Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

(Alexander König (CSU): Wir würden gerne Ihre Meinung dazu erfahren!)

Ich sehe den Grund darin, dass Sie sich momentan in einer Phase Ihrer Politik befinden, in der Sie einer sehr großen Anzahl von Menschen glauben, Schlimmes antun zu müssen. In vielen Fällen wollen Sie den Menschen unnötigerweise diese schlimmen Maßnahmen antun. Sie nehmen Einschnitte in das soziale Netz vor, die von der Bevölkerung problematisiert werden und dort nicht auf Zustimmung stoßen.

(Alexander König (CSU): Kommen Sie doch bitte auf das Thema zurück, um das es hier geht!)

Ich komme gleich darauf zurück. Seien Sie doch nicht so ungeduldig. Was ich sage, gehört zu diesem Thema. Sie versuchen mit diesem Thema, von diesen schlimmen Maßnahmen abzulenken. Ich halte das für einen untauglichen Versuch.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Ich muss Ihnen vorhalten, dass Sie massive Einschnitte bei der Jugendverbandsarbeit und bei den Integrationsmaßnahmen vornehmen. Sie wissen, dass viele ernst zu nehmende Menschen darauf hingewiesen haben, dass diese Einschnitte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu f ü h ren werden, dass die Kriminalität in diesem Lande eher zu- als abnehmen wird. Deshalb halte ich es für verfehlt, mit einem solchen Thema im Rahmen der Aktuellen Stunde von dieser Problematik abzulenken. Besser wäre es, Sie würden diese problematischen Einschnitte zurücknehmen und gar nicht erst realisieren.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Ich möchte eine Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Justizministerin Dr. Merk machen: Frau Dr. Merk, Sie haben allen Ernstes behauptet, der Bund verweigere den Opferschutz. Diese Aussage hat mich fast vom Stuhl gehauen. Ich sage Ihnen dazu Folgendes: Sie wissen ganz genau, dass das Opferschutzgesetz von der SPD-geführten Bund e s regierung maßgeblich verbessert worden ist. Herr Kollege Schindler hat Sie bereits darauf hingewiesen, dass der § 66a des Strafgesetzbuches von

dieser Bundesregierung mit der Bundestagsmehrheit verbessert worden ist.

Sie haben im Gefolge von Herrn Kreuzer den Eindruck erweckt, wir kümmerten uns nicht um den Opferschutz kümmern und stellten diesen hintan. Das ist unanständig und belastet die Atmosphäre in diesem Hause. Ich bitte Sie, so etwas in Zukunft zu unterlassen.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 2a

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzaus- gleichsänderungsgesetz 2004) (Drucksache 15/251)

Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 2b

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2003/2004 (Nachtragshaushaltsgesetz 2004) (Drucksache 15/252)

Erste Lesung –

Hierzu erteile ich Herrn Staatsminister der Finanzen, Herrn Prof. Dr. Faltlhauser, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Dezember 2002 haben wir in diesem Hause den Doppelhaushalt für die Jahre 2003/2004 verabschiedet. Wie Sie wissen, haben sich seither die Rahmenbedingungen noch einmal erheblich verschlechtert. Der Nachtragshaushalt 2004 ist von einem weitaus dramatischeren Verfall der Steuerbasis vorgeprägt.

Die letzte Steuerschätzung im November 2003 endete zum sechsten Mal hintereinander mit massiven Steuerausfällen. In der mittelfristigen Finanzplanung fehlen uns daher allein in den drei Jahren von 2004 bis 2006 gegenüber dem letzten Finanzplan 10 Milliarden Euro.

Bundesweit hat der anhaltende Verfall der Steuereinnahmen zu einer Explosion der Verschuldung geführt. Im vergangenen Jahr hat das gesamtstaatliche Defizit ein Rekordniveau von mehr als 86 Milliarden Euro erreicht. Größter Schuldenmacher ist dabei der Bund mit rund 40 Milliarden Euro.

Deutschland hat damit schon zum zweiten Mal in Folge das Defizitkriterium des Europäischen Stabilitätsund Wachstumspakts deutlich verfehlt. Schon jetzt ist abzusehen, dass Deutschland auch dieses Jahr – im Jahr 2004 – die Drei-Prozent-Defizitgrenze nicht einhalten wird.

Die Verantwortung dafür trägt die rot-grüne Bundesregierung. Sie versucht, das Ausufern der Verschuldung und die wiederholte Verletzung des Stabilitätspakts ausschließlich auf die aktuelle Konjunkturlage zu schieben. Sie ist nicht in der Lage, die eigentlichen Ursachen der Finanzkrise unserer öffentlichen Haushalte zu bekämpfen. Die Ursachen der Finanzkrise in Deutschland sind die anhaltende Wachstumsschwäche und die damit verbundene Verschlechterung der Steuerbasis sowie die strukturellen, also konjunkturunabhängigen Defizite der öffentlichen Haushalte in Deutschland.

Wenn wir uns diesen Problemen nicht stellen, werden wir in absehbarer Zeit von der Last der Verschuldung erdrückt, und zwar im Bund, in den Ländern und in den Kommunen. Der Bund allein muss schon heute täglich rund 100 Millionen Euro für Zinszahlungen aufbringen. Welch eine Verschwendung von Gestaltungspotenzial, 100 Millionen Euro täglich für Zinsen auszugeben. Was könnte man damit alles tun.

(Beifall bei der CSU)

Der Freistaat Bayern wird nicht – wie der Bund und viele Länder – die Flucht in die Verschuldung antreten, sondern die finanzpolitischen Herausforderungen annehmen. Wir halten an dem Ziel des ausgeglichenen Haushalts 2006, das wir im Jahr 2000 gesetzlich verankert haben, fest. Wir halten am Kurs einer nachhaltigen Haushaltspolitik fest, mit der allein die politische Handlungsfähigkeit für die Zukunft erhalten werden kann. Wir wollen keine nordrhein-westfälischen oder Berliner Verhältnisse in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb haben wir bisher an diesem Kurs festgehalten und werden dies weiterhin tun. Der Nachtragshaushalt 2004, den ich Ihnen heute im Entwurf vorlege, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein weiterer Meilenstein auf dem langfristigen bayerischen Konsolidierungspfad.

Im Nachtragshaushalt stehen Sparmaßnahmen im Vordergrund. Darauf wollen wir uns aber nicht beschränken. Wir verfolgen bei der Haushaltskonsolidierung vielmehr eine zweigleisige Strategie des Spa

rens und gleichzeitig des Reformierens. Die Staatsregierung hat deshalb das Projekt „Verwaltung 21“, das mein Kollege Huber leitet, auf den Weg gebracht. Ziel ist es, den Staat effizienter, schlanker und bürgerfreundlicher zu machen. Heute ist nur noch ein schlanker Staat dauerhaft finanzierbar. Leider haben andere Länder – auch einige Länder außerhalb Deutschlands – immer noch nicht gesehen, dass wir hier umsteuern müssen. Dafür müssen wir heute die Weichen stellen. Nur so können wir mittelfristig Handlungs- und Gestaltungsspielräume zurückgewinnen. Ich höre immer: Das hat doch noch Zeit. Nein, es hat eben nicht Zeit. Wir können diese Maßnahmen nicht auf die lange Bank schieben. Es ist schon fünf vor zwölf.

Die mit unserem Konsolidierungskonzept verbundenen Einsparungen und Veränderungen haben zum Teil – wir wissen das – heftige Proteste bei den Betroffenen und insbesondere bei deren Interessenvertretungen hervorgerufen. Das ist als erste Reaktion nachvollziehbar. Zum einen werden – das ist unbestritten – zum Teil schmerzhafte Einschnitte vorgenommen; zum anderen sind Interessenverbände natürlich in erster Linie den Partikularinteressen und Besitzständen ihrer Mitglieder verpflichtet. Der Grundtenor lautet – auch gestern in Regensburg habe ich das vor den Toren des Veranstaltungssaals wieder gehört –: „Sparen ja, aber nicht bei mir!“

Eine Umfrage von infratest/dimap vom Januar dieses Jahres hat aber eine breite Zustimmung zu dem Konsolidierungskurs der Staatsregierung – im Übrigen auch bei den Wählern der SPD – offenbart. Dennoch wird die Opposition, wie ich meine, ihrer politischen Verantwortung in dieser Situation nicht gerecht. Statt Lösungen zu suchen, reagiert die SPD mit dem notorischen Reflex: dem Ruf nach neuen Schulden.

Meine Damen und Herren, die öffentlichen Hände haben, wie ich bereits dargelegt habe, im letzten Jahr rund 86 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, und die Volkswirtschaft ist trotzdem geschrumpft. In dieser Situation will die SPD nun mit 1 Milliarde Euro zusätzlichen Schulden gewissermaßen die Konjunktur retten. Das ist nicht einmal ein Faschingsscherz.

(Beifall bei der CSU)

Als Rechtfertigung für die Verschuldungspolitik wurden insbesondere in den Siebzigerjahren die Ideen von Keynes herangezogen. Man hatte insbesondere die Vorstellung, dass der Staat in Zeiten des Abschwungs durch antizyklisches Verhalten – zum Beispiel durch schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme – die Konjunkturwende herbeiführen solle und könne. Dieser ökonomische Ansatz des Keynesianismus ist längst überholt, durch die Praxis widerlegt und gerade in dem großen europäischen Binnenmarkt völlig unbrauchbar. Dennoch ist er immer wieder zu lesen; in Ansätzen geistert er immer noch in den Köpfen einiger herum.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die in schlechten Zeiten aufgenommenen Schulden im konjunkturellen Aufschwung – so wie Keynes es eigentlich gemeint hat – nicht wieder zurückgezahlt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle füge ich hinzu: Bayern ist das einzige Land, das in der Nachkriegszeit, nämlich in den Jahren 1999 und 2000, in nennenswertem Umfang Schulden zurückgezahlt hat. In diesem Sinne haben wir gewissermaßen keynesianistisch und solide gehandelt.

Meine Damen und Herren, eine wirksame Therapie muss bei den Ursachen unserer Finanzkrise ansetzen, und zwar bei den strukturellen Ursachen. Der erste und wichtigste Schritt der Therapie ist die Bekämpfung unserer Wachstumsschwäche. Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit in einer globalen Wirtschaft, also in einem Wettbewerb, der bei der Öffnung der Grenzen zum Osten Europas besonders hohe Anforderungen an uns stellen wird, wieder herstellen. Wir werden noch unser blaues Wunder erleben, was Wettbewerb insbesondere für unsere Grenzregionen heißt.

Wir brauchen einen grundsätzlichen Bewusstseinswandel, eine Kultur, die von Unternehmergeist und Leistungsbereitschaft geprägt ist. Ich meine, wir brauchen ein Stück von jener unkomplizierten, hemdsärmligen Aufbruchstimmung, die Deutschland in den Fünfzigerjahren zum Wirtschaftswunderland gemacht hat. Wir brauchen weniger bürokratische Hemmnisse; wir brauchen weniger Verkrustungen des Arbeitsmarkts; wir brauchen eine Reform unserer umlagefinanzierten Sozialsysteme; und wir brauchen eine grundlegende Steuerreform. Bezüglich der Steuern haben wir ein „Konzept 21“ vorgelegt, das wir in den nächsten Wochen mit dem Konzept der CDU zusammenführen wollen. Die Gespräche laufen, und sie laufen gut.

Mit Wachstumspolitik allein werden wir aber die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte nicht in den Griff bekommen. Wir müssen die Situation realistisch einschätzen: Die Wachstumsraten früherer Zeiten auf dem Niveau von 5 %, 6 % oder sogar mehr Prozent haben wir nicht mehr, und wir werden sie nicht mehr bekommen. Deshalb brauchen wir eine langfristig ausgerichtete, verantwortungsvolle Finanzpolitik, die vor allem auf der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte konsolidiert und im Haushalt strukturelle Defizite beseitigt.

Eine besondere Herausforderung für die personalintensiven Länderhaushalte ist es dabei, die Dynamik der Personalausgaben und Versorgungslasten in den Griff zu bekommen. Wenn wir unsere derzeitigen Rahmenbedingungen beibehalten, werden die Personalausgaben die Gestaltungsspielräume noch stärker aufzehren als bisher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im Jahr 2004 – in dem Ihnen nun vorliegenden Nachtrags

haushalt – eine Personalausgabenquote von 43 %. Ich lese immer von 40 %, wir sind im Staatshaushalt aber bei 43 %. Wenn wir nicht handeln, wird diese Quote aufgrund der Dynamik der Versorgungslasten in wenigen Jahren bei 47 % und mittelfristig bei 50 % liegen. Das gilt nicht nur für Bayern, sondern auch für andere Länder. Die Schlussfolgerung kann dann nur sein: Wir müssen auch und gerade auf dem Personalsektor gegensteuern.

Das zweite große Problem der öffentlichen Haushalte ist die Verschuldung. Die jährliche Neuverschuldung ist längst nicht mehr ein bloßes Symptom für eine ungesunde Haushaltsstruktur. Sie entwickelt sich vielmehr zum eigentlichen Strukturproblem der Haushalte. Ein Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro ist eine Zeitbombe, die unsere Kinder und Kindeskinder in besonderer Weise bedroht. In Nordrhein-Westfalen – wie Sie wissen, lange Jahre von der SPD regiert – wird mit dem Doppelhaushalt 2004/2005 beim Schuldenstand die 100-Milliarden-Grenze durchbrochen. Das allein in einem Land. Die Zinsausgaben liegen dort schon bei 4,7 Milliarden Euro. Die Zinsbelastungsquote dieses Haushalts liegt ausweislich der Unterlagen des dortigen Kollegen bei 10,1rund 10 %. Im Jahr 2003 wurden in Nordrhein-Westfalen allein neue Schulden in Höhe von 6,58 Milliarden Euro aufgenommen.

Bayern hat dagegen Zinsausgaben in Höhe von 1 Milliarde Euro und eine Zinsbelastungsquote von 3 %. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Ausdruck von Stetigkeit, Verlässlichkeit und Solidität der bayerischen Haushaltspolitik in der Vergangenheit und zum heutigen Tag.

(Beifall bei der CSU)

Diese Vergleichszahlen belegen, dass es sich rentiert, solide zu wirtschaften. Wir haben eben mittlerweile gegenüber Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten einen Vorsprung von 7 % Prozentpunkten. Nordrhein-Westfalen trägt das Geld zur Bank, wir können damit in Bayern für die bayerischen Bürger handeln. Gerade weil wir in Bayern schon immer sparsam und solide gewirtschaftet haben, stehen wir heute im Ländervergleich mit allen – ich wiederhole: mit allen. – wichtigen Haushaltskennzahlen mit Abstand am besten da.

Gerade bei den Investitionen haben wir seit vielen Jahren einen erheblichen Gestaltungsvorsprung, wenngleich ich dem Prozentsatz von 1974, als ich in den Landtag gekommen bin, nachtrauere. Damals waren es 26 %. Lange Jahre hat der Haushaltsausschuss unter der Führung von Manfred Ach gemeinsam mit mir eine Investitionsquote von 15 % gehalten. Dieses Mal können wir diese Quote nicht mehr einhalten, wir sind bei 12,4 %. Dabei sind wir aber noch weit über dem Durchschnitt der Flächenländer- West, der bei 10 % liegt. In Nordrhein-Westfalen sind es 7,110 %, in Baden-Württemberg 8,54 %. Das soll uns nicht trös