Die Staatsregierung hat erst im März dieses Jahres die alarmierende Tatsache bestätigt, dass im Schuljahr 2001/2002 laut Drucksache 14/8878 die fünfte und sechste Jahrgangsstufe an 15 Schulstandorten weggefallen sind, und zusätzlich bei der fünften Jahrgangsstufe 19 und bei der sechsten Jahrgangsstufe 14 an weiteren Standorten. Diese dramatische Entwicklung des Ausblutens der Teilhauptschulen und Hauptschulen wird sich nach der endgültigen Einführung der sechsstufigen Realschule noch dramatisch fortsetzen. Wir befürchten in diesem Zusammenhang die schlimmsten Entwicklungen und insgesamt eine Gefährdung und Schwächung unserer Hauptschulen.
In einem zweiten Punkt fordern wir, dass die Klassenhöchststärken an den Hauptschulen zunächst einmal auf 30 und dann sehr rasch auf 25 Schülerinnen und Schüler zurückgefahren werden müssen. Alle Fachleute sagen uns – wir alle wissen das auch aus der Pisa-Studie –, dass in Klassen mit 30 oder mehr Schülerinnen und Schülern aus didaktischen und pädagogischen Gründen heutzutage kein vernünftiges Arbeiten mehr möglich ist. Das hängt mit den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen zusammen. Das hängt auch mit der Schwächung der Erziehungskraft in den Familien und mit der Tatsache zusammen, dass wir immer mehr verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler in unseren Klassen haben.
Wir brauchen heutzutage ein besseres Eingehen auf die persönlichen Bedürfnisse unserer Schülerinnen und Schüler, das aber unter den angesprochenen Zuständen in den Klassen nicht möglich ist.
Was ist die Folge? – Es muss häufig zum Frontalunterricht zurückgekehrt werden. Das ist nun wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss im Bildungsbereich.
Wir fordern zum Dritten, dass die Berufsorientierung und die Berufsvorbereitung an den Hauptschulen durch die Stärkung des Faches Arbeitslehre sowie durch die Einrichtung von Tagen der Berufsorientierung verbessert und die Akzeptanz und Qualität der Hauptschulen nicht zuletzt durch gezielte Werbemaßnahmen der Bayerischen Staatsregierung für die Schulabschlüsse gestärkt werden.
Die bayerische SPD hat sich dafür schon frühzeitig eingesetzt. Wir tun das jetzt zum wiederholten Male, weil wir die Nöte an den bayerischen Hauptschulen aus eigener Erfahrung vor Ort kennen. Wir werden von den Kommunalpolitikern bestätigt. Diese wissen genau, was auf die kleinen Schulstandorte zukommt. Die kleinen Schulen auf dem Lande werden geschlossen. Damit geht nicht nur eine wichtige kulturelle Einrichtung im Dorfleben verloren, sondern damit ist auch noch mehr Schüler
tourismus verbunden. Die Kommunalpolitiker wissen, dass sie für die leer stehenden Schulräume zahlen müssen. Die Staatsregierung hält sich in dieser Beziehung vornehm zurück und reduziert die Fördermittel für die Schülerbeförderung ständig. Die Kommunalpolitiker wissen auch, dass sie zusätzliche Mittel aufwenden müssen, um den Ausbau zur sechsstufigen Realschule mit zu finanzieren. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes die Dreifach- und Vierfachlackierten. Wir wollen, dass dem Einhalt geboten wird.
Wir brauchen – und das ist besonders wichtig – für die innere Schulreform der Hauptschule eine Überarbeitung der Lehrpläne. Dabei kommt auch hier dem Fach Arbeitslehre eine besondere Bedeutung zu. Die Ausweitung zu der fünften und sechsten Jahrgangsstufe hin ist ein richtiger Weg, aber sie muss jetzt schnell umgesetzt werden.
Darüber hinaus brauchen wir geeignete Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrer Ausbildung verstärkt das Fach Arbeitslehre studieren. Wir fordern deshalb, dass im Rahmen der LPO I dem Bereich Arbeitslehre ein entsprechender Stellenwert zugemessen wird. Wir wollen, dass an mindestens einem Lehrstuhl in Bayern die Arbeitslehre im Lehramtsstudium intensiviert und ausgeweitet wird.
Von entscheidender Wichtigkeit vor Ort ist, dass die Staatsregierung für die Abschlüsse der Hauptschule wirbt und deutlich macht, dass diese wirklich einen Qualitätsstandard darstellen. Die Schülerinnen und Schüler, die diese Abschlüsse machen, sind wirklich sehr gut. Es ist aber in der Wirtschaft noch nicht bekannt, welch hervorragende Leute man aus den Hauptschulen bekommen kann. Wie sonst ist es zu erklären, dass es große Betriebe gibt, die sich weigern, Hauptschüler auszubilden? Es ist höchste Zeit, dass die Staatsregierung etwas tut, um die Hauptschule als in hohem Maße qualifizierende Bildungseinrichtung aufzuwerten.
Ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot an M-Klassen, das von der Kultusministerin angekündigt worden sind, ist längst nicht überall vorhanden. Auch in diesem Zusammenhang darf ich den Bürgermeister aus Taufkirchen zitieren, der sich heute öffentlich geäußert hat. Seine Aussage, die vom Schulamt bestätigt wird, lautet, dass im Landkreis Erding nur zwei Standorte mit M-Klassen bestehen. Das ist eine Katastrophe, weil damit die Chancen der Hauptschulen schwinden. Man muss daran denken, dass wirklich flächendeckend M-Klassen, M-Kurse, angesetzt werden, um den mittleren Schulabschluss zu stärken. Das ist für uns eine Grundbedingung für die Reform der Hauptschule.
Ein vielversprechender Ansatz war die Einrichtung der sogenannten P-Klassen, und zwar nicht nur an Brennpunkten, sondern auch darüber hinaus. Wir stellen aber fest – das trifft einmal mehr den ländlichen Raum –, dass bei der Ausstattung große Defizite bestehen. Die Kommunalpolitiker bestätigen, dass der Bedarf an Praxisklassen mit einem sehr starken Praxisbezug noch lange nicht gedeckt ist. Es ist wichtig, den 10% der Schulab
gängerinnen und Schulabgängern, die ohne Schulabschluss in die Berufswelt entlassen werden, entgegenzukommen. Gerade für solche Schülerinnen und Schüler ist es elementar wichtig, dass sie praktische Erfahrungen sammeln können. Es ist wichtig, dass sie auf diesem Wege in den Betrieben Erfolgserlebnisse sammeln können und lernen, was Leistungswille und Leistungsbewusstsein heißt. Es ist ein bildungspolitischer Skandal, dass jeder zehnte Schüler bzw. jede zehnte Schülerin in Bayern ohne einen Abschluss in die Berufswelt entlassen wird. Das dürfen wir nicht länger zulassen.
Wir müssen aufgrund der Strukturänderung, die Sie geschaffen haben, daran denken, dass sich die Klassenstrukturen auch an der Hauptschule stark verändert haben. Es fehlen immer mehr die sogenannten leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler, die jetzt in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe vermehrt zur Realschule wechseln. Das hat Auswirkungen auf das praktische Unterrichtsgeschehen in den Klassen. Wir müssen daran denken, dass es gilt, innerhalb der Änderung der Lehrpläne darauf hinzuwirken, dass dieser neuen Klassensituation Rechnung getragen wird und für die insgesamt etwas schwächere Schülerschaft adäquate Unterrichtsformen und Anreize geschaffen werden.
Wir müssen auch darauf reagieren, dass zunehmend die Hauptschulstandorte schwinden und die Hauptschulen Probleme haben werden, eine Mehrzügigkeit zu erreichen. Andererseits haben wir die gegenteilige Situation an unseren Realschulen. Dort ist der Andrang riesengroß. Es ergibt sich das Problem, dass wir dort Platz für den Zustrom der Schülerinnen und Schüler schaffen müssen. Um den Hauptschülern den wohnortnahen Standort zu erhalten und andererseits für die Hinzukommenden Realschülerinnen und Realschüler Platz zu schaffen, kann es sich anbieten, die sogenannten „Regionalschulen“ zu testen. Nichts anderes fordern wir in einem unserer Anträge. Wir fordern, dass Hauptschüler und Realschüler wohnortnah die Schule besuchen können, indem man Verbünde in den ländlichen Regionen schafft. Wir fordern, dies in jedem Regierungsbezirk an mindestens einem Schulstandort im Rahmen eines Schulversuchs anlaufen zu lassen.
Ein unverzichtbarer Qualitätsansatz ist, dass gerade an den Hauptschulen ein Ganztagsangebot bestehen muss. Was die Bayerische Staatsregierung angekündigt hat, ist völlig unzureichend. Das hat mit Bedarfsgerechtheit und Flächendeckung nicht das Geringste zu tun. Wir fordern deshalb ein Gesamtkonzept für ganz Bayern, das auch die Hauptschulen umfassen soll. Wir wissen, dass unsere Forderungen nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur von großen Frauenverbänden, sondern auch von der Wirtschaft unterstützt werden, die ständig darauf drängt, dass etwas geschehen muss. Ich darf in diesem Zusammenhang beispielsweise an die Aussage von Paul Siebertz, dem Vorstandsitglied der Hypo/Vereinsbank, erinnern, der in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24./25./26.12.2001 ausdrücklich betont hat, dass die in der Pisa-Studie festgestellten Defizite nicht mehr nur durch einen Vormittagsunterricht und vielleicht eine Ganztagsbetreuung von der CSU pro
pagiert wird, ausgeglichen werden können. Erforderlich, so sagt Herr Siebertz sehr dezidiert, sei eine Ganztagsschule mit einem pädagogisch durchgehenden Angebot. Das sollte inzwischen die allgemeine Unterstützung des ganzen Hauses erfahren, damit wir einen gewaltigen Schritt nach vorne kommen.
Es widerspricht aber offenbar immer noch Ihrer rückschrittlichen Ideologie; denn Sie haben immer noch ein bestimmtes Leitbild von Häuslichkeit, welches allerdings schon längst überholt ist. Wir fordern dagegen gemeinsam mit Verbänden, der Wirtschaft, dem Präsidenten des Städtetages und den Gewerkschaften, dass Sie Ihre ideologischen Hemmschuhe endlich ablegen.
Ich möchte an Sie, meine Kollegen von der CSU, mit Nachdruck appellieren, die Hauptschule nicht weiter zu vernachlässigen. Genau das wird nämlich getan. Sie haben in Ihrer Strukturreform einen großen Schwerpunkt eindeutig auf den Ausbau der Realschulen gelegt und dabei den gravierenden Fehler gemacht, die Hauptschulen sträflich zu vernachlässigen. Die Hauptschule hat für uns immer noch einen sehr hohen Stellenwert. Sie bildet Fachkräfte heran, die in der Wirtschaft dringend gebraucht werden; sie erzieht immer noch sehr viele junge Menschen zu lebenstüchtigen, wertvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft. Soziale Probleme müssen, wenn sie rechtzeitig erkannt werden, in den Schulen angepackt werden, die neben dem Elternhaus nach wie vor die wichtigste soziale Instanz im Leben der Menschen sind. Gerade für die Rahmenbedingungen unserer Hauptschulen muss hier wieder etwas mehr getan werden. Wir brauchen jetzt einen speziellen Einsatz für unsere Hauptschule, und zwar bevor sie um ihr Überleben kämpfen muss. Die Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen sind es wert, dass man sich für sie wieder verstärkt einsetzt. Wir dürfen sie nicht weiter alleine lassen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Reformen haben nicht nur zur sechsstufigen Realschule geführt, die vielen Kindern gerecht wird, voll angenommen wird und einen passenden Weg zur Berufsfindung anbietet, sondern sie haben auch für die Hauptschule entscheidende Änderungen mit sich gebracht. Die Reformen an den Hauptschulen sind nach unserer Meinung eine gute Chance für einen hohen Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler in Bayern. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir immer noch in weiten Teilen unseres Landes 30% Gymnasiasten, 30% Realschüler und ca. 40% Hauptschüler als realistisch annehmen können. Jedenfalls ist das in meinem Landkreis so, der ein Landkreis des Ballungsraumes München ist, nämlich Dachau. Da kann man keineswegs davon reden, dass die Hauptschule eine Restschule wäre.
Bei der Vorbereitung unserer Reformen haben wir sehr wohl Vergleiche mit Baden-Württemberg angestellt. Dort herrschen ähnliche Verhältnisse. Das Beispiel der dortigen Werkrealschule, die unseren M-Zügen gleichkommt, zeigt, dass von den an der Hauptschule verbleibenden Schülern etwa 5 bis 10% für den mittleren Abschluss geeignet sind. Unserer Meinung nach ist es in unserem gegliederten Schulsystem wichtig, die Kinder dort zu fördern, wo sie am besten gefördert werden können. Immer wieder wird behauptet, dass die Hauptschule wegen der R 6 in den fünften und sechsten Klassen die so genannten Leistungsträger verliere. Das ist zum Teil richtig. Verantwortungsbewusste Schulleute sagen aber auch, es komme entscheidend darauf an, wie sehr die Hauptschule bereit sei, in der fünften und sechsten Klasse eine neue Leistungsspitze aufzubauen. In einer gut geführten Hauptschule sollten in der fünften und der sechsten Klasse die besten und engagiertesten Lehrer eingesetzt werden. Es ist auch ganz wichtig, wie sehr die Schule dazu bereit ist, den mittleren Abschluss über die M-Züge zu propagieren.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die erste Schulreform in Bayern in den siebziger Jahren oft nur halbherzig durchgeführt worden ist, und dadurch sind viele Teilhauptschulen entstanden, die heute fast nicht mehr existenzfähig sind. Dafür ist nicht nur die Realschule Ursache, sondern Ursache sind auch die Bevölkerungsentwicklung und die alten Sünden, die ich gerade genannt habe.
Nun kurz zu den Anträgen der SPD: Der Antrag auf Drucksache 14/8421 will, dass ab der fünften Klasse in Form von Regionalschulen M-Züge gebildet werden sollen in der Hoffnung, dass damit die Hauptschule erhalten werden könnte. Wir sehen aber darin die Gefahr, dass die Hauptschule dadurch eher geschwächt wird. Wenn dadurch Schüler abgezogen würden, wäre das eine Konkurrenz zu den einzelnen Hauptschulen. Besser wäre es wohl, an den kleineren Hauptschulen bei den Kursangeboten zu bleiben und ab der neunten Klasse an größeren Schulen die Klassenform zu wählen. Nach unserer Meinung sollen ohnehin die Kommunen und der Landkreis selbst je nach den örtlichen Verhältnissen entscheiden? Das hängt wiederum stark von der Bewusstseinsbildung aller Beteiligten ab, von den Eltern, von der Schule oder der Wirtschaft.
Im Antrag auf Drucksache 14/8417 werden flächendeckende M-Angebote gefordert. Das geht, wie gesagt, an der Wirklichkeit vorbei. Derzeit sind in Bayern bereits 412 Hauptschulen mit M-Klassen ausgestattet. 116 Hauptschulen sind voll mit M-Klassen ausgestattet; das sind insgesamt über 1000 Klassen. 20 weitere Schulen waren dafür vorgesehen, aber hier sind die notwendigen Schülerzahlen nicht erreicht worden. Darüber hinaus gibt es 227 Kurse an 132 Standorten. In der Praxis stellt sich oft heraus, dass zwar die Politiker, vor allem die Kommunalpolitiker vor Ort, M-Angebote einführen wollen, aber die Schulleute dem entgegenhalten, dass dafür nicht die richtigen Schüler vorhanden sind und es besser wäre, die geeigneten Schüler an einzelnen Standorten
zusammenzufassen, um ein gutes Angebot zu gewährleisten. Generell werden Klassen einfach Kursen vorgezogen. Der Unterricht in Klassen ist, da er in allen Fächern gegeben wird, für das erhöhte Anforderungsniveau besser geeignet.
Im Antrag auf Drucksache 14/8420 wird die Ausweitung des Arbeitsweltbezugs an Hauptschulen gefordert. Wir alle wissen, dass das, was hier gefordert wird, schon in die Tat umgesetzt ist. Der Lehrplan sieht für das Fach Arbeitslehre handlungs- und projektbezogenen Unterricht vor, sieht eine Kooperation mit der Berufsberatung und der Arbeitsverwaltung vor sowie Betriebspraktika und Praxistage in Betrieben, Werkstätten und Bildungswerken; auch eine Kooperation von Schule und Wirtschaft ist vorgesehen. Die Lehrerbildung ist darauf ausgerichtet; ich sage das, weil dazu ein weiterer Antrag vorliegt.
Weiter wird gefordert, eine Klassenhöchststärke von 25 Schülern festzulegen. Es kommt aber nicht so sehr darauf an, ob eine Schulklasse 23, 25 oder 28 Kinder hat, sondern entscheidend ist, ob umfassende Stundentafeln, aus qualifizierten Lehrplänen erarbeitet, vorhanden sind, ob qualifizierte Lehrkräfte vorhanden sind und ob ein positives Lernklima besteht.
Auch die finanzielle Seite darf man nicht übersehen. Bei einem Durchschnitt von 25 Schülern wären 3800 neue Klassen zu bilden, was immerhin 110 Millionen Euro kosten würde.
Weiter wird gefordert, dass die Mindestzahl für die Klassenbildung bei 12 Schülern liegen soll. Wir wissen alle, dass die Stundentafel in der Hauptschule viele Differenzierungen vorsieht. Diese wären dann nicht mehr möglich. Möglicherweise würde nur noch ein Fach gewählt werden können. Von der Kostenfrage ganz zu schweigen.
Herr Egleder hat die Ganztagsschule angesprochen. Wir meinen, wir brauchen nicht die Ganztagsschule, sondern wir brauchen die Ganztagsbetreuung unserer Kinder. Wir brauchen den Tag über einen Rhythmus, der von Lernen, Üben und Erholen von kognitiven sowie von kreativen und musischen Teilen geprägt ist. Es wäre falsch, zu glauben, dass schulische Leistung, Erziehung und Bildung durch Ganztagsbeschulung allein erreicht würden. Der Rhythmus muss stimmen. Deshalb ist eine Ganztagsbetreuung mit schulischen Angeboten auch am Nachmittag notwendig. Wir muten den Schülern im Tagesrhythmus jetzt schon mehr zu als jedem Arbeitnehmer im Betrieb. Das sollte man nicht vergessen.
Mit der Ganztagsbetreuung wird in den nächsten Jahren schwerpunktmäßig an Brennpunkten begonnen. In einem Programm wird über fünf Jahre hinweg die Ganztagsbetreuung an 750 Schulen eingerichtet.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Narnhammer?
Herr Kollege Thätter, wie definieren Sie den Unterschied zwischen Ganztagsbetreuung und Ganztagsschule? Nach Ihren bisherigen Ausführungen ist mir das nicht klar.
Das Grundproblem bei der Definition ist, dass man versucht, die Ganztagsschule auf die Seite des Kultusministeriums zu schieben. Wir meinen aber, dass Ganztagsangebote Schule und Betreuung umfassen. Das heißt, beide Ressorts müssen zusammenarbeiten. Zum schulischen Unterricht muss in einem guten Rhythmus Sozialarbeit und die Betreuung in Erholungszeiten und Freizeiten hinzukommen. Ich glaube, damit habe ich Ihre Frage beantwortet. Es sind zwei Ressorts, die hier ineinandergreifen müssen, was sie im Übrigen tun.
Ich komme zu den Praxisklassen. Die Praxisklassen in den Hauptschulen erfordern großes Engagement, denn Schüler, die den Bezug zur Schule an sich verloren haben, sollen zurückgeholt werden. Entscheidend ist dabei nicht allein die Ausrichtung auf Praxisteile im Unterricht, sondern der Bezug zur Arbeitswelt durch Praktika und Praxistage in jeder Woche. Nur so können eine positive Einstellung des Schülers zur Schule und eine positive Einstellung der Betriebe und der Betriebsleiter zum Schüler und damit die Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt erreicht werden. In jedem Fall ist dabei eine sozialpädagogische Begleitung vonnöten. Auch das wird eingeführt.
Leider konnten die Praxisklassen nicht überall dort, wo sie notwendig gewesen wären, eingerichtet werden, aber das liegt nicht hauptsächlich an denen, die sie einrichten wollen, nämlich an der Politik, sondern es fehlt am Interesse.
Abschließend und zusammenfassend möchte ich feststellen, die Hauptschulreform ist an sich eine gute Chance für einen Großteil unserer Schüler, aber es ist Bewußtseinsbildung notwendig, nicht nur bei den Schülern, sondern ebenso bei den Eltern, bei den Lehrern und vor allem bei der Wirtschaft.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Situation an unseren Hauptschulen ist prekär, und diese prekäre Situation hat verschiedene Ursachen. Eine Ursache dafür, dass die Schülerzahlen an den Hauptschulen zurückgehen, ist die Einführung der sechsstufigen Realschule. Eine Menge Schülerinnen und Schüler, die vorher in die fünften und sechsten Klassen der Hauptschulen gegangen sind, gehen jetzt in die sechsstufige Realschule. Diese Kinder fehlen an den Hauptschulen.
Die gesamte Entwicklung wird noch verstärkt durch den Geburtenrückgang. Das heißt, dass an vielen Schulstandorten die fünften und sechsten Klassen gefährdet
sind, dass Teilhauptschulen gefährdet sind, dass einzelne Klassen nicht zustande kommen und dass Hauptschulen einzügig werden. Alle diese einzügigen Hauptschulen und Hauptschulen, bei denen Klassenstufen fehlen, sind von der Schließung bedroht, weil das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz besagt, dass Hauptschulen mehrzügig sein sollen.