beraten wurden Themen wie BSE, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Ferner wurde das Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes verabschiedet, was nicht nur im Maximilianeum, sondern auch in der Öffentlichkeit große Beachtung fand. Schließlich wurden Anträge zur neuen Sozial- und Bürgerkultur verabschiedet. Nachdem besonders dieses Thema dem Landtag ein wichtiges Anliegen ist, hat er erstmals im letzten Jahr einen Bürgerkulturpreis verliehen. Ich meine, diese wenigen Zahlen und Angaben belegen, dass der Landtag substanzielle Ergebnisse in seinem Hausgut, der Gesetzgebung, vorweisen kann.
In letzter Zeit war der Bayerische Landtag auch ein gesuchter Gesprächspartner für ausländische Delegationen sowohl aus osteuropäischen Staaten als auch aus anderen Teilen der Welt. Erst gestern war der Premierminister von Quebec bei uns. Immer wieder werden wir von ausländischen Gästen nach Grundsätzen und Einzelheiten unseres föderalistischen Systems gefragt. Auch das ist eines von vielen Argumenten dafür, dass es sich gerade auch im Hinblick auf die Position der Volksvertretungen lohnt, für einen funktionsfähigen Föderalismus in Deutschland und in Europa einzutreten.
Daran arbeitet auch die Enquete-Kommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“, die vor einigen Tagen erste Ergebnisse ihrer Arbeit in einer Pressekonferenz vorgestellt hat.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Halbzeitbilanz, wie ich sie hier in aller Kürze skizziere, setzt schon ihrem Namen nach voraus, dass für die zweite Hälfte der Legislaturperiode noch eine ganze Reihe von neuen bzw. unerledigten Aufgaben ansteht; ich nenne nur einige Stichworte. Wichtige Vorhaben in der Haushaltspolitik werden unter anderem der zweite Nachtragshaushalt 2002 mit der Umstellung des Staatshaushalts auf den Euro sowie der Gesetzentwurf zur Neustrukturierung der Bayerischen Landesbank sein.
Im Bereich der Hochschul- und Forschungspolitik stehen zum Beispiel die weitere Profilbildung der Universitäten, die Dienstrechtsreform der Hochschullehrer, die Bio- und die Gentechnologie sowie der Denkmalschutz zur Beratung an. In der Bildungspolitik werden die Ausgestaltung der kind- und familiengerechten Halbtagsschule, Ganztagsschulen, die innere Schulreform und der bevorstehende Lehrermangel auf der Tagesordnung stehen. Auch in den Bereichen der Wirtschafts- und Technologiepolitik, der Sozial- und Familienpolitik, der Umweltpolitik, dem Verbraucherschutz und der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik werden wir uns mit einer Vielzahl aktueller Fragen zu befassen haben, die ich hier im Einzelnen nicht aufzählen will.
In der Vorschau auf die kommenden zweieinhalb Jahre und den daran anschließenden Wahlkampf, insbesondere auch im Hinblick auf die Bundestagswahlen im Herbst nächsten Jahres, sollten wir uns nicht nur auf Themen und Inhalte konzentrieren, sondern auch auf den Stil der parlamentarischen Auseinandersetzung. Wir haben uns gleich zu Beginn der laufenden Wahlperiode durch eine umfassende Reform der Geschäftsordnung um mehr Effizienz und um mehr Leistungsfähigkeit bemüht.
Ich denke, es ist uns gelungen, die Formen der parlamentarischen Arbeit nach außen noch transparenter zu gestalten. Ich gehe davon aus, dass wir diesen Weg in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode gemeinsam fortsetzen werden. Damit helfen wir, das Verständnis für unsere Tätigkeit zu fördern und Vorbehalte abzubauen. Dass dies eine immer währende Aufgabe ist und keine leichte, haben Veröffentlichungen in den Medien, auch in jüngster Zeit, gezeigt. Dieser Aufgabe können und wollen wir uns ebenso selbstkritisch wie selbstbewusst stellen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen allen für Ihr verantwortungsvolles Engagement hier im Haus und außerhalb, in Ihren Stimm- und Wahlkreisen. Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen, die heute nicht da sein können, insbesondere denjenigen, die wegen Krankheit fehlen. Ihnen wünsche ich baldige und völlige Genesung.
Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten und allen Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung. Ich danke der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten
des Landtags, den Mitgliedern des Präsidiums und des Ältestenrates, den Fraktionsvorsitzenden und den Vorsitzenden der Ausschüsse, Untersuchungsausschüsse und Kommissionen sowie deren Stellvertretern für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Mein Dank gilt den Damen und Herren von der Presse, von Hörfunk und Fernsehen für ihre Berichterstattungen.
Ich danke dem Direktor des Landtages und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsamtes, der Fraktionsgeschäftsstellen sowie den Beamten der Polizei für die Erfüllung ihrer Amtspflichten und für die geleistete Arbeit.
Herr Präsident, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Als Erstes möchte ich auch Danke sagen, nicht weil es so üblich ist und weil es der Brauch ist, sondern weil es uns ein echtes Anliegen ist, uns bei denen zu bedanken, die dieses Hohe Haus am Laufen halten: angefangen bei der Pforte bis zum Archiv, bei den Medienvertretern und allen, die der Herr Präsident schon aufgezählt hat. Wir würden es spüren, wenn sie nicht mehr da wären. Deshalb sage ich unseren herzlichen Dank all denen, die daran mitwirken, dass wir arbeiten können.
Ganz besonders bedanken möchte ich mich – ich denke auch in Ihrem Namen – bei unseren Fraktionsmitarbeitern. Ältere Kollegen erzählen uns immer, dass es früher bei weitem keine so gute Zuarbeit gab wie heute. Deshalb sage ich auch unseren Mitarbeitern in den Fraktionsgeschäftsstellen ein herzliches Dankeschön.
Stellvertretend für die Kollegen und Kolleginnen in diesem Haus möchte ich mich beim Präsidium bedanken, gerade heute.
Nun möchte ich mich ganz allgemein mit dem Bedeutungsverlust des Parlaments beschäftigen. Dieser wird von vielen beklagt. Ich glaube, man kann allgemein sehr viel dazu sagen. Mit einem Verhalten, wie es heute hier zutage getreten ist, erweisen wir uns keinen Dienst. Deutlicher könnte man es nicht beschreiben. Uns allen – so habe ich es zumindest im Ältestenrat und in den Gesprächen empfunden – ist wohl klar geworden, dass die Bedeutung des Parlaments nur durch das Parlament selbst wieder zurückgewonnen werden kann – wenn es überhaupt an Bedeutung verloren hat; darüber müssten wir einmal reden. Heute haben wir keinen Beitrag dazu geleistet, diesen Bedeutungsgewinn zu erreichen.
Dazu gehört auch, dass wir uns ab und zu einmal vor Augen halten – das ist angesichts einer so großen Besucherzahl sehr wichtig –, dass wir gewisse Vorbildfunktionen haben. Alle haben schon mit Besuchergruppen diskutiert, die bewerten, wie es hier im Haus zugeht. Wir müssen uns fragen, ob wir Vorbilder sind. Wir wollen sicher keine besseren Menschen sein; ich denke, das ist allen klar. Wir sollten uns aber ab und zu Gedanken darüber machen, wie wir wirken und ob wir Vorbildfunktionen übernehmen. Richtig ist sicher – und darin sind wir uns alle einig, hoffe ich –, dass man Konflikte deutlich machen muss, dass man in der Sache zuspitzen muss. Wenn Personen und Meinungen herabgewürdigt werden, dann sind Grenzen überschritten. Wir tun uns keinen Gefallen damit, wenn wir uns so verhalten.
Die Sommerpause ist ganz gut dafür geeignet, dass der eine oder die andere – ich nehme mich nicht davon aus, ich lese meine Zwischenrufe auch immer wieder – ihre Rhetorik daraufhin überprüfen, ob das Gesagte sinnvoll ist und ob es vielleicht vernünftiger wäre, das eine oder das andere Mal den Mund zu halten, Herr Hofmann.