Protokoll der Sitzung vom 17.07.2002

Wir haben über 100 Stunden in der Grundschule, während die Stundentafel in SPD-regierten Ländern auf 10 oder gar 15 Stunden weniger zurückgefahren worden sind.

Genauso wichtig wie die sozialen und familiären Belange sind für uns Leistungsförderung und Unterrichtsqualität. Ich werde dies anhand der Pisa-Kategorien Lesekompetenz, mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz verdeutlichen. Sie alle wissen, dass Bayern in allen drei Bereichen auf Platz eins liegt.

Bei der Lesekompetenz – und da möchte ich etwas Besonderes hervorheben, wofür wir von der SPD immer so kritisiert wurden – wurde das Ermitteln von Informationen aus Texten, das textbezogene Interpretieren und das Reflektieren und Bewerten abgeprüft. Bayerische Schülerinnen und Schüler liegen immer zwischen acht und zehn Punkten vor dem nächstplatzierten Land – das ist Baden-Württemberg – und zwischen 55 und 74 Punkten vor dem letztplatzierten Bremen.

(Hofmann (CSU): Ei, ei, ei!)

Das sind Welten. Die 74 Punkte beziehen sich übrigens auf die schwerste Kategorie, auf das Reflektieren und das Bewerten von Texten. Da hat Bayern auch gegenüber Ländern wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen einen Vorsprung von 27 bis 35 Punkten, was ungefähr einem Jahr entspricht.

Das heißt, der Deutsch-Unterricht ist bei uns in allen Schularten anspruchsvoll und vielschichtig. Jetzt möchte ich Herrn Hoderlein ganz laut und deutlich nach der „Münchner Runde“ sagen: Es kann also keine Rede davon sein, dass nur Kreuzworträtselwissen, Herr Hoderlein, in Bayerns Schulen geübt wird oder, Herr Dürr, nur Paukschulen in Bayern existieren. Es wirft ein bemerkenswertes Licht auf die Kompetenz und den bildungspolitischen Durchblick des Bundeskanzlers, wenn er sich zum bekennenden Nichtleser erklärt, und das unmittelbar nach Pisa.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Bei uns lesen die Kinder, auch die Buben, wesentlich häufiger zum Vergnügen als in anderen Ländern. Ich erinnere mich noch genau an vergangene Debatten, in denen es hieß, bei uns würden nur unzusammenhängende Details gelehrt, die Schüler könnten nicht bewerten, sie könnten nicht reflektieren, sie könnten das alles nicht, in SPD-regierten Ländern sei das alles besser. Pisa hat uns das Gegenteil gelehrt.

(Beifall bei der CSU)

Künftig werden wir die Lese- und die Sprachkompetenz, aber auch die Grundlagen und die Vorbereitung für das mathematische und das naturwissenschaftliche Wissen bereits im Kindergarten vorbereiten. Meine Kollegin Christa Stewens hat vor wenigen Tagen einen sehr beachteten und mittlerweile deutschlandweit abgefragten, von der Bundesbildungsministerin mittlerweile erwünschten zukunftsweisenden Bildungsplan für Kindergärten vorgestellt, der neben der sozial-emotionalen auch die kognitive Förderung und altersgerechtes Lernen stärker unterstützt. Ich finde es interessant, dass die Bundesbildungsministerin jetzt gerne einen Bildungsplan in Auftrag gegeben hätte, den sie aber in Bayern nur noch abholen muss, weil die Wissenschaftler, die sie beauftragen wollte, diesen bereits für uns erarbeitet haben.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es gibt ihn doch noch gar nicht!)

Wir geben es ja gern her. Ich habe kein Problem damit. Aber dann tun Sie bitte nicht so, als wäre Bayern rückständig.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Auf der einen Seite ist der Bund nicht zuständig, und dann, wenn er sich für zuständig erklärt, ist es auch nicht recht!)

Damit wird auch der Übergang in die Grundschule und deren erfolgreicher Besuch erleichtert.

Darüber hinaus wird es neue Formen gezielter Sprachförderung im Kindergarten und in der Grundschule geben. Wir beginnen mit rund 60 Projekten.

Bayern hat das richtige Konzept zur Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten beim Erlernen der Sprache, des Lesens und Schreibens. Unsere mobilen sonderpädagogischen Dienste sind deutschlandweit anerkannt und vom Konzept her auch vielfach übernommen. Sie wurden in den letzten Jahren kontinuierlich, vor allem auch dank des Aktionsprogramms Förderschulen der CSU-Landtagsfraktion, ausgebaut. Wir wollen diesen Weg weiter fortsetzen. Die mobilen sonderpädagogischen Dienste sind noch nicht so vollständig vorhanden, wie wir sie vielleicht bräuchten, aber wesentlich breiter vorhanden als in jedem Ihrer Länder. Dieses Förderangebot soll ausgebaut werden.

Bayern hat im Gegensatz zu einigen SPD-regierten Ländern den so genannten Sprachheillehrer – so hat er früher geheißen – nie abgeschafft. Gerade diese Lehrkräfte mit einem Studium in Sprachbehindertenpädagogik werden uns bei einem im Rahmen von Pisa zutage getretenen besonderen Defizit wertvolle Hilfe leisten können. Wir werden die Diagnosefähigkeit unserer Lehrer und Erzieher in der Sprachkompetenz verbessern und die Fortbildung und das Netz der Beratung dafür ausbauen. Dazu bedarf es der Spezialisten. Wer die Fakultäten abgeschafft hat, wer die entsprechenden Studiengänge abgeschafft hat, wer die Wissenschaftlichkeit hierzu abgeschafft hat, kann auch die Kompetenz nicht schaffen. Auch da werden sich einige wieder an Bayern wenden müssen.

Für alle Schularten wird es Beauftragte für die Leseförderung geben. Sie sollen Schulen beraten, regionale literarische Wettbewerbe durchführen und auch Lesereisen für Schülerinnen und Schüler organisieren.

Auch in Mathematik unternehmen wir seit langem Anstrengungen, wie der bereits vor mehreren Jahren überaus erfolgreich eingeführte Landeswettbewerb Mathematik beweist. Bayern stellt mittlerweile im Bundeswettbewerb Mathematik jedes Jahr deutlich überproportional Preisträger und Preisträgerinnen. Das SinusProjekt zur Steigerung der Effizienz des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts bringt hervorragende Ergebnisse mit zukunftsweisenden Methoden. Ab dem nächsten Frühjahr wird es auf ganz Bayern ausgeweitet. Um das technische Verständnis und die naturwissenschaftliche Bildung zu stärken, wird in der Unterstufe das Fach „Natur und Technik“ neu eingeführt. Darüber hinaus wird es mit der neuen Stundentafel Informatik als reguläres Unterrichtsfach an allen bayerischen Gymna

sien geben – dies ist allerdings einmalig in Deutschland. Außerdem werden wir sowohl den Physik- als auch den Chemieunterricht ausweiten, das heißt, wir werden die Stundentafel und den Unterricht insgesamt ausweiten. Dies ist im Parlament bereits verabschiedet worden. Ich bedanke mich dafür; denn jeder weiß, was damit in den nächsten Jahren auch finanziell verbunden ist.

In allen Schularten und Fächern werden wir weiter die Sicherung des sprachlichen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenwissens, die Anhebung des allgemeinen Anspruchsniveaus und die Stärkung des selbstregulierten Lernens vorantreiben.

Des Weiteren wollen wir die Schulen in ihrer Eigenverantwortung stärken. Der seit dem Ende der Neunzigerjahre eingeleitete Prozess der inneren Schulentwicklung mit den drei Grundpfeilern Steigerung der Unterrichtsqualität, Verbesserung der Teamentwicklung im Lehrerkollegium sowie Koordination zwischen Elternhaus und Schule weist hier den richtigen Weg. Je mehr Freiheit und Eigenverantwortung die Schule hat, desto mehr müssen regelmäßige externe und interne Evaluation und Qualitätsüberprüfung zur Selbstverständlichkeit werden.

(Beifall bei der CSU)

Dabei geht es vor allem um die Selbstkontrolle der einzelnen Schulen und um eine Rückmeldung an die Schulaufsicht als beratende Instanz, ob alle Schulen die gesetzten Standards erreicht haben. Wo dies nicht der Fall ist, wird oder muss die Schule in geeigneter Weise unterstützt oder auch aufgefordert werden.

Pisa erlegt Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern die Verpflichtung auf, sich gemeinsam an dem Streben nach mehr Qualität zu beteiligen. Ich füge hinzu: Dies ist auch ein Bekenntnis dieser Gesellschaft zur Bildung. Eine Gesellschaft, die das Bekenntnis zur Bildung nur als Lippenbekenntnis abgibt, wird letztendlich keine gebildeten Kinder bekommen.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte im Zusammenhang mit dem Thema „Schule in Eigenverantwortung“ aber sehr deutlich sagen, dass damit nicht die Lieblingsbeschäftigung von SPD und GRÜNEN seit den Siebzigerjahren gemeint ist, basisdemokratische Mitwirkungsdebatten zu führen. Gemeint ist vielmehr, im Rahmen der inneren Schulentwicklung konkret Verantwortung für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen zu übernehmen.

Dies sind nur einige und wenige Maßnahmen – das können sie auch nur sein – aus dem großen Katalog unserer Maßnahmen zur Steigerung der Qualität unseres Bildungswesens. Es ist nicht möglich, alle Maßnahmen aufgrund Pisa und zur Qualitätssteigerung aufzuzählen, da es sich um ein großes Paket handelt und viele kleine Schritte und auch manche größeren Schritte notwendig sind.

Wir setzen auf die innere Schulentwicklung, auf neue wissenschaftlich begleitete Orientierungsarbeiten und Jahrgangsstufentests zur Sicherung unserer Standards,

auf eine fruchtbare und intensive Verzahnung von Kindergarten und Grundschule, auf neue Formen der Sprach- und Leseförderung, auf eine neu konzipierte mathematische und naturwissenschaftliche Bildung, auf mehr Praxisorientierung und Diagnosefähigkeit in der Lehrerbildung, auf eine Intensivierung der Lehrerfortbildung und auf eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit aller an der Schule Beteiligten.

Finanzielle und stellenwirksame Milliardenforderungen nach der Methode Wolkenkuckucksheim, wie sie auch von Ihnen, der Opposition, oft und natürlich auch gleich wieder gefordert werden, helfen uns nicht weiter, weil sie völlig unrealistisch sind.

(Beifall bei der CSU)

Sie müssen uns erst einmal all die Steuermittel, die Sie uns im Bund genommen haben, wiedergeben; dann kann man eine ganze Menge zusätzlich ausgeben. Ich wünsche mir, dass in Ihren Ländern wenigstens die Planstellen eingestellt werden, die der Freistaat Bayern seinen Schulen zur Verfügung stellt. Ab dann können wir uns weiter unterhalten.

Wir werden auch in Zukunft genau das tun, was wir seit Jahrzehnten erfolgreich getan haben: nicht ideologischen Moden hinterherlaufen, sondern die Schule überlegt und vernünftig reformieren, ohne unsere Überzeugungen zu opfern.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich darauf hinweisen, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt hat, über ihren Antrag namentlich abstimmen zu lassen.

(Zuruf von der CSU: Damit haben wir keine Pro- bleme!)

Ich eröffne jetzt die Aussprache. Im Ältestenrat war dazu eine Redezeit von dreißig Minuten pro Fraktion vereinbart. Da die Frau Ministerin länger gesprochen hat, verlängert sich die jeweilige Redezeit um rund eine Viertelstunde. – Als erste Rednerin hat Frau Abg. Kollegin Radermacher das Wort.

(Zuruf von der CSU: Wo ist denn die Marianne? – Gegenruf der Frau Abg. Werner-Muggendorfer (SPD): Die kommt schon! Tut Euch nicht runter!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner lassen wir uns von Ihnen nicht vorschreiben.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU – Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Lügenbaron Münchhausen wäre vor Neid erblasst, wenn er heute diese Rede gehört hätte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CSU)

Frau Ministerin, ich habe von Ihnen selten eine so scheinheilige, überhebliche und arrogante Rede gehört.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CSU)

Herr Baumert, der Vater dieser Studie, hatte recht, als er sagte, dass er fürchte, dass die Studie nur zum Wahlkampfgetöse dient und nicht ihrem eigentlichen Zweck, nämlich die Dinge im eigenen Land zu verbessern.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CSU)

Man muss sich einmal die Gewichtung der Rede der Frau Ministerin ansehen. Sie hat sich auf 22 Seiten mit allem beschäftigt, nur nicht mit Bayern. Dafür hat sie 8 Seiten in Anspruch genommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke auch, es ist nicht an Dümmlichkeit zu überbieten, seitenlang zu zitieren.

(Zurufe von der CSU)