Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

(Beifall bei der CSU)

Worüber wir diskutieren müssen, ist die Frage, wie wir das G 8 weiter verbessern können. Grundlage dazu dürfen aber nicht irgendwelche Schreckens- oder Horrorszenarien sein, wie wir sie immer wieder hören; Grundlage muss vielmehr eine ehrliche Analyse sein. Dann wird man zu einem differenzierten Ergebnis kommen.

Ich möchte feststellen: Wenn ich mit Lehrern, Eltern oder Schülerinnen und Schülern rede, sind die meisten davon mit der sie betreffenden Schule zufrieden. Zu diesem Ergebnis kommt man, wenn man mit den Betroffenen redet. Zu diesem Ergebnis kommt man auch nach der Evaluierung und anhand von Gesprächen mit Einzelnen, wie zum Beispiel bei der Landesversammlung der Landes-Eltern-Vereinigung vom Wochenende. Es gibt erfreulicherweise auch Berichterstattungen – wie zum Beispiel in der „Süddeutschen Zeitung“; ich glaube es war gestern –, in der ein Schulleiter bekennt, wie gut es an seiner Schule läuft. Verbesserungen werden – insofern gebe ich der Opposition recht – aber bei den Rahmenbedingungen und bei der Ausstattung erwartet. Auf diesen Feldern müssen wir noch einiges voranbringen.

Ich komme zu den Einzelthemen: Bezüglich der Ganztagsangebote haben wir uns zunächst dafür entschieden, an den Gymnasien die offenen Ganztagsangebote fl ächendeckend und bedarfsgerecht auszubauen. Damit ist der Großteil der Eltern zufrieden. Wenn jetzt, wie dies hier geschehen ist, gefordert wird, die Staatsregierung solle sich auch um das Mittagessen kümmern, dann muss ich Ihnen vorhalten: Sie fordern zu Recht – wie wir auch –, dass die Schulen mehr Freiräume bekommen, aber dennoch sollen wir am besten noch den Speiseplan für das Gymnasium bestimmen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der CSU)

Der zweite Punkt: die Unterrichtsversorgung. Gegenwärtig ist die Debatte, wie ich sie wahrnehme, völlig anders, als das im letzten Jahr der Fall war. Denn es ist einiges passiert. So wurden alle Lehrer, die verfügbar waren, auch eingestellt. Allein zum Halbjahr wurden 200 zusätzliche Lehrer eingestellt. Den Schulen wurden Mittel zugewiesen, und zwar pro Schule 15 000 bis 30 000 Euro. Ebenso wurde für die Gymnasien eine Mobile Reserve aufgebaut. All dies zeigt Wirkung. Richtig ist, Frau Kollegin, dass vor der Sommerpause ein Konzept in Bezug auf das Personal für die nächsten Jahre vorgelegt werden muss. Das gilt insbesondere im Hinblick auf das Ziel, welches auch wir verfolgen, die übergroßen Klassen abzubauen.

Zum Thema Klassenstärke möchte ich sagen: Wir haben bei der Oberstufe deutliche Erfolge verzeichnen können. Die Höchstschülerzahlen für die Seminare sollen bei 15 liegen, in den Kernfächern bei 25 und in anderen Fächern bei 28. Das ist ein Riesenerfolg, der viel Geld kostet, der es uns aber auch wert ist.

Ich komme zum Thema Baumaßnahmen: In die Schulbauten wurde und wird viel investiert. Viele Baumaßnahmen sind schon abgeschlossen bzw. stehen vor dem Abschluss.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Welche?)

Dazu gibt es verschiedene Finanzierungsquellen. Das wissen Sie ganz genau. Sie stammen alle von den Steuerzahlern aus Bayern bzw. aus dem Bund.

Kommen wir zum Lehrplan und der Stundentafel: Ich glaube, dass wir zu diesem Punkt eine wichtige, aber von der Bedeutung her überschätzte Debatte führen, denn die Spielräume sind nicht übermäßig groß. Wir werden sehen – es werden gerade Vorschläge erarbeitet –, was im Lehrplan gekürzt werden kann und was notwendig ist. Im April werden die Ergebnisse vorliegen. Ich stelle aber fest, dass es eine gezielte Diffamierung von Wissen, Fakten und Lernen gibt. Ich muss Ihnen schon einmal sagen: Wenn man Transferdenken und methodisches Lernen fordert – dies ist richtig und wichtig, wenn man sich die Verdoppelung des Wissens in kurzen Zeiträumen vor Augen hält –, dann muss man anerkennen, dass Methodik oder Transferdenken nie ohne einen Grundbestand an Fakten und Wissen auskommen, denn ohne Ausgangsbasis, ohne ein Fundament, können Sie nichts transferieren und befi nden sich im luftleeren Raum.

Richtig ist, dass der Schulablauf noch nicht überall optimal gestaltet ist. Wenn zum Beispiel in der 5. oder 6. Klasse an drei Tagen nachmittags Unterricht stattfi ndet, dann liegt das nicht an der Stundentafel, sondern an der Gestaltung der Stundenpläne vor Ort. Bei der vorgesehenen Wochenstundenzahl in der 5. und 6. Klasse kann es nicht sein, dass an drei Tagen nachmittags Unterricht stattfi ndet.

(Beifall bei der CSU)

In diesem Zusammenhang erwarte ich mir vom Kultusministerium klare Anweisungen an die Gymnasien, was gemacht werden kann und was nicht.

Wenn Sie, Frau Kollegin Tolle, Doppelstunden fordern, dann frage ich mich: Wieso? Sie kennen die Modusmaßnahmen in Bezug auf Doppelstunden. Die Einführung und Gestaltung von Doppelstunden ist längst möglich. Also fordern Sie bitte nicht so etwas, sondern weisen Sie darauf hin, dass es gemacht werden soll.

Hinsichtlich der Gestaltung des Schulablaufs erwarte ich, dass an Tagen mit langem Nachmittagsunterricht Regelungen bezüglich der Hausaufgaben geschaffen werden. Richtig ist, dass es nicht sein kann, dass ein Schüler bis 16 Uhr in der Schule ist und dann noch zwei Stunden schriftliche Hausaufgaben zu erledigen hat. Das passt nicht zusammen. Wenn dem so ist, müssen deutliche Richtlinien an die Schulen gegeben werden, um eine notwendige Abstimmung zu erreichen.

Ich komme zum Ende meiner Ausführungen: Unser Ziel ist es, das Gymnasium in der Form des G 8 – kein G 6, kein G 3 oder was auch immer –, des achtjährigen Gymnasiums, zu erhalten. Wichtig ist uns, ein qualitätsvolles und damit wettbewerbsfähiges Abitur zu erhalten. In diesem Zusammenhang muss man den Ausgleich zwischen Fördern und Fordern auf der einen Seite und dem Vermeiden von Überforderung auf der anderen Seite fi nden. Forderungen, das Sitzenbleiben oder schriftliche Hausaufgaben abzuschaffen, helfen uns in dieser Debatte nicht weiter. Wer dergleichen fordert, handelt zum Nachteil der Schülerinnen und Schüler, weil er sie nicht auf das Leben vorbereitet. Das Leben an den Universitäten und auf dem Arbeitsmarkt ist von einem Wettbewerb getragen und dafür wollen wir die Kinder fi t machen.

Wir stehen zu einem Dialog in Bezug auf eine Optimierung, eine weitere Verbesserung des Gymnasiums bereit. Wir stehen dabei in einem Dialog mit den Lehrern, den Eltern und den Schülerinnen und Schülern. Am Ende – dabei gebe ich jedem recht – muss es mehr Investitionen in das Gymnasium geben und am Ende muss es mehr Gestaltungsspielräume für die Schulen geben. Unsere Aufgabe ist es, dies zeitnah umzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Zu einer Zwischenbemerkung hat Frau Kollegin Tolle das Wort.

Erstens, Herr Kollege Eisenreich, ist mir klar, dass Ihnen das Abschaffen des Sitzenbleibens und der schriftlichen Hausaufgaben nicht hilft, es hilft aber sehr den Schülerinnen und Schülern. Und für diese stehen wir hier und kämpfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Zweiten habe ich nicht die Einführung von Doppelstunden gefordert, sondern sie ist hervorzuheben.

Drittens stammen die hohen Investitionen, die Sie genannt haben, nicht aus der bayerischen Staatskasse, sondern aus der Kasse des Bundes.

Schließlich zum eigentlichen Grund, warum ich mich gemeldet habe: Von jemandem, der seit vier Jahren die Gymnasiasten an den bayerischen Schulen am ausgestreckten Arm verhungern lässt und sie als Versuchskaninchen missbraucht, lasse ich mir nicht sagen, wir wollten das Gymnasium schwächen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte für die GRÜNEN-Fraktion Folgendes sagen: Die GRÜNEN-Fraktion kämpft für eine kindgerechte Schule, in der die Talente der Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt stehen. Hierfür ist es unter anderem wichtig, vernünftige Bedingungen zu schaffen und zu überlegen, bevor etwas eingeführt wird.

Ich möchte zwei Dinge nennen, die als Erstes gemacht werden müssen, nämlich kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer. Dafür kämpfen wir. Die Schülerinnen und Schüler werden Ihnen zeigen, wer wirklich auf ihrer Seite ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat Staatsminister Schneider.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr dankbar dafür, dass Kollege Eisenreich das Ganze wieder richtig gestellt und dargelegt hat, wie die Situation tatsächlich ist. Wenn man vor Ort mit Vertretern der Schulen, der Eltern und der Schülerinnen und Schüler spricht, ergibt sich ein anderes Bild als das, das Sie hier zu zeichnen versuchen: dass nämlich alles nur schlecht sei, dass nichts funktioniere, dass die Schule eine Kinderschinderei sei und menschenunwürdig. Das ist nicht die Realität an den bayerischen Gymnasien, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie sich die Mühe machen, die Jahresberichte der bayerischen Gymnasien aus den vergangenen drei Jahren zu lesen, können Sie feststellen, dass es an den Schulen ein breites Angebot von musischen und sportlichen Aktivitäten gibt und dass junge Menschen neben dem Pfl ichtunterricht, auch am Gymnasium, durchaus Zeit haben, sich zusätzlich zu engagieren. In vielen Fächern gibt es eine breite Palette von Angeboten in der Musik über die Kunst bis hin zum Sport.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt aber nicht, dass alles schon an jedem Gymnasium rund läuft; das ist ganz offensichtlich. Deshalb müssen wir die Sorgen der Eltern ernst nehmen. Das ist übrigens kein rein bayerisches Thema. Sie haben auf das Saarland verwiesen. Dort gibt es die gleichen Debatten wie in Bayern,

obwohl man dort, wie Sie sagen, zwei oder drei Jahre früher dran war und alles gut überlegt hat. Trotzdem gibt es auch dort solche Debatten vor Ort unter Eltern, Lehrkräften und Schülern über die Verdichtung der Lehrpläneund ihre Umsetzung. Das ist auch ein Thema, mit dem wir uns in der internen Lehrerfortbildung befassen müssen.

Eines ist aber ganz eindeutig: dass Sie alles tun, um das G 8 schlechtzureden, obwohl Probleme nur hier und dort bestehen. Ihre wahre Absicht – das hat Kollege Eisenreich auch schon gesagt – ist nicht, das G 8 zu erhalten, sondern Sie wollen es abschaffen. Die GRÜNEN wollen auf eine längere gemeinsame Schulzeit dann ein dreijähriges Gymnasium draufsetzen, und von der SPD weiß man noch nicht genau, welches Konzept für das Gymnasium sie hat.

Ich bin deshalb sehr froh, dass bei der Versammlung der Landeselternvereinigung in Bad Aibling zwei Punkte herausgestrichen wurden, dass erstens die Eltern zum gegliederten Schulwesen stehen und dass sie zweitens nicht zum G 9 zurück wollen. Diese Klärung war ganz entscheidend, um miteinander an den Themen arbeiten zu können, an denen wir auch in Zukunft arbeiten werden.

Wir haben beim G 8 einen Paradigmenwechsel vollzogen. Die neuen Lehrpläne fußen nicht mehr auf Detailwissen allein, sondern stellen auch ab auf Grundwissen, Grundkompetenzen, Kompetenzorientierung und Transfer. Ich sage aber deutlich, dass es ohne Detailwissen nicht geht, weil die Schüler einen Grundbestand an Wissen haben müssen, um Transfer- und Vernetzungsaufgaben lösen zu können. Ich sage hier ebenso deutlich wie in Bad Aibling am Samstag: Wir wollen zwar ein Gymnasium von hoher Qualität, aber es muss kind- und jugendgerecht sein. Das bedeutet, dass die Schule für die Kinder da ist, nicht aber die Kinder für die Schule da sind. Das ist ganz eindeutig, und an diesen schönen Grundsatz werden wir uns überall halten; an vielen Schulen wird er bereits beachtet.

Ich nenne nur ein Beispiel dafür, dass dieser Grundsatz offensichtlich nicht überall beachtet wird: In einer fünften Jahrgangsstufe – auch das hat Kollege Eisenreich schon gesagt – gibt es an zwei Nachmittagen Pfl ichtunterricht, und das bei 31 Stunden Unterrichtszeit. Es muss an jedem Gymnasium möglich sein, dass der Nachmittagsunterricht nur an einem Tag stattfi ndet und es nicht zwei oder drei Zwischenstunden gibt, sodass die Pfl icht besteht, an zwei Nachmittagen in die Schule zu gehen. Das sind Organisationsaufgaben, die nicht an allen Schulen so gelöst sind, wie das möglich wäre.

Damit sind wir bei einem weiteren Thema. Sie fordern ständig, dass die Schulen alles allein entscheiden sollen; da soll überhaupt keiner mehr mitreden. Wenn aber dann eine Schule eine Entscheidung getroffen hat, die Ihnen nicht gefällt, soll der Staat genau vorschreiben, wie es richtig wäre. Dieser Spagat ist nicht möglich. Wenn wir uns dafür entscheiden, ein großes Maß an Verant

wortung an die einzelne Schule zu geben, dann müssen wir auch zunächst einmal damit leben, dass eine Schule eine andere Entscheidung trifft, als wir sie uns vorstellen. Wenn diese Entscheidung gegen das Wohl des Kindes ist, müssen wir eingreifen. Ich möchte aber nicht, dass im Landtag über jedes Detail, bis hin zum nahrhaften Mittagessen, entschieden wird, sondern ich möchte, dass von München aus an die Schulen delegiert wird.

(Beifall bei der CSU)

In einigen Bereichen – das habe ich auch deutlich gemacht – werden die Entscheidungen im April getroffen. Eine Entscheidung gilt der Stofffülle. Der Herr Staatssekretär ist damit beauftragt worden, im Ministerium – das ist nicht neben dem Ministerium – die Erfahrungen aus den Schulen zu sammeln und auszuwerten, damit in allen Fächern für alle Jahrgangsstufen eine Revisionsschau möglich ist. Dann wird entschieden, ob der zunächst am grünen Tisch beschlossene Lehrplan – jeder Lehrplan wird zunächst am grünen Tisch gemacht – in der Wirklichkeit 1 : 1 umzusetzen ist. Diese Auswertung habe ich im letzten Schuljahr in Auftrag gegeben. Im Herbst kamen die Rückmeldungen, und wir sind darangegangen, die Auswertungen zusammenzuführen, und wollen dann einen Vorschlag machen.

Es ist ganz eindeutig, und wir müssen es immer wieder betonen, dass der Lehrplan nicht mit dem Lehrbuch gleichzusetzen ist. Anders ausgedrückt: Das Schulbuch ist nicht der Lehrplan. Die Lehrkräfte haben deshalb die Pfl icht, genau darauf zu schauen, was im Lehrplan steht und was Zusatzübungsmöglichkeiten und Vertiefungsmöglichkeiten in den Lehrbüchern sind. Diese Übungen sind nicht Pfl icht und gehören vor allem nicht zu den verpfl ichtenden Leistungsfeststellungen. Deshalb werden wir bei der Zulassung von Büchern künftig darauf achten, dass deutlich zwischen der Pfl icht und der Kür, also den zusätzlichen Übungen, unterschieden wird, um ein klares Signal an die Schulen zu geben.

Das Thema „Stundenbelastung“ werden wir auch vor dem Hintergrund der KMK-Beschlüsse diskutieren und am 22.04. Vorschläge vorlegen.

Zu den Hausaufgaben gibt es die deutliche Aussage, dass an den Tagen, an denen nachmittags Pfl ichtunterricht ist, keine schriftlichen Hausaufgaben für den nächsten Tag aufgegeben werden dürfen.

(Beifall bei der CSU)

Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die offensichtlich als solche nicht überall erkannt wird. Deshalb wird das verpfl ichtend festgelegt werden.

Für mich ist bei der Rhythmisierung ganz entscheidend, dass ein Miteinander von Schule und Elternvertretern gewährleistet sein muss. Deshalb werden wir die Frage der Rhythmisierung viel stärker als bisher in das Schulforum geben, um die Eltern einzubinden.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Tolle? Staatsminister Siegfried Schneider (Kultusministeri- um): Ja.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie machen Ausführungen dazu, wie Sie den Lehrplan kürzen wollen. Ich frage Sie: Wie kommt es, dass Herr Gremm bei der Anhörung im Juli 2007 auf die Frage nach der Kürzung der Lehrpläne geantwortet hat, substanzielle Kürzungen seien weder nötig noch möglich? Was ist in der Zwischenzeit in Ihrem Ministerium passiert, dass Sie jetzt doch Lehrpläne entschlacken wollen, und was muss ich von solchen Äußerungen bei Anhörungen halten, wenn deren Gültigkeit nicht einmal die Sommerpause übersteht?