Protokoll der Sitzung vom 28.01.2004

(Beifall bei der CSU)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Schneider. Bitte, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich deshalb noch zu Wort gemeldet, weil ich es nicht so stehen lassen kann, wie sowohl Frau Kollegin Tolle als auch vor allem Frau Kollegin Schieder die Situation im Ausschuss dargelegt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Situation stellt sich so dar, dass ein Antrag der GRÜNEN und – nachgezogen – ein Antrag der SPD zur Berichterstattung gestellt wurden. Der Ausschuss hat dem einstimmig zugestimmt. Der mitberatende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes hat erst letzten Dienstag seine Sitzung abgehalten. Der Landtag hatte dem Antrag bisher im Plenum noch nicht zugestimmt. Meine Planung war, dass wir, wenn in der heutigen Sitzung der Landtag dem Antrag zustimmt, am nächsten Tag – also morgen – im Ausschuss von der Frau Ministerin eine Darstellung des Konzepts bekommen. Das sollte am Tag nach dem Landtagsbeschluss sein.

Sie haben mir mitgeteilt, Sie hätten den Bericht gern eher. Ich habe mich beim Kultusministerium erkundigt, ob es eine Woche früher möglich ist, einen Zwischenbericht zu erhalten, obwohl der Landtag noch keinen Beschluss gefasst hat. Mir wurde mitgeteilt, prinzipiell kann man einen Zwischenbericht geben, aber die Frau Ministerin kann am 22. Januar nicht kommen. Das habe ich der SPD und den GRÜNEN mitgeteilt, und sie haben zugestimmt, dass wir dennoch eine Woche vorher den Bericht erhalten. Es gehört zur Redlichkeit dazu, die Abläufe so darzustellen, wie sie waren, und nicht etwas heuchlerisch hochzuziehen.

Ich komme zur G 8. Frau Schieder, Sie versuchen hier mit einer künstlichen Aufgeregtheit, ein Thema an sich zu ziehen und eine gewisse Trittbrettfahrerposition einzunehmen, um vielleicht auch politisch Honig aus den Debatten zu saugen. Sie brauchen sich keine Sorgen um die CSU zu machen; überlassen Sie das ruhig uns. Kümmern Sie sich lieber um Ihre Fragen. Ich brauche nur daran zu denken, wie Ihr Bundeskanzler Schröder bei der Agenda 2010 mit Ihrem Gewissen umgegangen ist. Ich denke, da haben wir genug sehen können.

Selbstverständlich wird es eine Änderung des EUG geben. Diese Änderung wird sowohl im Ausschuss als auch im Landtag diskutiert werden.

(Marianne Schieder (SPD): Das ist wohl unvermeidlich!)

Gleichwohl wird es die Aufgabe aller politischen Parteien sein, ihre Konzeption zu einer möglichen Änderung des EUG darzulegen. Unsere Konzeption zum G 8 steht. Ihre bildungspolitische Konzeption besteht entweder aus der Gesamtschule oder der sechsjährigen Grundschule. Wir wissen bis heute nicht: Wollen Sie die sechsjährige Grundschule und das neunjährige Gymnasium, also 15 Jahre, oder wollen Sie ein siebenjähriges Gymnasium? Wie wollen Sie eine Abiturquote von 50 % erreichen? Haben Sie mit dem Philologenverband besprochen, wie Sie gleichzeitig die Qualität erhalten wollen? – Auch bei Ihren Konzeptionen sind noch viele Fragen offen.

Die CSU-Fraktion hat den Grundsatzbeschluss gefasst, dass wir die offenen Fragen intensiv diskutieren wollen. Diese Diskussion läuft gerade bei der Staatsregierung, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen. Wir haben gesagt, wir werden im Februar darüber entscheiden, wie die konkrete Ausgestaltung sein wird. Erst dann werden wir dem Landtag mitteilen können, wie wir uns die Umsetzung konkret vorstellen. Anschließend wird das parlamentarische Prozedere stattfinden.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, viele der Probleme, die jetzt bei der Einführung des G 8 angesprochen werden, sind nicht durch das G 8 allein bedingt. Derzeit wird gelegentlich der Versuch gemacht, alle Probleme, die es beim G 9 gegeben hat, zu thematisieren und der G 8 unterzuschieben, zum Beispiel auch die Frage der Mittagsbetreuung. Wer die Stundentafeln kennt – diese wurden im Landtag beschlossen und hatten die Zustimmung der Landeselternvereinigung und des Philologenverbandes -, der weiß, dass es bereits in der sechsten Jahrgangsstufe verpflichtenden Nachmittagsunterricht bei 32 Wochenstunden gibt. Das ist alles so festgelegt. Da gab es keine aufgeregten Diskussionen, dass die Schüler überlastet sind und dass die Mittagsbetreuung nicht sichergestellt ist usw. Dieses Thema steht an, ob G 8 oder G 9. Diese Diskussion muss mit den Sachaufwandsträgern geführt werden; das ist aber kein Thema, das erst durch die G 8 in den Fokus geraten ist.

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist die individuelle Förderung. Wir scheinen uns relativ einig zu sein, dass das ein Schwerpunkt sein muss. Mit seiner Konzeption des G 8 ist Bayern das einzige Bundesland – so ist es jedenfalls mir bisher bekannt -, das in den Stundentafeln explizit solche Stunden mit zwei Lehrkräften vorsieht, damit wirklich individuelle Förderung erfolgen kann. Das wird die Qualität des bayerischen Gymnasiums erhöhen und dazu führen, dass weniger Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Abitur scheitern.

Ein letzter Satz zum Lehrplan. Der neue Lehrplan für das G 9 ist von einer Stundenausstattung ausgegangen, die in den Kernfächern identisch ist mit der im Vorschlag für die G 8. Das heißt, die Änderungen im Lehrplan werden gerade in der Unterstufe keinen großen Raum einnehmen, sondern es wird lediglich Modifikationen geben. Sie sagen, das, was im G 9 ohne Intensivierungsstunden möglich war, soll beim G 8 mit Intensivierungsstunden nicht möglich sein. Dies kann ich wirklich nicht nachvollziehen.

Es gibt künftig in der G 8 neben der Stundenausstattung, wie sie für das G 9 geplant war, in der fünften und sechsten Jahrgangsstufe zusätzlich drei Stunden mit zwei Lehrkräften und in der siebten Jahrgangsstufe zusätzlich zwei Stunden mit zwei Lehrkräften, um Schülerinnen und Schüler über Klippen und Probleme hinweg zu helfen oder besonders Begabten Zusatzangebote zu machen. Das ist wirklich ein völlig neues Konzept. Das heißt auch, dass sich die Schulen auf die Neuerungen einstellen müssen, aber das Konzept ist von allen als richtig erkannt. Deshalb bitte ich darum, gerade dieses Thema nicht mutwillig und um des kurzfristigen politischen Erfolges willen zu zerreden.

(Beifall bei der CSU)

Zu Wort hat sich gemeldet Frau Kollegin Tolle. Bitte, Frau Kollegin.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Chance nutzen, um einige Dinge klarzustellen. Herr Kollege Schneider, zu den Intensivierungsstunden fehlt mir immer noch die entsprechende Kernaussage. Wenn Sie sagen, dass es im Haushalt 380 Planstellen gibt, dann fehlt mir die Aussage, wie viele davon Gymnasiallehrer sind. Zum Ausfall der Sitzung des Bildungsausschusses möchte ich für meine Person anmerken, dass Sie die Möglichkeit, dass der Bericht in einer Woche gegeben wird, nicht genannt haben. Ich denke, das haben Sie vielleicht versäumt. Damit hätten Sie die eine oder andere Irritation vermeiden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kultusministerin, was ich ganz klar zurückweise, ist Ihre Unterstellung, wir würden einen Popanz aufbauen und die Leute gezielt desinformieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Argumente, die ich vorgetragen habe, stammen nicht von mir, sondern – das können auch alle anderen hier bestätigen – sie stammen aus vielen Briefen, die uns Eltern geschrieben haben. Ich gebe Ihnen den Vorwurf sehr gern zurück, wer nämlich wenig vorzuweisen hat, der lässt viel Raum für viel Spekulation.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt möchte ich mir erlauben, eine kleine Spekulation in den Raum zu stellen, die ich aus der heutigen Presse entnommen habe und die sich auf die Fachoberschule bezieht. Die Fachoberschule, die um ein Jahr aufgestockt wird, ergibt gemeinsam mit der sechsstufigen Realschule, wenn wir es aufaddieren, ein G 9, bei der man – ich unterstelle das einfach einmal; Sie können mich in diesem Punkt gern etwas erhellen – vielleicht die Vermutung offen lässt, man wolle die Elite in das G 8 geben, und der Rest soll es über den Umweg Realschule und drei Jahre Fachoberschule machen. Herr Sibler, ich habe mit Freude vernommen, dass Sie zusätzliche Berichte abgeben wollen. Es wäre ganz nett, Herr Sibler, wenn Sie mir heute schon sagen könnten, wann.

Ich würde Ihnen noch ganz gerne einen Einwand vorhalten, nämlich den, dass ein doppelter Jahrgang an die Hochschulen drängt, die Mittelkürzungen von fünf Prozent zu erwarten haben, und die jetzt – wenn ich dem einen oder anderen Präsidenten, mit dem ich gesprochen habe, glauben darf – versuchen werden, über Numerus Clausus den Studentenberg ein bisschen abzuwehren. Ein Universitätspräsident hat mir gesagt, er vermute, dass vier bis fünf Jahre vergehen werden, bis der Berg von zwei Abiturientenjahrgängen abgebaut sein wird. Diesen Zwiespalt, Herr Kollege Sibler, müssen Sie noch auflösen und mir erklären, wie das funktionieren soll.

Die nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann. Herr Kollege, Sie haben noch acht Minuten, wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf.

Vielen Dank, ich werde die acht Minuten nicht brauchen. Ich möchte auf die wirklich bemerkenswerte Rede unserer Kultusministerin eine Antwort geben. Sie werfen uns, liebe Frau Hohlmeier – wenn Sie vielleicht zuhören wollen –, parteipolitische Agitation vor. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass es nicht nur die SPD ist, die dieses G 8 kritisiert, sondern auch die Eltern, die Schüler, der Philologenverband und alle, die über das G 8 diskutieren, äußern Kritik.

(Beifall bei der SPD)

Wollen Sie denn behaupten, dass diese alle eine parteipolitische Agitation betreiben? Nein, es ist die Sorge um die Schüler und die Eltern, die dazu führt, dass es Proteste gibt, und es handelt sich um keine parteipolitische Agitation. Im Übrigen: In Ihren eigenen Reihen gibt es Gegner des G 8 – nehmen Sie auch das zur Kenntnis –, nur die dürfen in diesem Land und in Ihrer Staatsregierung nichts sagen.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind uns bis heute jegliche Antwort auf die entscheidenden Fragen schuldig geblieben. Auch heute haben Sie – –

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Volkmann?

(Zurufe des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Entschuldigen Sie, Herr Kollege. Ich muss das, was Sie zum Ausdruck gebracht haben, zurückweisen. Das ist kein parlamentarischer Umgang.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte, dass wir uns jetzt wieder beruhigen. Herr Kollege Pfaffmann, warten Sie noch einen Augenblick – es wird Ihnen auch nicht auf Ihre Redezeit angerechnet –, bis sich das Hohe Haus wieder beruhigt hat. Ich bitte jetzt wirklich darum, es ist immer schwierig zu entscheiden, wann man eingreift und wann nicht. Es ist immer auf allen Seiten einmal Unruhe. Ich bitte deshalb darum, dass wir uns alle ein bisschen zusammennehmen, dann muss ich die Glocke nicht so oft betätigen. – Ich bedanke mich bei Ihnen.

Ich möchte wiederholen: Es ist keine der entscheidenden Fragen beantwortet worden. Es ist ein Fabulieren um nichts. Die Frage, wer die Kosten zahlt, Frau Ministerin, ist nicht beantwortet. Was machen die Kommunen, wo ist der Mittagstisch, wo ist die Betreuung? – Nichts! Nur leere Phrasen! Sonst haben wir nichts gehört. Ich kann das gut verstehen. Sie haben keine Antworten auf die entscheidenden Fragen. Das ist das Problem, vor der die Staatsregierung steht.

(Beifall bei der SPD)

Die Staatsregierung lässt sich keine Zeit, vernünftig konzeptionell nachzudenken. Im Hauruckverfahren ein G 8 ohne Konzept einführen zu wollen, ist durchaus eine Chaotisierung der bayerischen Bildungspolitik, für die Sie verantwortlich sein werden, und zwar auch in der Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Zum Lehrplan, der erst im Mai vorgelegt wird: Es ist kein Problem, einen Lehrplan erst im Mai vorzulegen. Das Problem ist, dass Sie einen Lehrplan im Hauruckverfahren vorlegen, den Sie in zwei Monaten anfertigen müssen, und zwar ohne jegliche Beteiligung. Ich finde, das ist ein unverantwortliches Vorgehen gegenüber den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrern.

Noch ein paar Sätze zu Ihren Ausführungen bezüglich der Kommunikation: Das ist schon der Gipfel

der Heuchelei, die eigene Kommunikation zu preisen und in Kempten die Schüler, die Lehrer und die Eltern dreieinhalb Stunden warten zu lassen, bis Sie kommen und Ihr Konzept erklären. Das ist schon ein bemerkenswerter Vorgang. Auch wenn es nur zwei Stunden waren, ist es unvertretbar. Es zeigt, dass Sie gar keine Diskussion wollen, Frau Kultusministerin. Sie wollen mit aller Macht dieses G 8 durchsetzen, ohne auch nur im Geringsten auf die Konzepte und auf die Fragen anderer zu hören. Ich sage Ihnen auch warum. Sie haben sozusagen eine Weisung von Ihrem Ministerpräsidenten bekommen. Das ist doch der wahre Grund, warum das alles so schnell gehen muss, und zwar nicht mit dem Ziel einer Verbesserung der Schulen, sondern Sie unterstützen damit das verzweifelte Bemühen des Ministerpräsidenten, sich im Rahmen der bundesrepublikanischen Diskussion als großer Reformer in Bayern zu profilieren. Das ist der wahre Grund, und Sie machen das zulasten der Lehrer, der Eltern und der Schüler mit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Ministerin Hohlmeier.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Fragen ganz kurz, knapp und bündig beantworten:

Zu der Behauptung, dass ich in Kempten nicht da gewesen sei oder das Konzept erst nach dreieinhalb Stunden habe erläutert werden können: Man sollte sich, bevor man eine Behauptung aufstellt, erst informieren. Ab 14.00 Uhr ist in Kempten von vier Mitarbeitern von mir, weil ich durch die Ihnen bekannte Angelegenheit noch für zwei Stunden aufgehalten worden bin, bereits über zweieinhalb Stunden intensiv diskutiert worden. Dann bin ich gekommen und habe dreieinhalb Stunden mit Eltern, Lehrern und Schülern diskutiert. Währenddessen ist bereits das Konzept in Mindelheim vorgestellt worden, und dort haben wir bis Viertel nach zwölf nachts diskutiert. Wenn hier noch einer behauptet, wir seien nicht diskussionsbereit und nicht dialogfähig, dann muss ich sagen: Das ist Unfug, was Sie behaupten. Man sollte die Tatsachen zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CSU)

Dann zu Ihrem Satz, wer wenig vorzuweisen habe, lasse viel Raum für Spekulation: Was haben Sie denn immer gefordert? Die Forderung war doch, dass wir endlich den Schulen mehr Möglichkeiten zur eigenen Gestaltung geben sollen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Den Rahmen!)

Wir geben den Rahmen der Intensivierungsstunden, Herr Dürr, und den Schulen die Möglichkeit, ein

eigenes Konzept für ihre Schülerschaft, je nachdem, wie begabt sie sind, und je nachdem, welche Probleme vor Ort vorherrschen, selbst zu erstellen und jede Intensivierungsstunde entsprechend ihren Vorstellungen für die Verbesserung der Qualität des Lernens und des Unterrichts einzusetzen.

Ich glaube, besser kann man es nicht machen. Den Wunsch, den Sie vor ein paar Jahren selbst geäußert haben, nun abzulehnen, halte ich für Unfug. Das Konzept ist mehr als sinnvoll.