Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

(Hofmann (CSU): So ein frecher Hund!)

Ja, es ist mein Hobby, frech zu sein.

Beispiel bürgerschaftliches Engagement. Letztes Jahr wurde das von der Staatsregierung groß aufgezogen.

(Zuruf von der CSU)

Ist „Hansdampf“ parlamentarisch?

(Hofmann (CSU): Entschuldige Du Dich erst einmal!)

Entschuldige Du Dich doch! Du kannst Dich auch zu Wort melden.

Letztes Jahr hat die Staatsregierung eine Kampagne für das bürgerschaftliche Engagement aufgezogen. – Wenn Sie sich beim bürgerschaftlichen Engagement so wie jetzt einsetzen würden, wäre das gut.

(Hofmann (CSU): Ich habe mich schon mehr als Sie eingesetzt!)

Super, freut mich.

Kollege Glück wird nicht müde, landauf, landab als eine Art Pater Alois den Ruhm des Ehrenamtes zu singen und zu predigen, aber das Engagement in der Staatsregierung selbst bleibt merkwürdig blass und konzeptlos. Sie lässt die Kommunen mal machen. Sie sagt zu den Kommunen: Macht einmal Modellversuche. Auch in meiner schönen Heimatstadt Germering ist das so. Jetzt werfen die Modellprojekte erste bescheidene Früchte ab, und schon wird die Grundförderung gestrichen, bevor Modelle überhaupt als Beispiele dienen konnten.

Die bayerische Landespolitik steht zur Zeit als so genanntes Exportmodell im harten Fokus der bundesweiten Öffentlichkeit. Soviel Licht hält Ihre Politik aber

kaum aus. Das Bild Bayerns bestimmen jede Menge Vorurteile. Dass die Menschen außerhalb Bayerns nicht mitbekommen haben, wie weltoffen unser Land ist, liegt an Ihrer politischen Propaganda, Kolleginnen und Kollegen von der CSU.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben über Jahrzehnte immer wieder Stimmung gegen Ausländer und Eingewanderte gemacht. Sie inszenieren Hetzkampagnen wie die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Menschen, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingehen wollen, machen Sie das Leben so schwer wie nur irgend möglich. Sie arbeiten jeder modernen und offenen Gesellschafts-, Frauen- und Familienpolitik entgegen. Sie haben das Glück, dass die Bayern in ihrem alltäglichen Handeln Ihrer Politik nicht folgen. Für uns Bayern gilt immer noch die Devise: Leben und leben lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Dezember haben wir GRÜNE im Bayerischen Landtag ein Gesetz zur Förderung der Integration in Bayern eingebracht. Die Integration der bereits Eingewanderten zu fördern und einzufordern, ist auch erklärtes Ziel von Ihnen, Herr Minister Dr. Beckstein, und des Ministerpräsidenten – zumindest sagen Sie das. Sie tun aber nichts dafür. Bisher überlassen Sie alle Anstrengungen auf diesem Gebiet den Kommunen. Statt Propagandalügen über das zu verbreiten, was angeblich in unserem Gesetzentwurf steht, sollten Sie sich einmal ernsthaft mit ihm auseinander setzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann werden Sie feststellen, dass in ihm nur Selbstverständlichkeiten stehen. Wir wollen erstmals in der Bundesrepublik die Integrationsleistungen, die von den Eingewanderten und von unserer Gesellschaft verlangt werden, auf eine gesetzliche Grundlage stellen. Wir stellen Anforderungen an beide Seiten. Über einen Integrationsvertrag sollen Spracherwerb und gesellschaftliche Orientierung gefördert werden. Auch die Kommunen nehmen wir dabei in die Pflicht, aber sie erhalten erstmals auch die Mittel dafür, beispielsweise für Elternsprachkurse in Kindergärten. Von allen Bayern verlangen wir Achtung gegenüber anderen Kulturen und Lebensformen. Das ist für die meisten, jedenfalls außerhalb des Landtags, auch kein Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oden- bach (SPD): Das ist eine deplazierte Bemerkung!)

Minister Beckstein hat vorher den angeblich führenden deutschen Bevölkerungswissenschaftler Prof. Herwig Birk zitiert. Ich weiß nicht, ob er in Deutschland führend ist, weltweit kann er dies aber nicht sein. Das ist ein Professor mit Migrationshintergrund. An diesem Beispiel kann man sehen, dass wir nicht alles für gut befinden, was von draußen reinkommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir prüfen schon genau, ob etwas gut ist oder nicht. Das, was der Professor von sich gibt, ist ein seltener Unsinn. Laut Beckstein stellt er fest: „Das Integrationsziel wird umso weniger erreichbar, je mehr der Anteil der Zugewanderten an der Bevölkerung wächst.“ So einen Käse habe ich selten gehört. „Ab einem bestimmten Punkt schlägt der Integrationsprozess in eine sich selbst verstärkende Desintegration um.“ Letztes oder vorletztes Jahr waren zwei Ausschüsse gleichzeitig in Kanada; Sie waren nicht dabei, können also nicht mitreden. Wir waren auch in Toronto und Montreal.

(Zuruf von der CSU: Unverschämtheit!)

Fragen Sie einmal Ihre Kollegen, die dabei waren. In diesen Städten sind 50% der Bevölkerung nicht im Land geboren. Wenn einer der Reiseteilnehmer gemerkt hat, dass es irgendwelche Integrationsprobleme gab oder es zu einer zunehmenden Desintegration gekommen ist, dann soll er jetzt aufstehen und das sagen. Das Gegenteil war der Fall. Dort war ein hervorragendes Integrationsambiente vorzufinden. Beide Städte waren absolut weltoffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war nicht zu erkennen, dass es dort keine kanadische Identität gegeben hätte. Die Ausländerfeindlichkeit ist nachweislich dort am größten – darüber gibt es Untersuchungen; das ist so ähnlich wie früher mit dem Antisemitismus –, wo der Anteil der Ausländer am niedrigsten ist, wo die Leute keine praktischen Erfahrungen machen. Die Integrationsfähigkeit, die von Minister Beckstein angesprochen wird, die Bereitschaft zur Integration hängt in erster Linie von der Politik ab. Da fehlt es eben bei Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die CDU in anderen Bundesländern ist da bereits erheblich weiter als Sie. In Nordrhein-Westfalen fordern alle Fraktionen, also auch die CDU, in einem gemeinsamen Antrag eine Integrationsoffensive. Dort heißt es: „Integration verlangt nicht die Preisgabe von Andersheiten, von religiösen und kulturellen Identitäten sowie von gewachsenen Traditionen. Die Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern bereichert unsere Vielfalt.“ Vielfalt bereichert alle. Das ist auch unser Slogan. In unserem schönen Lande gibt es die unterschiedlichsten gewachsenen Traditionen und die verschiedensten kulturellen Identitäten. Darauf sind wir stolz. Wir fordern, dass auch Sie endlich zur Kenntnis nehmen, dass Bayern seit jeher von fremden Einflüssen und von Einwanderern geprägt und bereichert wurde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Bayern. Bayern ist der Einfluss von überallher. Das ist bayerisch. Etwas anderes gibt es nicht. Dass dieser Prozess weitergehen wird und muss, ist unbestritten. Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sollten endlich damit aufhören, in Oberbayern den Nabel der Welt zu sehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie damit auf, alles nach Karl Moiks alpenländischen Maßstäben zu messen. Ich finde es ekelhaft, wie Sie allem eine Einheitslederhose anziehen. Wenn Sie damit nicht aufhören, werde ich demonstrativ nach Franken auswandern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Freiherr von Rotenhan (CSU) – Weitere Zurufe von der CSU)

Wir GRÜNE im Bayerischen Landtag werden uns auch weiter dafür einsetzen – –

(Hofmann (CSU): Lieber 100 Türken als einen Dürr!)

Das ist interessant. Dieses Angebot nehme ich an. Dann bleibe ich hier, und Sie nehmen 100 Türken.

Wir GRÜNE im Bayerischen Landtag werden uns weiter dafür einsetzen, dass Bayern zur Heimat für alle seine Bewohnerinnen und Bewohner wird. Alle, die hier leben, auch Sie, Kollege Kaul, ob Norddeutsche, Preußen, Türken, Sudetendeutsche oder woher Sie auch immer eingewandert sind, sollen genauso das Recht haben, sich in Bayern zugehörig, gebraucht und daheim zu fühlen, wie jene, die schon hier sind. Unser Bayern ist ökologisch, modern und weltoffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Strasser.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Städte, Gemeinden und Landkreise sind im Grunde das Rückgrat unseres demokratischen Staatswesens. Die Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte mit ihren Gremien sind sehr nah am kommunalen Geschehen dran und wissen deshalb, worauf es ankommt. Ich habe den Eindruck, sie sind näher am kommunalen Geschehen als die vielen Erklärungen der CSU-Fraktion, der Staatsminister und der Staatsregierung. Ein Kernproblem der Kommunen sind natürlich die Finanzen. Wir glauben, die heutige Erklärung von Herrn Staatsminister Dr. Beckstein hat gezeigt, dass die Staatsregierung ablenken will, indem sie nur auf die Bundesregierung schaut. Die Bayerische Staatsregierung und die CSU-Fraktion müssen endlich ihre Hausaufgaben gegenüber den Kommunen erledigen. Die Kommunen werden von der Bayerischen Staatsregierung sträflichst vernachlässigt.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Wer glaubt Ihnen das?)

Ich werde Ihnen nachher das Sündenregister aufzeigen. Herr Dr. Beckstein, Sie haben heute viel von den Feuerwehren und dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gesprochen. Dabei sind mir Worte eingefallen, die Sie sich zu Herzen nehmen sollten: Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten.

(Beifall bei der SPD)

Was Sie zu den Feuerwehren gesagt haben, ist schlichtweg falsch. Der Präsident des Bayerischen Landesfeuerwehrverbandes hat in der Dezemberausgabe der Verbandszeitschrift des Bayerischen Gemeindetages erklärt: „Ein großer Teil der bisher entstandenen Probleme konnte gelöst werden.“ Herr Staatsminister Dr. Beckstein, ich erwarte von einem Fachminister, dass er im Parlament, wenn er über die Feuerwehren spricht, wenigstens das wiedergibt, was der Präsident des Bayerischen Landesfeuerwehrverbandes gesagt hat. Sie sollten diese Aussage des Präsidenten akzeptieren. Der Bundeskanzler hat Wort gehalten.

(Beifall bei der SPD – Wortmeldung des Abgeordne- ten Dr. Beckstein (CSU))

Herr Minister Dr. Beckstein, Sie haben nachher sicherlich noch einmal die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Strasser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Beckstein?

Herr Kollege Strasser, würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass der Vorstand des Landesfeuerwehrverbandes Anfang Januar bei mir war und ausdrücklich darum gebeten hat, dass wir die Anliegen des Feuerwehrverbandes weiter vertreten, weil überhaupt nicht die Rede davon sein kann, dass mit der Teillösung, die jetzt erfolgt ist, die Probleme gelöst sind. Der Vorsitzende hat ausdrücklich gefordert, dass das Wort des Bundeskanzlers, das er im Rosenau-Stadion gegeben hat, nicht gebrochen wird. Wären Sie bereit, diese ausdrückliche Erklärung des Herrn Binai und seiner Vorstandskollegen zu bestätigen?

(Frau Radermacher (SPD): Herr Binai scheint bei Ihnen etwas anderes zu sagen als bei uns!)

Herr Minister Dr. Beckstein, auch die SPD-Fraktion hat wiederholt Gespräche mit dem Bayerischen Landesfeuerwehrverband geführt. Dieser Verband hat uns gegenüber erklärt, 98% der Probleme mit der Sozialversicherungspflicht seien in der Zwischenzeit erledigt. Herr Staatsminister, das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.