(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zuruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))
(Frau Radermacher (SPD): Das ist ganz simpel, Bayern soll statt einem Drittel 50% übernehmen, wie in anderen Ländern auch!)
Warum sollen wir immer dann, wenn sich der Bund zurückzieht, aus Landesmitteln ausgleichen? – Sie fordern sogar, die Kommunen sollen einspringen. Der Bund will mehr Zuwanderung, wir wollen sie nicht. Wenn vor dem Hintergrund dieser Diskussion der Bund seine Mittel für solche Beratungsstellen kürzt – –
Diese Beratungsstellen wurden in den 50er und 60erJahren geschaffen. Damals haben wir die Leute als Gastarbeiter ins Land geholt. Diese Leute müssen wir heute nicht mehr beraten. Dafür brauchen wir keine Beratungsstellen.
Wenn diese Leute nach 20 Jahren immer noch nicht in unser System integriert sind und jetzt noch Beratung brauchen, dann frage ich mich, was diese die ganze Zeit getan haben und was diese Beratung gebracht hat.
(Dr. Hahnzog (SPD): Die haben spezielle Vorschriften! – Widerspruch der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD) – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Ich höre hier ständig fünf oder sechs Leute gleichzeitig reden, dabei hat nur Herr Ettengruber das Wort.
Die Frage ist doch, ob die Beratungsstellen in der Form, wie sie seit den fünfziger und sechziger Jahren bestehen, überhaupt sinnvoll sind.
Wenn die Mittel knapper werden, muss man den Mut haben zu überlegen, ob es sinnvoll ist, die Beratungen in der bisherigen Form weiterzuführen.
Im Zuge der Europäischen Union, der Freizügigkeit und der Gleichberechtigung brauche ich keine Beratungsstellen für die Mitglieder dieser Union. In der Europäischen Union ist jeder für sein Sprachproblem selbst verantwortlich. Wenn jemand von Verona nach München zieht, dann ist er kein Migrant im klassischen Sinn. Er
braucht also auch keine Beratung. Wenn ein Grieche heute nach München will, dann überlegt er sich, warum er das will. Er hat dann alle Möglichkeiten, sich zu informieren, was ihn hier erwartet. Er hat die Konsulate, die Botschaften, die deutsch-griechische Handelskammer. Es gibt alle möglichen Vereinigungen. Das heißt, er wartet nicht auf Ihre Beratungsstellen.
Der Grieche informiert sich vorher, was ihn hier erwartet. Er kommt nicht blauäugig hierher und sagt: Jetzt lasse ich mich hier beraten. Das ist doch eine völlig praxisfremde Vorstellung, die Sie hier verbreiten.
(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gehen Sie doch mal in die Beratungsstellen! Sprechen Sie mit den Leuten!)
Ach, Frau Kollegin, das habe ich doch jahrelang gemacht, und zwar in Straubing, falls Sie das interessiert.
Meine Damen und Herren, es gibt sicherlich Fälle, in denen die Beratung auch für EU-Bürger sinnvoll ist.
Ich sehe die Notwendigkeit auch bei den Türken als nicht besonders dringlich an. Wenn ein Türke heute nach Deutschland kommt, dann hat er hier Hunderttausende von Landsleuten, die genau wissen, wie alles läuft. Er braucht keine eigene Beratungsstelle. Wenn Sie heute als EU-Bürger nach Spanien gehen, dann werden Sie dort keine deutschsprachige Beratungsstelle finden, die Ihnen sagt, wo Sie Ihre Sozialanträge stellen sollen. Das ist doch überholt. Sie sind in den letzten Jahren in der Entwicklung stehen geblieben.
(Dr. Hahnzog (SPD): Seien Sie ehrlich, sagen Sie doch, dass Sie die Beratungsstellen abschaffen wollen!)
Ich biete an, dieses Thema im zuständigen Ausschuss ausführlich zu diskutieren. Hier und heute sind die Anträge aber abzulehnen.
(Beifall bei der CSU – Zurufe von Abgeordneten der CSU: Jawohl! – Unruhe bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Staatsregierung hat sich dafür ausgesprochen, die muttersprachliche Ausländersozialberatung grundsätzlich im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten und sie bedürfnisgerecht weiterzuentwickeln. Dazu stehen wir auch.
Hierzu kann man, Herr Kollege Hahnzog, unterschiedlicher Meinung sein. Das gilt vor allem für die EU-Ausländer und die Ausländersozialberatung. Diesen Aspekt muss man sich durchaus einmal ansehen. Über die Fragen muss man offen diskutieren dürfen. Zweifellos ist die Ausländersozialberatung in 15 bayerischen Städten mit circa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine ganz wichtige Stütze der Integrationspolitik. Das ist gar keine Frage. Sie müssen sich aber auch überlegen, dass diese Beratung genauso für EU-Ausländer angeboten wird. Deshalb darf ich schon einmal kritisch hinterfragen wie das eigentlich ist. Wenn die Deutschen nach Italien wechseln, dann bekommen sie dort keine Sozialberatung. Wir sollten ehrlich sein und offen über diese Geschichte sprechen. In anderen europäischen Staaten gibt es keine Ausländersozialberatung beispielsweise für Deutsche. Vor diesem Hintergrund kann man sich doch diesen Aspekt einmal kritisch ansehen.
Ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass den Ausländerinnen und Ausländern die gesamte Palette der Beratungsinfrastruktur in Bayern zur Verfügung steht. Man muss deshalb sehen, dass sich die Ausländersozialberatung wandeln muss und zwar für Mittlerdienste in der Regelberatung. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Die Verbände sind deshalb aufgerufen, die Fachkräfte in den Regeldiensten zu befähigen, Beratungen auch für ausländische Familien zu leisten. Diese Vorstellungen wurden einvernehmlich mit den Wohlfahrtsverbänden erörtert. Sie finden sich auch in den Eckpunkten für die künftige Zusammenarbeit der Ausländersozialberatung mit den Wohlfahrtsverbänden und den kreisfreien Städten in Bayern wieder. Konsequenterweise wurde vereinbart, besonders geeignete Sozialberater zu Mittlern zu qualifizieren und damit die Mittlerfunktion der Ausländersozialberatung zu erproben. Das Sozialministerium widmet sich intensiv der konzeptionellen Weiterentwicklung der muttersprachlichen Ausländersozialberatung.
Es ist Fakt, dass das Sozialministerium sich nicht aus der Förderung zurückzieht. Es unterstützt die Dienste vielmehr mit über zwei Millionen DM jährlich. In den vergangenen Jahren ist der Zuschuss an die drei Wohlfahrtsverbände immer angehoben worden, Frau Kollegin Köhler. Sicherlich, er wurde moderat angehoben. Die Verbände hätten sich etwas anderes vorgestellt, das kann ich auch durchaus verstehen. Im Jahr 2001 wurden aber 2,3 Millionen DM gewährt.
Sie haben auf die Integrationshaushaltsstelle hingewiesen. Die Haushaltsstelle hat eine interne Erhöhung vorgenommen. Die Mittel für die Integrationsausgaben insgesamt wurden nicht erhöht. Daran sehen Sie aber auch, dass uns die Ausländersozialberatung durchaus einiges wert war. Wir haben die Mittel vom Jahr 2000 auf 2001 um 100000 DM erhöht. Es stimmt also, was ich
gesagt habe. Die Mittelvergabe bei den Trägern der freien Wohlfahrtspflege ist ganz unterschiedlich. Die Kirchen beispielsweise bezahlen bei den Ausländersozialdiensten circa 40 bis 50% Eigenanteil. Die Arbeiterwohlfahrt zahlt keinen Eigenanteil.
In diesem Fall zahlt die Arbeiterwohlfahrt keinen Eigenanteil. Deshalb hat die Arbeiterwohlfahrt, was ich vorhin in der mündlichen Anfrage bereits sagte, die Mittel zurückgezahlt, wenn sie sie nicht ausgegeben hat. Der Bund hat nunmehr von den Ländern verlangt, dass sie ihre Gelder auf 50% der öffentlichen Leistungen aufstocken, obwohl die Länder durchaus auf die Finanzierungsschwierigkeiten hingewiesen haben. Das habe ich bereits heute morgen aufgezeigt. Der Bund bliebt dennoch bei seiner Forderung und hat gedroht, wenn wir unsere Unterstützung nicht zusagen, seine finanziellen Mittel gänzlich einzustellen. Ich sage nicht, was ich davon halte. Die Länder haben diesem Drängen nachgegeben, weil sie nicht wollten, dass der Bund sich gänzlich aus der Förderung zurückzieht.
Was die Angleichung der Förderanteile ab 2002 anbelangt, so soll diese in fünf Jahren vollzogen werden. Konkret bedeutet das, dass statt 4,3 Millionen DM im Jahr 2001 im Jahr 2002 noch etwa 4 Millionen DM an Bundesmitteln nach Bayern fließen werden. Das sind etwa 2 Millionen Euro. Die Landesmittel werden ungekürzt mindestens 2,3 Millionen DM, also knapp 1,2 Millionen Euro, betragen. Es stimmt also, was ich Ihnen heute morgen gesagt habe. Wir haben die Mittel im letzten Jahr um 100000 DM erhöht.
Die Kürzung der Bundesmittel kann dazu führen, dass im Jahr 2002 einige Stellen in der Ausländersozialberatung zur Disposition stehen, wenn sich die Kommunen nicht an der Finanzierung der in ihrer Stadt gelegenen Beratungsstelle beteiligen. Wir haben die Kommunen schon im Jahr 2000 auf dieses Problem hingewiesen. Die Landeshauptstadt hat auch durchaus zu erkennen gegeben, dass sie eine stärkere Finanzierungsbeteiligung prüfen will.
Sicherlich bringt schon der Wegfall einiger weniger Stellen einen bedauerlichen Einschnitt. Das ist keine Frage. Die Kürzung der Bundesmittel kann aber für die Verbände kein Anlass sein, die Ausländersozialberatung mit ihren insgesamt 99 Sozialberatern – umgerechnet sind das 90 Vollzeitstellen – generell in Frage zu stellen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auf Folgendes aufmerksam machen: Ausgangspunkt der Dringlichkeitsanträge war offensichtlich die Pressemeldung der Arbeiterwohlfahrt vom 27. März 2002. Hier wurde der Beschluss des Landesvorstandes der Arbeiterwohlfahrt bekannt gegeben, zum Jahresende die Dienste zu schließen. Für mich ist – das habe ich heute Morgen schon gesagt – das angegebene Defizit schlicht und einfach nicht nachvollziehbar. Die Mittelkürzungen bei der Arbeiterwohlfahrt führen nicht zu einem Defizit von jährlich zirka 410000 Euro. Nach Berechnungen unseres Hauses beträgt die Mittelkürzung des Bundes im Jahr 2002 – 20% aus der Differenz – mehr als 100000 Euro. Das ist
In diesem Zusammenhang möchte ich die Ausführungen des Landesgeschäftsführers der AWO einfügen, die für mich aufschlussreich waren. Er sagte, auch wenn das etwas zynisch klinge, so mussten doch Prioritäten gesetzt werden; wobei der Betrieb von Kindergärten oder die Insolvenzberatung höher eingestuft worden sei als die Arbeit mit den Ausländern. Dagegen kann man, Frau Kollegin Köhler, nichts sagen. Man kann nur inhaltlich dagegen argumentieren. Ich habe das wörtliche Zitat der Presse entnommen, das in Anführungsstriche gesetzt war. Der Freistaat Bayern wird wie in den vergangenen Jahren die Ausländersozialberatung mit gut 2,3 Millionen DM, umgerechnet 117500 Euro fördern. Damit gehen fast zweidrittel der für Ausländerintegration verfügbaren Haushaltsmittel in die Ausländersozialarbeit. Wir haben den Anteil für die Ausländersozialberatung noch einmal vergrößert. Wir stehen weiter zu unserer Verantwortung in der Ausländersozialberatung, aber eine noch höhere Leistung – das sage ich ganz offen – können wir aufgrund der schwierigen Finanzsituation des Staatshaushaltes nicht leisten. Bundesfinanzminister Eichel hat zur Abwendung des blauen Briefes der Europäischen Kommission den Haushalten der Länder nur die Erhöhung unter einem Prozent zugestanden. Überlegen Sie, dass alleine das Kinderbetreuungskonzept 313 Millionen Euro kostet. Zusammen mit den Ausgaben für die Lehrerstellen sind wir schon darüber. Wegen der Vorgaben des schwachen Wirtschaftswachstums und der verfehlten Wirtschaftspolitik von Rot-Grün heißt es schlicht und einfach auch für den bayerischen Haushalt und für uns, dass wir mehr sparen müssen.
Wer dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend „Erhalt der muttersprachlichen Beratungsstellen bei den Wohlfahrtsverbänden in Bayern“, Drucksache 14/9228, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.