Protokoll der Sitzung vom 18.04.2002

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie verwenden bei Ihren Anträgen auch die Worte „Die Staatsregierung möge“!)

Sie fordern die Bayerische Staatsregierung auf, Ihnen bei der Umsetzung dessen, was Sie für richtig erachten, gegen Ihre Kollegen im Bund zu helfen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen des Umweltausschusses, Sie werden sich erinnern, dass wir in der letzten Zeit mehr solcher Anträge der GRÜNEN gehabt haben, in denen sie die Staatsregierung gebeten haben, sie beim Bund zu unterstützen. Sie selbst haben offensichtlich in der Bundesregierung nichts mehr zu sagen. Verehrte Frau Kollegin Paulig, wir werden Ihnen insofern helfen, als wir

Ihren Antrag ablehnen; denn dann haben Sie die Chance, sich erst einmal in Ihren eigenen Reihen darüber abzustimmen, was Sie für richtig halten. Sie sollten das Sachverständigengutachten erst einmal in Ihren eigenen Reihen richtig bewerten. Dann werden wir weitersehen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Wörner.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kaul, ich bin etwas verwundert. Offensichtlich hat die Pisa-Studie auch bei Ihnen zugeschlagen. In dem Antrag heißt es nämlich: „Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert,“. Sie haben soeben etwas anderes gesagt. Wenn man liest, sollte man richtig lesen.

(Kaul (CSU): Lesen Sie das im Protokoll nach! So habe ich es vorgelesen!)

Herr Kollege Kaul, wir haben sehr gut zugehört. Sie haben das nicht vorgelesen. Nun zu den Inhalten des Papiers: Herr Kollege Kaul, ich kann verstehen, warum Sie hier den Oberlehrer spielen und den Leuten erklären wollen, was sie wie schreiben sollen. Sie haben nämlich einen großen Erklärungsnotstand hinsichtlich der bayerischen Umweltpolitik.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Missstände kann ich Ihnen aufzählen: Weder Ihre Fraktion noch Ihr Minister können sich in Ihrer eigenen Regierung in Sachen Umweltschutz durchsetzen. Das beginnt bei den FOCs. Ich lege den Finger ganz bewusst in diese Wunde, damit Sie sich wieder daran erinnern können.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Wo ist da die Wunde?)

Sie versagen gegen die Ratschläge aller Verbände in der Landesplanung, weil das irgendjemand in Ihrer Regierung so will. Beim Dosenpfand haben Sie von Ihrer Regierung eins auf die Mütze gekriegt. Im Landtag ist untergegangen, dass der Umweltausschuss beschlossen hat, die Energieeinsparverordnung soll unverändert im Bundesrat durchgehen. Hier hat die Regierung gegen den einstimmigen Beschluss des Landtags gehandelt.

Das bedeutet, Sie haben nicht einmal mehr in Sachen Umweltschutz in der eigenen Regierung Einfluss. Diese Regierung macht mit Ihnen, was sie will. Deswegen stellen Sie sich hier her und kritisieren Sie an diesem Antrag herum, weil Ihnen dazu nichts Besseres einfällt.

Herr Kaul, wir könnten hier in Bayern natürlich viele Aufgaben lösen, angefangen bei der Beseitigung von Altlasten. Auch die Altlastenbeseitigung wird von Ihnen mit Blick auf den Grundwasserschutz verweigert. Sie sind nicht bereit, zusammen mit uns ein Gesetz zu beschließen, das Geld und Mittel bereitstellt, die Altlasten so zu

beseitigen, dass das Grundwasser nicht gefährdet ist. Sie sehen zu, wie der Gewerbemüll planlos in Anlagen verschwindet, die – siehe Kiefersfelden- zur Vernichtung unserer Wälder beitragen. Die höchste Waldschadensstufe wird auch durch Verbrennungen in Zementwerken verursacht.

Sie sehen zu, wie das Grundwasser leidet, wollen aber hier Belehrungen darüber erteilen, was im Bund und in Bayern getan werden soll. Wir sollten in Bayern unsere Hausaufgaben machen. Deswegen unterstützt die SPDFraktion diesen Antrag. Natürlich macht der Bund seine Aufgaben. Aber, Herr Kaul, eines sollten wir nicht tun – darin sind wir uns einig –, nämlich das Wort „Nachhaltigkeit“ zum Nutzwort eines Ministers verkommen lassen, anstatt den Sinngehalt zu praktizieren und in Regierungshandeln umzusetzen.

(Kaul (CSU): Sie laufen doch mit Scheuklappen in der Welt herum!)

Wir hätten es dringend notwendig, in Bayern unsere Hausaufgaben zu machen. Lassen Sie uns bei den regenerativen Energien in einer Art und Weise, die wir uns gemeinsam vorstellen können, endlich gemeinsam zum Durchbruch verhelfen.

(Kaul (CSU): Diese werden in Bayern am meisten genutzt! – Weitere Zurufe von der CSU)

Herr Kaul, wenn Sie Bayern die Vorreiterrolle zuschreiben, sollten Sie hinzufügen, dass die bayerische Vorreiterrolle in erster Linie in der Wasserkraft besteht. Dafür können Sie doch gar nichts; die Wasserkraft ist doch längst entstanden, noch ehe wir alle hier waren.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Sie sollten einmal Ihre Datensammlung aktualisieren!)

Den Löwenanteil der regenerativen Energien in Bayern bildet die Wasserkraft. Wenn Sie auch dies bestreiten, kennen Sie Ihre Daten nicht. Diese Wasserkraft haben nicht wir, sondern weitsichtige Vorväter entwickelt. Wir sollten uns nicht auf dieser Ebene ausruhen, sondern kräftig nachlegen und erreichen, was unsere Vorväter längst erreicht hatten. Wenn wir dafür kämpfen, sind wir ein großes Stück weiter.

Die entscheidende Forderung des GRÜNEN-Antrags steht im ersten Spiegelstrich, nämlich nach wirtschaftlichen und ökologischen Chancen. Wir wissen, dass in diesen regenerativen Energien und in diesem Ansatz von Umweltfragen ein großer Anteil an Arbeitsplätzen und Technologien der Zukunft steckt. Damit könnten wir weltweit innovative Produkte herstellen und vertreiben und unsere Marktchancen stärken. Ich stimme deshalb diesem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Frau Paulig.

Leider habe ich nur knapp Zeit. Herr Kaul, Sie haben ein Beispiel dafür geliefert, wie wir GRÜNEN es nicht machen. Sie haben sich auf politische Polemik gestürzt, uns aber geht es um inhaltliche Veränderungen.

(Kaul (CSU): Lesen Sie nach, ich habe zitiert!)

Darum war Ihr Beitrag absolut inhaltsleer. Beispielsweise lobt das Sachverständigengutachten die Bundesregierung für ihre Klimapolitik, wobei sie eine nationale Vorreiterrolle hat, für das EEG und für die Ökosteuer, deren Weiterentwicklung die Umweltexperten wollen. Sie fordern die Bundesregierung auf, diese nationale Vorreiterrolle umzusetzen. Aber gleichzeitig sprechen Sie die Handlungsbereiche an, bei denen noch Handlungsbedarf besteht, und in Bayern ist noch eine ganze Menge zu tun. Herr Wörner hat dies bereits angesprochen. In Bayern sind die Verkehrsemissionen gestiegen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich habe leider sehr wenig Zeit. – Bei der Windenergie ist Bayern das Schlusslicht. Bei den erneuerbaren Energien hat Stoiber noch vor zwei Jahren die 13-%-Marke angekündigt. Allerdings konnten wir in den fünf Jahren bis 1999 gerade einmal einen Anstieg von 6 auf 6,5% verzeichnen. Das Ziel von 13% nennen Sie nicht mehr, weil Sie zugeben müssen, dass Sie es nicht erreichen werden. Das Thema Tierschutz boykottieren Sie. Auch beim Artenschutz haben wir Defizite. Im Alpenbereich wird weiter erschlossen und ausgebaut. Wir haben Erosionen und Trinkwasserbelastungen. Sie wissen um die Defizite auch in der Abfallpolitik. Aber Sie scheuen die inhaltliche Debatte, die die Dinge konsequent und inhaltlich nach vorne bringen soll. Darum lehnen Sie den Antrag ab.

Ich würde mich freuen, mich mit Ihnen über den Inhalt dieses Gutachtens auseinander zu setzen. Dies wäre eine ehrliche Umweltpolitik, die in Bayern möglicherweise endlich für die Natur, für die Ökologie und auch für die Wirtschaft gewinnbringend wäre. Aber Sie arbeiten in der Verweigerungshaltung und mit billiger Polemik. Dies bedauern meine Fraktion und ich sehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kaul.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin Paulig, Herr Wörner, wir arbeiten nun im Umweltausschuss schon so viele Jahre zusammen und unterhalten uns über Daten, Fakten und Hintergründe. Aber so oberflächlich, wie Sie, Herr Wörner, hier diskutiert haben, habe ich Sie noch nie erlebt. Ich empfehle Ihnen, die Informationen nachzulesen und Ihre Datensammlung über den Zustand der Umwelt in Bayern zu aktualisieren. Ich werde den Umweltminister bitten, sie Ihnen zukommen zu lassen.

Ihr Stand nicht nur in Ihrem Kopf, sondern auch in Ihrem Datenbuch ist nicht zehn, sondern 15 Jahre alt.

Frau Kollegin Paulig, Sie unterstellen uns, dass wir uns über dieses Gutachten nicht unterhalten wollen. Ich habe eben gesagt, wie oberflächlich Sie sind. Ich weiß nicht, ob Sie die Langfassung haben.

(Frau Paulig BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich habe die 200-Seiten-Fassung gelesen!)

Ich habe nur die Kurzfassung vorliegen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Welch ein Schwachsinn. Ich habe Ihnen vorhin in aller Deutlichkeit gesagt, dass ich mich nur auf die Kurzfassung berufen kann. Ich habe aus der Kurzfassung zitiert. Ihre Unterstellung, wir seien nicht bereit, mit Ihnen über die Langfassung zu diskutieren, ist unredlich und unverschämt, weil Sie unsere Zusammenarbeit im Umweltausschuss kennen, die auf Kooperation und auf ein Miteinander ausgerichtet ist. Ich kann es nicht akzeptieren, dass sie einen Keil in unsere Zusammenarbeit treiben, der unsere weitere Zusammenarbeit stören wird. Ich zitiere nun einen Satz aus der Kurzfassung des Bundesumweltministeriums, die Herr Trittin an die Öffentlichkeit gebracht hat. Frau Kollegin Paulig, hören Sie gut zu, weil Sie immer so tun, als fange mit der Langfassung die Umweltpolitik erst an.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Paulig, ich weiß, es ist Ihre Art, nie zuzuhören, wenn es wichtig ist, und immer dann dazwischenzureden, wenn es gerade für Sie passt. Im Anhang des Bundesumweltministeriums heißt es: „Unter der Regierung Kohl hat Deutschland im Bereich des Klimaschutzes und der Abfallpolitik eine Pionierrolle für die Entwicklung der internationalen Umweltpolitik eingenommen.“ Dies hat nicht die Union geschrieben, sondern wurde von den Sachverständigen festgestellt. Verehrte Frau Kollegin Paulig, auf dieser Basis führen Sie und Herr Trittin die Politik weiter. Die Defizite dieser Politik stehen im Sachverständigengutachten, und darüber werden wir uns in nächster Zeit unterhalten.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Als nächster Redner hat Herr Staatsminister Dr. Schnappauf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich wollte mich eigentlich in der heutigen Debatte nicht zu Wort melden und will mir auch versagen, in die Sachthemen einzusteigen, möchte aber doch gerne zu dem Verfahren etwas sagen. Das Gutachten, über das hier gesprochen wird, wurde am 11. April vom Sachverständigenrat veröffentlicht. Am gleichen Tag – also auch am 11.04.2002 – hat der Sachverständigenrat das Gutachten den Ländern zugeschickt. Eingegangen ist die Kurzfassung, die übri

gens nicht 200 Seiten, sondern nur 104 Seiten hat, am 15. Die Langfassung von immerhin 848 Seiten ist am 16. eingegangen. Der Antrag der GRÜNEN im Bayerischen Landtag stammt vom 17. Er wird als Dringlichkeitsantrag ausgestaltet. Wenn Sie, Frau Paulig, in den Nächten vom 15. auf den 16. und 17. diese 200 Seiten – wie Sie sagen –, 100 Seiten, 800 Seiten oder wie auch immer, gelesen haben, dann stelle ich mir die Frage, wie Sie hier vortäuschen wollen, dass eine sachliche, seriöse und dem Thema angemessene Befassung möglich war.

(Beifall bei der CSU)

Ich unterstelle nicht, dass Sie – auf welchen Kanälen auch immer – vorab bedient worden sind. Auch das wäre eine Frage wert. Die Sache selbst ist vom Zeitablauf derart durchsichtig, scheinheilig und unseriös und dem Thema nicht angemessen.

(Beifall bei der CSU)

Nur darauf will ich mich in dieser kurzen Anmerkung beschränken: Wenn sich zahlreiche Wissenschaftler in einem langen Prozedere schließlich zu einem solchen Werk durchgerungen haben, dann müssen wir uns – wie es Herr Kollege Henning Kaul am Rednerpult deutlich gemacht hat – die Zeit nehmen, das Gutachten anzuschauen und dann kann darüber im üblichen Verfahren geredet werden. Ein Dringlichkeitsanliegen daraus zu machen und von einer Nacht auf die andere zu sagen, dass so und so gehandelt werden muss, dient der Sache nicht; im Gegenteil, Frau Paulig, das schadet dem Anliegen der Umweltpolitik.

(Beifall bei der CSU)