Protokoll der Sitzung vom 12.02.2004

Diese Politik halten wir für unredlich und eine unredliche Politik werden wir nicht mittragen. Lieber Herr Kollege Ach, weil Sie mich gerade angesprochen haben: Auch ich freue mich natürlich auf die Haushaltsberatungen. Vielleicht – auch wenn das vielleicht der einzig naive Ansatz in meinem Papier ist – überwinden Sie doch noch ihre bisherige Beratungsresistenz und wir kommen gemeinsam zu einem vernünftigen Gesamtergebnis.

(Manfred Ach (CSU): Überwinden auch Sie Ihre einmal! Einseitig geht das nicht!)

Der eingebrachte Haushaltsentwurf, Herr Faltlhauser, ist dafür leider eine ziemlich schwache Basis.

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle. Frau Kollegin Tolle, Sie haben noch 6 Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mein Einzelplan ist der Einzelplan 05 und da könnte frau jetzt schreien: Hurra, der Einzelplan 05 kann – so ist es nachzulesen – mit einer überdurchschnittlichen Steigerungsrate aufwarten. Ich mag Ihnen gerne sagen: Ich sehe das nicht so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will nicht näher auf die Kürzungen bei der Jugendarbeit und beim Sport eingehen – das haben meine Kollegen schon getan -, aber ich bewundere immer wieder, wie es die CSU schafft, den Leuten 30 wegzunehmen, ihnen dann 15 zu geben, sodass die Leute noch das Gefühl haben, sie hätten etwas bekommen. Ich finde, das ist etwas schwierig, aber Ihre Taktik scheint aufzugehen.

Ich komme jetzt zum Bildungsbereich: Bayern behauptet immer, es stehe gut da. Ich meine, wir sollten uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern Bayerns Schülerinnen und Schüler für die Zukunft fit machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Ziel des Ministerpräsidenten ist ein vorderer Platz. Ich sage Ihnen: Mit den Mitteln der Regionalliga kann man nicht in der Champions League spielen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die letzte Iglu-Studie hat es gezeigt: Das bayerische Bildungssystem hat seine Defizite, die soziale Auslese wird immer schlimmer und findet immer früher statt. Für meine Fraktion gilt: Wir wollen Talente finden, fördern und fordern und das Gold aus den Köpfen heben. Dafür brauchen wir mehr Lehrer und andere Unterrichtsformen. Der Haushalt muss dafür die erforderlichen Mittel bereitstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt komme ich zum praktischen Beispiel – das ist das G 8. Ich will gesondert erwähnen: Ich halte es für unprofessionell, dass dem Ministerpräsidenten im November einfällt, jetzt schnell das G 8 einführen zu müssen. Ich glaube, die Erkenntnis hätte er schon vor einem Jahr haben können und dann hätten wir vielleicht in der Umsetzung weniger Probleme gehabt.

Ich komme zum Kernstück des G 8, nämlich zu den Intensivierungsstunden. Ich kann aus dem Haushalt nicht erkennen, wo die dafür erforderlichen Stellen eingestellt sind. Ich darf vielleicht schon vorwegnehmen, dass das Kultusministerium schon eingeräumt hat, man habe eigentlich noch keine Ahnung, wie viel Stellen notwendig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sparen ist schön, wenn Herr Stoiber anschafft, der Bund und die Kommunen aber – wie beim G 8 – seine Pläne bezahlen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich kann Ihnen als Kreisrätin eines klammen Landkreises sagen: Es ist nicht geklärt, wer die Kos

ten der Schülerbeförderung übernimmt, wer die zusätzlichen 10 % übernimmt, die die Kommunen für die Mittagsbetreuung aufbringen müssen, wer langfristig die Umbauten finanzieren muss und wer für die Mittel der Schulbücher sorgt. Das G 8 sei – so hat Herr Stoiber angemerkt – kein Sparmodell. Ich w u n d e re mich aber, warum dann im Haushalt Ausgabenkürzungen vorgenommen worden sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Genau das ist der Widerspruch – das hat mein Kollege Hallitzky schon angemerkt –: Sie erzählen viel, was im Haushalt nicht niedergelegt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn das G 8 kein Sparmodell sein soll, dann ist dieser Haushalt die Nagelprobe. Politik erstreckt sich nicht nur – wie es in Bayern bei der CSU üblich ist – auf verbale Bekundungen, sondern stellt diesen verbalen Bekundungen auch die erford e r l i c h e n Finanzmittel an die Seite. Herr Finanzminister, ich glaube, Sie haben zwei Gesichter. Im Land sagen Sie, es handle sich um kein Sparmodell, und bei den Haushaltsberatungen haben Sie dazu eine ganz andere Meinung.

G 8 kann als kleines Zeichen dafür stehen, was für den Bildungsbereich gilt. G 8 heißt: Gebt acht, und zwar auf Konzept und auf die Kohle. Diese Kohle, Herr Finanzminister, wollen wir haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

D i e Aussprache ist damit geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme erteile ich dem Herrn Staatsminister der Finanzen das Wort. Bitte, Herr Prof. Dr. Faltlhauser.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Angestoßen durch die Wortmeldung des Kollegen Kaiser, der den Haushalt als Instrument der Konjunkturpolitik in den Mittelpunkt gestellt hat, wollte ich einige grundsätzliche Anmerkungen machen: Es ist richtig, dass in der großen Finanzreform zwischen 1967 und 1969 in der Großen Koalition – Sie haben die Namen Plisch und Plum genannt – die Ideenwelt von Keynes in die Verfassung aufgenommen wurde. Ausfluss des Ganzen waren dann das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und einige Änderungen im Haushaltsgrundsätzegesetz. Das war eine völlig neue Sicht des Haushalts – nicht statisch buchhalterisch sollte der Haushalt gesehen werden, sondern er sollte als Instrument der Wirtschaftspolitik gelten und ein Instrument der gesamtwirtschaftlichen Stabilität, der Konjunkturpolitik sein. Das ist in den Artikeln 109 bis 115 des Grundgesetzes niedergelegt.

Ich sage Ihnen: Diese in Verfassung gegossene Wirtschaftsideologie ist falsch und eigentlich wäre dieses Land aufgrund der bisherigen Erfahrungen aufgefordert, diese Artikel zu ändern. Sie weisen in die falsche Richtung. Die Realität hat erwiesen, dass die Instrumente, die daraus fließen, nicht Erfolg haben, bis hin zur mittelfristigen Finanzplanung. Deshalb ist auch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz in seinen mechanistischen Idealen völlig verfehlt.

(Dr. Heinz Kaiser (SPD): Warum haben Sie es nicht geändert, Herr Finanzminister? – Zuruf von den GRÜNEN)

Das habe ich nicht zu verantworten. Nach meiner Meinung müsste da eine Änderung eingeleitet werden. Ich will Franz Josef Strauß nicht zu nahe treten. Aber Strauß hat am Schluss seiner politischen Laufbahn hier oft betont, dass er viele der Änderungen, die er damals als Finanzminister in der Großen Koalition durchgeführt hat, für falsch gehalten hat, auch wesentliche Teile genau dieser Finanzreform, zum Beispiel die Gemeinschaftsaufgabe; das ist belegt. Wenn Staatsmänner hinterher ihre Fehler der Vergangenheit immer offen eingestünden, wäre es sicherlich gut.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Die Instrumentalisierung des Haushalts innerhalb eines europäischen Binnenmarktes ist völlig absurd. Damals sind wir noch von der Vorstellung einer Nationalökonomie ausgegangen; diese gibt es nicht mehr. Wir haben einen großen Binnenmarkt, in dem die Brosamen aus Haushalten mit Sicherheit überhaupt nichts bewirken. Dass dadurch örtlich die eine oder andere Baufirma erhalten oder gestärkt werden kann, ist klar. Die 86 Milliarden Euro Defizit belegen: Die Brosamen haben in der Konjunktur überhaupt nichts gebracht.

Herr Kollege Dr. Kaiser, eigentlich ist jetzt die Aussprache beendet. Aber nachdem der Finanzminister selber unterbrochen hat, denke ich, dass er ausnahmsweise eine Frage zulässt. Bitte schön.

Herr Finanzminister, wäre es nicht konsequent, dass Sie sich als Freistaat Bayern aus dem gemeinsamen Finanzplanungsrat von Bund, Ländern und Gemeinden zurückziehen, wenn diese Gesetze nicht mehr gelten und Sie die gesetzliche Grundlage für diesen Finanzplanungsrat für nicht mehr gegeben halten?

H e r r Staatsminister.

Herr Kollege Kaiser, das ist eine gute

Frage. Der Finanzplanungsrat ist ein Gremium, das nur in dem Gesamtgebäude dieser Verfassungsänderung denkbar ist. Ich bin mit dem amtierenden Bundesfinanzminister Eichel darin einig, dass der Finanzplanungsrat in seiner heutigen Aufgabenstellung überflüssig und im Grunde eine Zeitverschwendung ist.

(Zurufe von der SPD)

Wir haben darüber im Finanzplanungsrat offen gesprochen. Das war weitgehend eine Zwiesprache zwischen Eichel und mir. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass man sich in der heutigen Zeit sehr wohl überlegen muss, wie man den Finanzplanungsrat zu einem echten Koordinierungsinstrument für eine Reihe von Aufgabenstellungen machen kann, etwa in der Überwachung von Verschuldungsgrenzen usw. Das ist im Fluss.

Herr Kaiser, Sie haben sich sogar so weit verstiegen, dass Sie gesagt haben, wir würden gegen das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verstoßen. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz hat nur Zielsetzungen formuliert, aber keinerlei Sanktionen festgeschrieben, wie es im Stabilitätspakt niedergelegt ist. Nicht gegen das Gesetz, aber gegen den Geist dieses Gesetzes verstoße ich gern, weil ich ihn in vielen Teilen für überholt und verfehlt halte.

Herr Kaiser, Sie haben sich auf dünnes Eis begeben und einen Zahlenstreit begonnen. Mit dem Finanzminister und dem Finanzministerium insgesamt einen Zahlenstreit anzufangen – ohne Herablassung: Sie sind in diesem Amt noch neu –, solch einen Streit gewinnen Sie nie.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heinz Kaiser (SPD))

Sie haben zweimal gesagt, wir hätten in unserem Haushalt den Vermittlungsausschuss nicht präzise mit aufgenommen. Ich nenne Ihnen präzise Zahlen, die im Haushalt stehen. Wir haben im Haushalt den Vermittlungsausschuss vom 16.12.2003 mit folgenden Beträgen eingebaut: das Haushaltsbegleitgesetz mit minus 557 Millionen Euro; die Reform der Gewerbesteuer mit minus 192 Millionen Euro. – Ich entschuldige mich, denn ich habe zunächst in meiner Rede freihändig 193 Millionen Euro gesagt. Die komplizierte Eingrenzung von Organschaften und die nachfolgenden Probleme mit der Körperschaftssteuer haben wir mit plus 55 Millionen Euro eingebaut. Dass der Vorschlag Koch/Steinbrück mit 32 Millionen Euro enthalten ist, wirkt überraschend wenig. Aber dieser Betrag wächst erst langsam an. In 2004 werden die Steuervergünstigungen nur um 4 % gekürzt.

Zur Gegenfinanzierung durch den Bund, also zu dem Geld, das in den Zeitungen fälschlicherweise

immer als Privatisierungsgeld genannt wird und das der Bund den Ländern als Ausgleich in diesem Gesamtpaket bezahlt: Der Bund hatte offenbar die Absicht, sich über Privatisierungen zu refinanzieren; das waren 392 Millionen Euro. Das ergibt einen Minusbetrag von 270 Millionen Euro.

Ich sage Ihnen das deshalb so genau, weil ich Sie – auch in den weiteren Beratungen des Haushaltsausschusses – dringend bitte, sich wirklich sehr gut zu präparieren, nichts Falsches zu sagen und sich schon gar nicht dazu zu versteigen zu sagen, wir wären Lügner, wenn Sie Zahlen vorlegen. Ich bitte Sie, derartige Formulierungen im Zusammenhang mit Zahlen hier nicht mehr zu wiederholen.

Sie haben eine falsche Rechnung vorgelegt und gesagt: Ihr spart ja nur 2,6 % des Haushalts ein. Zunächst einmal darf ich hier die Runde fragen, ob – auch im Kreis der CSU – jemand verstanden hat, was die Opposition eigentlich will. Auf der einen Seite beklagen Sie - wie ich gerade in der letzten Rede immer wieder gehört habe -, dass wir an dieser oder jenen Stelle zu brutal sparen und uns im Haushalt auslassen, also zu viel sparen. Andererseits sagen Sie gleichzeitig, wir sparen zu wenig. Wie hätten Sie es nun gerne? Ich kenne Ihre Linie nicht. Sagen Sie deutlicher, was Sie wollen. Sagen Sie entweder, spart ordentlich mehr – einverstanden, das wäre eine klare Linie - oder, das ist alles zu viel, machen Sie deutlich mehr Nettoneuverschuldung. Auch das wäre eine klare Linie. So machen Sie tatsächlich konzeptionell eine Zickzackfahrt, die geradezu peinlich ist.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜNE))

Ich gehe nochmals auf die errechnete Zahl von 2,6 % ein. Die von uns präzise vorgelegten Einsparungen – das werden Sie im Haushaltsausschuss genau nachvollziehen können – im Haushalt in Höhe von 2,071 Milliarden Euro setzen sich zusammensetzen aus 1,663 Milliarden Euro Einsparung in den einzelnen Häusern und aus 408 Millionen Euro Globaleinsparung. Dies sind, gemessen an dem bereinigten Haushaltsvolumen 7,3 %. Sie können die durchlaufenden Posten des Bundes und andere Leistungen, etwa aus Brüssel, nicht mit ansetzen. Das Konsolidierungsvolumen insgesamt beträgt 8,7 %. Da sind wir schon sehr nahe an den 10 %, die wir immer als Zielmarke formuliert haben.

So erfolgreich im Sparen und Konsolidieren ist in der ganzen Bundesrepublik Deutschland kein Land. Wir haben also unsere Zielvorgaben, die der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vorgetragen hat, weitestgehend erreicht, wie die Zahlen belegen.