Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Werner Schieder.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Fall Maxhütte ist insofern ein außergewöhnlicher Sonderfall, als es das einzige Stahlwerk in Bayern ist und es die Staatsregierung trotz jahrelanger Bemühungen nicht verstanden hat, diesen einzigen Stahlstandort in Bayern zu sichern. Nach dem Aus der Maxhütte ist sie mit ihrem Vorhaben ganz eindeutig gescheitert.

Der Sonderfall Maxhütte besteht auch darin, dass es sich nicht um irgendein Unternehmen handelt, für das die Staatsregierung mit ihren Sanierungsbemühungen als Moderator auftritt und versucht, das Unternehmen zu stützen, sondern der Freistaat Bayern ist Mitgesellschafter und damit Mitunternehmer der Maxhütte und deswegen in ganz herausragender und exponierter Verantwortung. Dieser Verantwortung ist die Staatsregierung nicht gerecht geworden.

(Hoderlein (SPD): Das ist der springende Punkt! – Beifall bei der SPD)

Ich will die vielfältigen Bemühungen des Freistaates Bayern, des Haushaltsausschusses und der Staatsregierung durchaus anerkennen, denn es ist nicht wenig Geld bereitgestellt worden. Trotzdem muss sich die Staatsregierung kritische Fragen gefallen lassen. Ich will dazu zwei Punkte nennen:

Das Erste ist Folgendes, meine Damen und Herren! Warum ist das Projekt letztendlich gescheitert? – Man könnte viele Dinge als objektiven Hintergrund aufzählen. Vieles mag durchaus korrekt sein. Entscheidend ist aber Folgendes: Unseres Erachtens nach war der entscheidende Fehler, dass der Eigner der Lech-Stahlwerke, Herr Aicher, von der Staatsregierung als Mitgesellschafter in das Boot genommen worden ist. Diese strategische Weichenstellung war falsch, das war der entscheidende Fehler,

(Beifall bei der SPD)

denn dieser Mitunternehmer hatte, was von Anfang an erkennbar war, kein Interesse an der Fortführung und dem Wiederaufbau der Maxhütte, sondern er hat nur egoistische Eigeninteressen vertreten. Dafür trägt die Staatsregierung eindeutig die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Das Zweite in dem Zusammenhang ist Folgendes: Hier wurde schon kurz erwähnt, dass der Ministerpräsident im März 2000 nicht irgendwo, sondern Aug‚ in Aug‚ mit

der Belegschaft der Maxhütte vor Ort eindeutige Erklärungen abgegeben hat. Diese lauteten: Jetzt haben wir eine Lösung. Die Lösung heißt E-Ofen. Die Maxhütte hat Zukunft. Die Maxhütte werde jetzt vom Ministerpräsidenten zur Chefsache gemacht und erklärt, das Unternehmen werde deshalb erfolgreich sein.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor diesem Hintergrund ist das jetzige eindeutige Aus der Maxhütte eine riesengroße Blamage für den Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der SPD)

Eigentlich kann man nur eine Schlussfolgerung daraus ziehen: Einer Sache kann nichts Schlimmeres passieren, als dass sie der Ministerpräsident zur Chefsache erklärt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Schließung der Maxhütte ist zweifelsohne ein außerordentlicher wirtschaftlicher Schock für die gesamte Region und die Oberpfalz insgesamt. Es geht nicht nur um die 850 betroffenen Arbeitnehmer, sondern auch um die Zulieferer und Handwerker. Wegen der wirtschaftlichen Verflechtungen sind es weit über 2000 Arbeitnehmer, die betroffen sein werden.

Das ist umso dramatischer, als im Gegensatz zu Ihrer Schönrednerei, Herr Kollege Sackmann oder wer auch immer das vorgetragen hat, von einer Aufsteigerregion Oberpfalz nicht die Rede sein kann und insbesondere die nördliche Oberpfalz eine der strukturschwächsten Regionen in Bayern ist. Das muss einmal festgehalten werden. Ich weiß, dass Sie in der Oberpfalz zu Hause sind. Ich weiß aber nicht, ob Sie überhaupt noch ein Gefühl dafür haben, was die Menschen in dieser Region, insbesondere in den von mir angesprochenen Teilen, denken und vor welch ungeheuren Schwierigkeiten bezüglich der Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze usw. diese Menschen stehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich verweise noch kurz auf den Dringlichkeitsantrag der SPD und bitte Sie, diesen Antrag zu unterstützen. Es ist völlig klar, dass wir zunächst einmal soziale Auffanglösungen unter anderem in Form von Beschäftigungsgesellschaften fordern. Das muss der Freistaat Bayern finanziell unterstützen und sichern. Es ist notwendig, dass der Abbau der Industrieanlagen mit Ausnahme der Teile, die z. B. unter Denkmalschutz stehen, und der Rückbau des Geländes einschließlich der Altlastenbeseitigung zügig vonstatten gehen. Denn es kommt darauf an, das Gelände frei zu machen, um neue Möglichkeiten zu schaffen.

Die Sanierung des Schlackenbergs wird wahrscheinlich die Aufgabe einer ganzen Generation sein. Diese Sanierung muss der Freistaat Bayern als Eigentümer und unter eigener Regie durchführen. Es wäre völlig verkehrt, dies einem anderen zu übereignen, auch nicht einer Gebietskörperschaft. Dann geht es nämlich mit Genehmigungen usw. hin und her. Der Freistaat Bayern

muss unbürokratisch und auf direktem Wege seine Verantwortung übernehmen.

Meine Damen und Herren, sehr wichtig ist für uns Folgendes: Die Stadt Sulzbach-Rosenberg und der Landkreis Amberg-Sulzbach sind an die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit gelangt. Herr Kollege Sackmann, auch das sollten Sie sich einmal bei Ihrem – entschuldigen Sie, wenn ich das sage – blöden Gerede von der Aufsteigerregion vor Augen halten.

(Beifall bei der SPD)

Die Gebietskörperschaften stehen vor enormen finanziellen Problemen. Die Stadt Sulzbach-Rosenberg hat eine Verschuldung pro Einwohner von 2500 e. Das ist die Grenze der Belastbarkeit. Diese Verschuldung resultiert nicht daraus, dass die Stadt schlecht gewirtschaftet hätte, sondern weil sie in der Vergangenheit ungeheure Mittel für begleitende Maßnahmen im Zusammenhang mit der Maxhütte aufgewendet hat.

Ein Sonderprogramm ist für die Region notwendig, um einen neuen Technologie- und Industriepark zu schaffen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen und zukunftssichere Unternehmen anzusiedeln. Gleichzeitig ist erforderlich, die gesamte Region 6 in ein Aufbau- und Förderprogramm einzubinden. Das muss die Staatsregierung leisten, und solange Sie keine Sensibilität für die Probleme dieser Region zeigen, werden Sie diese Aufgabe nicht sachgerecht lösen können.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Donhauser das Wort. Ich erinnere daran, dass wir in der Aktuellen Stunde sind und nur Fünf-Minuten-Beiträge zulässig sind, nicht aber sieben- oder siebeneinhalbminütige Beiträge. Bitte, Herr Kollege Donhauser.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ein regelrechtes Sammelsurium von Argumenten, das ich in der letzten Viertelstunde von Herrn Hoderlein und Herrn Schieder gehört habe. Alles, was in den letzten 15 Jahren geschehen ist, wird in einen Topf geworfen, umgerührt, und dann werden einige Argumente herausgezogen. Den 850 Menschen vor Ort, die ihre Arbeitsplätze verlieren, –

(Gartzke (SPD): Die wissen, wer schuld ist!)

und die 500 Menschen der Zulieferbetriebe, die ihren Arbeitsplatz verlieren werden, ist mit diesen Aussagen überhaupt nicht geholfen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Mit Ihren auch nicht!)

Die stehen morgen auf der Straße, und den Menschen hilft das Sammelsurium von Argumenten überhaupt nicht. Das Thema der Aktuellen Stunde ist die Maxhütte. Dieses Thema wird aber auf ganz andere Bereiche ausgeweitet. Natürlich wissen wir, dass die Maxhütte und

auch andere Betriebe hätten gerettet werden können, wenn nicht die vorgegebenen bundesdeutschen Rahmenbedingungen, die in den letzten vier Jahren geschaffen worden sind, derart schlecht gewesen wären.

Lassen Sie mich nun zu den eigentlichen Problemen kommen. Das eine Problem betrifft sicherlich die Arbeitnehmer. Der Verlust ihrer Arbeitsplätze ist schlimm genug, man muss aber das Ganze in einem größeren Zusammenhang sehen. Wenn Lösungen gesucht werden, darf man Stadt Sulzbach-Rosenberg nicht isoliert betrachten, sondern muss man auch die Stadt Amberg und den Markt Hahnbach, die Gemeinden Poppenricht, Edelsfeld, Königstein, Birgland, Illschwang und Ammerthal einbeziehen. Diese Ortschaften, aus denen die Arbeitnehmer kommen, müssen einbezogen werden, wenn wir an Lösungen herangehen.

Das Problem Maxhütte selbst steht seit 15 Jahren zur Lösung an. In diesen 15 Jahren wurden Tausende von neuen Arbeitsplätzen in dieser Region geschaffen. Dies geschah dank der Staatsregierung, der CSU-Fraktion und vor allem engagierter Unternehmer, die bereit waren, in der Umgebung und in Sulzbach-Rosenberg selbst neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen.

Ich lese die örtliche Zeitung. Manche Mandatsträger, die heute geredet haben, lesen die örtliche Zeitung wahrscheinlich nicht. Mir ist das Lob an die Staatsregierung, an den Ministerpräsidenten und an Herrn Wiesheu nicht entgangen.

(Dr. Klaus Hahnzog (SPD): Und an Donhauser!)

Dieses Lob kam nicht nur von der CSU, sondern auch vom Betriebsrat, den Gewerkschaften und vom Bürgermeister. Ich kann mich sehr gut an den Dank des Bürgermeisters Geismann an Otto Wiesheu erinnern. Das Lob war nicht zu überhören. Wer das nie begriffen hat, das war die Landtags-SPD. Ich denke an die Eifrigsten, zu denen auch der neue Landrat gehört. Er hat gesagt, er stehe nicht unvorbereitet da, sondern das Landratsamt werde die Altlasten, außer dem Schlackenberg, und die Sanierung des Geländes übernehmen. Diese Verantwortung wollte er auf sich nehmen. Das betrifft eine Größenordnung von 50 bis 60 Millionen DM, die der neue Landrat mit seinem Landratsamt einfach übernimmt. Wenn jemand das tut, dann hat er keine Ahnung.

Die Region muss unabhängig von der NMH umgebaut werden. Der Hochofen, die Produktion, der Schlackenberg und die 86 Hektar müssen isoliert gesehen werden. Der nächste Schritt besteht darin, die Umstrukturierung sozialverträglich vorzunehmen und taugliche Arbeitsplätze zu schaffen. Die Maßnahmen zur Gegensteuerung, die in 15 Jahren unter Federführung unserer Wirtschaftsminister getroffen worden sind, müssen weitergehen. Dabei darf nicht nur die Stadt Sulzbach-Rosenberg, sondern muss darüber hinaus die gesamte Region gesehen werden. Dann erhält die Region Amberg-Sulzbach wieder eine Zukunft.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat jetzt Herr Kollege Appelt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst eine kleine Anmerkung zum Herrn Kollegen Donhauser, der den vormaligen Landtagskollegen Nentwig angesprochen hat. Er hat davon gesprochen, dass der neue Landrat des Landkreises Amberg/Sulzbach-Rosenberg nun für die 50 Millionen Euro aufkommen will, für das Geld, das man braucht, um einen Teil der Probleme zu lösen, die dort vorhanden sind. Ich glaube, Herr Kollege Donhauser hat heute und hier wider besseres Wissen gesprochen, wenn er diese Auskunft gibt, bzw. diese Feststellung trifft.

(Beifall bei der SPD)

Das Landratsamt kann selbstverständlich nur insofern die Verantwortung übernehmen, dass es die Koordination für die Regelungen zur Lösung der Misere überwacht, die hier verursacht wurde.

(Beifall bei der SPD)

Soviel als kleine Anmerkung hierzu. Nun zu meinem eigentlichen Redebeitrag. Kolleginnen und Kollegen, der bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber versicherte den Stahlwerkern der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg wiederholt, er lasse die Beschäftigten der Maxhütte nicht im Stich. Wie sich jetzt herausstellt, war diese Aussage aber nicht ernst zu nehmen. Misstrauisch hätte man eigentlich schon werden müssen, als der Ministerpräsident kein Konzept vorlegte, wie das Stahlwerk auch langfristig gesichert werden könnte, und wie man von der Zuschusspolitik nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“ wegkommen könnte, hin zu einer Wirtschaftswachstumspolitik. Deshalb kamen auch Zweifel auf, Zweifel an der Wirtschaftskompetenz von Dr. Edmund Stoiber. Diese Zweifel wurden in den letzten Tagen besonders laut, durch Herrn Brüderle von der FDP und durch Lothar Späth, den gescheiterten ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Bernhard (CSU): So ein Quatsch! – Unruhe im ganzen Haus)

Beide haben direkt oder indirekt die Wirtschaftskompetenz von Herrn Stoiber bezweifelt.

(Mehrlich (SPD): Genau, als Ministerpräsident gescheitert! – Frau Stamm (CSU): So ein Blödsinn! – Unruhe im ganzen Haus)

Ich würde gerne weitermachen.