Protokoll der Sitzung vom 13.11.2001

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat am 29. Mai 2001 die Bundesregierung aufgefordert, ihr Versprechen zur Stärkung der kommunalen Finanzen wahr zu machen, ihre kommunalfeindliche Politik unverzüglich zu korrigieren, ein Konzept für eine Gemeindefinanzreform vorzulegen und die den Kommunen übertragenen Aufgaben mit dem Ziel der Reduzierung zu überprüfen. Die rot-grüne Mehrheit denkt nicht daran, dieser Aufforderung zu folgen. Der Antrag wurde in den Ausschüssen, zuletzt am 17. Oktober, abgelehnt. Nach den Attacken der Bundesregierung auf die Kommunen und den Plünderungen der kommunalen Kassen kann es nur als zynisch bezeichnet werden, dass die Bundesregierung erst im März ausführte, sie werde die kommunalen Handlungs- und Entscheidungsspielräume respektieren.

Das Verhalten der Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt zeigt, dass die Kommunen von ihr außer Belastungen und leeren Versprechungen nichts zu erwarten haben. Nur die aus vielen Gründen längst überfällige Ablösung von Rot-Grün in Berlin kann die Situation unserer Kommunen und unseres Landes verbessern.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Wahnschaffe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Sorge der CSU um die Nöte der Kommunen geht zu Herzen. Das muss man wirklich sagen. Sie haben das richtige Thema gewählt. Nur, Herr Kollege Ach, wer sich so um die Kommunen sorgt, muss glaubwürdig bleiben. Wie glaubwürdig sind Sie, meine Damen und Herren von der CSU, und vor allen Dingen, wie glaubwürdig ist die Staatsregierung? Wer war es denn, meine Damen und Herren, der die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage gefordert hat? – War es etwa die Bundesregierung? – Oder waren es die Bundesländer?

(Ach (CSU): Das waren andere Zeiten!)

Laut Protokoll der einschlägigen Bundesratssitzung lautet das Abstimmungsergebnis 16 : 0. – 16 : 0!

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Da schau her!)

Also, die Bayerische Staatsregierung war vorne dabei, als es darum ging, die Kassen der Kommunen zu Gunsten der Länder zu plündern; denn das Aufkommen aus der Gewerbesteuerumlage kommt vornehmlich den Ländern zugute und nicht dem Bund. Der Bund hätte durchaus andere Lösungen bevorzugt, um einen gerechten Ausgleich zu finden.

(Ach (CSU): Das hätte er doch machen können!)

Meine Damen und Herren von der CSU, Sie werden nicht glaubwürdiger, indem Sie immer wieder behaupten, die Steuerreform habe zu diesen dramatischen Einbrüchen geführt. – Wenn man voneinander abschreibt, werden die Inhalte im Laufe der Vervielfältigungen immer falscher. Ich darf Ihnen das Originalzitat aus dem Pressedienst des Deutschen Städtetags zitieren. Da heißt es:

Zwar sei das Wegbrechen der Gewerbesteuer im ersten Halbjahr 2001 nach der Umfrage des Deutschen Städtetags in westdeutschen Städten mit minus 9,6%, in ostdeutschen Städten sogar mit 17,5% keine Folge der Steuerreform.

Dann warnt der Deutsche Städtetag vor dem Jahr 2002, worüber hier schon diskutiert worden ist.

Es wäre durchaus sinnvoll, wenn wir uns der Nöte der Kommunen gemeinsam annähmen. Sie könnten mit gutem Beispiel vorangehen und nachmachen, was uns die Kommunen vormachen. Die Kommunen sind letzten Endes der Motor der Wirtschaft. Sie tätigen die größten Investitionen. Dass ihnen nun dafür die Basis entzogen wird, liegt nicht an der Steuerreform, sondern an der Situation, wie wir sie im Freistaat Bayern vorfinden. Die Entwicklungen sind zum Teil so dramatisch, dass die Städte nicht mehr in der Lage sind, ihre Investitionshaushalte zu finanzieren – so auch bei uns in der Stadt Regensburg, so auch bei Ihnen in Würzburg.

(Zurufe von der CSU)

Was sind denn die Ursachen? –

(Ach (CSU): Fragen Sie den Oberbürgermeister von Würzburg!)

Das sind doch nicht die AfA-Tabellen, die Sie angeführt haben. Ich kann Ihnen aus Regensburg Folgendes sagen: 66% des Gewerbesteueraufkommens werden von 1% der Steuerzahler geleistet. Das sind die Global Player.

(Zuruf des Abgeordneten Grabner (CSU))

Das tritt erst 2002 in Kraft. Herr Kollege, seien Sie nicht so voreilig. Der Finanzminister wird Ihnen das erklären können, wenn er es richtig sagt.

Die Einnahmeverluste des Jahres 2001 sind nicht nur bei uns, sondern generell auf die enormen Konjunktureinbrüche auf den Weltmärkten in diesem Jahr zurückzuführen.

(Zuruf von der CSU: Wir sind das Schlusslicht!)

Das führt dazu, dass die großen Unternehmen schon lange keine Steuern mehr zahlen und auch immer weniger gewerbliche Steuern.

(Grabner (CSU): Warum sind wir das Schlusslicht?)

Meine Damen und Herren, wie sieht es mit der Investitionsfähigkeit der Kommunen aus? – Wir reden darüber, dass Kindergärten und Kinderkrippen neu finanziert werden sollen. Heute ist dies eine Hauptlast der Kommunen. Die Ganztagsschulen, die Schulsozialarbeit, die nichtstaatlichen Theater und vieles mehr sind Lasten, die der Freistaat Bayern den Kommunen aufgedrückt hat. Die Kommunen haben keine Luft mehr zum Atmen, weil der Freistaat Bayern seinen Haushalt zu Lasten der Kommunen auch im Jahr 2002 gesundschrumpfen will und damit seine Neuverschuldung zurückführen will.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Meine Damen und Herren, das ist leider die reale Situation.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Franz Meyer das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die „Politik der ruhigen Hand“ in Berlin muss endlich ein Ende haben. Die Steuerreform von Rot-Grün ist ein Rohrkrepierer und trifft mit voller Wucht unsere Kommunen.

(Frau Radermacher (SPD): Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Herr Kollege Wahnschaffe, ich möchte Ihnen eine Schlagzeile aus der „Mittelbayerischen Zeitung“ vorlesen:

Steuerreform kostet der Stadt Regensburg 72 Millionen Mark – Ein Ausfall, der vor allem die Stadt Regensburg und viele andere Kommunen im Freistaat Bayern mit voller Wucht trifft.

(Wahnschaffe (SPD): Im Jahr 2002?)

Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von RotGrün waren es, die unsere Forderungen im Bayerischen Landtag abgelehnt haben, die Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen auch den Ländern und Kommunen zugute kommen zu lassen. Dies hätte eine enorme finanzielle Entlastung auch für unsere Gemeinden im Freistaat Bayern bedeutet. Nein, Sie hier im Landtag waren dagegen. Die Kommunen müssen die

Steuerausfälle auffangen bzw. verkraften. Die Steuermindereinnahmen betragen 27 Milliarden DM, davon allein für die Kommunen 17 Milliarden DM. Hätten Sie unserem Vorschlag zugestimmt, würden heuer die Kommunen in Bayern bereits um 475 Millionen DM entlastet werden.

Zum vorliegenden Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN fällt mir ein: Der Brandstifter ruft selbst die Feuerwehr. Die Politik der Bundesregierung geht zu Lasten unserer Kommunen. Wir in Bayern legen beim kommunalen Finanzausgleich drauf. Bayern ist das kommunalfreundlichste Bundesland. Das kommt bei den anstehenden Beratungen im Haushaltsausschuss des Landtags wieder zum Ausdruck.

Im Entwurf des Nachtragshaushalts für das Jahr 2002 wird dies besonders deutlich. Im Vergleich zum Gesamthaushalt werden die Ansätze für den kommunalen Finanzausgleich erneut überdurchschnittlich aufgestockt. Konkret gesagt: Es geht um einen Anstieg des kommunalen Finanzausgleichs um 3,2%. Im kommunalen Finanzausgleich 2002 sollen die bereinigten Landesleistungen gegenüber 2001 um 162,4 Millionen Euro auf 5,2 Milliarden Euro erhöht werden. Andere Bundesländer fahren ihre Leistungen an die Kommunen zurück. Bayern erhöht die Zuwendungen an seine Kommunen.

Die Schlüsselzuweisungen werden ebenfalls um rund 59 Millionen Euro angehoben. Der Ansatz für den kommunalen Hochbau steigt auf 255 Millionen Euro. Darüber hinaus sind für die Kommunen zusätzlich 50 Millionen Euro aus E.ON-Erlösen für Bauten zur Schaffung von Kinderbetreuungsmaßnahmen vorgesehen. Davon sind 10 Millionen Euro bereits 2002 veranschlagt.

Landkreise und kreisfreie Städte erhalten zusätzlich 117 Millionen Euro Finanzzuweisungen, um ihre Aufgaben insbesondere im Verbraucherschutz und in der Heimaufsicht nachkommen zu können. Wir werden auch den Finanzansatz für die Schülerbeförderung weiter erhöhen. Auf 300 Millionen Euro wird sich der staatliche Sozialhilfeausgleich für die Bezirke belaufen. Darin sind auch weitere finanzielle Verbesserungen für den Personalschlüssel in den Pflegeheimen enthalten.

Weitere Verbesserungen erfahren die Bezirke und damit die Kommunen dadurch, dass ab 1. Juli 2002 der Staat die Lasten aus dem Asylbewerbergesetz komplett übernimmt. Die Bezirke werden durch diese Maßnahme bereits im Jahr 2002 um über 36 Millionen Euro entlastet. Entscheidend dabei ist, dass diese Entlastung dauerhaft zugunsten der kommunalen Ebene wirkt.

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen steht also der Freistaat Bayern zu seinen Kommunen und erhöht auch den Ansatz im Jahr 2002. Das ist aktive Politik für die Kommunen. Sie, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, unterstützen die negative Politik Ihrer Bundesregierung gegen unsere Kommunen, Sie schauen zu, ja, Sie klatschen sogar Beifall, wenn den Kommunen Geld weggenommen wird.

(Beifall bei der CSU)

Über die Leistungen nach dem kommunalen Finanzausgleich hinaus unterstützt Bayern seine Kommunen auch mit Zuwendungen aus verschiedenen Förderprogrammen. Ich nenne die Städtebauförderung, die Dorferneuerung oder auch die Wirtschaftsförderungen. Es ist auch ein Verdienst unseres Herrn Ministerpräsidenten, dass von der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2004 auch die bayerischen Kommunen profitieren. Durch diese Neuregelung werden die bayerischen Kommunen um etwa 175 Millionen DM entlastet.

Das ist aktive Politik für unsere Kommunen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, und vor allem die CSU war immer und ist auch in Zukunft ein verlässlicher Partner unserer Städte, Gemeinden und Landkreise.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Schieder.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass die CSU heute die Kommunalfinanzen zum Thema der Aktuellen Stunde macht, finde ich gut; denn Kommunalfinanzen sind ein prekäres, aktuelles und auch ein problematisches Thema. Dass die CSU heute versucht, das Problem der schwierigen Kommunalfinanzen auf den Bund abzuwälzen, finde ich schäbig;

(Beifall bei der SPD)

denn eine Partei, welche die kommunale Steuerkraft in den letzten Jahrzehnten so ausgehöhlt hat wie die CSU, wer die Gewerbekapitalsteuer als eine verlässliche Größe der kommunalen Einnahmen abgeschafft hat, wer heute darüber diskutiert, auch die Gewerbesteuer abzuschaffen, wohl wissend, dass es einen angemessenen Ausgleich dafür nicht geben wird, wer so handelt und diskutiert, der hat jede innere Legitimität verloren, die Bundesregierung zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD)