Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Hoderlein.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Normalerweise mache ich es nicht, aber Ihr Beitrag, Herr Wiesheu, hat es schon verdient, dass ich noch einmal darauf antworte. Sie haben gesagt, ich hätte nichts zur Maxhütte gesagt, sondern nur Polemik betrieben. Wir haben noch mehr Redner auf der Liste, und wer wann was sagt, bestimmen wir, nicht Sie. Zweitens haben wir einen Antrag eingereicht, in welchem steht, was wir wollen. Den haben Sie aber offensichtlich nicht gelesen.

Im Übrigen haben Sie genau dasselbe gemacht. Wenn Sie nachher das Protokoll lesen, werden Sie feststellen, dass Sie zur Maxhütte noch viel weniger gesagt haben.

(Beifall des Abg. Wahnschaffe (SPD))

Das kann Ihnen aber nicht verziehen werden. Uns könnte es nur nicht verziehen werden, wenn unsere Folgeredner auch nichts sagen würden. Ihnen kann es aber nicht verziehen werden, denn vorgestern haben Sie im Bulletin der Staatsregierung angekündigt, dass Sie heute zur Maxhütte etwas sagen werden. Sie haben es jetzt nicht getan.

Ich habe nicht gesagt, dass Sie am Niedergang der Maxhütte schuld sind. Sie haben diese Situation durch eine verfehlte Politik mitverursacht bzw. mitzuverantworten, und zwar nicht erst jetzt, sondern schon früher. Sie haben auch kein Konzept zur Rettung vorgelegt, und das kann Ihnen nicht verziehen werden.

(Beifall bei der SPD)

Auf einen zweiten Punkt muss ich eingehen. Ich habe Ihnen anhand von Zahlen und Zitaten dargelegt wie sich die Pleiten, Insolvenzen und die Arbeitslosenentwicklung in den letzten 12 bzw. 18 Monaten in Bayern entwickelt haben. Ich habe dabei die Zahl 4000 genannt. Dass Nordrhein-Westfalen, ein wesentlich größeres Land, eine höhere absolute Zahl hat, ist doch wohl klar. Deswegen brauchen wir Bezugszahlen. Die Pleiten sind in Bayern um 28% gestiegen, in Deutschland dagegen nur um 14%. Wir haben damit eine doppelt so hohe Insolvenzrate als in Deutschland insgesamt. Dieser länderscharfe Befund hat schon etwas mit Länderpolitik zu tun, und dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Sie müssen aber auch die Ausgangslage sehen!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Hoderlein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dinglreiter? – Bitte.

Herr Kollege Hoderlein, wie stehen Sie zu der Aussage, dass von den 40000 Insolvenzen, die für ganz Deutschland zu erwarten sind, 4000, also 10% in Bayern stattfinden? Würden Sie angesichts dieser Zahlen die Kritik, dass Bayern überdurchschnittlich schlecht ist, auch noch aufrecht erhalten?

Meine Kritik bezieht sich auf die Dynamik der Entwicklung der letzten 12 bis 18 Monate. Das gilt für die Arbeitslosigkeit und für die Insolvenzen.

(Willi Müller (CSU): Man muss doch von den Ausgangszahlen ausgehen, und die waren niedriger!)

Ich möchte einen biblischen Vergleich anstellen – Sie kennen das Gleichnis: Sie haben fünf Talente geerbt, und deshalb müssen Sie daran gemessen werden, was Sie mit den fünf Talenten gemacht haben. Andere haben nur zwei Talente und haben drei daraus gemacht. Sie haben dagegen fünf geerbt und drei verloren. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und den anderen.

(Beifall bei der SPD)

Weiter haben Sie gesagt, dass die 4000 in Bayern zu erwartenden Pleiten Schrödersche Pleiten sind. Auf diese Aussage habe ich gewartet. Diese Zahl 4000 ist – in absoluten Zahlen gerechnet – die zweithöchste Pleitenzahl, die es in der Nachkriegsgeschichte Bayerns gab. Es gab einen einzigen Fall, in dem es mehr als 4000 Pleiten gab, das waren die Jahre 1992 bzw. 1993. Damals war die Pleitenzahl in Bayern noch höher. Herr Wiesheu – Sie sind zwar jetzt nicht da –, nach Ihrer Logik müssten aber die 4400 Pleiten von 1992 und 1993 Herrn Kohl zuzurechnen sein, wenn jetzt die 4000 Pleiten Schrödersche Pleiten sind. Das kann aber doch nicht Ziel Ihrer Argumentation sein.

Es ist doch unbestritten, dass sich in Bayern, das bisher auf einem gesunden Sockel stand, in den letzten 18 Monaten bei der Arbeitslosigkeit und bei den Insolvenzen eine dramatische, überdurchschnittlich negative Entwicklung abgezeichnet hat, die auch deutlich vom westdeutschen Bundesdurchschnitt abgekoppelt ist. Diese Entwicklung kann nur landestypische Ursachen haben, weil alle Bundesländer von denselben bundespolitischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen umgeben sind. Dazu müssten Sie etwas sagen, das haben Sie aber nicht getan.

Eine letzte Bemerkung im Zusammenhang mit meinem Vorwurf, der sich gegen die „Symptome“ der Maxhütte richtet. Wir sind ganz entschieden für die Förderung von High-Tech-Branchen. Sie haben Informations- und Kommunikationstechniken genannt, Bio- und Gentechnologie, neue Materialien, Medizintechnik usw. Das ist völlig in Ordnung. Es ist auch ganz klar, dass diese Bereiche langfristig eine hohe Wachstumserwartung haben. Deswegen macht es Sinn, sowohl unter Prosperitätsge

sichtspunkten als auch unter Gesichtspunkten des Arbeitsmarktes diese Technologien zu fördern.

Ich werfe Ihnen allerdings vor, dass Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik und mit Ihren Privatisierungserlösen ausschließlich auf diese drei oder vier von Ihnen als Zukunftsbranchen definierten Zweige setzen. Dazu sagen Ihnen die Wissenschaftswissenschaftler folgendes: Wegen des hohen Produktivitätsfortschritts, welchen diese Branchen haben, brauchen sie zweistellige Wachstumsraten in Höhe von 10 bis 12%, um in diesen Branchen genauso viele Arbeitsplätze schaffen zu können wie in den arbeitsintensiveren klassischen Branchen. Diese Wachstumszahlen werden Sie aber nicht erzielen. Und deswegen brauchen Sie einen Mix aus Strukturwandelbegleitung und Förderung neuer Branchen, welchen Sie aber nicht haben. Sie müssen die neuen Branchen, die New Economy fördern.

Gleichzeitig brauchen Sie aber ein vernünftiges Konzept für die Überführung der vom Strukturwandel betroffenen klassischen Industrien. In den klassischen Industrien brechen Ihnen derzeit in Bayern doppelt so viele Arbeitsplätze weg, wie Sie über die New Economy an anderer Stelle aufbauen können. Ihr Konzept besteht ausschließlich darin, dass Sie Mittel der LfA und anderer Anstalten dafür verwenden, Liquiditätsbeihilfen für die kritischen klassischen Unternehmen bereitzuhalten. Das rettet die Unternehmen in ihrer Liquidität nur über das – vielleicht – nächste halbe Jahre hinweg. Sie begründen damit aber keinen Strukturwandel, der für diese Branchen dringend notwendig wäre. Deshalb haben wir in der Porzellanindustrie, in der Keramikindustrie, im Textilgewerbe und auch bei der Stahlproduktion diese Probleme. Sie haben kein Konzept, welches nach vorne weist.

Eine letzte Bemerkung in dem Zusammenhang: Herr Kollege Runge, Ihre Vorschläge sind Neoliberalismus, der ein bisschen grün lackiert ist.

(Beifall bei der SPD)

Ökologisch Besserverdienende argumentieren so wie Sie. 1987 hatten wir durchaus die Chanche, der Maxhütte als Stahlproduzent durch einen vernünftigen Strukturwandel, wie er gerade beschrieben wurde, eine Zukunft zu geben.

Das ist 2002, 15 Jahre später, nicht mehr so.

Ihr Konzept, den Hochofen abzuschalten und daneben eine Solarfabrik zu bauen, mag vielleicht visionär sein, war aber aus damaliger Sicht weder für die Beschäftigten noch für die Region am vernünftigsten. Hätten wir damals vernünftige, den Strukturwandel begleitende Maßnahmen durchgeführt, hätten wir die Maxhütte als Edelstahlproduzenten und nicht als Massenproduzenten vielleicht am Leben erhalten können. Nordrhein-Westfalen schafft das heute noch. Dort stehen solche Hütten dutzendweise. Trotzdem schaffen sie es durch vernünftige Strukturwandel-Politik diesen Hütten auf kleiner Basis eine Zukunft zu geben. Das fehlt in Bayern. Sie hätten das eigentlich verstehen können. Aber die Probleme sind so, dass Sie sie lieber nicht verstehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Sackmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Hoderlein, die Tatsache, dass Sie das zweite Mal ans Mikrofon treten mussten, um zur Maxhütte etwas zu sagen, zeigt, dass Sie vorhin das Thema verfehlt haben. Es ist schade, dass Sie, Herr Kollege Hoderlein, eine solche Veranstaltung benutzen, um auf dem Rücken der dort Beschäftigten, die große Existenzsorgen haben, Wahlkampf zu betreiben.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Erlauben Sie mir, dass ich auf Ihre Vorhaltungen eingehe. Sie haben in Ihren Ausführungen die Staatsregierung geprügelt, weil Sie in der Oberpfalz angeblich viel falsch gemacht habe und man vieles hätte besser machen können. Ich bin Abgeordneter aus der Oberpfalz und stolz darauf. Ich kann auf vieles verweisen, was wir im Landtag zum Wohle der Oberpfalz entwickelt haben.

Es wurde bereits erwähnt, dass im Sulzbach-Rosenberger Raum nicht nur die Maxhütte Sorgen macht, sondern dort sehr viele Aussiedler integriert werden müssen. Trotzdem wurden dort besonders viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Das Plus beträgt bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen 14% in Sulzbach-Rosenberg oder gar 27% im Landkreis Amberg. Dies zeigt, dass die Strukturpolitik und die Maßnahmen gegriffen haben und dass auch diese Region zu den Aufsteigerregionen in Bayern gehört.

Die Oberpfalz ist eine Aufsteigerregion. Das ist ein entscheidender Wandel, der in den letzten Jahren bei uns eingetreten ist. Vor vielen Jahren waren wir noch das Armenhaus. Im Jahre 1985 hat eine Zeitung einen Artikel betitelt „Der Kältepol im Arbeitsmarkt liegt im Landkreis Cham, in Kötzting“. Inzwischen sind wir Aufsteigerregion und Aufsteigerlandkreis geworden. Das ist unter anderem und gerade wegen der Strukturpolitik der Staatsregierung und den richtungsweisenden Entscheidungen im Bayerischen Landtag zu verdanken. Wir aus der Region sagen dafür danke schön, weil wir diese Erfolge gemeinsam vorweisen können.

(Beifall bei der CSU)

Ein paar Zahlen dazu: Beim Bruttoinlandsprodukt hat die Oberpfalz in den letzten Jahren ein Plus von 29% erreicht und bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen ein Plus von 26%. Das liegt weit über dem Durchschnitt des Landes Bayern und auch des Bundes. Darüber hinaus sind viele Millionen Euro in die Region geflossen; fast eine halbe Milliarde Euro für die Regionalförderung und 315 Millionen Euro für das Mittelstandskreditprogramm. Damit wurden nicht nur neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern an die 70000 Arbeitsplätze gesichert und in der Region neue Akzente gesetzt.

Lassen Sie mich auf ein paar Beispiele eingehen: Zunächst Schwandorf.

(Zuruf des Abg. Schindler (SPD))

Im Schwandorfer Raum hatten wir die Probleme der Maxhütte in Haidhof, mit dem Braunkohlebergbau und auch wegen der entgangenen Möglichkeiten durch die nicht gebaute WAA in Wackersdorf. Damals gab es seitens der Oppositionsparteien Vorschläge, das WAA-Gelände zu einem Kartoffelacker zurückzubilden, wieder aufzuforsten oder einen Flughafen zu bauen. Herr Kollege Schindler, Sie kennen die Aussagen. Fakt ist, dass vor Ort bis heute fast 3000 neue hoch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen wurden, die in dieser Region bisher nicht vorhanden waren.

(Beifall bei der CSU)

Die Maxhütte in Haidhof wurde ebenfalls vor Jahren geschlossen. Sie war ein großes Sorgenkind. Bis zum heutigen Tage hat z. B. die Firma Läpple fast 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Das zeigt, dass Positives für die Region erreicht wurde.

Lieber Herr Kollege Hoderlein, Sie haben vor kurzem meinen Stimmkreis besucht und auf die Fragen, was Sie zur Region und zum Landkreis sagen können, bemerkt, das überließen sie denen vor Ort, weil die sich besser auskennten. So schreibt eine der Zeitungen über den Besuch des Landesvorsitzenden der SPD im Landkreis Cham. Herr Kollege Hoderlein, Sie waren in der Heimatstadt des Landratskandidaten der SPD, der dort nicht einmal in den Stadtrat gewählt wurde und als Landratskandidat nicht einmal 9% der Stimmen erhalten hat. Das zeigt, dass die SPD mit ihrer Politik, nämlich überall verbrannte Erde zu betreiben und alles schlecht zu reden, keinen Anklang gefunden hat. Die Bürgerinnen und Bürger haben vielmehr diejenigen unterstützt, die neue Akzente gesetzt und die eine Aufsteigerregion erreicht haben.

(Zuruf der Frau Abg. Werner-Muggendorfer (SPD))

Darauf bin ich stolz. Das will ich deutlich sagen.

(Beifall bei der CSU)

Ich wundere mich – Frau Kollegin Lück und andere sind da –, dass Sie damals, als es um die Schließung der Bundeswehrstandorte ging, keine Sondersitzung und keine Aktuelle Stunde beantragt haben. Sie haben lediglich hämisch dazwischengerufen, als darüber gesprochen wurde, dass Ihre Bundesregierung Tausende von Arbeitsplätzen schließen wolle.

(Mehrlich (SPD): Wahlkampf!)

Ich möchte hier Kötzting nennen, eine Stadt in einer Region, die nicht zu den ganz großen Hightech-Standorten zählt. Im Bundeswehrstandort Kötzting, den die Bundesregierung schließen möchte, sind 310 Personen beschäftigt, in Hemau, Landkreis Regensburg, sind es über 1000 Arbeitsplätze für Soldaten und Zivilpersonen. Dazu haben Sie weder heute noch damals etwas

gesagt, obwohl es sich um über 1300 Arbeitsplätze handelt, deren Abbau die von Ihnen geführte Bundesregierung zu verantworten hat. Ich bin froh, dass die Oberpfalz, in der wir leben, eine Aufsteigerregion geworden ist.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Werner Schieder.