Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

Wer dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend „Erhalt der muttersprachlichen Beratungsstellen bei den Wohlfahrtsverbänden in Bayern“, Drucksache 14/9228, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion betreffend „Erhalt der Sozialberatungsstellen für ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihrer Familien“, Drucksache 14/9243, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Dieser Antrag ist auch abgelehnt.

Jetzt rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter und anderer und Fraktion (CSU)

Informations- und Steuerungssystem zur besseren Verkehrsabwicklung für die Fußball WM 2006 (Drucksache 14/9229)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kollege Dinglreiter.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, den ersten Absatz dieses Antrages heißen wir fast alle gut. Er heißt:

Der Landtag begrüßt die Entscheidung der FIFA, die Städte München und Nürnberg als Austragungsorte für Spiele anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 zu bestimmen und das WM-Pressezentrum nach München zu vergeben.

Das bedeutet, dass nicht nur schöne und attraktive Ereignisse in München und Nürnberg stattfinden, sondern auch die Mobilität zunehmen wird und die Verkehrssysteme in besonderer Weise gefordert sind. Aus diesem Grunde wollen wir die Staatsregierung auffordern, mit öffentlichen und privaten Verkehrsträgern, Kommunen sowie Dienstleistern der privaten Wirtschaft ein Konzept für ein umfassendes, verkehrsträgerübergreifendes und effizientes Informations- und Steuerungssystem zur besseren Verkehrsabwicklung zu entwickeln. Dabei sollen Straße und Schiene aber auch Nah- und Fernverkehr optimal miteinander vernetzt werden. Die bisherigen Telematikentwicklungen – es gibt sechs bis acht solcher Entwicklungen, die parallel laufen, wie das Mobinet – sollen in dieses umfassendes Informations- und Steuerungssystem einbezogen werden. Für das Konzept ist der erforderliche Finanzbedarf, insbesondere auch einschließlich notwendiger Beiträge des Bundes, abzuschätzen.

Meinen Damen und Herren, es wird, wie ich schon gesagt habe, an mehreren Projekten gearbeitet. Wir meinen, dass es sinnvoll ist, zunächst den zeitlichen Horizont aufzustellen – das Jahr 2006 –, um etwas zum Abschluss zu bringen. Wir halten es auch für sinnvoll, dass die Projekte zusammengeführt werden, weil dadurch Synergien entstehen können, die uns schneller nach vorne bringen und das Ganze mit den verfügbaren Mitteln effizienter gestaltet werden kann. Wir werden einiges tun müssen, damit wir die Mobilität, die von uns gefordert wird, sinnvoll bewältigen können. Es geht nicht nur um die Eröffnungsveranstaltung und nicht nur um die Fußballweltmeisterspiele, sondern es geht auch um das Pressezentrum, das über einen längeren Zeitraum hinweg zusätzliche Mobilität auslösen wird. Auch der Tourismus wird vor, während und nach der WM in Nürnberg und München zusätzlich anwachsen. Da wir die Verkehrswege nicht beliebig ausweiten können, empfiehlt es sich, sie durch moderne Steuerungs- und Informationssysteme effizienter zu gestalten.

Ein solches Projekt ist auch industriepolitisch wichtig. Deutschland ist in Bezug auf die Telematiksysteme führend. Andere Länder holen aber erheblich auf. Wenn wir durch dieses Ereignis dem Ganzen einen Schub geben

würden, um diese Techniken rascher, schneller und besser voranzubringen, hätte das insbesondere deshalb industriepolitisch besondere Bedeutung, weil in dieser Zeit Tausende Journalisten in München und Nürnberg sein werden. Deren Erfahrung, dass wir Verkehrswege und den Verkehr insgesamt optimal steuern und hervorragende Informationssysteme anbieten können, wird Gegenstand der Berichterstattung sein und kann helfen, zusätzlichen Absatz für die bayerische Wirtschaft zu schaffen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Nun hat Herr Kollege Schläger das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Hätte die SPD einen derartigen Antrag gestellt, würde die CSU den Antrag zurecht mit der Begründung ablehnen, dass die Staatsregierung das schon mache. Die Gründe sind manchmal gut und manchmal weniger gut. Heute wäre dies auf alle Fälle so.

Keine Angst – ich sage es vorweg –, wir werden diesen Selbstverständlichkeiten zustimmen.

(Lachen und Zurufe von der CSU)

Die SPD hat sich über das positive Votum der Fifa, München und Nürnberg zu Austragungsorten der WM 2006 zu machen, sehr gefreut. In diesem Zusammenhang stimmt es aber sehr merkwürdig, dass die gemeinsame Pressekonferenz des Wirtschaftsministers und des Münchner Oberbürgermeisters auf Betreiben der Staatskanzlei verschoben werden musste, damit der Ministerpräsident zusammen mit Beckenbauer seinen Presseauftritt eher haben konnte. Wir kennen das aber. Der Kanzlerkandidat möchte gerne der Verkünder der guten Nachrichten sein, während er – das haben die letzten Wochen bewiesen – die schlechten Botschaften seinen Leuten überlässt, die auch noch den Kopf dafür hinhalten müssen. Sehr augenfällig ist das letzte Woche gewesen, als Stoiber die mitverschuldete Kirch-Mega-Pleite im Plenum des Landtags von seinem Wirtschaftsminister Wiesheu abhandeln ließ.

(Willi Müller (CSU): Er hat schon selber gesprochen!)

Jetzt hat er das Ressortprinzip wieder aufgehoben, weil er die schöne Geschichte der WM-Austragungsorte selber verkünden wollte. Dann müssen Wiesheu als zuständiger Fachminister und Aufsichtsratsvorsitzender der Münchner Messe und der Münchner Oberbürgermeister eben zurückstehen. München leuchtet, und Stoiber schmückt sich mit fremden Federn.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist schließlich richtig, dass der durch die Kirch-Pleite ramponierte Ruf des Medienstandorts München mit dem Medienzentrum für die Fußballweltmeisterschaft durch

die sozialdemokratisch regierte Landeshauptstadt wieder aufpoliert wird.

(Dr. Bernhard (CSU): Das Ihr gar nicht haben wolltet!)

Wir erwarten mit dem Medienzentrum für die WM 20000 Journalisten, und für die Region München erwarten wir genauso wie die Industrie- und Handelskammer zusätzliche 13000 Arbeitsplätze. Es zeigt sich also wirklich, wie wichtig unser Einsatz – wenn Sie wollen, auch unser gemeinsamer Einsatz – für die neue Fußballarena in München-Fröttmaning war, ohne den es nicht zu dieser Entscheidung für die Sportstadt München gekommen wäre.

(Dr. Bernhard (CSU): Wirklich das Letzte!)

Ähnlich wird es in Nordbayern, im Raum Nürnberg, mit seinem Frankenstadion laufen. Kollege Hofmann, ich weiß nicht, ob Sie es auch so sehen. Aus unserer Sicht ist das Frankenstadion eher immer stiefmütterlich behandelt worden.

(Hofmann (CSU): Mein Lieber! Ich habe gekämpft wie ein Löwe!)

Jetzt kommt endlich auch das Frankenstadion zum Zuge. Darüber sind wir sehr froh. Es ist auch richtig, dass Bundesinnenminister Otto Schily, der gleichzeitig Sportminister ist, die Weichen entsprechend gestellt hat, damit es zu diesem positiven Votum für München und Nürnberg gekommen ist.

(Willi Müller (CSU): Aber auch der Herr Beckenbauer! – Hofmann (CSU): Beckenbauer, Scholz und Stoiber!)

Wir gehen davon aus, dass Bayern von der WM 2006 ähnlich profitiert wie von den Olympischen Spielen vor 30 Jahren. Ich überlasse es aber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes zu befinden, wie sie diesen Antrag einordnen. Ich nenne Ihnen nur vier Termine: Am 10. April hat sich Staatsminister Erwin Huber bereits in dem Sinn geäußert, wie es in diesem Antrag steht. Am 15. April erklärte der Ministerpräsident, Bayern werde alle Voraussetzungen erfüllen. Am 16. April erörtert der Ministerrat die konkreten Schritte für die bayerischen WM-Vorbereitungen, die dann aus einer umfangreichen Presseerklärung hervorgehen, und ganz am Schluss, am 17. April, also gestern, forderte die CSU die eigene Staatsregierung auf, das Nötigste für die Infrastruktur der WM zu tun.

(Hofmann (CSU): Weil wir sichergehen wollen!)

Bei der Staatsregierung muss man wirklich sichergehen. Damit haben Sie Recht, Herr Hofmann, aber wo Sie Recht haben, haben Sie auch Recht.

(Hofmann (CSU): Sei nicht so frech!)

Wie ich bereits einleitend gesagt habe, könnten wir uns alle auf den Standpunkt der CSU stellen, dass die Staatsregierung diese Forderungen doch bereits erfülle

und dieser Antrag deswegen hinfällig sei. Das machen wir aber nicht, denn in der Vergangenheit waren wir des öfteren von dieser dummen Redensart leidvoll betroffen. Wir stimmen diesen Selbstverständlichkeiten zu, welche Sie uns hier präsentieren.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Das ist doch Wahnsinn! – Zurufe von der CSU: Das hätte man auch kürzer sagen können! – Frau Radermacher (SPD): Ein paar Worte musste man schon dazu sagen! – Dr. Bernhard (CSU): Das war jetzt eine Zustimmung mit angezogener Handbremse!)

Jetzt hat Frau Kollegin Tausendfreund das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag gelesen habe, habe ich mir gedacht, das ist ja ein wahnsinniger, außerordentlich bahnbrechender Dringlichkeitsantrag der CSU.

(Dr. Bernhard (CSU): Freudige Erregung!)

Sie werden mit Sicherheit niemand finden, der den einleitenden Satz dieses Antrages nicht klasse findet. Natürlich war die Entscheidung sehr gut, Spiele der Fußball-WM nach München und Nürnberg zu holen und das Pressezentrum nach München zu legen. Diese Entscheidung löst wirtschaftliche Impulse aus und lässt Fußballherzen höher schlagen. Sie haben den Nerv der Zeit getroffen. Alle Achtung davor!

(Willi Müller (CSU): Was sind Sie für ein Fan? FC Bayern oder TSV 1860? – Hofmann (CSU): Heute sind Sie aber wieder humorvoll!)

Nachdem Sie jetzt zu diesem Tigersprung angesetzt haben und momentan den Höhenflug genießen, werden Sie mit dem zweiten Teil des Antrags allerdings als jämmerlicher Bettvorleger landen. Ein verkehrsübergreifendes Informations- und Steuerungssystem ist schön und gut. Es ersetzt aber nicht die notwendigen Fortentwicklungen im öffentlichen Nahverkehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei ist es dringend erforderlich, die Fußball-WM auch als Schub für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zu nutzen. Ein Weitermachen wie bisher, ein Konzept, welches vorwiegend auf zusätzlichen Straßenbau ausgerichtet ist, wäre eine verfehlte Politik. Damit würden große Chancen vertan. Auf diesem Gebiet ist der Tiger leider viel zu kurz gesprungen.

In einem Informations- und Steuerungssystem die Lösung zu suchen, ist reine Augenwischerei. Damit werden Sie keine zusätzlichen Verkehrskapazitäten schaffen. Außerdem ist zumindest in Nürnberg das so genannte dynamische Verkehrsleitsystem für Messe und Stadion bereits in Arbeit und im Bau. Verkehrssteuerungssysteme richten sich in erster Linie auch an den Individualverkehr, und die Kosten für solche Systeme sind nebenbei bemerkt erheblich.

Wo liegen jetzt die Schwierigkeiten bei der Anbindung der Stadien in München und in Nürnberg? In Nürnberg steht das Stadion schon. Dort ist es nicht so schlimm. Aber auch dort sind die U-Bahn-, S-Bahn- und Straßenbahnhaltestellen nicht in unmittelbarer Nähe des Stadions. Der Bus-Shuttle kann bei Großveranstaltungen gar nicht mehr stattfinden, weil die Wege verstopft sind. Es sind also Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr erforderlich, sonst wird das Auto wieder das effektivere Beförderungsmittel sein.

In München muss nicht nur das Stadion in Fröttmaning aus dem Boden gestampft werden, es muss auch die komplette Anbindung geschaffen werden. Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Staatsregierung setzt insbesondere auf die Straßenanbindung. Hier gibt es aber erhebliche Probleme. Die geplante Straße aus dem Westen führt mitten durch einen Bannwald und mitten durch die Fröttmaninger Heide, und diese ist FFH-Gebiet. Auf solche Belange wird keine Rücksicht genommen. Auf Ausgleichsflächen wird zwar verwiesen, aber sie stehen auch nicht unendlich zur Verfügung. Die Straßenerschließung von Norden über die A9 ist auch nicht beliebig erweiterbar. Schon jetzt haben wir auf der A9 ein Verkehrschaos, schon jetzt ist sie eine der meist befahrenen Autobahnen Europas.

Die jetzigen Verkehrssysteme des öffentlichen Personennahverkehrs in München sind für eine Erschließung des Stadions untauglich. Jetzt müssten alle Stadienbesucher, die am Hauptbahnhof ankommen, über den Marienplatz in die U-Bahn geschleust werden, welche sowieso keine freien Kapazitäten mehr hat. Das alles geht bei Großveranstaltungen nicht. Außerdem wäre am Stadion ein neuer U-Bahnhof erforderlich. Er muss näher am Stadion errichtet werden, weil der jetzige viel zu weit weg wäre. Auch der von Ihnen gewünschte Transrapid hilft nicht weiter, weil er auch nur bis zum Hauptbahnhof fahren würde und wir dort dann dieselbe Situation hätten.

(Dinglreiter (CSU): Wir reden von Information und Steuerung!)

Himmel hilf, dass der Transrapid nicht kommt, denn er ist wirklich ein grober Unsinn. Darüber aber haben wir schon häufiger gesprochen.