Sehr geehrter Herr Minister, Sie machen Ausführungen dazu, wie Sie den Lehrplan kürzen wollen. Ich frage Sie: Wie kommt es, dass Herr Gremm bei der Anhörung im Juli 2007 auf die Frage nach der Kürzung der Lehrpläne geantwortet hat, substanzielle Kürzungen seien weder nötig noch möglich? Was ist in der Zwischenzeit in Ihrem Ministerium passiert, dass Sie jetzt doch Lehrpläne entschlacken wollen, und was muss ich von solchen Äußerungen bei Anhörungen halten, wenn deren Gültigkeit nicht einmal die Sommerpause übersteht?
Frau Kollegin Tolle, ich weiß, dass das nur eine rhetorische Frage ist. Wir haben bei der Einführung des Lehrplans ganz eindeutig noch nicht genügend Erfahrungen gehabt. Deshalb wurden immer wieder Rückmeldungen aus den Schulen eingefordert. Nach fast vier Jahren des achtjährigen Gymnasiums ist ein Überblick notwendig. Wir werten jetzt die Eindrücke aus, die uns die Schulen selbst gemeldet haben. Am 22.04. können Sie überprüfen, ob Ihnen das genügt, was gestrichen wird, oder nicht. Wir werden auf jeden Fall eine Reduzierung in den Fächern haben, und zwar unterschiedlich intensiv, weil die Rückmeldungen von jedem Fach unterschiedlich sind.
Seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums sind mittlerweile über 1500 zusätzliche Lehrkräfte an den Gymnasien eingestellt worden. Zum Halbjahr haben wir noch einmal zusätzlich 200 Lehrkräfte eingestellt. Kollege Eisenreich hat bereits betont, dass wir Lehrkräften mit einem Qualitätsabschluss immer ein Angebot gemacht haben, abgesehen von den Fächern Musik und Kunst, wo wir nicht jedem ein Angebot machen konnten.
Wir haben den Schulen zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt, um vor Ort mit zusätzlichen Aushilfen aktiv werden zu können. Das Ergebnis ist eine gute Unterrichtsversorgung in vielen Bereichen des Gymnasiums in diesem Schuljahr.
Mittlerweile haben wir an 170 Gymnasien offene Ganztagsangebote. Ich sage auch hier: Jedem Antrag einer Kommune wurde bisher eine Zusage erteilt. Wenn eine Kommune oder ein Sachaufwandsträger den Antrag stellt, dann wird dieser vom Kultusministerium genehmigt, und diese Anträge wurden auch in der Vergangenheit genehmigt. Wir haben an jedem dieser Gymnasien eine Ausstattung mit Mensen, mit Kantinen, damit eine gute Mittagsverpfl egung für die Kinder gewährleistet ist. Das wird fi nanziert aus Geldern des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ – IZBB –, aber
auch aus Geldern des Freistaats infolge des Konnexitätsprinzips. Die Einrichtungen wurden also aus Geldern beider Seiten fi nanziert.
Die Oberstufe wird derzeit mit großem Aufwand auch im Hinblick auf Fortbildungsmaßnahmen vorbereitet. Sie können sich die Rückmeldungen geben lassen. Für mich ist dabei ganz entscheidend, meine Damen und Herren, dass wir den Wert des Abiturs behalten. Ich möchte in Bayern keine Situation haben wie in Frankreich oder in anderen Ländern, die Modelle durchführen, die Sie uns immer wieder vorschlagen. Dort ist es so, dass jemand zwar ein Abitur in der Hand hat, die Universitäten sich dafür aber gar nicht interessieren, sondern ein Vorstudium zur Pfl icht machen. In Finnland beispielsweise dauert es bis zu vier Jahre, bis jemand einen Studienplatz bekommt. So etwas ist nicht unser Ziel! Wenn Abitur drauf steht, dann muss auch Abitur drin sein, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich glaube, wir müssen eines deutlich machen: Man kann den Erfolg des achtjährigen Gymnasiums erst dann beurteilen, wenn ein ganzer Durchgang abgeschlossen ist. Herr Pfaffmann, Sie haben gerade davon gesprochen, dass das Gymnasium so viele Schüler verliert. Das waren aber offensichtlich Zahlen des G 9, die Sie zur Hand genommen haben, denn am achtjährigen Gymnasium ist der Anteil der Schüler, die nicht erfolgreich sind, massiv zurückgegangen. Ich sage noch einmal, damit Ihnen auch die Zahlen vor Augen stehen: Die Wiederholerquote, die wir bisher am achtstufi gen Gymnasium messen können – –
Hören Sie doch erst einmal zu. Die Pfl ichtwiederholerquote am achtjährigen Gymnasium beträgt 1,7 %.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es reicht schon, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass ein Rückgang der Wiederholerquote für das pfl ichtgemäße Wiederholen am achtjährigen Gymnasium ganz eindeutig feststellbar ist. Außerdem haben wir im Freistaat als einzigem Land in der Bundesrepublik Intensivierungsstunden.
(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Jetzt sind Sie aber alle überrascht! – Gegenrufe von Abgeordneten der SPD – anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten). Das Interesse auf der linken Seite des Hauses scheint nicht gerade groß zu sein. Nun gut.
Also, ich habe Ihnen die Daten gesagt, damit Sie nicht wieder das Gegenteil behaupten müssen, dass Sie angeblich die Zahlen nicht gekannt haben. Also noch einmal zu den Intensivierungsstunden: Wir sind das einzige Land, das Intensivierungsstunden in dieser Form eingeführt hat: doppelte Besetzung mit Lehrkräften. Wir werden daran festhalten, dass dieser Umfang erhalten bleibt. Ich sage ganz offensiv: Wir müssen an die Stofffülle heran, an die Stundenbelastung und an die Organisation, an die Rhythmisierung und an die Hausaufgaben. Das habe ich bereits angesprochen. Wir müssen das tun und gleichzeitig die Rahmenbedingungen an den Gymnasien so gestalten, dass die Dinge, die in manchen Bereichen von den Eltern zu Recht kritisiert werden, abgestellt werden können.
Herr Minister, einen Augenblick noch. Ich erteile Herrn Kollegen Pfaffmann das Wort für eine Zwischenbemerkung.
Ich möchte zunächst einmal Folgendes feststellen, weil uns immer vorgeworfen wird, wir würden das Gymnasium schlechtreden oder wir würden das Gymnasium in Gefahr bringen:
Die einzigen, die das Gymnasium in Gefahr gebracht haben, waren Sie, weil Sie die Schulzeit ohne Konzept verkürzt haben.
Das muss ich schon einmal feststellen: Wir hätten keine Probleme am G 8, wenn Sie die Schulzeit nicht überfallartig, quasi über Nacht, verkürzt hätten.
Sie sagen immer, Herr Eisenreich, das Gymnasium sei eine der tragenden Säulen des Bildungssystems. Dann frage ich Sie: Warum behandeln Sie das Gymnasium so schlecht? – Das würde ich schon gerne wissen.
Ich will Ihnen auch noch etwas zum „Schlechtreden“ sagen. Die Behauptung, wir würden das Gymnasium schlechtreden, trifft nicht zu. Wir lesen nur Zeitung. Ich darf Ihnen ein paar Überschriften vorlesen.
„Der Spiegel“ schreibt zum G 8: „Ein marodes System“. In der „Süddeutschen Zeigung“ war zu lesen: „Widerstand gegen die Paukschule“. Im „Donaukurier“: „Chaos am G 8“. „Mittelbayerische Zeitung“: „Krisenherd G 8“. Und in der „Zeit“ war zu lesen: „Kinderarbeit – ein pädagogisches Desaster“. Ihr Ministerpräsident, Herr Beckstein, sagte: „Wir müssen das G 8 entschärfen“. – Warum müssen wir das G 8 entschärfen? – Wenn ich Sie hier gehört habe, gerade Herrn Eisenreich, dann besteht doch überhaupt keine Veranlassung, am Gymnasium etwas zu entschärfen. Dann ist doch alles gut.
Fragen Sie doch einmal Herrn Pschierer, Ihren eigenen Fraktionskollegen. Herr Pschierer redet Ihnen ins Gewissen und sagt: „Wir haben ein Ankündigungsministerium“, und er spricht von „Bulimie-Lehrplänen“. Das sind doch nicht wir, die hier ständig Kritik vortragen!
Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir das parlamentarische Recht haben, zu kritisieren, was in diesem Land schlecht ist. Das werden auch Sie nicht ändern!
Ich stelle fest: Sie lesen nicht nur selektiv, Sie hören auch nur selektiv. Entweder Sie haben nicht zugehört oder Sie wollen nicht zuhören. Was wir gesagt haben, sowohl Herr Kollege Eisenreich als auch ich, war kein Schönreden. Wir haben beide gesagt, wir nehmen die Sorgen der Eltern wahr. Wir werben dafür, dass die Schulen in Ruhe und gut arbeiten können. Man darf die Diskussion nicht missbrauchen, um das durchzusetzen, was man eigentlich gern möchte: Das Gymnasium herauskegeln, damit man die Einheitsschule einführen kann. Das ist doch das Thema!
Hier hat doch niemand gesagt, dass Sie das Gymnasium schlechtreden. Herr Kollege Eisenreich und ich haben gesagt: Man muss auf die wahren Hintergründe achten.
Die GRÜNEN sind wenigstens so ehrlich und sagen, dass sie eine zehnjährige gemeinsame Schule wollen. Darauf wollen sie ein dreijähriges Gymnasium setzen. Von der SPD wissen wir noch nicht, was sie genau will. Wollen Sie ein Gymnasium oder wollen Sie es nicht? – Diese Haltung wurde kritisiert, nichts anderes. Von Schlechtreden war hier nicht die Rede. Dieses Argument wird immer im Hinblick auf die Hauptschule vorgebracht, doch dafür gibt es auch genügend Belege.
Vielen Dank, Herr Minister. Es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung. Dafür trenne ich die Anträge wieder. Zunächst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/10172 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Keine. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/10177. Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe? – Enthaltungen? – Damit ist das Abstimmungsergebnis das gleiche wie zuvor; der Antrag ist abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Konsequente Umsetzung des Schutzes vor den Gefahren des Rauchens (Drs. 15/10173)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Kathrin Sonnenholzner, Joachim Wahnschaffe u. a. u. Frakt. (SPD) Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Gesundheitsschutzgesetz – GSG) (Drs. 15/10180)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf hin, dass beide Antragsteller, also beide Fraktionen, Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt haben. Ich sage dies, damit Sie sich bereits jetzt darauf einrichten können. Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Bause.